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BEETHOVENS ERSTER OPERNLIBRETTIST Anmerkungen zu Joseph Sonnleithner
Ludwig van Beethovens einzige Oper, Fidelio, beruht – der Legende nach auf einer wahren Begebenheit: Eine Frau hatte sich, verkleidet als junger Mann, Zutritt in ein Gefängnis verschafft, um ihren Gatten aus seiner ungerechtfertigten Gefangenschaft zu befreien. Aus diesem Vorfall formte in den späten 1790er-Jahren Jean-Nicolas Bouilly ein Opernlibretto. Angeblich war er selbst Zeuge dieses Geschehens, vielleicht sogar mehr. Denn Bouilly leitete während der Jahre der französischen Diktatur einen Verwaltungsbezirk in der Nähe von Tours. Hat der literarisch ambitionierte Beamte selbst diese Befreiung aus dem Gefängnis ermöglicht, sich gar in der Rolle des Ministers ein Denkmal gesetzt, wie einige mutmaßen?
Früh erweckte dieses um Gattenliebe und Freiheit kreisende Geschehen das Interesse von Komponisten. Die erste Vertonung, Leónore ou L’Amour conjugal, stammt von dem 1760 in Béziers geborenen, 1825 in Charentonle-Pont nahe Paris verstorbenen Pierre Gaveaux. Uraufgeführt wurde diese opéra-comique 1798 im Théâtre Feydeau in Paris. Beethoven erlangte Kenntnis von diesem Sujet durch Ferdinando Paër, der einige Zeit als Kapellmeister am Wiener Kärntnertortheater wirkte und das Sujet unter dem Titel Leonora ossia l’Amor conjugale (Uraufführung 1804 in Dresden) vertonte. 1808 war Leonora oder Die eheliche Liebe, wie der Titel dieser Oper auf Deutsch lautet, erstmals in Wien zu sehen. Beethoven besaß von der Partitur eine Abschrift. Um diese Zeit entstand noch eine weitere italienische Fidelio-Vertonung: die farsa sentimentale L’amor coniugale des 1763 in Mendorf (heute Altmannstein bei Eichstätt) geborenen, 1845 in Bergamo verstorbenen Johann Simon Mayr. Sie war erstmals 1805 im Teatro Nuovo, Padua, zu hören.
1804 trat der Intendant des Theaters an der Wien, Peter von Braun, an Beethoven mit dem Wunsch heran, ein Bühnenwerk für sein Haus zu schreiben. Schon Ende 1803 hatte Beethoven Bouillys Libretto Joseph Sonnleithner gegeben, dass er daraus eine deutsche Version erstelle. »Ich bitte sie nun innigst zu sorgen, dass bis künftigen halben April das Buch, was den poetischen Theil betrift, ganz fertig sey, damit ich fort arbeiten kann und die Oper längstens bis Juni kann aufgeführt werden«, drängte der Komponist bald seinen Librettisten. Er selbst nahm sich eine Auszeit von seiner Oper, um die Klaviersonaten Opus 54 und 57 sowie das Tripelkonzert zu konzipieren, ehe er im Herbst 1804 die Arbeit an seiner Oper fortsetzte. Im Spätsommer 1805 lag die Partitur fertig vor. Dass sie nicht wie geplant am 15. Oktober, sondern erst ein Monat danach uraufgeführt werden konnte, lag zum einen an der Zensur, welcher der Inhalt dieser Novität zu revolutionär schien, zum anderen an einigen der Darsteller, die mit den Herausforderungen ihrer Rolle zu kämpfen hatten.