4 minute read

Fluch oder Segen?

In Deutschland kommen Privatisierungen insbesondere in der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht gut an. Ein Buch räumt jetzt mit diesen Vorurteilen auf und zeigt wie es zur Zufriedenheit aller gehen kann – zumindest für die kommunale Ebene.

Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) haben in erfasst die Kooperationen zwischen Öffentlicher Hand Deutschland keinen guten Ruf. Die Privatisieund Privatwirtschaft in ihrer ganzen Komplexität und rung öffentlicher Unternehmen der DaseinsfürDifferenziertheit und stellt klar, dass das Gros solcher sorge gilt vielen als rotes Tuch. Kein Wunder, Partnerschaften in der kommunalen Daseinsvorsorge anmit der Post, der Telekom und der Bahn haben sich Bund gesiedelt ist. Dort sind sie sogar von zentraler Bedeutung wie private Unternehmen nicht mit Ruhm bekleckert. Die Prof. Schäfer und Rethmann leugnen nicht, dass insbeseit der Finanzkrise noch gewachsene Skepsis hat eine sondere mit den Privatisierungen auf Bundesebene einiges regelrechte Rekommunalisierungswelle in Deutschland schief gelaufen ist. Sie analysieren deshalb gründlich, das ausgelöst. Zuvor privatisierte Stromversorger, WasserbeWarum und untersuchen, ob die Zusammenarbeit zwitriebe, Wohnungs- und Entsorgungsunternehmen sowie schen privaten und staatlichen Akteuren sowie Institutiprivate Anbieter im öffentlichen Nahverkehr werden teuer onen gerade im Bereich der Daseinsversorgung eine Zuauf Kosten des Steuerzahlers zurückgekauft, um das Heft kunft haben kann. Beide fordern mit guten Argumenten, in der Hand zu halten. Aber ist das wirklich der Weisheit zwischen ÖPP auf staatlicher und kommunaler Ebene zu letzter Schluss, der auf Dauer unterscheiden. Für letztgezu einer optimalen Daseinsvorsorge für die Bevölkerung führt? „Aus der breiten und komplexen Welt wurde bis dato immer nur nannten Bereich kommen sie zu dem Schluss, dass Partnerschaften zwischen Kom

Die beiden Autoren des ein kleiner Ausschnitt betrachtet.“ munen und Privaten zum Buches „Öffentlich-Private Wohle beider Partner sowie Partnerschaften“, der frühere Prof. Michael Schäfer einer effizienten Versorgung Professor für Kommunalder Bevölkerung gut funkwirtschaft Prof. Michael Schäfer und der Familienuntertionieren können, wenn man sie richtig angeht. nehmer Ludger Rethmann gehen der Frage aus öffentlicher Bei vielen Negativbeispielen lassen sich weder dem wie privatwirtschaftlicher Perspektive nach. Sie kritisieren Staat noch dem privaten (Mit)Eigentümer die Schuld in einerseits die sehr enge Fassung des Verständnisses von die Schuhe schieben. Die beiden Autoren machen das ÖPP. Auf einer Definition des Bundesfinanzministeriums Problem bei der Steuerung von Unternehmen mit öffentbasiert das Verständnis von ÖPP hierzulande darauf, dass licher Beteiligung vor allem in Zielkonflikten zwischen viel zu einseitig lediglich Vertrags-ÖPP vor allem für InDaseinsvorsorge und Gewinnmaximierung aus, ebenso frastrukturprojekte in den Blick genommen werden. Das in einer unklaren Strategie, dies vor allem auf Seiten des sind oft mit heißer Nadel gestrickte Verträge. IntranspaStaates. Deshalb lässt sich kein Vorbild für eine gelungerent und mit unvereinbaren Zielsetzungen zwischen den ne öffentlich-private Partnerschaft auf Staatsebene finden. öffentlichen und privaten Partnern. Zudem ist das TheWarum aber sollte das auf der kommunalen Ebene anders ma ideologisch überfrachtet. Sind das aber ausreichende aussehen? Gründe, ÖPP in Bausch und Bogen zu verdammen? Bei dieser Frage bewegen sich beide Autoren auf ihrem

Das Buch stützt sich auf eine von den Autoren erarKerngebiet. Aus wissenschaftlicher, zugleich aber sehr beitete neue ÖPP-Definition. Diese Begriffsbestimmung praxisnaher Arbeit der eine, aus unternehmerischer Tätig

keit der andere, kennen beide das Feld kommunaler Unternehmen wie ihre Westentasche. Sie gründen ihre Aussagen aber keineswegs nur auf ihrem Hintergrundwissen und eigenen Erfahrungen. Sie zeigen an Erhebungen und Analysen in mehr als zwanzig Landkreisen und kreisfreien Städten in Deutschland ebenso wie detaillierten Fallbeispielen öffentlich-privater Unternehmen, dass ÖPP gut funktionieren können. Den Erfolg der untersuchten Kommunen erklären die Autoren damit, dass es sich einerseits bei den privaten Anteilen an kommunalen Unternehmen um Minderheitsbeteiligungen handelt. Das bedeutet, dass die politisch definierten Ziele des Gemeinwohls klar Priorität gegenüber einseitiger Gewinnmaximierung behalten. Und andererseits dadurch, dass ein langfristig ausgerichtetes Interesse beider Partner zu einer stabilen Verbindung führt, die über kurzfristige wirtschaftliche oder fiskali

„Kontinuierliche Partnerschaften werden durchaus geschätzt und vertraglich basierten Kooperationen vorgezogen.“

Ludger Rethmann

sche Vorteile hinausgeht und so Vertrauen schafft. „Dass sich öffentlich-private Partnerschaften nicht auf Investruinen reduziert, wissen wir aus unserer Nähe zur Praxis“, schreibt Schäfer. Er beklagt: „Der ausgesprochen schlechte Ruf öffentlich-rechtlicher Partnerschaften hat vor allem eine Ursache: Aus der breiten und komplexen Welt wurde bis dato immer nur ein kleiner Ausschnitt betrachtet.“ Plädiert wird damit für nichts weniger als die Etablierung gemischtwirtschaftlicher Unternehmen. Private Partner mit herausgehobenen Kompetenzen im jeweiligen Bereich der Daseinsvorsorge beteiligen sich – im Regelfall mit einer Minderheit – an kommunalen Betrieben. Diese gemeinsamen Eigentumsstrukturen, in denen die private Seite ausdrücklich keine reine Finanzbeteiligung akquiriert, sondern maßgeblich am operativen Geschäft mitwirkt, erweisen sich in der Praxis als langlebig, krisenresistent und hoch effizient.

Rethmann argumentiert ergänzend zur wissenschaftlichen Faktenlage auch aus eigener Erfahrung als Vorstandsvorsitzender: „Kontinuierliche Partnerschaften werden durchaus geschätzt und vertraglich basierten Kooperationen vorgezogen.“ Auf diesem Wege könne ein engerer und ständiger Austausch entstehen, der für beide Seiten von Nutzen sei. Gerade auch im Zuge der Corona-Krise könnte die gerade skizzierte Beteiligung privater Partner an öffentlichen, in erster Linie kommunalen Unternehmen, ein Thema werden, mit dem etwa in der Gesundheitspolitik mit all ihren nachgelagerten Bereichen Erfolge erzielt werden könnten. Zum Beispiel in der zentralen, vom Bund gesteuerten, Beschaffung und Verteilung medizinischer Schutzausrüstung. Es steht ver

Michael Schäfer Ludger Rethmann

Öffentlich-Private Partnerschaften

Auslaufmodell oder eine Strategie für kommunale Daseinsvorsorge?

2020, 441 Seiten, 96 Abbildungen Hardcover 39,99 € ISBN 978-3-658-28272-1 Springer Gabler Verlag

mutlich außer Frage, dass nach der akuten Krisenlage gerade ÖPP dabei eine wesentliche Rolle spielen könnten. Im ansprechend geschriebenen Werk von Prof. Schäfer und Ludger Rethmann finden sich dazu die richtigen Anregungen. Diese werden auf der Basis eines ganz neues Begriffs – Öffentlich-Private Daseinsvorsorge (ÖPD) – von beiden Autoren im gleichnamigen Band aus der Essential-Reihe von Springer Gabler vertieft, der im August erscheint. l

This article is from: