4 minute read
Banken tragen Verantwortung für eine nachhaltigere Zukunft Dr. Joachim von Schorlemer
Im Sinne des von Ludwig Erhard geprägten Leitbildes der Sozialen Marktwirtschaft sind sowohl Unternehmen und Politik als auch jeder Einzelne in der Pflicht, sich mehr denn je für einen nachhaltigen Umgang mit unserem Planeten einzusetzen. Banken spielen als „Scharnier“ zur Wirtschaft dabei eine Schlüsselrolle.
Der Klimawandel nimmt zunehmend bedrohlichere Ausmaße an. So hat sich die Zahl der Naturkatastrophen zwischen 2000 und 2019 gegenüber den vorherigen 20 Jahren fast verdoppelt. Für die weltweit insgesamt mehr als 7.000 Katastrophen größeren Ausmaßes in diesem Zeitraum ist vor allem der Klimawandel verantwortlich. 4,2 Milliarden Menschen wurden in den letzten 20 Jahren Opfer von Überschwemmungen, Stürmen, Dürren,
Waldbränden und weiteren Naturkatastrophen.1
Im Sinne des von Ludwig Erhard geprägten Leitbildes der Sozialen Marktwirtschaft sind sowohl Unternehmen und Politik als auch jeder Einzelne in der Pflicht, sich mehr denn je für einen nachhaltigen Umgang mit unserem Planeten einzusetzen. Die Politik hat dabei eine Vorreiterrolle eingenommen: Der EU-Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums, die Pariser Klimaziele oder der europäische „Green Deal“ – die Vielzahl der Initiativen verdeutlicht, welche
Dringlichkeit die Regierungen dem
Kampf gegen den Klimawandel welt-
Dr. Joachim von Schorlemer
Stellvertretender Vorstandsvorsitzender der ING-DiBa AG
weit beimessen. Banken als „Scharnier“ zur Wirtschaft spielen dabei eine Schlüsselrolle. Immerhin beziffert die Europäische Kommission den zusätzlichen Kapitalbedarf allein für die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens mit jährlich mehr als 180 Milliarden Euro. Dieses Finanzierungsvolumen ist nur mit der Unterstützung der Banken als Kapitalsammelstellen zu erreichen. Daher kommt ihnen die wichtige Aufgabe zu, den nachhaltigen Umbau der Wirtschaft voranzutreiben und so zur erfolgreichen Bekämpfung des Klimawandels beizutragen.
Insbesondere mit dem Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums setzt die Europäische Kommission dieses Vorhaben in die Tat um. Ziel des Plans ist der deutliche Ausbau von Kapitalzuflüssen in nachhaltige Investitionen. Mit der Taxonomie-Verordnung geht sie den ersten Schritt und schafft ein EU-weit gültiges und transparentes Klassifizierungssystem mit einheitlichen Begrifflichkeiten für entsprechende wirtschaftliche Aktivitäten. Zusätzlich verfolgt die Kommission mit dem European Green Deal den Plan, Europa bis zum Jahr 2050 zu einem klimaneutralen und ressourcenschonenden Kontinent zu machen, der keine Netto-Treibhausgasemissionen mehr freisetzt und bei dem das Wirtschaftswachstum von der Ressourcennutzung unabhängig ist. Zur Umsetzung des Deals sind umfangreiche Investitionen erforderlich, für die privates Kapital durch den Finanzsektor mobilisiert werden muss. Die Banken sind gefordert, die Wirtschaft bei dieser Transformation eng zu begleiten und zu unterstützen.
Für die Institute bedeutet dies einen Paradigmenwechsel. Nachhal-
tigkeit muss auf strategischer Ebene und als integraler Bestandteil des Geschäftsmodells verankert werden. Banken stehen damit vor Fragen wie: In welche Kunden und Segmente wollen wir zukünftig investieren? Welche Geschäftsmodelle sollten gemieden werden? Wie können etwaige Kreditrisiken beherrschbar bleiben, und welchen gesellschaftlichen Zielen dienen die abgeschlossenen Geschäfte?
Damit rückt auch die aktive Umsetzung eigener Nachhaltigkeitsziele in den Fokus. Eine Bank kann gegenüber Kunden und der Öffentlichkeit nur glaubwürdig auftreten, wenn sie das Thema Nachhaltigkeit selbst imple-
mentiert und verinnerlicht hat, zum Beispiel indem sie dieses Ziel in allen Geschäftsbereichen umsetzt oder in den Zielvereinbarungen berücksichtigt. Dies ist umso bedeutsamer, als Banken bei der Gestaltung einer nachhaltigeren Zukunft nicht nur als Geldgeber, sondern auch als Berater und Gestalter agieren. Veränderungen hin zu einem umweltbewussten Verhalten lassen sich am besten im Dialog einer funktionierenden Geschäftsbeziehung verwirklichen. Dabei liegt es in der Verantwortung der Bank, den Kunden dabei zu beraten, die richtigen und effizientesten Maßnahmen zu ergreifen. Auch im Privatkundenbereich geht es
Foto: AdobeStock©tanaonte
darum, einen wirksamen gesellschaftlichen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit zu leisten, indem Banken Kunden Transparenz über deren CO2-Fußabdruck geben. Auf Basis des Ausgabeverhaltens ihrer Kunden können Banken im Dialog sinnvolle Impulse geben und echte Verhaltensveränderungen bewirken.
Doch das Bewusstsein für die strategische Relevanz von Nachhaltigkeit ist noch nicht bei allen Banken angekommen. Während niederländische und französische Institute bereits recht weit sind und als Benchmark gelten können, haben Banken in anderen Ländern, darunter teilweise auch in Deutschland, noch Nachholbedarf. Das Ziel jedes Hauses sollte es jedoch sein, die Kunden in die Lage zu versetzen, nachhaltiger zu agieren. Es empfiehlt sich, über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg branchenübergreifend mit öffentlichen und privaten Partnern zusammenzuarbeiten. Idealerweise geschieht dies in enger Zusammenarbeit mit anderen Banken, denn Nachhaltigkeit ist eine gemeinsame, gesamtgesellschaftliche Aufgabe, bei der Wettbewerb zweitrangig sein sollte.
Daher gibt es Initiativen wie „Terra“, mit denen die Kreditbücher von Banken in Richtung des ZweiGrad-Klimaziels ausgerichtet werden können. Dazu erfolgt eine Analyse des Kreditbuches, um Potenziale für eine Reduzierung der CO2-Emissionen zu identifizieren. Als Ergebnis dieser Prüfungen wird die Kapitalallokation gezielt stärker auf CO2-arme Technologien konzentriert. Damit kann ein Marktstandard für die Ermittlung der Klimabilanz im eigenen Kreditbuch von Banken geschaffen werden. Denn nur wenn das Vorgehen aller Marktteilnehmer vergleichbar ist, entsteht auch Transparenz darüber, welche Fortschritte gemacht werden.
Banken tragen eine zentrale Verantwortung, um die Wirtschaft umweltfreundlicher zu gestalten. Der Klimawandel ist eine immense Herausforderung, die uns alle angeht. Mit ihrer Arbeit und ihrem Einfluss haben Banken die Möglichkeit, einen wirksamen und erheblichen Beitrag zur erfolgreichen Bekämpfung des Klimawandels zu leisten. l
1Quelle: Bericht über Opfer und Schäden von Katastrophen 2000-2019 des UN-Büros für Katastrophenvorbeugung: https://www.tagesschau.de/ausland/ naturkatastrophen-klimawandel-101.html