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Neues aus den Kommissionen

FAMILIENUNTERNEHMEN UND MITTELSTAND

Vizepräsident Friedrich Merz bewertet EU-Corona-Rettungspaket

Für Friedrich Merz, Vizepräsident des Wirtschaftsrates, war die Einigung der europäischen Staats- und Regierungschefs auf den Corona-Hilfsfonds ein grundsätzlich positives Signal. „Die Handlungsfähigkeit der EU ist gewährleistet“, sagte er in einer Videokonferenz zum Thema „Wie kann Europa seiner globalen Rolle gerechter werden?“ Zugleich sprach er sich für eine ausschließlich zweckgebundene Verwendung der Mittel aus. Merz warnte jedoch davor, für den Klimaschutz das Mandat der Europäischen Zentralbank auszuweiten.

Zum Thema Werkverträge erklärte er, dass sie wichtiger Teil der Rechtsordnung und des Arbeitsmarktes seien: „Deshalb bin ich dagegen, Werkverträge für bestimmte Industrien einfach zu verbieten. Auf der anderen Seite: Was in Teilen der Fleischindustrie passiert, mit Sub-sub-sub-Verträgen, das hat mit einem anständigen Umgang mit den Mitarbeitern und mit Sozialer Marktwirtschaft nichts mehr zu tun. Das sind Missbräuche des Werkvertragssystems, und die muss und kann man auch abstellen.“ l

WR-DIALOG Eurobonds mit EU-Wiederaufbaufonds nicht vom Tisch

Der erste „WR-Dialog“ stand unter dem Motto „Was sich hinter Nullzins, Rekordverschuldung und Ordnungsverlust zusammenbraut“. Prof. Dr. Dirk Meyer, Professor für Volkswirtschaftslehre, insb. Ordnungsökonomik an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg, gab seine Einschätzungen zum EU-Wiederaufbaufonds und der Rolle der Europäischen Zentralbank (EZB). Ein wichtiges Strukturmerkmal des EU-Wiederaufbaufonds sei, dass dieser mit dem Notstandsparagraphen begründet wurde, was alle 27 EU-Staaten betrifft. Im Gegensatz dazu beziehe sich das frühere Kriseninstrument, der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) nur auf die 19 Euro-Staaten.

Die Diskussion über Eurobonds sieht Prof. Meyer durch die Einführung des Aufbaufonds nicht als beendet an. Im Gegenteil: Die Tür für eine gemeinschaftliche Schuldenhaftung sei durch den Aufbaufonds und das europäische Kurzarbeiterprogramm Sure weiter geöffnet worden. Von den Prinzipien Wettbewerb, Föderalismus und Markt entferne sich Europa immer mehr. l

PFLEGE

Staatssekretär Westerfellhaus begrüßt Neugründung der Bundesarbeitsgruppe

Der Pflegebereich war in den letzten Jahren einem hohen Maß an Regulierung und politischen Veränderungen ausgesetzt. Um angesichts des demografischen Wandels dem enormen gesellschaftlichen Stellenwert der Pflege Rechnung zu tragen und dem Thema eine kraftvolle Stimme zu geben, hat der Wirtschaftsrat die Bundesarbeitsgruppe Pflege gegründet.

Zur Auftaktsitzung waren Teilnehmer aus allen Bereichen der Altenpflege vertreten. Als hochkarätige Redner waren der Bevollmächtigte der Bundesregierung für Pflege, Staatssekretär Andreas Westerfellhaus, und der pflegepolitische Sprecher der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion, Erich Irlstorfer, zugeschaltet.

Neben der Vorstellung seines Fünf-Punkte-Programms für eine bessere Pflege, betonte der Staatssekretär wie wichtig die Gründung der Bundesarbeitsgruppe Pflege sei. Auch der Erich Irlstorfer unterstrich die Bedeutung des Gremiums und diskutierte mit den Unternehmern die Themen, die den Gesundheitsausschuss beschäftigen. Beide Referenten plädierten für die Zusammenarbeit aller im Sektor Pflege beteiligten Akteure, um gute und vernünft ige Lösungen für künftige Herausforderungen zu finden und freuten sich auf den Austausch mit der Bundesarbeitsgruppe. Vorsitzender des neuen Gremiums ist Daniel Schuster, Geschäftsführer der ProCurand Unternehmensgruppe. l

DIGITAL FINANCE Burkhard Balz wirbt für Europa-Lösung

Die Pandemie hat das Zahlungsverhalten der Bürger verändert. Seitdem erfolgt vieles digital und eine Rückkehr zu mehr Bargeld sei auch nicht mehr zu erwarten. Das sagte Burkhard Balz, Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank, auf der konstituierenden Sitzung der neuen Bundesarbeitsgruppe Digital Finance des Wirtschaftsrats und betonte, wie wichtig gerade dabei europäische und technologieoffene Lösungen seien. Ein wachsender Wettbewerb sei durch sogenannte „Big Techs“ wie Apple oder Facebook, die in das Zahlungsgeschäft drängten, aber auch durch chinesische Zahlungsanbieter, zu erwarten. Deshalb sei es notwendig, europäische Zahlungslösungen zu entwickeln und dafür einen europäischen Ordnungsrahmen zu beschließen. Die Grundlage sei eine „digitale Identität“, für die der Gesetzgeber gleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen müsse. l

WR-DIALOG Marktwirtschaft Ade

Im WR-Dialog „Low forever? Wirkungen, Folgen und Grenzen der ‚ewigen‘ Niedrigzinspolitik“ ordnete Prof. Dr. Gunther Schnabl die geldpolitischen der Entwicklungen im Euro-Raum und in der EU in einen internationalen Kontext ein und warnte vor einer Abkehr von marktwirtschaftlichen Prinzipien in der Corona-Pandemie. Er wies darauf hin, dass die Rolle der Geldpolitik oft verkannt werde. Das gelte auch für die aktuelle Lage. Um dies zu illustrieren erläuterte er das Konzept der weichen Budgetrestriktionen. Dies beschreibt, dass ineffiziente Unternehmen mit Geld der Notenbank unterstützt werden, um Arbeitsplätze zu erhalten. Die Notenbank selbst wiederum bekomme dann Unterstützung von der Zentralbank. So würden zwar die Arbeitsplätze gehalten, da es jedoch keine Produktivitätssteigerungen gebe, sinke mit der Zeit das Lohnniveau. Prof. Schnabl warnte davor, als Reaktion auf die Pandemie eine ähnliche Strategie zu fahren. Zunächst biete eine expansive Geldpolitik natürlich die Möglichkeit den politischen Wunschzettel abzuarbeiten. Dies führe jedoch dazu, dass keine Strukturanpassungen mehr vorgenommen würden. l

EUROPÄISCHE FINANZ- UND WÄHRUNGSPOLITIK

Die Krise als Chance

Die Union hat Prinzipien, aber keine Dogmen, konstatierte Ralph Brinkhaus, Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, in einer Videokonferenz mit Unternehmern im Wirtschaftsrat. Das gelte auch für die Bewältigung der Coronakrise. Die Gelder aus dem EU-Wiederaufbaufonds dürften nicht leichtfertig versprochen werden, doch in der Krise seien diese Maßnahmen angemessen. Entscheidend sei, dass der EU-Wiederaufbaufonds eine Sondersituation bleibe, sagte Ralph Brinkhaus weiter. Noch werde um die Rückzahlung der Kredite gestritten und ob es für die Gelder eine Konditionierung geben soll. Die „sparsamen Vier“ setzten sich dabei für eine besonders strenge Regelung ein, andere Länder forderten Auflagenfreiheit. Deutschland positioniere sich in der Mitte, erklärte der Fraktionsvorsitzende weiter. Nach Vorstellung der Union geht es beim EU-Wiederaufbaufonds um Nachhaltigkeit. Die Rückzahlung der Schulden solle bereits in diesem Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) der Staatengemeinschaft anlaufen.

Deutschland habe eine Verantwortung gegenüber den anderen EU-Staaten und übernehme mit der EU-Ratspräsidentschaft nun auch eine Führungsposition, betonte Ralph Brinkhaus. Aber Deutschland profitiere auch selbst stark von der EU und ihrem Binnenmarkt. Es sei also im nationalen Interesse, sich für die EU stark zu machen. Dabei ginge es in der EU um mehr als Geld. Es handle sich auch um das weltweit größte Friedensprojekt sowie ein Wohlstandsprojekt, das auch die europäische Souveränität sichert. l

VERKEHRSPOLITIK Klimaschutz und Innovation vereinen

Durch die Corona-Pandemie sind Logistik- und Lieferketten ins Stocken geraten, Verkehrsunternehmen haben massive Einnahmeausfälle zu verkraften, Schiene und Luftverkehr straucheln – bei unveränderten Aufgaben in Sachen Klimaschutz. „Mit unserem New Mobility Approach wollen wir Nachhaltigkeit, Mobilität und Digitalisierung zusammen denken – in einem Ansatz“, erläutert Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer im Dialog mit der Mobilitätskommission des Wirtschaftsrates. „Wir müssen aus der Krise lernen. Dazu wollen wir einen europäischen Notfall-Pandemieplan für den Güterverkehr erarbeiten. Denn bislang gibt es keine europaweiten Vorkehrungen für die zentralen Verkehrsinfrastrukturen und Verkehrsträger im Falle von Pandemien.“

Die Mitglieder der Kommission und der Bundesminister waren sich einig, dass Technologieoffenheit das Gebot der Stunde sei. Bei der Umsetzung der Wasserstoffstrategie, insbesondere dem Aufbau der Infrastrukturen, ermutigte die Kommission Andreas Scheuer, von Anfang an europäisch zu denken. Zugleich brauche es einen pragmatischen Blick auf alle Erzeugungsmöglichkeiten für erneuerbaren – grünen – und klimaneutralen – blauen, türkisen – Wasserstoff, um einen europäischen Wasserstoffb innenmarkt zu schaffen. l

EUROPA Viel Volumen, wenig Zukunft

„Das Volumen des Aufbaufonds ist schlicht zu hoch und die Zukunftsaspekte zu niedrig“, betonte die Vizepräsidentin des EU-Parlamentes Nicola Beer MdEP in einem Webtalk mit demWirtschaftsrat Brüssel. Es könne nicht sein, dass man der nächsten Generation nur die Schulden hinterlassen wolle.

Gemäß der EU-Kommission solle das Paket eigentlich die am stärksten von der Pandemie getroffenen Regionen mit Investitionen in ihre Zukunftsfähigkeit unterstützen. Doch am meisten profitieren wirtschaftliche schwache Länder Osteuropas. Baer kritisierte, dass die Verteilungsschlüssel für die diversen Programme des Wiederaufbaupakets von der EU-Kommission auf Grundlage der Bevölkerungsgröße, der Wirtschaftskraft und der durchschnittlichen Arbeitslosigkeit von 2015 bis 2019 erarbeitet wurde. Einen Krisen-Faktor gebe es hingegen gar nicht.

Außerdem enthalte der Aufbaufonds gleich mehrere Elemente, die mit der Corona-Krise nichts zu tun hätten: die Aufstockung der EU-Strukturfonds, der Agrarmittel und des Klimaanpassungsfonds um jeweils zweistellige Milliardensummen. Für Nicola Beer sind klare Konditionalitäten und deren Erfüllung für die Mittelvergabe unerlässlich, hierfür werde sie sich mit aller Kraft im Europäischen Parlament einsetzen. l

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