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Von Wien nach Hollywood
Korngold und andere aus Europa emigrierte Komponisten prägten die frühe Filmmusik in Hollywood. Sein Violinkonzert steht bei den Wiener Symphonikern auf dem Programm –gemeinsam mit einer Brahms-Bearbeitung des ebenfalls nach Kalifornien emigrierten Arnold Schönberg
VON GEROLD GRUBER
Die europäischen Emigrant:innen haben die Filmmetropole Hollywood geprägt. Anfangs gab es Jobs noch zuhauf, spätere Ankömmlinge hatten es schwer. Max Steiner und Erich Wolfgang Korngold avancierten zu den Begründern der »klassischen« orchestralen Filmmusik, Arnold Schönbergs expressive Musiksprache konnte nie an einem konkreten Projekt erprobt werden.
Europäische Künstler:innen gestalteten von Anfang an den US-Film mit. Auch das Studio-System, eine Grundlage der Erfolgsgeschichte, ist weitgehend von Emigrant:innen ins Leben gerufen worden. Drei Emigrationswellen haben die Filmmetropole Hollywood geprägt, zunächst vor und während des Ersten Weltkriegs als erste Phase, die zweite Welle erfolgte mit Beginn und den ersten Erfolgen des Tonfilms. Zuletzt haben die horrenden politischen und sozialen Umbrüche, bedingt durch die Machtergreifung der Nazis 1933 und die Auslöschung Österreichs 1938, die dritte Emigrationswelle eingeleitet.
Mit dem Erfolg des Tonfilms wurden auch neue Filmstile entwickelt wie der Revue-Film, dessen Stars u. a. Marta Eggerth und Jan Kiepura waren, die zuerst in Wien und Berlin, sodann in Hollywood zum Liebes- und Sängertraumpaar gekürt wurden. Der Filmsong wurde durch Walter Jurmann und Fritz Spielmann, beide aus Wien, zu einem neuen Genre. Max Steiner (»Gone with the Wind« 1939, »Casablanca« 1942) war zwar vor der Machtergreifung der Nazis nach Hollywood gekommen, war aber auch nicht »verschont« geblieben. Er konnte 1938 unter dramatischen Umständen seinen Vater Gabor Steiner (einen jüdischen Impresario von mehreren Wiener Theatern) aus Wien herausholen, der Besitz seines Vaters wurde von den Nazis »arisiert«.
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Erich Wolfgang Korngold mit seiner Familie bei der Abreise in die USA 1936
Erich Wolfgang Korngolds Filmmusikkarriere begann mit der Einladung von Max Reinhardt, die Musik von »A Midsummer Night’s Dream« (1934) nach der Vorlage von Felix Mendelssohn Bartholdy zu gestalten. Korngold (geboren in Brno, aufgewachsen in Wien) bearbeitete die Vorgabe so innovativ, dass die Musik zwar Aufsehen erregte, der Film jedoch floppte. So wurde er in der Folge mit Filmmusik-Aufträgen zu »Captain Blood« (1935) und »Anthony Adverse« (1936) bedacht, bei denen noch die Filmabteilung mit einem Oscar ausgezeichnet wurde. Erst mit »The Adventures of Robin Hood« (1939) gewann Korngold als Komponist allein den Oscar.
Nach 1945 war es sein Ziel, wieder in Europa und vor allem in Wien an seine Erfolge vor dem Weltkrieg anzuknüpfen, was ihm bedauerlicherweise nicht gelang. Auch sein heute beliebtes Violinkonzert fiel durch, da es zu viele Filmmusikanklänge hatte. Dies war natürlich ein Fehlurteil, da Korngold nicht nach Filmmusik klingt, sondern Filmmusik nach Korngold.
Alle jene, die erst nach Steiner und Korngold ankamen, wie Erich (Erik) Zeisl und Ernst Goldner (Ernest Gold), hatten es viel schwerer. Sie kamen zu einer Zeit, da alle wesentlichen Posten bereits vergeben waren. Im Horrorgenre konnten zwei Wiener Komponisten, Hans Julius Salter und Ernst Toch, wesentliche Akzente setzen – Salter errang fünf, Toch zwei Oscarnominierungen. Wie Korngold versuchte Toch nach dem Weltkrieg, wieder in Europa Fuß zu fassen, was ihm aus ähnlichen Gründen misslang. Zynisch meinte er, dass er der »meistvergessene« Komponist des 20. Jahrhunderts wäre.
Arnold Schönbergs expressive Tonsprache beeindruckte, und das Interesse an seiner Musik, zuerst in Berlin und nach seiner Emigration in Hollywood, war groß. Doch eine künstlerische Zusammenarbeit mit dem Film scheiterte vermutlich an seinen hohen Ansprüchen. Viele seiner Werke, etwa »Erwartung« und »Die glückliche Hand«, hatten – obgleich schon zwischen 1909 und 1913 entstanden – durchaus kinematographische Dimensionen. Am nächsten kam Schönberg dem Film mit seiner »Begleitungsmusik zu einer Lichtspielszene« (1929), mit den Teilen »Drohende Gefahr – Angst – Katastrophe«. Inwiefern sich Schönberg aber einem nicht von ihm selbst geschaffenen Skript unterwerfen hätte können, wurde nie ausgetestet.
Weitere Informationen finden Sie unter exilarte.org
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Do, 04/05/23 & Fr, 05/05/23, 19.30 Uhr · Großer Saal
Wiener Symphoniker · Gil Shaham, Violine · Oksana Lyniv, Dirigentin
Erich Wolfgang Korngold: Schauspiel-Ouverture op. 4 · Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 35; Johannes Brahms: Klavierquartett Nr. 1 g-moll op. 25 (Bearbeitung für Orchester: Arnold Schönberg )
Ticketbezug: https://konzerthaus.at/konzert/eventid/60121
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Oksana Lyniv