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Binnenmarkt im Fokus Marco Wanderwitz MdB

Binnenmarkt

im Fokus Die Coronakrise hat uns vor Augen geführt, welchen Stellenwert der europäische Binnenmarkt im beruflichen und privaten Alltag einnimmt. Im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft soll der Binnenmarkt daher für die Zukunft gestärkt werden.

Der europäische Binnenmarkt gehört für uns alle zu den Selbstverständlichkeiten unseres Lebens: übers Wochenende nach Prag oder Amsterdam zu reisen, den original französischen Lieblings-Camembert an der Käsetheke stets frisch verfügbar zu haben, wichtige Komponenten für die industrielle Fertigung just-in-time aus Italien zu bekommen – oder auch jeden Tag zur Arbeit ins Nachbarland zu pendeln. Die COVID-19-Pandemie hat uns vor Augen geführt, was für Auswirkungen es hat, wenn diese Dinge auf einmal nicht mehr selbstverständlich sind – wenn der Binnenmarkt also plötzlich nicht mehr vollständig funktioniert. Denn zur Eindämmung der Pandemie wurde der freie Verkehr von Personen, Waren und Dienstleistungen aus Gründen des Gesundheitsschutzes eingeschränkt. Statt eines funktionierenden Binnenmarktes gab es kilometerweite Staus an den Binnengrenzen der EU, lange Umwege,

Marco Wanderwitz MdB

Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie und Beauftragter der Bundesregierung für die Neuen Länder unterbrochene Lieferketten und Landwirte, die zunächst vergeblich auf ihre dringend benötigten Erntehelfer- und helferinnen warteten.

Damit stand und steht auch der europäische Binnenmarkt im Mittelpunkt der Corona-Krise, und es stellen sich im Rahmen der Krisenbewältigung für die Zukunft folgende Aufgaben. Diese werden wir in der deutschen EU-Ratspräsidentschaft ab dem 1. Juli mit Priorität angehen: Wir wollen die Funktionsfähigkeit des Binnenmarkts voll wiederherstellen und ihn resilienter machen. Wir wollen dafür sorgen, dass der Binnenmarkt einen substanziellen Beitrag zur wirtschaftlichen Erholung in der EU leistet.

Zunächst müssen dafür die krisenbedingten Beschränkungen des Binnenmarkts so schnell wie möglich und epidemiologisch verantwortbar abgebaut werden. So kann beispielsweise mit der Aufhebung von Reisebeschränkungen in vielen Regionen der wirtschaftlich so bedeutende Tourismus wieder anlaufen. Klar ist aber, dass auf europäischer Ebene und vor allem durch die Europäische Kommission weiter darauf geachtet werden muss, dass krisenbedingte Beschränkungen koordiniert schrittweise abgebaut werden. Dies ist zentral für die wirtschaftliche Erholung

„Wir wollen die Funktionsfähigkeit des Binnenmarkts voll wiederherstellen und ihn resilienter machen.“

und den politischen Zusammenhalt der EU. Aufgrund der Erfahrungen in der Corona-Krise dürften gerade in kritischen Bereichen Lieferketten wieder verstärkt im eigenen Land bzw. innerhalb Europas etabliert werden. Damit muss einhergehen, dass die Governance des Binnenmarktes verbessert wird, damit innereuropäische Lieferketten im Falle zukünftiger Krisen nicht erneut unter Druck geraten.

Über diese aktuellen Punkte hinaus geht es während der deutschen Ratspräsidentschaft auch um eine nachhaltige Stärkung des Binnenmarktes. Bezugspunkte dafür sind die Mitteilungen der Europäischen Kommission vom März 2020, „März-Paket“ genannt. Dabei steht der langfristige Aktionsplan zur besseren Umsetzung und Durchsetzung der Binnenmarktvorschriften an erster Stelle. Das entspricht einem in den vergangenen Jahren geäußerten Wunsch Deutschlands. Zentraler Vorschlag ist daher die Einrichtung einer Taskforce für die Durchsetzung der Binnenmarktvorschriften aus Mitgliedstaaten und Kommission, die bereits ihre Arbeit aufgenommen hat. Dabei kommt es aus unserer Sicht entscheidend darauf an, dass es sich um ein operatives Gremium handelt, das für die Unternehmen spürbar zu einer Verbesserung beiträgt.

Dazu soll auch ein weiterer Schwerpunkt der Taskforce-Arbeit dienen: Abbau von Hindernissen im Binnenmarkt. Dies hat auch aus Sicht

der deutschen Wirtschaft Priorität, wie Studien der DIHK und des BDI zeigen. Zahlreiche Klagen von Unternehmen betreffen etwa übermäßige bürokratische Hemmnisse bei der Arbeitnehmerentsendung, Stichwort „A1-Bescheinigung“. Wir werden uns während unserer Ratspräsidentschaft für den Abbau von ungerechtfertigten und unnötigen Hindernissen im Binnenmarkt einsetzen.

Ein gestärkter Binnenmarkt muss am Grundgedanken der Wettbewerbsfähigkeit ausgerichtet werden. Dies erfordert auch Strukturreformen in den Mitgliedsstaaten. Insbesondere vor dem Hintergrund des geplanten EU-Wiederaufbaufonds zur Förde

Anteil der Exporte aus Deutschland nach Ländergruppen im Jahr 2019

Gesamtvolumen: 1.327,78 Milliarden (in Milliarden Euro)

EU gesamt

Asien

Amerika

Afrika

23,75

Australien und Ozeanien

11,22

0

221,18

165,33

200 400

777,25

600 800 1.000

rung der wirtschaftlichen Erholung nach der Corona-Krise ist es wichtig, dass die zur Verfügung gestellten Mittel für zukunftsgerichtete Reformen und Investitionen eingesetzt werden, die im Einklang mit den Zielen zur digitalen und ökologischen Transformation stehen.

In zahlreichen Wirtschaftsbereichen wird ein harter globaler Wettbewerb um technologische Innovationsführerschaft ausgetragen. Wirtschaftsräume wie die USA und China können dabei ihre Marktgröße als entscheidenden Wettbewerbsvorteil nutzen. Ziel der EU muss es daher sein, die eigene Wettbewerbsfähigkeit durch einen einheitlichen Wirtschaftsraum ohne Fragmentierung zu sichern. Damit bieten wir europäischen Unternehmen einen großen Heimatmarkt und können zugleich den Binnenmarkt als strategische Ressource der EU nutzen.

Um der Bedeutung des Binnenmarktes für die deutsche und europäische Wirtschaft Rechnung zu tragen, wollen wir während unserer EU-Ratspräsidentschaft im Wettbewerbsfähigkeitsrat Schlussfolgerungen zum Binnenmarkt verabschieden, die den Stellenwert des Binnenmarkts für wirtschaftliche Erholung, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit aufzeigen und der Binnenmarktpolitik eine klare Richtung geben. l

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