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Beamter und Librettist

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Zurück in Wien, zählte Joseph Sonnleithner zu den Gründern des Kunst- und Industrie-Comptoirs in Wien, das er in den wenigen Jahren seines Bestehens auch leitete. 1804 wurde er zum Hoftheatersekretär, was heute der Position eines Theaterintendanten entspricht, ernannt. Bis 1814 leitete er neben dem (alten) Burgtheater und dem Kärntnertortheater zeitweilig auch das Theater an der Wien. Er erweiterte das Repertoire durch Werke von Shakespeare und Calderon, gab Lustspiele, unter anderem von Tirso de Molina, heraus. In der Oper setzte er den Schwerpunkt auf italienische und deutsche Werke und verfasste eine Vielzahl von Opernlibretti. Darunter für mehrere Werke für den aus Budweis gebürtigen, in Wien verstorbenen Adalbert Mathias Gyrowetz, für Luigi Cherubinis Dreiakter Faniska und die erste Fassung von Beethovens Fidelio.

Beethoven beharrte übrigens lange darauf, die Oper Leonore zu nennen. Das wollten die Verantwortlichen des Theaters an der Wien nicht, da sie Verwechslungen mit den bisherigen Leonore-Opern befürchteten. Deshalb entschied man sich als Werktitel für Fidelio, eine Bezeichnung, die einem Märchenspiel von Shakespeare, Cymbeline, entlehnt ist. Fidelio ist der Deckname für die Königstochter Imogen. Sie sucht in Männerkleidern nach ihrem Mann, den Intriganten der Untreue bezichtigen.

Am 20. November 1805 erlebte Beethovens Oper unter dem Titel Fidelio oder Die eheliche Liebe ihre Uraufführung. Erfolg war es keiner. Bereits nach der dritten Aufführung am 22. November zog Beethoven das Werk zurück. War das Werk für das Publikum zu anspruchsvoll? Lag der Grund des Misserfolgs darin, dass Wien eben erst von den napoleonischen Truppen besetzt worden war und sich im Premierenpublikum zu einem Großteil französische Offiziere befanden, die offensichtlich andere Erwartungen an die Novität setzten? Beethoven überarbeitete schließlich das Werk, Georg Friedrich Treitschke wurde sein neuer Librettist.

Die Frage, ob bei Fidelio der ersten oder den beiden folgenden Fassungen, von denen sich die letzte, am 23. Mai 1814 am Wiener Kärntnertortheater uraufgeführte, durchgesetzt hat, der Vorzug zu geben ist, beschäftigt nach wie vor Wissenschaftler wie Interpreten. Joseph Sonnleithners Libretto jedenfalls ist, wie etwa der Beethoven-Experte Lewis Lockwood ausführt, alles andere als schlecht, sondern vielmehr gut gemacht, wie ein Vergleich seiner Fassung mit den französischen und italienischen Versionen zeigt. Es entsprach den Forderungen an die Gattung des Melodramas durch die Kombination einer kleinen Intrige unter den Nebencharakteren (dem Gefängniswärter Rocco, seiner Tochter Marzelline und ihrem Verehrer Jaquino) mit kraftvoll-pathetischen Szenen für die Hauptdarsteller (die verkleidete Heldin Leonore, der leidende Gefangene Florestan und der verbrecherische Gefängnisgouverneur Pizarro).

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