S U L P WIR
WIRPLUS Juli 2016
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WIRPLUS Juli 2016
ZUVERLÄSSIG UND WAHR UND FAIR EDITORIAL
Der Schweizerische Gewerbeverband will Taten sehen: Nachdem der Bundesrat es versäumt hat, Massnahmen zur Senkung der Regulierungskosten für Unternehmen zu ergreifen, fordert der Gewerbeverband nun eine Gesetzesvorlage – andernfalls werde man die Forderung nach einem Bürokratieabbau über eine Volksinitiative durchsetzen (S. 36). Dass der Amtsschimmel in blendender Form ist, spüren auch grössere Genossenschaften wie die WIR Bank. Der statutarische Einzelabschluss mit zuverlässiger Darstellung – kurz Geschäftsbericht – genügt den Anforderungen nicht mehr: Ein True and Fair View genannter Abschluss ist seit 2015 zusätzliche Pflicht – und ein zusätzlicher Kostenfaktor. Damit habe der Gesetzgeber den Vogel abgeschossen, ins Visier genommen habe er aber Platzhirsche, also wirkliche Grossgenossenschaften wie Coop oder Migros, meinte CEO Germann Wiggli an der Generalversammlung der WIR Bank (S. 4). Weniger Lohn als Männer für gleiche Arbeit oder Entlassung bei Schwangerschaft: Frauen haben zu kämpfen, Gleichberechtigung hin oder her (S. 33). Aber auch wer als Mann nur Teilzeit arbeiten, die Hausmannsrolle übernehmen oder einen Vaterschaftsurlaub einfordern will, darf mit Gegenwind rechnen. Ende Mai hat der Dachverband der Schweizer Männer- und Väterorganisationen das nationale Programm MenCare vorgestellt. Ziel: die gerechte Verteilung von bezahlter und nicht bezahlter Arbeit zwischen den Geschlechtern. Dem Mann (wieder) eine Stimme verleihen will auch der Basler Arzt Marco Caimi. Zu viele seiner
Patienten – Caimi nennt sie lieber Gäste – erinnern ihn an grasfressende Kühe, wo sie doch als Löwen geboren seien. In der ersten Männerpraxis der Schweiz sind aber nicht nur Männer auf der Suche nach ihren Alpha-Anteilen. Auch Frauen sind als Gäste willkommen, denn: «Frauen sind medizinisch-psychologisch viel mehr an Männern interessiert als wir an Frauen oder gar an uns selbst» (S. 12). Walentina Wladimirowna Tereschkowa und Swetlana Jewgenjewna Sawizkaja waren 1963 bzw. 1982 die ersten Frauen im All. Astronaut darf sich nennen, wer 100 km über der Erde schwerelos geschwebt ist. Das trifft heute nur auf wenige Menschen zu, wird aber nicht immer so bleiben. Mehrere Firmen wollen die Ersten sein, die kommerzielle Flüge in den Weltraum anbieten können. Davon werden Space-Coaches wie der Berner Lorenz Wenger profitieren: Sie bieten das mentale Coaching an, das für dieses letzte Abenteuer der Menschheit unabdingbar und für die heute schon erschwinglichen Parabelflüge empfehlenswert ist (S. 20). Ohne Vorbereitung und per ÖV oder Auto erreichbar sind das Chaplin’s World (S. 24) und der Limmathof in Baden (S. 8) – sie versprechen nicht Schwerelosigkeit, aber Unbeschwertheit.
DANIEL FLURY
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INHALT
SEITE 4
SEITE 27
Die WIR Bank verfolgt eine Wachstumspolitik: 220 Genossenschafterinnen und Genossenschafter haben an der Generalversammlung eine Kapitalerhöhung beschlossen.
3-D-Drucker bedeuten ein Revival des Heimwerkers: Heute wandern z.B. Haushaltapparate in den Müll, wenn ein Teilchen bricht – künftig werden wir Ersatzteile selbst ausdrucken und ersetzen.
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4 GENERALVERSAMMLUNG DER WIR BANK GENOSSENSCHAFT WIR-System der Zukunft 8 NEUE BÄDER FÜR NEUE BADEGÄSTE IN BADEN
Hotel Limmathof
12 MEHR HUMOR UND SINNLICHKEIT
Die Männerpraxis von Marco Caimi
16 ERSTE EMISSION DER EFIAG
20 DAS ALL IST (FAST) FÜR ALLE 24 VEVEY IM RAMPENLICHT
Chaplin’s World in Corsier-sur-Vevey
27 DIE VERHEISSUNGEN DES 3-D-DRUCKERS 30 DIE ZEUGNISPFLICHT DES ARBEITGEBERS 33 DIE BIOLOGISCHE UHR TICKT
Prof. Ursula Guggenbühl
36 HALBZEIT IM STRATEGIEPROGRAMM
Dr. Richard Schwertfeger
39 JUBELMENSCHEN IM RÜCKEN
Kolumne Willi Näf
40 CARTOON
SEITE 33
41 AGENDA
Schwangerschaft ist kein Grund für Diskriminierung am Arbeitsplatz. In der Praxis sieht es oft anders aus. Partnerschaftliche Kommunikation hilft, Probleme gar nicht aufkommen zu lassen.
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WIR-SYSTEM DER ZUKUNFT GENERALVERSAMMLUNG DER WIR BANK GENOSSENSCHAFT IN BASEL
Die WIR Bank verfolgt eine konsequente Wachstumsstrategie.
An der 83. Generalversammlung wurden die Jahresrechnung mit einem erneut sehr guten Ergebnis, die vom Verwaltungsrat beantragte Dividendenerhöhung mit Reinvestition in Stammanteile sowie eine Kapitalerhöhung diskussionslos genehmigt. Auf grosses Interesse stiessen die Ausführungen von VR-Präsident Oliver Williman und CEO Germann Wiggli zum wirtschaftlichen Umfeld und vor allem zur Neupositionierung der WIR Bank, mit der insbesondere das WIR-System erfolgreich in die Zukunft geführt werden soll.
Die Weltwirtschaft sei im vergangenen Jahr moderat gewachsen, erklärte VR-Präsident Oliver Willimann zu Beginn seiner Ausführungen. Positive Zahlen habe es in der Eurozone und in den USA gegeben, jedoch kaum in den Schwellenländern. Die Lage der Schweizer Wirtschaft könne insgesamt als stabil bezeichnet werden. Die Aufhebung der Kursuntergrenze des Schweizer Frankens gegenüber dem Euro durch die Schweizerische Nationalbank habe zu einem Nullwachstum des realen BIP in den ersten drei Quartalen des Jahres geführt. Ein Einbruch der nationalen Wirtschaftsleistung habe hingegen nicht stattgefunden, was in Anbetracht der schwierigen Rahmenbedingungen ein beruhigendes Zeichen sei. Für die Banken deutlich spürbar und unverändert hoch sei der Regulierungsdruck. «Er ist zu einem grossen Teil international getrieben und beeinflusst die Kostensituation der Schweizer Banken negativ.»
Neupositionierung der Bank Grosses Gewicht legte Oliver Willimann in seinem Jahresbericht auf die Neupositionierung der WIR Bank, an der seit Ende 2014 gearbeitet und deren Umsetzung noch dieses Jahr gestartet wird. Obwohl bereits diverse Vermutungen zirkulieren und – wie Voten und Diskussionen an der Generalversammlung zeigten – diese zum Teil in falsche Richtungen gehen, wollte Willimann den Schleier nicht lüften. Klar ist: «Die WIR Bank verfolgt eine Wachstumsstrategie, denn angesichts der Grösse der Schweizer KMU-Landschaft ist das Potenzial des WIRNetzwerks noch lange nicht ausgeschöpft.» Ein wichtiger Pfeiler des Neuauftritts wird die Digitalisierung sein. Willimann: «Die durch das WIR-System bereits bestehende Vernetzung mit und unter unseren 4
Kunden lässt sich ideal in den digitalen Bereich ausweiten.» Effizienter gestalten lassen sich künftig auch die Kundeneröffnungsprozesse und die Beratungsaktivitäten der WIR Bank. Die aus den zahlreichen Projekten resultierenden Produkte und Dienstleistungen sollen ab dem Lancierungstag neue Kundenkreise erschliessen, gleichzeitig aber auch die bestehende Kundschaft für die neuen Möglichkeiten begeistern. Das angestrebte Wachstum lässt sich nicht ohne Anpassungen an der Organisation und nur unter Pflege einer positiven Unternehmenskultur innerhalb der WIR Bank bewerkstelligen. Grossen Stellenwert geniessen deshalb der Informationsaustausch und die Kommunikation unter den Mitarbeitenden. Regelmässige Teamevents, Informationsveranstaltungen oder der alle drei Jahre stattfindende Geschäftsausflug stärken den Zusammenhalt auch über Abteilungsgrenzen hinaus. Grosser Wert wird seit Längerem auf die Aus- und Weiterbildung gelegt. «2015 investierte die WIR Bank 730 000 CHF in die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeitenden», unterstrich Oliver Willimann. Erstmals hat das Unternehmen neben der klassischen Banklehre auch drei Praktikumsplätze für den sogenannten Bankeinstieg für Mittelschulabsolventen angeboten. Die WIR Bank profitiert in besonderem Mass von der Berufsbildung junger Menschen, da praktisch alle ehemaligen Lernenden nach ihrem Abschluss im Unternehmen bleiben.
Gute Konditionen und KMU-Netzwerk Mehr als ein Jahr nach der Aufhebung der Kursuntergrenze durch die Schweizerische Nationalbank SNB sei der Schock immer
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VR-Präsident Oliver Willimann.
CEO Germann Wiggli.
Dividende: Erhöhung und Dividende mit Reinvestition in Stammanteile Gewinnverteilung und Kapitalerhöhung genehmigt noch spürbar, auch wenn sich die Situation stabilisiert habe, meinte Germann Wiggli, Vorsitzender der Geschäftsleitung der WIR Bank. Die Einführung von Negativzinsen durch die SNB habe dazu geführt, dass die Absicherungskosten für Ausleihungen im Hypothekarbereich stark zugenommen und sich die Zinssätze für Sparkonten bei vielen Banken gegen Null bewegt hätten. Um den Immobilienmarkt zu stabilisieren, seien 2015 regulatorische Verschärfungen bei der Kreditvergabe und erhöhte Eigenkapitalanforderungen eingeführt worden. «Aufgrund dieses schwierigen Umfelds ist unser positives Resultat umso höher zu werten», betonte Germann Wiggli, «dazu beigetragen haben sicherlich unsere guten Konditionen für Kundeneinlagen, die nach wie vor hohe Nachfrage nach Wohneigentum und unser KMU-Netzwerk.» Im Geschäftsjahr habe sich die Bilanzsumme um 12,4% auf 5,20 Mrd. CHF erhöht und somit zum ersten Mal die 5-MilliardenSchwelle überschritten. «Damit bewegen wir uns im gewichtigeren Fünftel der Kategorie ‹Kantonal- und Regionalbank, Sparkassen und andere Banken›», erklärte Germann Wiggli. Die Ausleihungen an Kunden seien um 424,1 Mio. bzw. 10,4% auf 4,50 Mrd. CHF/
Die Generalversammlung hat … – … der vom Verwaltungsrat vorgeschlagenen Verwendung des Bilanzgewinns von 13,9 Mio. CHF zugestimmt. Den freien Reserven wurde 13,75 Mio. CHF zugewiesen. Die Dividende aus der Reserve für Kapitaleinlagen beträgt 10 CHF (Vorjahr: 9.75 CHF) pro Stammanteil. Für die Ausschüttung der Dividende werden 9,5 Mio. CHF der Reserve für Kapitaleinlagen entnommen. Damit erfolgt die Ausschüttung ohne Verrechnungssteuerabzug und ist steuerfrei, sofern die Stammanteile in Privatbesitz sind. – Speziell an der diesjährigen Dividende ist die automatische Reinvestition in Stammanteile (s. Kasten S. 6) – … der vom Verwaltungsrat vorgeschlagenen Kapitalerhöhung zugestimmt (s. Kasten S. 7) – …dem Verwaltungsrat und der Geschäftsleitung Decharge erteilt. – … die Deloitte AG, Basel, für ein weiteres Jahr als statutarische Revisionsstelle gewählt.
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Stärken den Zusammenhalt unter den Mitarbeitenden der WIR Bank: gemeinsame Unternehmungen wie hier der Geschäftsausflug in den Kanton Graubünden.
CHW, die Kundeneinlagen um 12,7% auf 3,79 Mrd. CHF/CHW (nur CHF-Kundeneinlagen: +16,1% auf 3,008 Mrd. CHF) gestiegen.
sehr gut da, betonte Germann Wiggli: Die regulatorischen Erfordernisse würden jeweils deutlich übertroffen.
Erfolgreich im harten Kreditwettbewerb Im Weiteren erklärte Germann Wiggli, dass die WIR Bank ihren Jahresabschluss zum ersten Mal nach den neuen Rechnungslegungsvorschriften, die seit dem 1. Januar 2015 in Kraft sind, publiziert habe. 2015 beläuft sich der Geschäftserfolg auf 26,3 Mio. CHF. Der Gewinn erhöhte sich um 1,5% auf 13,7 Mio. CHF. Auch betreffend Eigenkapital und Liquidität stehe die WIR Bank
Geschäftsbericht der WIR Bank Detaillierte Angaben zum Geschäftsjahr 2015 finden Sie im Geschäftsbericht unter – www.wir.ch/geschäftsberichte oder bestellen Sie die gedruckte Version unter – Tel. 061 277 93 06, nadja.maurer@wir.ch
Dividende mit Reinvestition in Stammanteile Für jeweils 40 Stammanteile pro Depot (bzw. ein Mehrfaches davon) erhielten die Stammanteilhalter einen Stammanteil, was einem «Kaufpreis» von 400 CHF entspricht. Dies ergab beim Kurs vom 21. Mai 2016 von 470 CHF eine Ermässigung von rund 15% und ist somit sehr attraktiv. Wenn die (restliche) Anzahl Stammanteile pro Depot nicht ausreichte für einen neuen Stammanteil, blieb die ausbezahlte Dividende von 10 CHF pro Stammanteil auf dem Konto. Auch die Dividende mit Reinvestition in Stammanteile ist für natürliche Personen in der Schweiz einkommenssteuerfrei.
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Der Bruttoerfolg aus dem Zinsengeschäft sei um 20,0% auf 56,1 Mio. CHF, der Nettoerfolg um 7,9 Mio. oder 16,9% gesteigert worden. «Mit einem Anteil von 68,6% am Gesamterfolg – im Vorjahr waren es 57,8% – ist das Zinsengeschäft weiterhin unser mit Abstand stärkster Ertragspfeiler», betonte Germann Wiggli weiter. Wiggli konnte eine Erhöhung der Hypothekarforderungen CHF/ CHW um 9,4% auf 3,53 Mrd. Franken bekanntgeben. «Die Kundenausleihungen der WIR Bank sind zu 84,2% durch Kundeneinlagen gedeckt», betonte Germann Wiggli, «als weitere wichtige Refinanzierungsquelle und zur Steuerung der Zinsänderungsrisiken dienen Pfandbriefdarlehen und neu auch Obligationenanleihen der EFIAG Emissions- und Finanz AG.» (Anm. d. Red.: vgl. S. 16)
Sorgenkind WIR-Umsatz Der Erfolg aus dem Kommissions- und Dienstleistungsgeschäft habe sich um 5,4% auf 25,9 Mio. CHF reduziert, erklärte Germann Wiggli. Der Kommissionsertrag aus dem WIR-Verrechnungsverkehr, die mit Abstand grösste Position im Erfolg aus dem Kommissions- und Dienstleistungsgeschäft, reduzierte sich von 23,1 Mio. auf 21,3 Mio. CHF. Den WIR-Umsatz mit einem Minus von 5,6% auf 1,35 Mrd. CHW bezeichnete Germann Wiggli als «unser Sorgenkind». Dies sei ein unbefriedigendes Ergebnis, vor allem wenn man sich das Potenzial vor Augen halte. Die Erneuerung des WIR-Systems sei äusserst wichtig. «Wir müssen in Zukunft dem WIR-System den Platz in der Schweizer Wirtschaft geben, den es verdient», betonte Germann Wiggli. Der Netzwerkgedanke solle gefördert, das System vereinfacht, ausgebaut und verjüngt werden, damit es für noch mehr Schweizer KMUs attraktiv werde. Je grösser das Netz sei und je erfolgreicher alle zusammenarbeiten würden, desto mehr würden alle Beteiligten profitieren. Es
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sei schon viel geleistet worden, meinte Germann Wiggli: «Nun gilt es, uns weiterzuentwickeln und uns fit für die Zukunft zu machen.»
Den Vogel abgeschossen Abschliessend kritisierte Germann Wiggli die neue Gesetzgebung, die Grossgenossenschaften (mit mehr als 2000 Genossenschaftern) ab 2015 zu einer neuen Rechnungslegung verpflichtet («True and Fair View»). Banken mit einer deutlich höheren Bilanzsumme müssten diesen Abschluss nicht vorweisen, wenn es sich um Aktiengesellschaften handle. «Grossgenossenschaften
mit über 2000 Genossenschaftern, egal welcher Bilanzgrösse, z. B. kommunale Fernsehgenossenschaften, sind genauso dazu verpflichtet wie wir», betonte Wiggli. Dabei sei es eigentlich die Absicht gewesen, bei grossen Genossenschaften wie Coop oder Migros mehr Transparenz zu schaffen. Die Umstellung auf diese neue Rechnungslegung sei für die WIR Bank mit einem beträchtlichen Mehraufwand verbunden. Wiggli: «Ich hoffe, die Politiker der Zukunft schaffen pro neues Gesetz mindestens zwei alte ab.» ROLAND SCHAUB
Kapitalerhöhung 2016 Die Generalversammlung der WIR Bank vom 18. Mai 2016 hat der vom Verwaltungsrat vorgeschlagenen Kapitalerhöhung zugestimmt. Diese wurde notwendig wegen der laufend höheren Eigenmittelanforderungen der Finanzmarktaufsicht und der zukünftigen Wachstumsstrategie der WIR Bank. Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA verlangt unter Basel III1 eine Eigenkapitalquote von 13,7%. Per 31. Dezember 2015 betrug die Eigenmittelquote der WIR Bank 14,7%. Sie hat sich seit der letzten Kapitalerhöhung (30. September 2013) zwar nur leicht vermindert und die Erfordernisse von Basel III müssen erst im Jahr 2019 erfüllt werden. Doch zwei Faktoren führen schon früher zu einem erhöhten Eigenmittelbedarf: – der für 2017 geplante Wechsel der Berechnung der Eigenmittelerfordernisse im Kreditbereich (Umstellung auf SA-BIZ per 30.6.2017); – die Wachstumsstrategie der WIR Bank.
Dieser erhöhte Eigenkapitalbedarf kann im momentanen wirtschaftlichen Umfeld nicht allein durch erarbeitete Mittel gedeckt werden. Die Kapitalerhöhung wurde wie folgt durchgeführt: – Ordentliche Kapitalerhöhung: Ausgabe von 190 000 Stammanteilen mit einem Nominalbetrag von 3,8 Mio. CHF. Diese 190 000 Stammanteile wurden den bisherigen Stammanteilhaltern zum Ausgabepreis von 360 CHF angeboten, das Bezugsverhältnis betrug 5:1. – Genehmigte Kapitalerhöhung: Ausgabe von maximal 60 000 Stammanteilen unter Ausschluss des Bezugsrechts. Diese Stammanteile sind bestimmt für das Mitarbeiterbeteiligungsprogramm (PSP), die Erfolgsbeteiligung, allfällige Dividenden mit anschliessender Reinvestition in Stammanteile und für neue Genossenschafter. Die Liberierung erfolgte am 30. Juni 2016. Die neuen Titel sind pro rata temporis ab 1. Juli 2016 dividendenberechtigt. Mit «Basel III» werden die aktuellen Vorschriften des Basler Ausschusses der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) zur Bankenregulierung bezeichnet.
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NEUE BÄDER FÜR NEUE BADEGÄSTE IN BADEN
Touristen und Kurgäste sollen nach Baden zurückkehren; ein neues Thermalbad von Mario Botta hat vergangenen Mai die Baubewilligung erhalten. Ein Hotel hat sich über alle Jahre erfolgreich bewiesen und setzt auf die touristische Zukunft der Bäderstadt: der «Limmathof».
Thermalbad im «Novum Spa»: baden im mineralreichsten Thermalwasser der Schweiz.
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Das historische Gebäude «Novum Spa».
Der «Limmathof» allerdings besteht aus zwei Häusern, einem alten, 1834 erbauten und vor 15 Jahren total sanierten, und einem neuen, das vor rund fünf Jahren anstelle des ehemaligen Hotels «Hirschen» entstanden ist. Die beiden Gebäude, auf die sich die 20 Hotelzimmer verteilen, sind nicht etwa zusammengebaut; nein, sie stehen mehrere hundert Meter auseinander. Zudem werden sie durch die Limmat voneinander getrennt, die über einen Fussgängersteg überquert werden kann. Und sie liegen erst noch auf dem Gebiet zweier Gemeinden, der Stadt Baden und Ennetbaden, das sich 1819 von Baden loslöste.
Hoteldirektor Lorenz Diebold.
Als er im August 2015 seine Stelle im Hotel Limmathof in Baden antrat, wurde Lorenz Diebold, 32 Jahre alt, nicht nur zu einem der jüngsten Hoteldirektoren der Schweiz. Er übernahm auch eine herausfordernde Aufgabe. Der «Limmathof» ist ein gehobenes Viersternhaus mit 20 Zimmern, einem öffentlich zugänglichen Bade- und Wellnessbereich namens Novum Spa und privaten, zweistundenweise mietbaren Spa-Suiten. Bis zu vier Gäste können es sich in diesen edel anmutenden Rückzugsräumen gemütlich machen, die mit Whirlpool, Sauna oder Dampfbad, Dusche und Ruhezone ausgestattet sind. Werner Eglin, der Hauptaktionär der Limmathof AG, der das Hotel gehört, «hat mit den SpaSuiten eine Vision realisiert», sagt Direktor Diebold.
Das Gebäude «Private Spa» auf der Ennetbadener Flussseite beherbergt vier Private-Spa-Suiten und zehn Zimmer.
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Thermalbad von Mario Botta
Foyer im «Novum Spa» mit Réception für Hotel-/Wellnessgäste und Fitnessmitglieder.
Wo sich schon die Römer geräkelt haben Die Rahmenbedingungen, die Lorenz Diebold und sein Team meistern, sind also anspruchsvoll. Ebenso herausfordernd ist die allgemeine Situation im traditionsreichen Badeort mit seiner schmucken, kleinen Altstadt, dem Bäderquartier. Hier hatten sich schon die Römer im warmen Quellwasser geräkelt, die dem Ort den Namen Aquae Helveticae gaben, die helvetischen Wasser. Im Mittelalter waren die Badener Bäder bekannt und beliebt wegen der Freizügigkeit, die hier herrschte. Ein eigentlicher Badeboom setzte Mitte des 19. Jahrhunderts ein; zahlreiche Hotels wurden gebaut. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg erreichte der Badetourismus seinen Höhepunkt, doch Kriegs- und Krisenjahre machten diesem ein Ende. Das majestätische «Grand Hotel» aus den 1870er-Jahren am Limmatknie ging pleite und wurde 1944 abgerissen. Wenn man sich in der Bevölkerung umhört, ist die Stadt Baden mitverantwortlich für den Niedergang: Ab etwa 1900 hat Baden voll auf die Industrialisierung gesetzt, mit Brown Boveri als Flaggschiff und wichtigstem Arbeitgeber; den Tourismus habe man vernachlässigt. Wo sich einst reiche und anspruchsvolle Zürcher, Berner, Elsässer und Deutsche, Franzosen und Belgier ein Stelldichein gaben, wo Hermann Hesse und andere Berühmtheiten ihre Spuren hinterliessen, herrscht Tristesse: Nur der «Limmathof» und das benachbarte Hotel «Blume» - beide Häuser gehören dem WIR-Netzwerk an – mit seinem mediterran anmutenden Atrium sind noch in Betrieb. Alle anderen Häuser, etwa der «Ochsen», der «Bären» und der einst prachtvolle «Verenahof» aus dem 19. Jahrhundert sind schon länger geschlossen. Im Juni 2012 musste auch das öffentliche Thermalbad die Türen schliessen, weil sich eine dringend notwendige Sanierung nicht finanzieren liess. Das Novum Spa im alten «Limmathof» ist deshalb momentan das einzige öffentlich zugängliche Thermalbad in der Bäderstadt. 10
Doch nun soll der neue Aufschwung kommen: Soeben ist die Baubewilligung für ein grosses, vom Tessiner Architekten Mario Botta entworfenes Thermalbad erteilt worden. «Damit bleibt das Ziel, das neue Thermalbad am 1. September 2018 zu eröffnen, realistisch», sagte Benno Zehnder, Verwaltungsratspräsident der Verenahof AG, gegenüber der «Aargauer Zeitung». Einige alte und nicht so alte Gebäude werden dem Botta-Bau weichen. Neben dem eigentlichen Thermalbad wird auch ein Wohn- und Geschäftshaus zu stehen kommen. Man darf sich auf die Neubauten freuen, die zudem auch die Uferpromenade an der Limmat aufwerten und zur Attraktivität des Ortes beitragen werden. Auch in den «Verenahof», den «Ochsen» und den «Bären» soll neues Leben einziehen. Hier sollen ein Gesundheits-, Präventions- und Rehabilitationszentrum mit Arztpraxen, ein Diagnostik- und Therapiezentrum sowie ein Zentrum für ganzheitliche Chinesische Medizin entstehen. Dazu sind auch 35 Wohnungen geplant. Das Bewilligungsverfahren läuft; die Denkmalpflege hat, vor allem im «Verenahof», ein gewichtiges Wort mitzureden.
Exklusive Badeerlebnisse im «Limmathof» Lorenz Diebold freut sich über die neuen Mitbewerber. «Mit der Schliessung des öffentlichen Thermalbades vor vier Jahren ist es schwieriger geworden, im Bäderquartier zu geschäften», sagt er, «weil die Laufkundschaft ausblieb.» Mit dem neuen Thermalbad, den Arztpraxen, Kliniken und Wohnungen wird Badens Altstadt
Der Ruheraum.
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Private-Spa-Suite «Diamant» .
Längerfristig müsse man über zusätzliche Hotelzimmer nachdenken, meint er. Wobei das relativ schwierig werden dürfte: Die Eigentumswohnungen in den oberen Stockwerken des neuen und im vorderen, an den Fluss anstossenden Trakt des alten «Limmathof» sind alle verkauft. Lorenz Diebold, so scheint es, ist nicht der einzige, der an Badens Zukunft glaubt. Oder überhaupt an die Zukunft: Neuerdings gibt es in der Garage des «Limmathof» eine Steckdose, an der Tesla-Besitzer ihre Elektroautos anschliessen können. PC
Private-Spa-Suite «Mondstein» für exklusive Schönheitsrituale zu zweit.
aufgewertet und neu belebt. Und zusammen mit dem Casino in der Nachbarschaft, «einem wichtigen Bestandteil des Tourismusangebots», wird die Bäderstadt wieder zu einem attraktiven Reiseziel, ist Diebold überzeugt. An ihm soll es jedenfalls nicht liegen, sagt der «Limmathof»Direktor: Die überwiegende Mehrheit seiner Gäste sind momentan noch Geschäftsreisende. «Lokale Unternehmen und Organisationen bringen uns den grösseren Teil des Umsatzes», sagt der Direktor. Doch das soll anders werden, vor allem an den Wochenenden: «Wir bemühen uns sehr, mehr Ferienreisende zu gewinnen.» Attraktive Wochenendarrangements mit Gratiseintritt ins Casino, vergünstigter Zugang zu den Spa-Suiten und weitere Bonbons wirken bereits. Vor allem Zürcher hätten gemerkt, dass man sich in Baden, nur 25 Kilometer entfernt, bestens entspannen und erholen könne, sagt Diebold: «Die Zahl der privaten Gäste nimmt zu», freut er sich. «Vor allem Paare entdecken unser Angebot.» Lorenz Diebold und seine Marketingverantwortliche Steffi Becherer strahlen Optimismus aus: «Allmählich werden die exklusiven Badeerlebnisse bekannt, die wir zu bieten haben», sagt sie.
Das «Novum Spa» ist vom 25.7.-5.8.16 für Revisionsarbeiten geschlossen. In dieser Zeit profitieren die Gäste von folgenden Vorteilen: – 10% Ermässigung auf die Hotelübernachtung – Drei Stunden zum Preis von zwei in den Private-Spa-Suiten
Fit mit WIR Fürs Fitnesscenter und Spa mit Thermalbad kann man eine Privat- oder Firmenmitgliedschaft lösen. Eine private Jahresmitgliedschaft kostet 1800 Franken, eine unpersönliche Firmenmitgliedschaft mit zwei übertragbaren Mitarbeiterkarten 3600 Franken. Diese kann immer zu 100% mit WIR bezahlt werden. Im Rahmen einer Aktion im Juli und bis Ende August 2016 bietet der Limmathof zudem Eintritte ins Novum Spa zu 100% WIR an (normaler Annahmesatz: 30%). Die Membership im Novum Spa ist exklusiv: Es hat nur rund 200 Mitglieder.
Das gesündeste Wasser Im Badener Bäderquartier gibt es insgesamt 18 Thermalquellen. Das Wasser stammt aus einer Tiefe von bis zu 3000 Metern und gilt mit seinem hohen Gehalt an Mineralien wie Eisen, Fluor, Jod, Kalium, Calcium, Magnesium usw. als mineralienreichstes der Schweiz. Der «Limmathof» pumpt täglich gut 70 000 Liter Thermalwasser in seine Spabereiche und kühlt das Wasser von rund 47 Grad Celsius auf angenehme 36 Grad.
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MEHR HUMOR UND SINNLICHKEIT DIE MÄNNERPRAXIS VON MARCO CAIMI
Dr. med. Marco Caimi zu … … Sterbehilfe: In gewissen Situationen wichtig und richtig. … Präimplantationsdiagnostik: Verstehe zu wenig davon, um mich zu äussern – Joker. … Einheitskrankenkasse: Noch mehr Staat? Nein danke! … Hausarztmangel: Hausgemacht. Machen wir den Beruf des Arztes, insbesondere des Hausarztes, weiterhin noch schlechter, dann wird der Nachwuchs noch rarer ... … In einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist: Abgegriffen, aber noch zu hundert Prozent wahr!
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… Vegetarier vs. Allesfresser: Der Mensch ist grundsätzlich ein Allesfresser, ein Omnivore. Vegetarier fühlen sich oft moralisch erhaben. Logisch, denn: Im Begriff selbst steckt auch das Wort Arier. Böse, gell?
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Als Gäste versteht der Basler Arzt Dr. med. Marco Caimi (54) seine Patienten, und als Gast fühlt man sich sofort nach Betreten der Praxis. Und vielleicht sogar auch noch nach der ersten Spritze oder Blutentnahme. Das Besondere an Caimis Praxis ist aber ihr Status als erste Männerpraxis der Schweiz. Der Sohn eines Tessiners und einer Katalanin («nicht Spanierin …») und Vater von zwei erwachsenen Kindern ist von der Notwendigkeit von Männerärzten überzeugt: Das starke Geschlecht sinniere nicht nur zunehmend über «weiche» Faktoren wie Beziehungsprobleme und Selbstbild, sondern habe generell einen schwächeren Bezug zu seiner Gesundheit als Frauen, die wie selbstverständlich ihre Frauenärztin oder ihren Frauenarzt konsultieren können. Seine «psychohygienische Erholung» findet Marco Caimi als Fan des FC Basel, als Kabarettist, als Autor von Fachsellern und Krimis – wohl nicht zufällig ist sein Kriminalkommissär Sergi Guardiola ein Exilkatalane – sowie im Yoga, im Krafttraining und im Ausdauersport. Letzterem steht zum Ausgleich die Lust an gutem Essen, an roten Weinen und an Weizenbier gegenüber. In Basel hat Caimi studiert, dort lebt er mit seiner Partnerin und empfängt seine «Gäste»; für sein kreatives Schaffen zieht er sich regelmässig an den Schluchsee in Deutschland oder nach Stellenbosch in Südafrika zurück.
An der Notwendigkeit von Frauenärztinnen und -ärzten besteht kein Zweifel, aber weshalb braucht es Männer ärzte? Aha, bei Frauen besteht kein Zweifel, dass es Fachärzte braucht ... – warum nicht bei Männern? Sind wir Männer eine medizinische Parallelgesellschaft oder die schlechteren Menschen? Gerade weil Männer noch keinen solchen Bezug zu ihrer Gesundheit haben wie Frauen, braucht es spezialisierte Anlaufstellen wie unsere Männerpraxis.
Sind Männer für einen Arzt einfacher im Umgang? Ist es für einen Arzt schwieriger, sich in eine Frau hinein zu fühlen? Männer sind einfacher zu lesen, haben weniger Stimmungsunregelmässigkeiten, keinen Monatszyklus. Gerade die hormonellen Schwankungen der Frau machen es für uns Männer nicht immer ganz einfach, sich zeitnah und aktuell in eine Frau hineinzuversetzen.
Welches Männer-, welches Frauenbild haben Sie? In der NZZ war im April im Zusammenhang mit sexistischer Werbung zu lesen: «Männer gelten als fulminant triebgesteuert, das macht sie zu Tätern, während Frauen schematisch die Opferrolle zufällt.» Einverstanden? Überhaupt nicht, Schwachsinn, aber passt zum sinkenden Niveau
der NZZ: mehr Klischees statt Fakten. Immer mehr Frauen beklagen sich, dass Männer nur noch müde und unlustig sind. Was ist schlecht an Lust und Trieb, vor allem in gegenseitigem Einverständnis und in festen Partnerschaften? «Viele Frauen träumen davon, mal wieder spontan genommen zu werden», sagt Karoline Bischof, Gynäkologin und Sexologin in Zürich. Recht hat sie. Ich spreche nicht von der Silvesternacht in Köln und ähnlichen Vorfällen: unentschuldbar, weil gewalttätig.
Auf Ihrer Website www.caimi-health.ch findet sich der Satz (er könnte von Nietzsche stammen …): «In euch drin seid ihr immer noch Löwen, aber mittlerweile grasfressend auf der Weide stehend, weil ihr glaubt, das Leben habe euch zu Kühen und Ochsen mutiert.» Begegnet Ihnen dieser Männertypus häufig? Leider immer häufiger: Björn Leimbach, Paartherapeut und Psychologe in Darmstadt, spricht von der «Betaisierung» des Mannes. Seine Alphaanteile hat er immer mehr an der Garderobe abgegeben. Das trägt nicht zu seiner Attraktivität bei, vor allem nicht bei Frauen, die auch noch Frau sein wollen und nicht dem postfeministischen Genderwahnsinn verfallen sind, der alles gleichschalten will. Wie sexy ...
Was sind typische Männerkrankheiten? Stress und alle seine Folgen: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Impotenz, Suchtverhalten, Übergewicht, Schlafstörungen. Und, aber mehr altersbedingt, Erkrankungen der Prostata. Aber – und jetzt bitte anschnallen: 70% aller schweren und chronischen Erkrankungen haben ihre Hauptursache in chronischem (negativem) Stress. Quelle: National Institute of Health, USA, das Mekka der Gesundheit(sforschung). Darum führen wir auch ein ganz spezifisches Stressseminar durch. Beinahe schon überlebensnotwendig! (Anm. d. Red.: siehe Kasten «Seminare und Comedy») 13
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Wie gehen Sie mit eingebildeten Kranken um? Und findet man sie eher unter Männern als unter Frauen? Nein, da stelle ich keine geschlechtsspezifischen Unterschiede fest. Umgang: Die Menschen trotzdem ernst nehmen und in solchen Fällen noch mehr Fakten schaffen, sodass man beweisen kann: Alles o.k. – wenn es denn so ist!
In welchem Alter empfehlen Sie einem Mann welche Vorsorgeuntersuchung? Das ist eine individuelle Angelegenheit, abhängig von der familiären Belastung (Genetik!), der eigenen Situation in Bezug auf Gesundheit und Umfeld (Beruf, Beziehung, Soziales). Alles andere führt zu einer nicht mehr länger vertretbaren «Kochbuchmedizin», die leider noch immer viel zu oft angewendet wird. Mit ein Grund, warum Check-ups auch bei Krankenkassen in Verruf geraten sind.
Ich kenne meine Blutgruppe, meine Grösse zu Beginn der Rekrutenschule, mein Alter auf den Monat und mein Gewicht aufs Kilo genau – sollte ich noch andere Daten zu meinem Körper kennen bzw. regelmässig prüfen lassen? So viel? (Lacht) Wie wärs zusätzlich mit Körperfettanteil, Blutdruck, Puls, Blutanalyse ...?
Was war der Auslöser, sich nach 20 Jahren von Ihrem angestammten Fach Rehabilitationsmedizin abzuwenden? Zwei Gründe: Erstens stellte ich seit 2008 fest, dass die Ansprüche der Männer zunahmen, auch bei «weichen» Faktoren wie Beziehungsproblemen, Selbstbild, Sinnfragen. Mit ein Auslöser solcher Ansprüche: die Bankenkrise. Zweitens wollte ich auch nochmals etwas anderes machen und mich auch räumlich verändern, um nicht zunehmend unlustig der Pensionierung entgegenzudämmern, wie gewisse Berufsleute und -kollegen.
Wie haben Ihre Arztkollegen auf die Deklaration als «Männerarzt» reagiert? 14
Was der Bauer nicht kennt, das frisst er nicht. Gar nicht oder teilweise despektierlich. Eine ganz feine «Kollegin» hat mich sogar beim Ehrenrat der Medizinischen Gesellschaft Basel-Stadt verklagt, weil in meiner Broschüre stand, dass sich Patienten/innen beim Arzt sexuell oft noch ungenügend wahrgenommen und betreut fühlen. Es gibt aber genügend Studien, die genau das belegen. Darum ging mir auch die siebenseitige Belehrung des Standesjuristen am Allerwertesten vorbei.
Kaum ein Mann dürfte eine Frauenärztin oder einen Frauenarzt konsultieren – gilt das auch für den umgekehrten Fall? – Haben Sie all Ihre weibliche Kundschaft verloren? Im Gegenteil: Frauen sind diesbezüglich viel offener und medizinisch-psychologisch viel mehr an Männern interessiert als wir an Frauen oder gar an uns selbst. Das sollte uns zu denken geben, Gentlemen! Fast ein Drittel unserer medizinischen Gäste (ist das nicht viel schöner als von Patienten zu sprechen?) sind deshalb Frauen – gut so!
Schrecken Sie nicht auch potenzielle – oder auch langjährige – männliche Patienten ab? Etwa solche, die nicht dem Verdacht ausgeliefert sein wollen, sie hätten ein typisch männliches Problem, also z.B. ein Potenzproblem. Nein, warum auch? Auch ein Arzt kann sich nicht alle Kunden – oder eben Gäste – auf dem Reissbrett zeichnen.
In gewissen Berufen wird einem Mann mehr Kompetenz zugesprochen als einer Frau. Glauben Sie, dass etwa Hausärztinnen/Allgemeinpraktikerinnen unter diesem Vorurteil leiden? Nein, zumindest nicht mehr bei Menschen mit aufklärerischem Bildungshintergrund. Über andere Männer, die teilweise sogar einer weiblichen Medizinalperson den Handschlag verweigern, weil sie unrein sei, obschon genau diese Person sie nachher auch dort untersuchen «darf», wo Wind zu Material wird, möchte ich mich nicht äussern, sonst kommt das nicht gut an dieser Stelle.
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oder ist es der erste Schritt zu einer beruflichen Neuausrichtung? Meine Hauptstandbeine sind seit bald einem Vierteljahrhundert die Praxis und die Referenten- und Seminartätigkeit. Das Kabarett und die Autorentätigkeit sind sehr intensive Hobbys, die mir auch psychohygienische Erholung bieten – und riesig Spass machen.
Sie sind häufig in Deutschland tätig – gefällt Ihnen deutsches Publikum besser als schweizerisches? In welchen Fällen erachten Sie es als wichtig, dass man als Paar den Arzt konsultiert? Vor allem natürlich bei direkten Störungen der Paarbeziehung. Aber auch gewisse Krankheiten wie Impotenz oder auch extremes Schnarchen, um nur zwei zu nennen, können mit der Beziehung negativ interagieren.
Wenn man Ihre Praxis betritt, wähnt man sich in einem Wohnzimmer – Berechnung? Wo steht geschrieben, dass in einem Wartezimmer immer nur Flyer von Gesundheitsschuhen, Krebs- und Rheumaliga, ExitBeitrittsformulare oder Prospekte der lokalen Spitex-Vereinigung herumliegen müssen? Wir haben lieber etwas über Humor und Sinnlichkeit.
Sie sind nicht bekannt dafür, ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Lesen Sie Ihren Patienten gerne die Leviten – oder wie sagen Sies Ihrem Kinde? Ich bin kein Schulmeister. Ich versuche einfach, klar und verständlich zu reden, auch Kausalitäten aufzuzeigen, empfehle dazu auch weiterführende Literatur (nicht nur von mir!) und appelliere letztendlich an die Eigenverantwortung. Wie sanft oder heftig das geschehen soll, muss man individuell von Fall zu Fall spüren. C’est la situation et le ton qui font la musique.
Wie ist Ihre Einstellung zum Tod? Ganz nach Woody Allen: «Ich bin ganz dagegen und hoffe, dass ich nicht zu Hause bin, wenn er vorbeikommt!»
Was wäre Ihr Plan B gewesen, wenn es mit dem Medizinstudium nicht geklappt hätte? Hotelfachschule! Ich liebe Gastronomie und Gastfreundschaft – wenn man diese auch respektiert.
Sie sind auch Autor von Büchern, Speaker, Seminarleiter, Blogger (Bushman’s Voice) und als «Megaschwiizer» sogar Kabarettist. Bleibt das Ihr zweites Standbein
Nein, überhaupt nicht. Aber wir Schweizer mit unserem komischen Hochdeutsch sind in Deutschland sehr beliebt. Wahrscheinlich haben wir das alles Emil zu verdanken, der dafür vor vielen Jahren das Eis gebrochen hat. Und jetzt blüht er mit 83 Jahren nochmals auf – für mich ein Mutmacher!
Apropos Kabarett: Haben Sie manchmal im Praxisalltag Mühe, ernst zu bleiben? Nein, denn der Praxisalltag ist grösstenteils etwas Ernstes. Trotzdem versuchen wir in der Praxis, den Humor nicht aus dem Augenwinkel zu verlieren. Manchmal gilt auch in meiner Praxis: Lieber Humor als Tumor! Aber als Referent streue ich sehr gerne amüsante Passagen in meine Ausführungen ein. INTERVIEW: DANIEL FLURY
www.caimi-health.ch www.maennerpraxis.ch
Seminare und Comedy
Anmeldung und Preise: www.caimi-health.ch Stress und Resilienz «Fels in der Brandung statt Hamster im Rad» Zweitägiges Intensivseminar in Hoeri (D; am Bodensee) 24./25. September 2016 Kreativität und Höchstleistung «Die Leichtigkeit der persönlichen Energieoptimierung» Zweitägiges Intensivseminar in Hoeri 22./23. Oktober 2016 Nächste Comedy-Auftritte von Marco Caimi als Megaschwiizer mit seinem Programm «Helvetien ausser Rand und Band»: – Freitag, 23. September 2016; 20 Uhr im ComedyHaus, Zürich – Mittwoch, 19. Oktober 2016; 20 Uhr im Theater Fauteuil/Tabourettli, Basel Infos und Tickets unter: www.caimi-health.ch
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ERSTE EMISSION DER EFIAG
An der EFIAG-Präsentation für Anleger im Hotel Euler in Basel – v.l. im Uhrzeigersinn: Daniele Ceccarelli, Germann Wiggli und Bernhard Curchod.
Am 6. Mai wurde die erste Anleihe der EFIAG im Umfang von 100 Mio. CHF erfolgreich platziert. Vom gesamten Emissionsbetrag von 100 Mio. CHF sind 35 Mio. CHF für die grösste EFIAG-Bank bestimmt – die WIR Bank. Die Emissions- und Finanz AG (EFIAG) wurde im Dezember 2014 auf Initiative von Germann Wiggli – CEO der WIR Bank – von der Regiobank Solothurn und der WIR Bank gegründet. Im Oktober 2015 kamen zwölf weitere Aktionäre dazu und das Aktienkapital wurde auf 5 Mio. CHF erhöht.
EFIAG – Emissionsplattform für kleinere Banken Weil die 14 inlandorientierten Trägerbanken für die direkte Refinanzierung am Kapitalmarkt zu klein sind, fungiert die EFIAG als Emissionsplattform. «Für die beteiligten Banken stellt dies eine zusätzliche Refinanzierungsquelle dar», meinte German Wiggli anlässlich der Präsentation der EFIAG im April 16
2016. Die klassische Methode der Refinanzierung über Sparkonten oder Kassenobligationen funktioniert bei Zinsen knapp über 0 % im mittleren bis langen Laufzeitenbereich kaum mehr. Der Zweck der EFIAG ist die Emission von an der Schweizer Börse kotierten bzw. privat platzierten Anleihen. Die Mittel an den Anleihensemissionen werden an die Trägerbanken weitergereicht. Die EFIAG-Anleihen sind in erster Linie für institutionelle Anleger (Pensionskassen, Versicherungen) gedacht, aber auch Privatpersonen können sie kaufen. Geplant ist, jedes Jahr eine Anleihe von mindestens 100 Mio. CHF zu platzieren. Zusammengerechnet
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EFIAG in Kürze – Die Emissions- und Finanz AG (EFIAG) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Basel. – Unternehmenszweck ist die Emission von Anleihen in Schweizer Franken am inländischen Kapitalmarkt. – Aus dem Mittelzufluss der Anleihen werden Darlehen zur Refinanzierung an kleinere und mittelgrosse Schweizer Geschäftsbanken gewährt. – Die darlehensnehmenden Banken bilden das EFIAGAktionariat. – Die EFIAG soll den Trägerbanken den Zugang zum Kapitalmarkt ermöglichen. Sie strebt keine Gewinnerwirtschaftung an. Verwaltungsratspräsident:
Germann Wiggli, Seewen SO
Geschäftsführer:
Bernhard Curchod, Oberdorf SO
Leiter Recht und Compliance:
Daniele Ceccarelli, Pfeffingen
Aktienkapital per 31.12.2015: 5 Mio. CHF Anzahl Aktionäre: 14 Internet: www.efiag.ch
haben alle 14 EFIAG-Banken eine Bilanzsumme von 18,1 Mrd. CHF. In den nächsten Jahren wird eine Erhöhung der Anzahl EFIAG-Aktionäre auf 20 und eine Gesamtbilanzsumme von 30 Mrd. CHF angestrebt. Die Kapitalanteile der 14 Trägerbanken reichen von 1,78 bis 18,61%. Die fünf grössten Trägerbanken halten einen Anteil von 64,8% an der EFIAG – bei der WIR Bank sind es z. B. 18,61%. Weil eine Beherrschung der EFIAG durch wenige Aktionäre unerwünscht ist, gilt eine Stimmrechtsbeschränkung von 4%. Eine Eintragung ins Aktienbuch erfolgt zu maximal 4% – eine Schutzmassnahme gegen eine Übernahme.
Nur solide Banken sind dabei Auch wenn sich die EFIAG bis zu einem gewissen Grad am Modell der Pfandbriefbank orientiert – bei der die EFIAGBanken ebenfalls Mitglieder sind –, gibt es doch wesentliche Unterschiede. Die EFIAG wird Anleihen emittieren, die nicht direkt mittels Hypothekardarlehen der Trägerbanken gesichert sind. Dies bietet den EFIAG-Banken mehr Spielraum bei der Refinanzierung und erlaubt eine flexiblere Verwendung der entsprechenden Darlehen. «Die Mittel aus der Anleihensemission können allgemein für Bankgeschäfte genutzt werden», erklärt Germann Wiggli, EFIAG-Präsident und Vorsitzender der Geschäftsleitung der WIR Bank. 17
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Germann Wiggli betont, dass die Sicherheit einen sehr hohen Stellenwert habe: «Nur solide Banken werden auf diesem Weg Geld aufnehmen können.» Für EFIAG-Emissionen haften – die Emissions- und Finanz AG mit ihrem Vermögen – jede Trägerbank für ihre Darlehensquote gegenüber der EFIAG Es gibt somit keine Solidarhaftung, aber die Trägerbanken müssen sehr hohe Anforderungen bezüglich Liquidität und Eigenkapitalquote erfüllen. Dank Warnschwellen können potenzielle Risiken früh erkannt und Gegenmassnahmen ergriffen werden. Diese zwei von der FINMA (Eidgenössische Finanzmarktaufsicht, www.finma.ch) anerkannten Kennzahlen werden regelmässig überprüft: Die Trägerbanken sind verpflichtet, die Eigenmittelquoten halbjährlich und die Liquiditätsquoten monatlich an die Schweizerische Nationalbank zu berichten. In der gleichen Frequenz ist auch die EFIAG zu informieren. Zusätzlich zur Mindesteigenmittelquote gemäss FINMA verlangt die EFIAG von den kreditnehmenden Banken einen Sicherheitspuffer, der 1 bis 2% über der FINMA-Quote liegt. Diese Bedingung wird von allen Trägerbanken erfüllt. Bei der Liquidität beträgt die Mindestquote 2016 gemäss Basel III1 70%. Dazu verlangt die EFIAG einen Sicherheitspuffer von 3,5%. Diese Mindestquote steigt bis zum Januar 2019 auf 100%, der EFIAG-Sicherheitspuffer auf 5%. Die Gesamtquote von 105% für 2019 wird bereits jetzt von allen zwölf in die erste Emission involvierten Trägerbanken erfüllt.
So funktioniert die EFIAG: Aktionäre («Trägerbanken») Bank A
Bank B
Bank C
Bank D
Bank N
Darlehen
Anleihe Anleger 1
Anleger 2
Anleger 3
Anleger 4
Anleger N
Eine Gruppe von kleineren und mittelgrossen Geschäftsbanken («Trägerbanken»), die regional und national in der Schweiz tätig sind, will unter Verwendung einer speziell für diesen Zweck gegründeten Aktiengesellschaft, der Emissions- und Finanz AG («EFIAG»), börsenkotierte Anleihen durch diese Aktiengesellschaft ausgeben und anbieten lassen.
Eckdaten der ersten Emission der EFIAG Typ
Festzinssatzanleihe
Emissionsrating*
A- / stabil
Emissionsvolumen
CHF 100 Mio.
Währung CHF
EFIAG-Anleihe kaufen
Laufzeit
5 Jahre
Die EFIAG-Anleihe wird an jedem Bankwerktag an der SIX Swiss Exchange gehandelt. Der letzte Kurs vor Redaktionsschluss am 7. Juni lag bei 100%.
Liberierung
6. Mai 2016
Verfall
6. Mai 2021
Coupondatum
6. Mai
ROLAND SCHAUB
Coupon 0,3750% Emissionspreis 100% Listing
SIX Swiss Exchange
Valorennummer 32.094.490 Mit «Basel III» werden die aktuellen Vorschriften des Basler Ausschusses der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) zur Bankenregulierung bezeichnet. Mit der Einführung der Mindestliquiditätsquote (Liquidity Coverage Ratio, LCR) soll der Bankensektor gestärkt und sichergestellt werden, dass alle Banken über einen angemessenen Bestand an lastenfreien erstklassigen liquiden Aktiven verfügen, die problemlos in liquide Mittel umgewandelt werden können. Das LCR-Minimum steigt sukzessive seit Januar 2015 (60%) bis Januar 2019 (100%). Das heisst, dass ab Januar 2019 der Liquiditätsbedarf auch unter äusserst ungünstigen Umständen für mindestens 30 Kalendertage vollständig gedeckt sein muss. 1
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ISIN* CH0320944900 (International Securities Identification Number)
Joint Lead Managers
Bank Vontobel AG und Regiobank Solothurn
* Das Emissionsrating von «A-» stammt von der Bank Vontobel und ist identisch mit dem gewichteten Standalone-Rating der Trägerbanken. Die WIR Bank erhielt das Rating A.
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EFIAG-Mitglieder Die folgenden 14 Banken gehören zu den Mitgliedern der Emissions- und Finanz AG (EFIAG) mit Sitz in Basel. Name
Gründungsjahr Bilanzsumme 2015 (Mio. CHF) Anteil an EFIAG
Alpha Rheintal Bank AG, Heerbrugg Bank EKI Genossenschaft, Interlaken Bank Gantrisch Genossenschaft, Schwarzenburg Bank Zimmerberg AG, Horgen BBO Bank Brienz Oberhasli AG, Brienz Bezirks-Sparkasse Dielsdorf Genossenschaft, Dielsdorf DC Bank Deposito-Cassa der Stadt Bern, Bern Ersparniskasse Rüeggisberg Genossenschaft, Rüeggisberg Ersparniskasse Schaffhausen AG, Schaffhausen Regiobank Männedorf AG, Männedorf Regiobank Solothurn AG, Solothurn SB Saanen Bank AG, Saanen Spar- und Leihkasse Bucheggberg AG, Lüterswil-Gächliwil WIR Bank Genossenschaft, Basel
1868 1852 1825 1820 1851 1837 1825 1835 1817 1903 1819 1874 1850 1934
1 875 984 664 979 520 1 143 993 305 829 333 2 502 1 240 524 5 199
9,18% 4,58% 4,43% 4,58% 4,43% 9,18% 4,58% 1,84% 4,43% 1,78% 18,61% 9,18% 4,58% 18,61%
Summe 18 088 100,00%
Darlehensbetrag aus erster Emission aller EFIAG-Banken Name
Aktienanteil an der EFIAG
Darlehensbetrag in CHF
Darlehensanteil
9,2% 4,6% 4,4% 4,6% 4,4% 9,2% 4,6% 1,8% 4,4% 1,8% 18,6% 9,2% 4,6% 18,6%
15 000 000 – 2 000 000 5 000 000 2 000 000 2 000 000 – 2 000 000 3 000 000 7 000 000 20 000 000 3 000 000 4 000 000 35 000 000
15% – 2% 5% 2% 2% – 2% 3% 7% 20% 3% 4% 35%
Summe
100 000 000
100,00%
Alpha Rheintal Bank AG, Heerbrugg Bank EKI Genossenschaft, Interlaken Bank Gantrisch Genossenschaft, Schwarzenburg Bank Zimmerberg AG, Horgen BBO Bank Brienz Oberhasli AG, Brienz Bezirks-Sparkasse Dielsdorf Genossenschaft, Dielsdorf DC Bank Deposito-Cassa der Stadt Bern, Bern Ersparniskasse Rüeggisberg Genossenschaft, Rüeggisberg Ersparniskasse Schaffhausen AG, Schaffhausen Regiobank Männedorf AG, Männedorf Regiobank Solothurn AG, Solothurn SB Saanen Bank AG, Saanen Spar- und Leihkasse Bucheggberg AG, Lüterswil-Gächliwil WIR Bank Genossenschaft, Basel
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DAS ALL IST (FAST) FÜR ALLE
Sie verreisen? Dann ist Ihr Pass noch gültig, der Koffer ist gepackt und die Destination dank Internet und Reiseführer ausgekundschaftet – es kann losgehen! Was aber, wenn Ihr Reiseziel 100 km über der Erde liegt und der Dresscode weder Wanderkluft noch Badehose, sondern einen Druckanzug vorschreibt? Dann ist nicht nur eine medizinische, sondern auch eine mentale Vorbereitung angezeigt, beispielsweise durch den Berner Lorenz Wenger (41), einen von fünf Schweizer Space Coaches der international tätigen Space Coach Academy mit Sitz in Hamburg.
Das Problem bei einer Reise ins All liegt nicht darin, den Druckanzug samt Helm in den Koffer zu zwängen. Bei einem Flugpreis von 100 000 bis 250 000 US-Dollar – je nach Anbieter – darf man erwarten, dass Ausrüstung und Verpflegung inklusive sind. Die Herausforderung ist emotionaler, mentaler Art: Wie reagiere ich auf Schwerelosigkeit und die G-Kräfte? Wie verhalte ich mich im Team? Was tun, wenn ich mich übergeben habe und das Erbrochene im Helm unter der Nase schwappt?
Weltraumtourismus vor dem Abheben Gegenwärtig sind solche Probleme noch rein theoretischer Natur – der Weltraumtourismus steckt in der Versuchsphase, an einer Hand lassen sich die Multimilliardäre abzählen, die ihre Nase schon in den Weltraum gesteckt haben. Doch: «Firmen wie Richard Bransons Virgin Galactic oder Elon Musks Spacex arbeiten mit Hochdruck an den Systemen, die regelmässig Touristen in das All und zurück spedieren können – in wenigen Jahren werden die ersten Flüge stattfinden, und in 20 bis 30 Jahren sind Weltraumausflüge so normal wie Kreuzfahrten oder Charterflüge heute», ist Lorenz Wenger überzeugt. Wenger ist einer von weltweit 25 und schweizweit 5 Coaches, die schon heute abenteuerlustige Menschen spezifisch auf einen Flug ins All vorbereiten. Die Coachinginstrumente, die dabei zur Anwendung kom20
men, mussten nicht von Grund auf neu erfunden werden. Wenger: «Astronauten bzw. Weltraumtouristen sind auch nur Menschen und kämpfen mit längst bekannten Ängsten, denen wir mit bewährten Methoden begegnen können.» Blockaden, Ängste und Phobien trifft Wenger in seiner täglichen Praxis regelmässig an. Höhenangst, Flugangst, Tunnelangst, Angst vor Heuschrecken, Schlangen oder Spinnen – sie setzen Prozesse in Gang, die beispielsweise zu Herzrasen, Schweissausbrüchen und Nervosität führen. Alles Dinge, die im Orbit höchst unerwünscht sind, hat man doch viel Geld ausgegeben, um entspannt und ruhig die 45 bis 60 Minuten Schwerelosigkeit zu geniessen. Im Extremfall, etwa bei einer stressbedingten Panikattacke, können sie sogar die ganze Mission gefährden.
Stressfaktoren sind mit an Bord Mit einem der grössten Stressfaktoren sind Weltraumtouristen schon vor dem Start konfrontiert: dem Countdown. Jetzt beginnt man zu realisieren, dass es kein Zurück mehr gibt. Den Schub der Triebwerke spürt man nicht nur körperlich, er verstärkt noch das Gefühl des Ausgeliefertseins. Die Kommunikation über Funk, das eingeschränkte Sichtfeld wegen des Helms, der Helm selbst und der bis zu 40 kg schwere Druckanzug können während des Hinund Rückflugs und während der Phase der Schwerelosigkeit
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Parabelflüge in Passagierflugzeugen geben einen Vorgeschmack auf die Schwerelosigkeit im All.
Lorenz Wenger: «Eine Aufgabe der Space Coaches ist es, als Botschafter zu wirken und die Öffentlichkeit für Schwerelosigkeitsflüge zu sensibilisieren.»
ebenfalls zu Stressfaktoren werden. Gerade der Anzug darf nicht unterschätzt werden, denn er führt bis zu einem gewissen Grad zu einem Kontrollverlust. So ist bekannt, dass zum Beispiel Felix Baumgartner mit der eingeschränkten Bewegungsfreiheit lange nicht zurechtkam. Erst nach intensiven Coachings und einer Verzögerung von einigen Monaten war er bereit für den Stratosphärensprung aus knapp 39 km Höhe. Der Weltraumflug, das vielleicht letzte grosse Abenteuer, ist vorläufig sehr gut betuchten Zeitgenossen vorbehalten: Bis zu einer Viertelmillion US-Dollar kostet ein Ticket heute. Einlösbar, sobald die Technologie des gewählten Anbieters bereit ist und von der amerikanischen Federal Aviation Administration (FAA) als gut befunden wurde. Obwohl noch ungewiss ist, wann das erste Raumschiff mit Touristen an Bord abheben wird, sind schon mehrere Tausend Menschen im Besitz eines Tickets. «Wie viele es genau sind, weiss niemand, die Schätzungen liegen gegenwärtig zwischen 1500 und 8000 – die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen», so Lorenz Wenger.
Parabelflug als Vorgeschmack Im Bereich des Erschwinglichen – ab 3000 Franken ist man dabei
– sind die Kosten für Parabelflüge, die mit normalen Passagierflugzeugen – mit ausgebauten Sitzreihen – auf Reiseflughöhe, also im suborbitalen Bereich, durchgeführt werden. Während der Sinkflugphase aus 8,5 km Höhe befinden sich die Passagiere annähernd in Schwerelosigkeit, benötigen wegen des Druckausgleichs in der Kabine aber weder Druckanzug noch Helm. Bei solchen Flügen werden mehrere Parabeln nacheinander ausgeführt, jede Phase der Schwerelosigkeit dauert nur rund 20 Sekunden. Lorenz Wenger selbst steht ein solcher Flug erst bevor, «die Anzahlung für das Ticket ist geleistet». Ein der Schwerelosigkeit verwandtes Gefühl kennt er aus seiner Erfahrung als Taucher mit über 2000 Tauchgängen. Dass er seinen Kunden als Coach bezüglich Erfahrung mit Schwerelosigkeit nicht viel voraus hat, stört Wenger nicht: «Das ist kein Nachteil für meine Tätigkeit als Space Coach, denn jeder Mensch erfährt dieses Phänomen anders und sollte sich individuell darauf vorbereiten – ich kann nicht von mir auf andere schliessen, sondern muss während eines Coachings auf den Menschen, der mir gegenübersitzt, eingehen.»
Weltraumtourismus – ein Abfallprodukt «Die Raumfahrt ist längst auf dem Weg der Privatisierung», ist Lorenz Wenger überzeugt. Klamme Regierungen sind froh, wenn private Anbieter Satelliten und Experimente in den Weltraum schicken oder die Weltraumstation ISS versorgen. Das Mitführen von zahlungskräftigen Touristen ist eigentlich nur ein Abfallprodukt der kommerziellen, privaten Raumfahrtindustrie, die nach Dafürhalten Wengers insgesamt schon mehr Geld in die Raumfahrt gesteckt hat als staatliche Stellen seit der ersten Mondlandung. Auch die Teilnehmer von Parabelflügen sind nicht mit dem Piloten alleine an Bord: Wissenschaftler bedienen sich dieser Flugzeuge, um zu einem günstigen Preis Experimente vorzubereiten, die später in der absoluten Schwerelosigkeit etwa der Internationalen Raumstation ISS durchgeführt werden.
Apollo 13 spannender als Mondlandung Für Wenger als Space Coach ist die gescheiterte Apollo-13-Mission spannender als Apollo 11, die erstmals Menschen auf dem Mond abgesetzt hat. Auch Apollo 13 hätte auf dem Mond landen sollen, die Explosion eines Sauerstofftanks machte jedoch eine vorzeitige Rückkehr zur Erde notwendig. Geleitet von der Bodenstation mussten die Astronauten sehr viel improvisieren, 21
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Space-Coaches zu Besuch im Astronautenzentrum der Europäischen Weltraumorganisation ESA (European Space Agency).
Lorenz Wenger.
beispielsweise um das überlastete Luftreinigungssystem umzubauen. Während des Rückflugs sank die Temperatur im Raumschiff auf 0 Grad Celsius. Wenger ist überzeugt: «Solche Extremsituationen konnten nur gemeistert werden, weil die Kommunikation auf allen Ebenen funktionierte und die Astronauten die nötige Kreativität und den unabdingbaren Teamgeist besassen – alles Eigenschaften, die in der denkbar härtesten Ausbildung vorher antrainiert wurden.»
zu wirken und die Öffentlichkeit für Schwerelosigkeitsflüge zu sensibilisieren. «Zudem macht es grossen Spass, Leute und Unternehmen zu begleiten, die neugierig sind, neue Horizonte entdecken und über den Tellerrand schauen wollen.»
Weites Feld für Space Coaches Hier tut sich für Space Coaches ein weites Feld auf, denn die Anbieter von Parabel- oder Weltraumflügen wollen sich auf die technischen Aspekte solcher Unterfangen konzentrieren. Medizinische Abklärungen und mentale Vorbereitung sollen externe Stellen übernehmen. Der Deutsche Alexander Maria Fassbender hat dies als vielleicht Erster erkannt und hat 2011 die Space Coach Academy gegründet und die Instrumente für das Coaching von Astronauten definiert. Lorenz Wenger hat die Ausbildung an der Academy 2013 absolviert, hatte sich aber schon zuvor als Coach selbstständig gemacht und profiliert. «Ich komme aus der Unternehmenskommunikation und habe dort realisiert, wie wichtig das Zwischenmenschliche ist, um Veränderungen herbeizuführen – ein neues Leitbild z. B. ändert in einem Unternehmen nichts, wenn sich nicht auch die Mitarbeitenden ändern.»
Sensibilisieren und kommunizieren Zusammen mit zwei weiteren Schweizer Space Coaches gründete Lorenz Wenger das Mental-Coaching-Netzwerk swissMentalists (www.swissmentalists.ch). Gemeinsam vertreten sie insbesondere die weltweit tätige Space Coach Academy in der Schweiz. Das Coaching von Weltraumtouristen und Parabelflugteilnehmern macht nebst der Betreuung von Sportlern, Unternehmern und Privatpersonen sowie der Ausbildung von Mentalcoaches (noch) einen kleinen Anteil ihrer Aktivitäten aus. «Aber es ist wichtig, auf diesem Gebiet jetzt schon präsent zu sein», so Wenger. Eine Aufgabe der Space Coaches sei es, als Botschafter 22
Vom All in den Alltag Nicht zuletzt lässt sich die Weltraumthematik in die Unternehmerwelt, in das Aufbauprogramm von Leistungssportlern oder in den Alltag von uns allen transferieren. Einige Stichworte dazu: – Entscheidungskompetenz: Nicht nur im All, auch auf der Erde kann es ausschlaggebend sein, schnell und richtig zu priorisieren und zu entscheiden – oder überhaupt eine Entscheidung zu treffen. Wenger: «Oft verharren wir lieber in der sicheren Zone – gerade für ein Unternehmen kann dies fatale Auswirkungen haben.» – Fehlertoleranz: Gerne werden Fehler aus Angst vor Konsequenzen unter den Teppich gekehrt – im All und in der Flugvorbereitung ein Unding: Fehler werden gesucht, Fehlererkennung bringt ein Projekt weiter. – Teamarbeit: Auf der Internationalen Raumstation ISS arbeiten Menschen aus Nationen zusammen, die sich unten auf der Erde mit Argwohn beäugen oder gar bekriegen. Das sollte auch auf der Erde möglich sein – interkulturelle Kompetenzen werden in der globalisierten Welt immer wichtiger. Noch eines gibt Lorenz Wenger zu bedenken: Wer alles richtig gemacht hat, kann einen Flug ins All mit allen Sinnen geniessen. Er blickt zurück auf die Erde und nimmt den gewaltigsten Perspektivenwechsel vor, der dem Menschen überhaupt möglich ist. «Wer die Erdkugel mit ihrer filigranen, dünnen Atmosphäre sieht, verändert sich nachhaltig – auch als Erdling sollten wir uns regelmässig Zeit für ein Innehalten und Zurückblicken reservieren und uns fragen: Was habe ich erreicht, und bin ich auf dem richtigen Weg?» DANIEL FLURY
www.swissmentalists.ch www.space-coach-academy.com
WIRPLUS Juli 2016
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WIRPLUS Juli 2016
ZWEI MUSEEN ZUM PREIS VON EINEM!
Jean-Pierre Pigeon: «Ich habe realisiert, dass man Charlie Chaplin überall auf der Welt kennt und sein humanistisches Gedankengut sehr aktuell ist.»
Das Museum befindet sich im Haus und auf dem Gelände, wo Charlie Chaplin ab 1952 wohnte.
Lernen Sie in Chaplin’s World den privaten Charlie Chaplin und den ersten Weltstar des Kinos kennen. Chaplin’s World – das sind auf den ersten Blick ein Park mit Bäumen sowie eine atemberaubende Aussicht auf den Genfersee und die Alpen. Erste Etappe: Die herrschaftliche Villa, die er bewohnte, ist heute mehr denn je von der Erinnerung an Charlie Chaplin erfüllt. Empfangen werden die Besucher von einer Wachsfigur (das Know-how von Grévin lässt grüssen!). Im Innern lässt sich das Leben erkunden, das die Familie hoch über Vevey führte. Archive geben Aufschluss über die wichtigsten Stationen 24
seines Lebens. Die zahlreichen Filmaufnahmen im Kreis der Familie, die laufend in den Räumen gezeigt werden, sorgen für berührende Momente. Das ist eine der Konstanten des Museums: Dank des Kinos wurde Charlie Chaplin ein gefeierter Mann, heute feiern ihn Filme in seinem Museum. Bilder von Ferien und von Reisen in exotische Länder, die Teilnahme an Feierlichkeiten in der Region von Vevey, Momentaufnahmen von Abendessen auf der Terrasse: Immer fand sich ein Techniker, ein Freund oder jemand aus der (sehr grossen) Familie, der den Augenblick mit einer Kamera festhielt. Vierzig oder fünfzig Jahre später haben diese Dokumente nichts von ihrer Wirkung eingebüsst.
WIRPLUS Juli 2016
In den ausgedehnten Räumen des Studios, der zweiten Besuchsetappe, wurden Kulissenelemente aus seinen Filmen wiederaufgebaut.
«Das Museumsprojekt ist wie ein edler Wein, der unter guten Bedingungen altern konnte. Und jetzt ausgereift geöffnet wird!»
Das Herrschaftshaus und seine Möbel vermitteln einen Eindruck davon, wie Charlie Chaplin privat lebte.
Auf zahlreichen Bildschirmen werden Filme der Familie und aus Archiven sowie Ausschnitte aus Chaplins Werk gezeigt.
Die zweite Lokalität des Museums, das «Studio», ist dem Künstler und seiner Karriere gewidmet. In riesigen unterirdischen Räumen wurden Kulissen oder Kulissenelemente aus seinen Filmen wiederaufgebaut. Auch wenn ein Film ein Film bleibt, so hat sich die Technik seit den Dreissigerjahren stark weiterentwickelt. Im Museum wird diese Entwicklung dargestellt und vor ihrem Hintergrund der Werdegang eines Zirkusartisten aufgezeigt, der zum grössten Kinostar heranwächst. Der Besucher entdeckt Charlie Chaplin (oder «Charlot», wie ihn die Westschweizer und Franzosen oft liebevoll nennen) und die grossen Berühmtheiten seiner Zeit, aber auch seine «Kinder», neu. Wachsstatuen der Re-
gisseure Federico Fellini, Woody Allen und zahlreicher anderer unterstreichen die Bedeutung, die er für das Kino hatte und immer noch hat. Auch hier werden laufend Filme vorgeführt – bewegte Preziosen, von denen die kleinen und grossen Besucher die Augen kaum abwenden können. Ausserdem sind berühmte Gegenstände – der Stock, der Hut, die Stiefel, der für sein Lebenswerk verliehene Oscar – ausgestellt. Gemäss der Museumsleitung sollten für einen ausführlichen Besuch mehr als zweieinhalb Stunden eingeplant werden. VINCENT BORCARD
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VEVEY IM RAMPENLICHT Im April wurde in Corsier-sur-Vevey Chaplin’s World zu Ehren von Charlie Chaplin eingeweiht. Der Erfolg ist gemäss dem Direktor des Museums, dem Kanadier Jean-Pierre Pigeon, jetzt schon durchschlagend.
In der Genferseeregion wurde im vergangenen April ein neues Museum mit internationaler Ausstrahlung eingeweiht, und zwar in der denkmalgeschützten Villa Manoir de Ban in Corsier-surVevey. Dort wohnte Charlie Chaplin von 1952 – als die USA während der McCarthy-Ära ein Aufenthaltsverbot gegen ihn verhängten – bis 1977, dem Jahr seines Todes. Die Kosten für die Entwicklung und den Bau von Chaplin’s World beliefen sich auf rund 60 Millionen Franken. Den Anstoss für das Projekt gab Philippe Meylan, ein Architekt aus der Region, doch realisiert werden konnte es nur dank Kapital und dem internationalen Know-how des kanadischen Unternehmers Yves Durand. Betrieben wird das Museum heute von Grévin International, einer Tochtergesellschaft der französischen Compagnie des Alpes. Anfang Mai trafen wir einen sehr glücklichen Jean-Pierre Pigeon. «Das Museum ist nun zwei Wochen geöffnet, und der Erfolg übertrifft unsere Erwartungen. Mit 140 akkreditierten Medienvertretern aus der ganzen Welt stiess die Einweihung auf ein enormes Echo. Heute noch erhalten wir pro Tag 5 bis 10 Anfragen.»
Welches sind die Erwartungen der Verantwortlichen von Chaplin’s World? Die Stars der Region – das Schloss Chillon und das Maison Cailler – ziehen jährlich über 370 000 Besucher an. Unser Ziel für das erste Jahr sind 300 000 Besucher. Länder wie Frankreich besitzen viele Sehenswürdigkeiten mit internationaler Ausstrahlung wie Versailles. In der Schweiz gibt es in Zürich das FIFA World Football Museum, das so attraktiv ist, dass sich damit Übernachtungen generieren lassen. In die Schweiz kommen die Touristen – wie in Kanada! – sonst eher wegen der Natur und der Landschaft.
Wo würden Sie Charlie Chaplin auf dieser Skala einordnen? Als man mich kontaktiert hat, wurde mir bewusst, dass ich ihn wenig kannte. Als Manager habe ich mich dann natürlich gefragt, ob dieses alte «Produkt» noch funktionieren kann. Dabei habe ich realisiert, dass man ihn überall auf der Welt kennt und sein hu26
manistisches Gedankengut sehr aktuell ist. Man hat es erst kürzlich wieder gesehen: Nach den Attentaten von Brüssel wurde auf den sozialen Netzwerken sehr oft auf seine Welt verwiesen.
Die Idee eines Charlie-Chaplin-Museums scheint heute logisch. Wie erklären Sie sich, dass ihre Umsetzung so lange gedauert hat? Alles begann, als die Familie Chaplin verlauten liess, sie werde sich vielleicht von der Villa Manoir de Ban trennen. Der Architekt Philippe Meylan fand, dass man solch ein Kulturgut unbedingt bewahren müsse. Deshalb organisierte er im April 2000 ein erstes Treffen mit der Familie. Sein erster Partner, der Museologe Yves Durand, erarbeitete die Dramaturgie für die Ausstellungsräume und trug dazu bei, dass das Projekt vorgestellt werden konnte. Die Familie zeigte sich offen und liess sich darauf ein. Aber sie wollte etwas, das den Erwartungen von Charlie Chaplin entsprach. Er hätte kein Mausoleum gewollt – das ist sehr wichtig. Gleichzeitig sollte es aber auch kein Freizeitpark werden. Es galt, den richtigen Stil und die richtige Mischung zu finden. Danach brauchte es seine Zeit. Die Stiftung konnte die Villa unter der Voraussetzung, dass daraus ein Museum entstehen würde, zu einem Preis von der Familie Chaplin erwerben, der deutlich unter dem Marktwert lag. Für die Besucher zahlen sich diese 16 Jahre eindeutig aus – das ausgereifte Projekt ist wie ein edler Wein, der unter guten Bedingungen altern konnte.
Im Museum lässt sich der private Charlie Chaplin entdecken – der Familienmensch, wie ihn die Öffentlichkeit weniger kennt. Er hat eine unglaubliche Menge an Archivmaterial hinterlassen. Filme, Fotos, Presseartikel sowie ein sehr persönliches Familienarchiv. Wir können bei Weitem nicht alles ausstellen. Aber dadurch werden wir immer wieder Neues zeigen können. Wir verfügen auch über eine Lizenz, um temporäre Ausstellungen im Ausland zu gestalten. Damit werden wir Charlie Chaplin besser bekannt machen – und das Interesse dafür wecken, hier bei uns noch mehr zu entdecken. INTERVIEW: VINCENT BORCARD
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DIE VERHEISSUNGEN DES 3-D-DRUCKERS Der 3-D-Drucker und die damit verbundenen Technologien können die Entwicklung einer neuen Generation von Industrieunternehmern in der Schweiz begünstigen. Kleinunternehmen arbeiten schon heute in diese Richtung. Eine Begegnung in Genf mit Creoform und dem Verein Onl’fait.
Dank dem 3-D-Drucker kann Giovanni Cosatto (Creoform) mit äusserster Präzision komplexe Formen erschaffen. Das ist nicht nur für die Industrie, sondern auch für Kulturschaffende interessant.
Giovanni Cosatto ist vor zwei Jahren mit seiner Firma Creoform ins 3-D-Druckergeschäft eingestiegen. «Diese Technologie vereinfacht die Fertigungsverfahren», erklärt der Jungunternehmer. Er erwähnt das typische Beispiel eines Ingenieurs, der einen Prototypen entwickelt und die Fertigung von dessen Komponenten erst einmal in Auftrag geben muss. Wenn er ein Unternehmen beauftragt, das mit CNC-Fräsmaschinen arbeitet, wird er ein oder
zwei Wochen warten müssen. «Mit einem 3-D-Drucker erhalte ich die benötigten Teile schon in ein bis zwei Tagen. Die Zeitersparnis ist phänomenal.» In seinen Räumlichkeiten steht ihm ein Maschinenpark von gut zehn Geräten zur Verfügung, von denen jedes seine besonderen Eigenschaften hat. «Ich beschränke mich auf die Realisierung von 27
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Der 3-D-Drucker ist heute ideal für die Prototypenentwicklung und bietet sich als kostengünstige Alternative für kleine Gegenstände und Kleinserien an.
Sébastien Mischler hat an der Entwicklung verschiedener Druckermodelle mitgearbeitet.
Werkstücken von maximal 20 Zentimetern.» Für eine einfache Form, die auf der Basis von Werkstoffschichten von einem halben Millimeter gedruckt werden, benötigt man vielleicht zwei Stunden. Zweimal länger dauert der Druck, wenn die Schichten zweimal dünner sind. Präzision kostet Zeit, und je grösser der Gegenstand ist, desto mehr Zeit braucht es. Das ist auch der Grund, weshalb die 3-D-Drucktechnik sich heute eher für kleine Objekte und limitierte Stückzahlen eignet.
er sich immer mehr spezialisieren, doch er rechnet für die Zukunft mit einer anderen Entwicklung. Seiner Meinung nach werden sich nämlich die meisten Kunden nach und nach selber 3-DDrucker anschaffen – und diese Geräte auch beherrschen. «Aber sie werden kompetente Spezialisten benötigen, um die Gegenstände zu entwerfen.» Die geometrische Modellierung und die CAD-Technik (Computer Aided Design) sind sehr anspruchsvolle Disziplinen. In Zukunft will er sich darauf konzentrieren, derweil sein Know-how heute mit jedem Auftrag profunder wird.
Kunststoffe, Kunstharze und Metall Die bekanntesten 3-D-Drucker sind jene, die Kunststoffe in Faserform verarbeiten. Aber das Spektrum an Technologien und Werkstoffen ist weitaus umfangreicher. Kunstharze erlauben eine Genauigkeit im Bereich von neun Mikron. Die Werkstücke können auch aus Metall gefertigt werden, insbesondere auf der Basis von mit Laserstrahlen verfestigten Pulvern (selektives Lasersintern, SLS). Und die Technologien entwickeln sich laufend weiter. Giovanni Cosatto, ausgebildeter Maschineningenieur, hat schon Erfahrungen in drei Märkten gesammelt: Im Markt für Architekturmodelle erlaubt ihm der 3-D-Drucker, unvergleichlich genau und dennoch schnell zu arbeiten. Im Markt für Juweliergeschäfte und Uhrmacherei hat er Aufträge für Fantasieschmuck umgesetzt und Montageroboterstücke für Genfer Branchengrössen in der Uhrenherstellung realisiert. Sein dritter Markt, zweifellos der vielversprechendste, ist die Industrie. «Ich habe das Chassis einer von einem Start-up entwickelten Drohne entworfen. Daneben realisiere ich oft Gehäuse für elektronische Geräte.» Er arbeitet auch mit Kunstinstitutionen zusammen: So hat er schon Kronleuchter für ein Theater oder Dekorelemente für eine Oper entwickelt.
Der Markt im Wandel Heute erhält Giovanni Cosatto regelmässig Aufträge aus diesen verschiedenen Branchen. Der Unternehmerlogik zufolge müsste 28
Zunächst wird er auf seiner Ebene dazu beitragen, die Industrie zu sensibilisieren und die Nachfrage zu steigern. In zwei bis fünf Jahren möchte er dann ein Puzzleteil mit hohem Mehrwert inmitten eines sehr grossen Puzzles darstellen. Eine explosionsartige Zunahme der Nachfrage erhofft er sich von der Erholung der industriellen Aktivität in der Region. Diese könnte die Form eines Aufkommens von hochspezialisierten Kleinunternehmen annehmen und von der Bewegung «Makers» – von Machern und Konstrukteuren – getragen werden.
Das Revival der Heimwerker Diese Bewegung strebt (unter anderem) ein Revival der Heimwerkerzeiten an. Seit rund drei Jahrzehnten ist unser Umfeld aus den Fugen. So haben die sinkenden Preise und die Verwendung von Kunststoffen dazu geführt, dass wacklige Möbelstücke eher entsorgt statt repariert werden und dass Lampen, Haushaltsapparate und sehr viele Alltagsgegenstände bei Beschädigungen in den Müll oder auf den Schrottplatz wandern, sobald ein kleines Plastik- oder Metallteil davon kaputt ist. Der 3-DDrucker hingegen macht es möglich, dem Fernseher ein neues Gehäuse zu verpassen, das kleine abgebrochene Plastikstück zu ersetzen, das die Feder der ausziehbaren Bürolampe hielt, oder den kaputten Schlauchanschluss am Staubsauger wiederherzustellen. «Sobald man eine Vorführung organisiert, verstehen die
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Gewisse Drucker können eine Genauigkeit im Bereich von neun Mikron erreichen.
Leute den Wert solcher Technologien sehr schnell. Danach läuft es praktisch viral», erklärt Sébastien Mischler, Gründer des Vereins Onl’fait (im Französischen on le fait – wir machen ess). Der 3-DDrucker und die damit verwandten Apparate – wie etwa Laserschneidmaschinen – erlauben den Konsumenten, wieder ein bisschen mehr Kontrolle zu gewinnen. Mit Onl’fait möchte Sébastien Mischler in eigenen Räumlichkeiten nicht nur Material- und Sachkompetenz vermitteln, sondern auch einschlägige Ausbildungen. «Das Ziel besteht darin, dass die Menschen lernen, selbstständig damit zu arbeiten. Nach zwei oder drei Tagen können sie damit beginnen, diese Technologie einzusetzen. Für die CAD-Technik braucht es etwas länger.» Baupläne für Objekte im Industriebereich können zunehmend im Internet heruntergeladen werden. Die Parallele zum Töpferkurs gefällt Sébastien Mischler: Jeder arbeitet an seinem Objekt, und falls man einmal gerade nicht weiterweiss, helfen die anderen Amateure und Profis gerne. Mit seinem Teilhaber Mathieu Jaquesson plant Sébastien Mischler, einen eigenen Standort von etwa fünfzig Quadratmetern Fläche zu eröffnen, um dort Dienstleistungen, Einführungen und Ausbildungen anzubieten. Die Räumlichkeiten sollen aber auch KMUs und vor allem Start-ups zur Verfügung stehen. Für die beiden wäre es ideal, in Zusammenarbeit mit einer Struktur wie einem «Dritten Ort» (engl. Third Place) zu funktionieren. Sébastien Mischler schliesst sich den Argumenten von Giovanni Cosatto an: «Einem Ingenieur, der ein Projekt entwickelt, kann die Zusammenarbeit mit einem Verein wie dem unseren ermöglichen, seinen Prototyp innerhalb von ein bis zwei Tagen zu bauen, zu testen und weiterzuentwickeln. In nur einer Woche kann er so drei Modelle nacheinander bauen.»
Mathieu Jaquesson schätzt, dass der Verein im ersten Jahr eine Finanzierungssumme von 100 000 CHF aufbringen müsste, anschliessend 50 000 bis 70 000 CHF jährlich. Dem Projekt kommt zugute, dass die kantonalen Wirtschaftsstellen die Entstehung solcher Strukturen befürworten. Die ersten Kontakte mit privaten Stiftungen, die für eine Beteiligung geeignet wären, werden als sehr positiv beurteilt. Wenn sich der Erfolg einstellt, sieht Onl’fait eine Weiterentwicklung in Richtung einer genossenschaftlichen Struktur vor, die näher am Ideal von Sébastien Mischler liegt. Nach Erlangung eines eidgenössischen Fähigkeitszeugnisses (EFZ) als Elektriker hat er sich die Fachkenntnisse im Selbststudium angeeignet. Leidenschaftlich hat er, gemeinsam mit Entwicklerteams in den USA und in Kanada, an der Herstellung oder Verbesserung von 3-DDruckern mitgearbeitet. Nach dem Open-Source-Modell werden die Pläne der Realisierungen ins Internet gestellt und stehen dort jedermann kostenlos zur Verfügung. Für ihn ist dieser partizipative Ansatz jedenfalls ein um einiges fruchtbarerer Innovationsträger als die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der Grosskonzerne. Creoform und Onl’fait verfolgen unterschiedliche Ansätze für diese Technologien. Doch beide können dazu beitragen, dass die industrielle Tätigkeit in der Region wieder an Schwung gewinnt. Überdies könnte die Herstellung von neuen Technologieprodukten dank solcher Strukturen weiterhin in der Schweiz erfolgen. VINCENT BORCARD
Offene Werkstätten Der Wille, eine professionelle, aber auch didaktische und allen offenstehende Struktur zu schaffen, bringt Kosten mit sich.
www.onlfait.ch www.creoform.ch 29
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DIE ZEUGNISPFLICHT DES ARBEITGEBERS
Das Arbeitszeugnis ist ein wichtiges Instrument der arbeitsrechtlichen Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Es gibt Zwischenzeugnisse und Abschlusszeugnisse für den gesamten Zeitraum des Arbeitsverhältnisses. Fast alle benötigen mindestens einmal im Leben ein Arbeitszeugnis. Dies kann auch für eine Stellenbewerbung bzw. Beförderung innerhalb desselben Betriebs nötig sein. Davon nicht betroffen sind natürlich Selbstständigerwerbende bzw. Unternehmer.
Ist der Arbeitgeber verpflichtet, ein Zeugnis abzugeben? Muss dies vom Arbeitnehmer ausdrücklich verlangt werden oder nicht? – Bezüglich Inhalt kann es nicht selten zu Meinungsverschiedenheiten und Konflikten kommen.
Was versteht man unter einem Arbeitszeugnis? Ein Arbeitszeugnis dient dazu, das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers zu bestätigen, dessen Funktion und Aufgabengebiet innerhalb des Arbeitgeberbetriebs zu umschreiben sowie die fachlichen und sozialen Kompetenzen des Arbeitnehmers und das Verhältnis zu Vorgesetzten und Mitarbeitern aufzuzeigen. Vom Arbeitszeugnis zu unterscheiden ist die blosse Arbeitsbestätigung. Hier wird einzig das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer während eines bestimmten Zeitraums bestätigt. Zum Inhalt und Aufgabengebiet der Stelle sowie zu fachlichen und sozialen Kompetenzen des Mitarbeiters wird keine Stellung genommen. In der Praxis wird dieses Instrument benutzt, um zu bestätigen, dass eine Person arbeitstätig ist und über ein geregeltes Einkommen verfügt, namentlich zum Beispiel im Rahmen einer Wohnungssuche, bei Aufnahme eines Kredits oder beim Abschluss einer Hypothek. 30
Zu unterscheiden ist ein Arbeitszeugnis auch von einer Referenz auskunft, wo es um eine in der Regel schriftliche Bestätigung auf Wunsch einer interessierten Person geht. Das Referenzschreiben ist eine vom Aussteller persönlich auf freundschaftlicher Basis abgegebene Aussage, während beim Arbeitszeugnis der Arbeitgeber als solcher auf rein sachlicher Basis zur Arbeitsleistung ein Zeugnis abgibt.
Arbeitsrechtlicher Anspruch Wir gehen von der folgenden alltäglichen Situation aus: Gerhard Hasler* kündet seine Arbeitsstelle ordnungsgemäss unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist. Er verabschiedet sich von den Arbeitskollegen und Vorgesetzten mit der Bitte an die Letzteren, ihm das Arbeitszeugnis in den nächsten Tagen zukommen zu lassen. Doch auch nach über einer Woche ist es noch nicht eingetroffen. Da er ein höflicher und geduldiger Mensch ist, geht Gerhard Hasler davon aus, dass das Arbeitszeugnis nicht innert ein paar Tagen, sondern innert ein paar Wochen kommen wird. Drei – vier Wochen sind für ihn kein Problem. Doch als schliesslich die Monatsgrenze klar überschritten wird, neigt sich seine Geduld langsam dem Ende zu. Gerhard Hasler meldet sich bei seinem Ex-Vorgesetzten – und dies zu Recht. Ein Arbeitnehmer darf mit der Ausstellung eines Arbeitszeugnisses innert zwei bis vier Wochen rechnen.
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Der Arbeitnehmer hat einen arbeitsrechtlichen Anspruch auf Ausstellung eines Arbeitszeugnisses, der nach zehn Jahren verjährt. Im Unterschied zu anderen Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis (wie etwa Lohnforderungen), die nach fünf Jahren verjähren. Die Verjährungsfrist von zehn Jahren ist für die Praxis jedoch kaum von grosser Bedeutung, denn es dürfte für die meisten Betriebe schwierig sein, viele Jahre nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch ein Arbeitszeugnis auszustellen. Oft sind nicht mehr dieselben Personen im Betrieb zuständig und es sind zu wenig Informationen über den ehemaligen Mitarbeiter verfügbar. Unter diesen Umständen wäre es schwierig, wenn nicht gar unmöglich, ein seriöses Zeugnis zu erstellen. Der Nutzen für den betreffenden Mitarbeiter wäre zweifelhaft. Somit ist es unabdingbar, dass Arbeitnehmer ihren arbeitsrechtlichen Anspruch auf Ausstellung eines Arbeitszeugnisses innert nützlicher Frist nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend machen. Je mehr Zeit verstreicht, desto grösser wird das Risiko, kein angemessenes Arbeitszeugnis mehr zu bekommen.
Arbeitsrechtliche Pflicht Der Arbeitgeber ist arbeitsrechtlich verpflichtet, ein Arbeitszeugnis auszustellen. Er kann sich dieser Pflicht nicht widersetzen. Im Weiteren kann ein Arbeitnehmer auch jederzeit ein Zwischenzeugnis verlangen. Ein Zwischenzeugnis kann durchaus sinnvoll sein als Standortbestimmung für Mitarbeiter wie Vorgesetzte. Manchmal haben Mitarbeiter Hemmungen, ein Zwischenzeugnis zu verlangen, weil es als «Indiz» für eine Bewerbung interpretiert werden kann. Selbstverständlich gibt es Grenzen bei der Häufigkeit solcher Zeugnisse. Es wäre nicht opportun, wenn mehrmals im Jahr ein Zwischenzeugnis gewünscht würde. Der Arbeitgeber müsste diesen Wünschen keine Folge leisten. Doch grundsätzlich hat der Arbeitnehmer einen klagbaren Anspruch auf ein Arbeitszeugnis, der auf dem Rechtsweg notfalls durchgesetzt werden kann. Es kommt in der Praxis durchaus vor, dass fällige Arbeitszeugnisse niemals zugestellt werden. Wir haben genügend Beispiele von ehemaligen Mitarbeitern, die vergeblich auf ein solches gewartet haben, obwohl sie sich nachdrücklich und immer wieder darum bemüht haben. Es kann natürlich auch vorkommen, dass sich ein Arbeitnehmer kaum oder gar nicht darum kümmert. Irgendwann ist der Zeitpunkt erreicht, wo ein Zeugnis keinen Sinn mehr ergibt. Das ist schade und stört die Beziehung zwischen Ex-Arbeitgeber und Ex-Arbeitnehmer bleibend, egal wie gut das Verhältnis vor Beendigung des 32
Arbeitsverhältnisses war. Das Erstellen eines korrekten Arbeitszeugnisses ist ein letztes, fundamentales Zeichen der Wertschätzung mit nachhaltiger Wirkung gegenüber dem Mitarbeiter.
Was gehört in ein Arbeitszeugnis? – Zwingend sind Angaben der Personalien, die eine Identifikation der infrage stehenden Person ermöglichen: Name, Vorname, Geburtsdatum, Heimatort/Nationalität und Adresse. – Dauer der Anstellung – Funktion/Grad der Anstellung – Aufgaben des Arbeitnehmers – Besondere Ereignisse wie Beförderungen im Laufe der Anstellungsdauer oder Auslandaufenthalte sowie Erfahrungen und herausstechende Fähigkeiten (etwa in fachlicher oder sprachlicher Hinsicht). Grundsätzlich sollen Arbeitszeugnisse wohlwollend formuliert werden. Das Arbeitszeugnis soll das wirtschaftliche Fortkommen ermöglichen und nicht verhindern. Das darf jedoch den Arbeitgeber nicht zu Unwahrheiten verleiten. So kann die Bestätigung von fachlichen Kompetenzen, die sich nachträglich als unwahr erweisen, dazu führen, dass der Zeugnisaussteller rechtlich belangt wird, wenn diese Fähigkeiten für den neuen Arbeitgeber entscheidend für die Anstellung waren. Jeder Arbeitgeber sollte sich dessen bewusst sein. Schliesslich tut man mit unwahren Angaben niemandem einen Gefallen.
Fazit Das Arbeitszeugnis ist ein wichtiges Instrument in der Arbeitswelt und hat eine fundamentale Bedeutung für das wirtschaftliche Fortkommen des Arbeitnehmers. Ein Zwischenzeugnis dient beiden Seiten zur Standortbestimmung, ein Schlusszeugnis ist ein Leistungsausweis und ein letzter Akt einer zum Teil langjährigen Beziehung. Die Arbeitgeber sind ersucht, dieser Zeugnispflicht auf jeden Fall nachzukommen, über den rein sachlichen Aspekt hinaus auch, um den Mitarbeitern ihre Wertschätzung zu zeigen, aber auch, weil es für ein positives Image des eigenen Unternehmens unabdingbar ist. MIRCO LOMBARDI WWW.LOMBARDIPARTNERS.COM *Name erfunden
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DIE BIOLOGISCHE UHR TICKT ... DROHEN GELDSORGEN, KARRIEREKILLER UND JOBVERLUST? Karriere oder Kinder – oder doch beides? Und was meint der Arbeitgeber dazu? Das Einfrieren von Eizellen tönt elegant und zeitgemäss, aber was meinen die Kinder zu Eltern im Grosselternalter? Der Wunsch nach Kindern meldet sich früher oder später bei den meisten Frauen, doch welche junge, gut ausgebildete Frau will noch schwanger werden, wenn sie in der Presse liest: Entlassung wegen Wunsch nach Familie Mobbing wegen Schwangerschaft Nach dem Mutterschaftsurlaub unerwünscht Kinder als Karrierekiller
Die Wiedereinsteigerin war erst mal draussen
keiten, Ausgrenzung im Betrieb, Doppelbelastung und finanzielle Schwierigkeiten in Kauf? Wie gross ist das Risiko, als Frau den beruflichen Anschluss zu verlieren? Vätern wird zum Nachwuchs gratuliert, sie werden in keiner Weise diskriminiert. Wo liegt also der Unterschied? Was macht Mütter angeblich so viel unattraktiver für einen Arbeitgeber? Wie sieht es im Arbeitsalltag wirklich aus? Sind es einzig die Einschränkungen während der Schwangerschaft?
Gesetzlicher Gesundheitsschutz
Schon der Begriff «Wiedereinsteigerin» sagt vieles aus. Er setzt unter anderem einen Ausstieg aus dem Berufsleben voraus. Der spätere Einstieg auf gleichem Niveau ist nicht garantiert. Riskiert eine Frau, für den Kinderwunsch zur Arbeitskraft zweiter Klasse zu werden?
Abhängig von der beruflichen Tätigkeit beeinträchtigt eine Schwangerschaft mehr oder weniger. Die Gesundheit der schwangeren Mitarbeiterin und des Ungeborenen am Arbeitsplatz stehen zudem unter speziellem gesetzlichem Schutz.
Arbeitgeber wie Facebook oder Apple sollen ihren weiblichen Talenten sogar das Einfrieren der Eizellen für eine spätere Schwangerschaft nahe der zweiten Lebenshälfte finanzieren, ja gar eine Prämie bis zu 20 000 Dollar dafür bezahlen. Erst Karriere, dann Kinder; beides scheint nicht zusammenzugehen.
Die tägliche Arbeitszeit wird auf neun Stunden pro Tag begrenzt, und es herrscht ab der achten Woche vor der Niederkunft ein Nachtarbeitsverbot. Wenn in einem Betrieb Arbeiten ausgeführt werden, die gefährlich oder beschwerlich für die Mutter oder das Kind sein können, muss eine fachlich kompetente Person vor der Beschäftigung von Frauen im Betrieb eine Risikobeurteilung vornehmen. Ist die Schwangere oder ihr Kind gefährdet, so hat sie Anspruch auf eine andere Arbeit.
Auch wenn das Einfrieren der Eizellen den Druck der biologischen Uhr mildert, eine echte Lösung ist das nicht. Und welches Kind will schon seine Eltern im Grosselternalter?
Gratulation dem Vater, Entlassung der Mutter Nimmt man als Frau mit einem Entscheid für Kinder beruflich aber tatsächlich eine Entlassung, erschwerte Aufstiegsmöglich-
Sie darf auch ab dem vierten Schwangerschaftsmonat alle zwei Stunden zusätzliche Pausen beanspruchen, wenn sie vorwiegend 33
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im Stehen arbeitet. Ab dem sechsten Schwangerschaftsmonat darf die Schwangere nur noch vier Stunden täglich stehen. Es muss für sie auch ein geeigneter Ort geschaffen werden, wo sie sich während der Arbeit hinlegen und ausruhen kann. Ist es dem Arbeitgeber nicht möglich, eine gleichwertige, ungefährliche, nicht belastende Aufgabe zuzuweisen, so muss er seine schwangere Mitarbeiterin bei 80% des Lohns von der Arbeit freistellen. In jedem Fall hat die Schwangere das Recht, wenn sie sich während der Schwangerschaft nicht wohlfühlt, zu Hause zu bleiben oder eine Pause einzulegen. Weist sie ein entsprechendes Arztzeugnis vor, so erhält sie während ihrer Fehlzeiten Lohn für eine bestimmte Dauer oder ein Taggeld von 80%. Der Gesundheitsschutz der schwangeren Mitarbeiterin ist durch das Gesetz gesichert. Bei einer normal verlaufenden Schwangerschaft kann sie bis kurz vor der Geburt weiterarbeiten. Die Schwangerschaft an sich kann daher nicht die Ursache für eine Diskriminierung am Arbeitsplatz sein.
Mehr Aufwand und Planungsunsicherheit für den Arbeitgeber Es scheint jedoch, dass immer mehr Schwangere nach wenigen Schwangerschaftsmonaten reduziert arbeitsfähig geschrieben werden, was organisatorische Probleme für den Betrieb mit sich bringt. Ausserdem wirken sich mehrere längere Schwangerschaftsabwesenheiten in einem Betrieb direkt auf die Taggeldprämien der Folgejahre aus. Wenn dann die Schwangere ihren Zustand noch zelebriert und sich alle Rechte rausnimmt, ohne Rücksicht auf die Mitarbeitenden, kann dies zu Unruhe in der Belegschaft bis hin zu Mobbing führen. Das Anliegen der Arbeitgeber, möglichst vor Schwangerschaften ihrer Mitarbeiterinnen verschont zu bleiben, ist daher nachvollziehbar.
Kommunikation macht vieles leichter Das partnerschaftliche Gespräch hilft, viele Probleme rund um die Schwangerschaft gar nicht erst aufkommen zu lassen. Zwar besteht keine Informationspflicht. Aber eine frühzeitige Information erleichtert einerseits dem Arbeitgeber die Planung, andererseits kann die Schwangere ab der Information von erleichterten Arbeitsbedingungen profitieren. Arztbesuche und Vorbereitungskurse sind soweit möglich ausserhalb der Arbeitszeit zu legen. Sie stellen in der Regel keine Arbeitszeit dar. 34
Ist die Arbeitszeit zu reduzieren, so muss das Arztzeugnis klar ausgestellt werden. Der Arbeitgeber hat das Recht zu wissen, ob 50% arbeitsunfähig bedeutet, dass die Schwangere 50% nicht arbeiten darf, um das Baby nicht zu gefährden, oder ob sie an sich voll arbeitsfähig ist, aber im Rahmen von maximal 50% fehlen darf, wenn es ihr nicht so gut geht. Stimmt die Kommunikation, so wird kaum ein Arbeitgeber auf eine bewährte Arbeitskraft verzichten, nur weil diese schwanger ist.
Vollumfänglicher Schutz gegen Kündigung Damit aber wirklich kein Arbeitgeber in Versuchung kommt, einer schwangeren Mitarbeiterin zu künden, besteht ein Kündigungsschutz bis 16 Wochen nach der Niederkunft. Unabhängig davon, ob die Schwangerschaft schon bekannt war oder nicht: Eine Kündigung während dieser Zeit gilt nicht. Wird sie hingegen während einer bereits laufenden Kündigungsfrist schwanger, so wird diese um die Dauer der Schwangerschaft und 16 Wochen danach unterbrochen. Danach endet das Arbeitsverhältnis per Ende Kündigungsfrist ohne Weiteres. Dieses Kündigungsverbot gilt nur für den Arbeitgeber. Die Arbeitnehmerin kann jederzeit künden. Schlechter gestellt sind Frauen, die in einem befristeten Arbeitsverhältnis sind. Dieses benötigt keine Kündigung und endet darum mit Fristablauf, unabhängig von einer allfälligen Schwangerschaft.
Entschädigungsanspruch bei missbräuchlicher Kündigung In der Probezeit gilt der Kündigungsschutz noch nicht. Die Kündigung einer schwangeren Mitarbeiterin ist daher gültig. Ebenso, wenn der Arbeitgeber vorsorglich wegen eines Kinderwunsches kündet. Doch stellt eine derartige Kündigung einen Verstoss gegen das Gleichstellungsgesetz dar. Wenn die Entlassene glaubhaft dartun kann, dass ihr Kinderwunsch der Hauptgrund für die Entlassung war, muss der Arbeitgeber beweisen, dass er andere Gründe hatte. Gelingt ihm diese nicht, so muss er eine Entschädigung in der Höhe von maximal sechs Monatslöhnen bezahlen. Die Kündigung bleibt immer gültig. Das Gleichstellungsgesetz sieht sogar eine Entschädigung von maximal drei Monatslöhnen vor, wenn eine Frau nicht eingestellt wird, weil sie schwanger ist oder es werden möchte. Sie muss diesen Nichtanstellungsgrund jedoch beweisen, was kaum je gelingen wird. Im Vorstellungsgespräch hat die Bewerberin auf Fragen rund um die Schwangerschaft grundsätzlich das Notwehrrecht der Lüge. Antworten und informieren muss sie jedoch, wenn die Stelle
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nicht mit einer Schwangerschaft vereinbar ist. Wer sich als Ballerina für Schwanensee bewirbt, kann später nicht als schwangere Ente über die Bühne hüpfen.
Mutterschaftsurlaub Nach der Geburt besteht ein achtwöchiges Arbeitsverbot. Danach darf die Arbeitnehmerin wieder zur Arbeit, sie verliert jedoch mit der ersten noch so kurzen Arbeitsaufnahme jeden weiteren Anspruch auf eine Mutterschaftsentschädigung. Die Mutterschaftsentschädigung wird in Form von 98 Taggeldern ausbezahlt. Sie beträgt in der Regel 80% des Lohnes, pro Taggeld maximal 196 CHF. Ein Anteil für einen allfälligen 13. Monatslohn ist darin bereits inbegriffen.
den. Aus diesem Grund verlieren viele Frauen ihre Stelle. Frauen, die nach dem Mutterschaftsurlaub zu veränderten Bedingungen weiterarbeiten wollen, sollten deshalb frühzeitig mit dem Arbeitgeber das Gespräch suchen und eine schriftliche Vereinbarung treffen: Dauer und Modalitäten des Urlaubs, Wiederaufnahme der Arbeit, neues Pensum, Lohn und Aufgabenbereich. Unter keinen Umständen sollte aber vor Ablauf des Mutterschaftsurlaubs von der Arbeitnehmerin gekündet oder eine Austrittsvereinbarung unterzeichnet werden. Sie vergibt sich damit den sozialen Schutz des Arbeitsrechts, den sie unter Umständen beanspruchen könnte.
Stillende Mütter und kranke Kinder – der Arbeitgeber bezahlt
Anspruch haben Frauen, die zum Zeitpunkt der Niederkunft als erwerbstätig gelten (auch als Selbstständigerwerbende), in den neun Monaten zuvor in der AHV obligatorisch versichert und in dieser Zeit mindestens fünf Monate erwerbstätig waren. Bei Frühgeburten beispielsweise im siebten Monat reichen jedoch bereits sieben Monate Versicherungszeit. Mit anderen Worten, im Zeitpunkt der Zeugung muss die Frau bereits obligatorisch AHV-versichert gewesen sein.
Der zusätzliche Schutz, der stillenden Müttern und jungen Eltern zusteht, kann ebenfalls abschreckend auf Arbeitgeber wirken.
Dies gilt auch für Teilzeitangestellte, sie erhalten 80% ihres Teilzeitlohnes.
Eine Frau, die stillt, darf auch nach den 14 Wochen Mutterschaftsurlaub zu Hause bleiben. Sie erhält zwar dann keinen Lohn für diese Auszeit, kann aber nicht zur Arbeitsaufnahme gezwungen werden.
Vom Taggeld werden Beiträge für AHV/IV, EO und ALV abgezogen, aber keine Unfallversicherungsprämien. Mütter sind während ihres bezahlten Urlaubs gratis gegen Unfall versichert. Für die 14 Wochen Mutterschaftsurlaub dürfen der Arbeitnehmerin die Ferien nicht gekürzt werden. Daher können im Anschluss an den Mutterschaftsurlaub knapp zwei Wochen bezahlte Ferien bezogen werden.
Wie attraktiv ist Teilzeitarbeit für Unternehmen? Die Mitarbeiterin fehlt zwar nach der Geburt rund vier Monate, doch ist dieser Mutterschaftsurlaub in der Regel für den Arbeitgeber planbar. Auch wird die Mutterschaftsentschädigung über die Erwerbsersatzordnung finanziert.
Warum also sollen Arbeitgeber die Mitarbeiterin danach nicht wieder weiter beschäftigen? In der Regel wollen junge Mütter nicht Vollzeit arbeiten. Nicht alle Betriebe können oder wollen Teilzeitarbeitsplätze anbieten. Wenn aber die Mitarbeiterin nach dem Mutterschaftsurlaub nur noch ein Teilzeitpensum haben will, bedeutet dies eine Vertragsänderung. Stimmt der Arbeitgeber dem nicht zu, muss die Frau entweder weiterhin im alten Pensum arbeiten oder selbst kün-
Will die Mutter nämlich ihr Kind während der Arbeitszeit stillen, so muss ihr der Arbeitgeber dazu im Betrieb einen ruhigen Ort zur Verfügung stellen. Sie darf auch nach Hause gehen, um zu stillen. Die Hälfte des Arbeitswegs gilt in diesem Falle als Arbeitszeit.
Wird das Kind krank, so darf die Mutter oder der betreuende Vater bei voller Bezahlung durch den Arbeitgeber maximal drei Tage das Kind zu Hause pflegen.
Keine Diskriminierung von Schwanger- und Mutterschaft Arbeitsgesetz und Arbeitsrecht ermöglichen einer Frau, als Schwangere arbeitstätig zu bleiben und als Mutter weiterhin zu arbeiten. Missbrauch von Schutzvorschriften gibt es leider immer wieder. Wenn aber eine Arbeitnehmerin die ihr zustehenden Erleichterungen während und nach der Schwangerschaft in Anspruch nimmt, ohne dabei Missbrauch zu betreiben, hält sich die Belastung des Arbeitgebers in kleinem Rahmen. So gesehen ist der Babywunsch weder für den Arbeitgeber noch für die Mitarbeiterin ein Grund, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Ist die externe oder familiäre Kinderbetreuung gut organisiert, so steht selbst bei einer Teilzeitanstellung ersten Führungsaufgaben und einer Karriere nichts im Weg. PROF. URSULA GUGGENBÜHL
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HALBZEIT IM STRATEGIEPROGRAMM Der Schweizerische Gewerbeverband hat sich vor zwei Jahren neue politische Ziele für die Jahre 2014 bis 2018 gesetzt. Zwei Jahre sind bereits vergangen, und ein durchschlagender Erfolg ist leider nicht auszumachen. Politische Weichenstellungen benötigen in unserem Land viel Zeit, obwohl sich die politischen Gewichte in den Nationalratswahlen 2015 zugunsten des Gewerbeverbands verschoben haben. Das zeigt unsere Zwischenbilanz nach dem Gewerbekongress vom 12. Mai 2016.
Auch ein Spitzenverband mit 250 Mitgliederorganisationen, darunter übrigens sieben Genossenschaften, die 300 000 Schweizer KMUs vertreten, ist nicht allmächtig. Er ist vor allem durch das Beharrungsvermögen des Staates und die zunehmende Initiativenflut – vor allem mit sozialpolitischem Inhalt und entsprechenden Kostenfolgen für die Wirtschaft – ständig gefordert. Das Handicap des Gewerbeverbands liegt darin, dass er zwar über eine grosse Referendumskraft verfügt, mit der er KMUfeindliche Neuerungen abblocken kann. Nicht so gut steht es mit seiner Kraft für Reformen und Neuerungen, insbesondere eidgenössische Volksinitiativen. Hier dominieren andere Akteure, insbesondere solche, die es mit ihrer Verantwortung für die Wirtschaft nicht so ernst nehmen und lieber verteilen möchten, was noch gar nicht erarbeitet wurde. Daraus resultiert eine gewisse Gefahr, dass die öffentliche Meinung am Gewerbeverband zweifelt und ihn in die Ecke rückschrittlicher und nicht zukunftsgewandter Kräfte stellen möchte. Hier wirkt immer noch nach, dass einzelne seiner Mitgliederverbände vor vielen Jahren als Hüter von Kartellen entstanden sind. Das ist heute nicht mehr so. Der Gewerbeverband verfolgt, und hier kann er auf alle seine Mitglieder zählen, eine Politik des freien Wettbewerbs, deren Grundlage die Innovationskraft und die qualitativ hochstehenden Leistungen unserer KMUs bilden.
Gemeinsamer Nenner Dieser gemeinsame Nenner ist, auch wenn er nicht immer verstanden wird, wichtiger und erfolgversprechender als mögliche Partikularinteressen der Mitgliederverbände. Es ist klar, dass der Landwirtschaft nahestehende Organisationen und die Bauwirtschaft das Heu nicht unbedingt auf der gleichen Bühne haben. 36
Das schwächt den Gewerbeverband aber nicht, selbst wenn – wie kürzlich im Nationalrat – der Präsident dafür stimmt, die Bauern, die Bauland verkaufen, von der direkten Bundessteuer zu befreien, der Verbandsdirektor aber dagegen ist. Dem Gewerbeverband wird manchmal auch vorgeworfen, er treibe keine aktive Konjunktur- und Beschäftigungspolitik. Präsident Jean-François Rime hat diesen Vorwurf am Gewerbekongress wie folgt entkräftet: «Seit dem 15. Januar 2015 ist die Frankenstärke in aller Munde. Diese Bezeichnung ist allerdings nicht korrekt. Es ist schlicht falsch, von einer Frankenstärke zu sprechen. Das Problem ist vielmehr die Euroschwäche. Denn der eigentliche Grund für die grossen Währungsunterschiede sind die wirtschaftlichen Probleme in den europäischen Ländern. Auf diese haben wir in der Schweiz keinen direkten Einfluss. Wir können nicht die Probleme der EU lösen.»
Kernprobleme selbst in die Hand nehmen Die Wirtschaft – und auch die KMUs – haben seither viele Massnahmen getroffen, um Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Die Politik ist hingegen im Rückstand. Der Bundesrat ist seiner Verpflichtung, die auf den Unternehmen lastenden Regulierungskosten deutlich zu senken – es geht dabei um einen Berg von 60 Milliarden Franken –, nicht nachgekommen. Der Gewerbeverband verlangt nun, dass dieses Kernanliegen aus seinem Strategiebericht bis Herbst 2016 durch eine Gesetzesvorlage erfüllt wird. Bis 2018 will er nicht warten. Zusicherungen hat er nicht erhalten. Bundespräsident Johann N. Schneider-Ammann sagte am Gewerbekongress ausweichend, der Bürokratieabbau sei eben eine sehr schwierige Sache.
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Wenn weiter nichts geschieht, bleibt nur der Weg über eine Volksinitiative, die aber auch Kantone und Gemeinden in die Pflicht nehmen müsste. Sie könnte so aussehen, dass alle Regulierungskosten offengelegt und einer Kostenbremse unterstellt werden. Übersteigen die Kosten einen bestimmten Betrag oder treffen sie mehr als 10 000 Unternehmungen, wäre ein absolutes Mehr in den Parlamenten erforderlich. Auf die Barrikaden steigen will der Gewerbeverband auch bei der Unternehmenssteuerreform III, gegen die bereits das Referendum angedroht ist. Der Gewerbeverband befürchtet, dass die Vorlage im Parlament noch zulasten der KMUs verschlechtert werden könnte, um sie «referendumssicherer» zu machen. Dies könnte so geschehen, dass, um die Steuerausfälle zu vermindern, die Ermässigungen der Unternehmenssteuerreform II bei der Dividendenbesteuerung wieder ganz oder teilweise rückgängig gemacht würden.
Zückerchen für die EU Als dritten Schwerpunkt hat der Gewerbeverband – dies in Änderung der Gewichte im Strategieprogramm 2014 – die Aussenwirtschaftspolitik erkoren. Der Gewerbeverband unterstützt – im Gegensatz zur Landwirtschaft – neue Freihandelsabkommen. Ein gutes Verhältnis zur EU, sagte Präsident Jean-François Rime, sei letztlich Verhandlungssache. Nicht infrage kommt die automatische Übernahme von EU-Recht. Beim Vollzug der Masseneinwanderungsinitiative plädiert der Gewerbeverband für liberale Lösungen zugunsten der Grenzgänger sowie Kurzarbeiterbewilligungen für ein ganzes Jahr statt nur für vier Monate. Ob dieses Zückerchen der EU genügt, wird sich weisen. «Nur als starker Verhandlungspartner werden wir erfolgreich sein», schloss JeanFrançois Rime seine Präsidialansprache.
Kommentar
Gewerbepolitik ist vielseitig Die Organisationen der gewerblichen Wirtschaft sind keine Freunde von Subventionen und erbringen ihre Leistungen zugunsten der Gesamtwirtschaft ohne zu klagen. Bestes Beispiel dafür ist die Berufsbildung. 70% aller Personen, die eine Berufsbildung absolvieren, arbeiten dank unserem dualen Berufsbildungssystem in KMUs. Die Berufsbildung kostet die kleineren Betriebe mehr als Grossunternehmen oder die öffentliche Verwaltung.
Unter diesen Umständen ist es gerechtfertigt, dass der Bund an die höhere Berufsbildung einen hohen Beitrag leisten will – voraussichtlich 400 Millionen Franken im Jahr ab 2018. Die Berufsbildung bleibt auch so wesentlich kostengünstiger als der direkte Weg in die Hochschulen. Dass die Sachgerechtigkeit im Bildungswesen verbessert wird, ist der Beharrlichkeit des Gewerbeverbands zuzuschreiben. Dies entspricht auch dem Interesse der Steuerzahler. Eine Position der Stärke, wie sie der Gewerbeverband für sich in Anspruch nimmt, erfordert auch gute Träger der gewerblichen Selbsthilfe. Dazu gehört die Beteiligung an Abstimmungskampagnen durch den Schutzfonds. Dieser hat aber wesentlich weniger Mittel als die vergleichbaren Organe von Handel und Industrie. Wohl deshalb ist es dem Gewerbeverband nicht gelungen, die Billag-Mediensteuer in der Referendumsabstimmung zu bodigen. Sehr aktiv und erfolgreich war der Gewerbeverband hingegen bei der für die KMUs existenzwichtigen Erbschaftssteuerinitiative. Einen hohen Einsatz erwartet man nun bei kommenden europapolitischen Abstimmungen. Die konkreteste Dienstleistung für die Mitglieder besteht in «Helpy», einem über Internet zugänglichen Netzwerk von qualifizierten Spezialisten, die Beratungsdienste anbieten können. Dieses Netzwerk hat am 1. Mai 2016 den Vollbetrieb aufgenommen. Die Beratung reicht vom Arbeitsrecht über die berufliche Vorsorge, das betriebliche Gesundheitswesen, Marketing und Kommunikation bis zum Firmenkauf und zu Versicherungsfragen. Interessanterweise fehlt im Angebot die Unternehmensfinanzierung, obwohl diese ein Kernproblem der meisten KMUs darstellt. Dies dürfte damit zusammenhängen, dass keine einzige der in der Gewerbefinanzierung aktiven Banken oder Bankengruppen dem Gewerbeverband angehört, im Gegensatz zu den gewerblichen Bürgschaftsgenossenschaften, die aber im «Helpy» auch nicht vertreten sind. Die gegenseitige Unabhängigkeit von Gewerbeverband und dem Gewerbe nahestehenden Banken hat zweifellos ihr Gutes. Sie begünstigt den Wettbewerb zwischen den Banken und erleichtert auch eine Spezialisierung und Flexibilisierung der Bankdienstleistungen an die KMUs. Dies trifft ganz besonders für die WIR Bank Genossenschaft mit ihrem einzigartigen Dienstleistungsangebot zu. DR. RICHARD SCHWERTFEGER
«Gewerbepolitik heisst auch Dienstleistungen zugunsten der KMUs.» 38
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JUBELMENSCHEN IM RÜCKEN Vielleicht sattle ich beruflich um. Auf etwas völlig anderes. Zum Beispiel auf Präsident von Amerika. Die Stelle wird ja regelmässig neu besetzt. Und sie ist beliebt. Meist beliebter als der, der sie innehat. Klar, möglicherweise bin ich etwas zu wenig amerikanisch, zu wenig reich und zu wenig intelligent (wobei da die Ansprüche an die Stellenbewerber noch nicht restlos geklärt sind). Aber ist nicht Amerika das Land der unbeschränkten Möglichkeiten? Was mir für den Wahlkampf noch fehlt, sind Jubelmenschen. Also Menschen, die ich im Rücken habe, wenn ich auf der Bühne mit heiserer Stimme der vollen Halle und der TV-Kamera meine Parolen zurufe. Sie sollen hinter mir stehen, meinen Worten gebannt lauschen und stets im richtigen Moment a) beipflichtend nicken, b) frenetisch klatschen, c) jubelnd die Arme hochreissen und d) kreischend Fähnchen schwingen. Damit sie meine Wähler daheim vor dem Fernseher mit ihrer Begeisterung anstecken. Natürlich sollten die Jubelmenschen kameratauglich sein. Und nett. Und hilfreich wäre es, wenn sie meiner Meinung sind. Das Jubeln wird sonst schnell anstrengend. Womöglich müsste ich sie noch bezahlen. Vielleicht sind Wahlkämpfe in Amerika darum so teuer.
dein Charisma. Und keine Agenten aus dem Wahlkampfteam des Gegners, die setzen dir während deiner Rede Eselsohren auf. Und keine Jubelmenschen mit Pfnüsel, die trompeten dir auf dem Höhepunkt deiner Rede Zähflüssiges ins Genick und deine Präsidentschaft hat sich erledigt. Und Vorsicht vor Jubelmenschen mit schwachen Blasen. Dein Sechspunkteplan für den Weltfrieden interessiert keinen mehr, wenn links hinter dir einer verzweifelt die Beine zusammenpresst. Womöglich lasse ich die Präsidentschaft bleiben und sattle bloss um auf Schweizer Bundesrat. Dort reicht beim Reden ein Springbrunnen, ein Gotthardtunnel, ein Christbäumchen ohne Achselschweiss und an der OLMA ein Säuli mit intakter Blase. Vielleicht eröffne ich auch eine internationale Castingagentur für Jubelmenschen. Dann vermittle ich Schweizer Politikern zielgruppengenau zusammengestellte gemischte Jubelchörli. Und amerikanischen Politikern vermittle ich Olma-Säuli und Appenzeller. Ich nehme WIR.
Wichtig ist der Mix. Der Wähler daheim vor dem Fernseher will halt seinesgleichen sehen, wegen der Identifikation, gell. Es sollte also für alle etwas dabei haben, Männlein und Weiblein, gross und klein, alt und jung, kantig und voralpin, schwarzhäutig und bleichgesichtig und hispanisch. Nur keine Appenzell-Innerrhödler. Die sind in Amerika nicht wahlberechtigt. Und jubeln tun sie nicht einmal gegen Bezahlung. Gerade die Mimik ist zentral. Wenn du als Kandidat die Lage der Menschheit schilderst, benötigst du hinter dir dramatische Betroffenheit. Skizzierst du Lösungen, sollten sie zustimmend nicken. Donnerst du Kampfparolen, müssen sie frenetisch jubeln. Und wenn du zu guter Letzt deine glückliche Familie präsentierst, dann brechen sie in Tränen der Rührung aus. Und Obacht beim Casting: keine Jubelmenschen mit Achselschweiss. Die können deine Wahlplakate nicht in die Höhe recken ohne Flecken. Und keine Jubelmenschen, die gähnen. Ein offener Schlund hinten rechts genügt und die ganze Nation verpasst
WILLI NÄF WILLI NÄF IST FREIER AUTOR, TEXTER UND KABARETTIST UND LEBHAFT IM BASELBIET UND IM APPENZELLERLAND. WWW.WILLINÄF.CH
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VERANSTALTUNGEN UND TERMINE
IMPRESSUM WIRPLUS Das Kundenmagazin der WIR Bank Juli 2016, 83. Jahrgang, Nr. 924
Herbstgespräche 2016 5. November 2016 im KKL Luzern (für Stammanteilhalter/-innen)
Herausgeberin/Redaktion WIR Bank Genossenschaft Auberg 1 4002 Basel www.wirbank.ch
Generalversammlung 2016 der WIR Bank 31. Mai 2017 in Basel (für Genossenschafter/-innen) Informationen über diese und über weitere WIR-Anlässe erhalten Sie bei der WIR Bank, www.wirbank.ch, Tel. 0848 947 947.
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WIR-MESSE ZÜRICH
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