5 minute read

Krisenbewältigung ist immer eine Gradwanderung“ Dr. Markus Söder

sprach exklusiv mit dem Bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder über die Bekämpfung der Corona-Pandamie, das Konjunkturpaket für die Wirtschaft, die Digitalisierung und die Zukunft Europas.

Das Interview führten Frederike Holewik und Katja Sandscheper.

–Herr Ministerpräsident, Sie haben in Bayern frühzeitig

Schutzmaßnahmen verordnet, andere Bundesländer sind nachgezogen. Auch rigoroser als die meisten anderen Bundesländer. Ist der deutsche Föderalismus in Krisenzeiten Fluch oder Segen?

Der Föderalismus hat viele Stärken. Es dauert manchmal vielleicht etwas länger, bis etwas entschieden ist. Aber dann erfolgt die Umsetzung schnell und passgenau. So konnten wir in Bayern auch im Winter zügig auf das regionale

Infektionsgeschehen reagieren. Bayern war durch seine

„Krisenbewältigung ist immer eine Gratwanderung“

Nähe zu Österreich und Italien früher und stärker von der Corona-Pandemie betroffen als andere Bundesländer. Mit unserem entschlossenen Handeln, etwa bei den Schulschließungen, haben wir für Bayern und damit auch für Deutschland Schlimmeres verhindert. Die Corona-Pandemie ist aber eine internationale Krise, die Abstimmung und gemeinsames Handeln erfordert. Ich habe daher kein Verständnis, wenn manche eine falsche Normalität vermitteln, obwohl es noch Landkreise mit hohen Infektionszahlen gibt.

–Ihre Lockerungen fallen ebenfalls vorsichtiger aus als in anderen Bundesländern …

Corona bleibt tödlich. Solange es kein Medikament und keinen Impfstoff gibt, müssen wir vorsichtig bleiben. Wir wollen so viel Normalität wie möglich, aber immer mit

Schutzmaßnahmen. Sonst riskieren wir einen Rückschlag, der noch schmerzhafter sein könnte als die erste Welle. Die

Zustimmung von großen Teilen der Bevölkerung bestätigt unseren Weg. Vorsicht und Lebensfreude schließen sich nicht aus.

–Sie haben aber auch für die Zeit nach Corona als erster Ministerpräsident Steuersenkungen und

Innovationsanreize, vor allem für die Automobilindustrie gefordert …

Die Wirtschaft muss jetzt neu durchstarten. Unser Konjunkturpaket mit 130 Milliarden Euro setzt dafür wichtige Impulse. Das Herzstück ist die Senkung der Mehrwertsteuer – die größte Steuersenkung der letzten Jahrzehnte. Sie hilft auch der Automobilindustrie. Außerdem haben wir die Kaufprämien für umweltfreundliche Fahrzeuge nun sogar verdoppelt. Auch der Kinderbonus schiebt die Binnennachfrage an, bis sich die Exportmärkte erholen.

–Wie konnten Sie Ihren Koalitionspartner SPD dafür gewinnen?

Für alle war entscheidend, was jetzt das Beste für Deutschland und die Menschen ist. Das Programm ist nicht von ideologischen Grabenkämpfen gekennzeichnet, sondern vermittelt Optimismus. Gleichzeitig ist das Konjunkturpaket in der Höhe vertretbar, damit sich Deutschland nicht überschuldet. Wir dürfen die nächsten Generationen nicht überlasten. Wir setzen stattdessen Investitionsanreize für die Zukunft. Vielleicht können wir damit stärker aus der

Krise herauskommen als andere.

–Mit Corona sind die Zustimmungswerte der Union auf ein Rekordhoch geklettert. Woran liegt das?

Krisenbewältigung ist immer eine Gratwanderung. Es braucht einen klaren Blick, einen kühlen Kopf und einen sicheren Tritt. Wirklich jeder in der Union – allen voran die

„Unser Konjunkturpaket mit 130 Milliarden Euro setzt dafür wichtige Impulse. Das Herzstück ist die Senkung der Mehrwertsteuer – die größte Steuersenkung der letzten Jahrzehnte.“

Foto: Bayerische Staatskanzlei

Bundeskanzlerin – hat an seinem Platz seine Pflicht erfüllt. Unser Weg der Vernunft und Besonnenheit ist richtig. Wir hören nicht auf die Lautesten, sondern gehen den Weg der Mitte und nehmen alle mit. Unser Dank gilt ausdrücklich allen Menschen, die die den Lehrern und Erzieherinnen bis in alle Familien. Vor allem die Frauen haben Großes geleistet.

haben ihren Hut in den Ring geworfen und möchten für die CDU als Kanzlerkandidaten antreten. Werfen Sie auch noch Ihren Hut in den Ring?

Mein Platz ist in Bayern. Die Frage, wer als Kanzlerkandidat antritt, wird voraussichtlich im Januar entschieden. Im Dezember wählt die CDU einen neuen Vorsitzenden – das muss man abwarten.

Digitalisierung von Schule, Verwaltung und mobilem Arbeitsplatz sind. Wird die Krise die Digitalisierung beschleunigen?

Wir sollten den Schwung in der Digitalisierung jetzt mitnehmen und weiter nachlegen. In vielen Bereichen haben wir in Deutschland großen Nachholbedarf. Bei Robotik, Quanten-Computing und künstlicher Intelligenz sind wir gegenüber den USA und China in Rückstand. Wir wollen aber wieder weltweit mit zur Spitze gehören. In Bayern haben wir mit der Hightech-Agenda in Höhe von zwei Milliarden Euro schon vor Corona begonnen, massiv in die Zukunft zu investieren. Auch Deutschland tut das gut. Und wir werden in Bayern sicher noch etwas drauflegen. Last in besonderer Weise geschultert und unsere Gesellschaft am Laufen gehalten haben: vom Gesundheitspersonal bis zu den Mitarbeiterinnen in den Supermärkten, von

–Aktuell gibt es immer wieder Demonstrationen gegen

Corona-Maßnahmen. Dabei handelt es sich um bunt gemischte Anhänger doch sehr unterschiedlicher Bewegungen, die teilweise von der AfD instrumentalisiert werden. Läutet die Corona-Krise das Ende der Populisten ein?

Demokratie lebt vom Dialog. Das Recht auf freie

Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit sind hohe Werte, die unser Grundgesetz aus guten Gründen schützt. Das Verständnis hört aber auf, wenn extremistische Gruppierungen mit absurden Verschwörungstheorien die Demonstrationen kapern wollen. Manchmal ist es besser, nicht nur körperlich, sondern auch geistig Distanz zu halten. Und zur AfD: Sie belegt ihr Versagen nun auch eindrucksvoll in der Corona-Krise. Wir erleben Hass,

Hetze, Verschwörungstheorien und sogar die Leugnung

Krisenbewältigung ist immer eine Gratwanderung“

–Herr Ministerpräsident, zwei Personen und ein Duo

–Wir haben spätestens jetzt gelernt, wie wichtig die

der Pandemie – es ist immer das gleiche Muster.

–Deutschland ist als exportorientierte Nation und starker Gründungspartner mit das Herz Europas.

Hat sich Europa in der Corona-Krise bewährt?

Die EU ist die beste Idee, die wir in Europa je hatten. Daran hat Corona nichts geändert. Gerade zu Beginn der Pande mie hat sich leider auch das Virus des Nationalismus wieder verbreitet. Dagegen müssen wir unbedingt ansteuern. Es braucht einen neuen Geist des Zusammenhalts in Europa.

–Was halten Sie von der europäischen Exitstrategie und von den Vorschlägen der EU-Kommission, wie ein Wiederaufbaufonds für Europa ausgestaltet sein könnte oder dem Kurzarbeitergeld auf EU-Ebene?

Es ist gut für Europa, dass Deutschland und Frankreich an einem Strang ziehen und Europa zusammenhalten.

Wir müssen gerade den von Corona besonders betroffenen EU-Ländern schnell helfen. Sonst besteht die Gefahr, dass Europa auseinanderbricht und zum Spielball anderer Mächte wird. Das europäische Kurzarbeitergeld ist ein wichtiges Instrument. Andere Vorschläge wie

Corona-Bonds wären deutlich schlechter. Deutschland ist sich seiner Verantwortung bewusst. Aber auch Europa braucht ein starkes Deutschland, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Wir sollten deshalb nicht in alte

Schulden investieren, sondern in neue Ideen, Technologie und Infrastruktur. Kurz: in die Zukunft Europas. l

This article is from: