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Schnellere Planfeststellungsverfahren Andreas Scheuer

Schnellere Planfeststellungsverfahren

Großbauprojekte dauern in Deutschland zu lange. Das Investitionsbeschleunigungsgesetz soll Abhilfe schaffen.

Der Bau großer Infrastrukturvorhaben dauert in Deutschland viel zu lange. Am Geld liegt es nicht, wir stellen Mittel in Rekordhöhe zur Verfügung. Doch Planung und Genehmigung von Projekten sind häufig so aufwändig, dass sie sich über viele Jahre ziehen. Um das zu ändern, hat der Bund in dieser Legislaturperiode bereits viel geleistet: Mit drei Planungsbeschleunigungsgesetzen haben wir wichtige Weichen für effizienteres Planen und Genehmigen gestellt. Dennoch lassen sich die Abläufe weiter beschleunigen. Das betrifft zum Beispiel die Frage, wann ein Genehmigungsverfahren verzichtbar ist. Aber auch Raumordnungsverfahren und gerichtliche Verfahren können noch effizienter gestaltet werden. Diese Potentiale wollen wir durch den im August im Kabinett beschlossenen Entwurf eines Investitionsbeschleunigungsgesetzes heben. Die Genehmigung von Verkehrsvorhaben erfolgt in der Regel im Rahmen von Planfeststellungsverfahren.

Andreas Scheuer MdB

Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur

„Planung und Genehmigung von Projekten sind häufig so aufwändig, dass sie sich über viele Jahre ziehen.“

Diese dienen unter anderem der Konfliktlösung, soweit ein Verkehrsprojekt öffentliche oder private Belange berührt. Ziel ist, die unterschiedlichen Interessen angemessen auszugleichen. Nicht immer ist dafür jedoch ein umfangreiches behördliches Verfahren notwendig; nämlich zum Beispiel dann nicht, wenn das Projekt nur kleinräumig ist und keine wesentlichen Umweltbelange oder Rechte von Bürgern berührt. Das Investitionsbeschleunigungsgesetz sieht deshalb vor, dass für solche Maßnahmen im Schienenbereich kein Planfeststellungsverfahren mehr vorgeschrieben sein wird. Im Detail soll dies zum Beispiel für die Unterhaltung von Schienenwegen, die Elektrifizierung und Digitalisierung von Strecken sowie die Lärmsanierung gelten.

Auch auf das Prüfen der Umweltverträglichkeit kann verzichtet werden, soweit sich die Maßnahme kaum auf die Umwelt auswirkt. Künftig entfällt zum Beispiel bei der Digitalisierung von Bahnstrecken oder der Erneuerung von Bahnübergängen die Umweltverträglichkeitsprüfung komplett. Bei der Elektrifizierung von Bahnstrecken oder einer Lärmsanierung wird zunächst nur eine Vorprüfung stattfinden, aufgrund derer eine nachfolgende Umweltprüfung dann teilweise ebenfalls entfallen kann.

Weitere Effizienzgewinne lassen sich durch ein strafferes Raumordnungsverfahren erreichen. Dieses Verfahren begutachtet die Raumverträglichkeit einer Maßnahme mit überörtlicher Bedeutung. Das Ergebnis fließt in nachfolgende Planungs- und Genehmigungsverfahren mit

ein. Unser jüngster Gesetzentwurf sieht hier Beschleunigungseffekte auf zweierlei Wegen vor: Zum einen ist das Raumordnungsverfahren künftig nicht mehr zwingend. Wenn keine raumbedeutsamen Konflikte zu erwarten sind, kann darauf verzichtet werden. Zum anderen wird das Raumordnungsverfahren stärker digitalisiert, zum Beispiel durch Online-Veröffentlichungen. Und es wird nochmals klargestellt, dass Belange,

Schnellere Planfeststellungsverfahren Eingangszuständigkeit der Oberverwaltungsgerichte beziehungsweise Verwaltungsgerichtshöfe. Sie sind künftig erstinstanzlich zum Beispiel für Landesstraßen- und für bestimmte Hafenprojekte oder auch Windräder zuständig. Zugleich verzögern sich gerichtliche Verfahren aufgrund von Personalknappheit. Daher sieht das Investitionsbeschleunigungsgesetz einen flexibleren Einsatz von Richtern sowie eine Bündelung von Kompetenz in Spezialspruchkörpern vor. In dieser Legislaturperiode haben wir bei der Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren bereits viel erreicht, wie zum Beispiel, dass wir bedeutende Infrastrukturprojekte jetzt durch Maßnahmengesetze im Bundestag genehmigen können. Auch haben wir die Verfahren transparenter gemacht und damit die Bürgerbeteiligung gestärkt. Ebenso haben wir die Möglichkeit geregelt, Foto: AdobeStock©djama vorbereitende Maßnahmen vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses in Angriff zu nehmen. Zudem haben wir die Planungsverfahren für Ersatzneubauten bei Schienen- und Straßenprojekten verschlankt. Und schließlich werden mit der Bündelung von Anhödie bereits Gegenstand des Raumord- Auch die Gerichtsverfahren las- rungs- und Planfeststellungsverfahren nungsverfahrens waren, im weiteren sen sich beschleunigen. Denn Klagen beim Eisenbahn-Bundesamt, die noch Zulassungsverfahren nicht erneut ge- führen faktisch erst einmal für längere in diesem Jahr in Kraft treten wird, prüft werden. Zudem stellen wir klar, Zeit zum Stillstand eines Projekts. Um Schnittstellen reduziert. dass Linienbestimmung und Planfest- diese Zeit zu verkürzen, setzen wir am Der Entwurf des jetzigen Investistellung nach Abschluss eines Raum- Instanzenzug an. Bereits mit dem ers- tionsbeschleunigungsgesetzes ergänzt ordnungsverfahrens zeitnah beantragt ten Planungsbeschleunigungsgesetz die bisher umgesetzten Maßnahmen werden sollen. Dann nämlich können wurde die erstinstanzliche Zuständig- sinnvoll und wird nach meiner festen die erhobenen Daten und Gutachten keit des Bundesverwaltungsgerichts Überzeugung Planungs- und Genehohne langwierige Aktualisierung für erweitert. Das jetzt in Angriff genom- migungsprozesse spürbar beschleunidie folgenden Verfahren verwendet mene Investitionsbeschleunigungs- gen, ohne Rechtsschutzinteressen zu werden. gesetz erweitert darüber hinaus die schmälern. l

Wir sitzen in der Komplexitätsfalle: Wir sind zu hierarchisch, zu bürokratisch und zu langsam. Und das ist fatal. Denn ein nicht leistungsfähiger Staat verliert erst seine Kompetenz, dann das Vertrauen und schließlich seine Macht sowie seine internationale Relevanz.

Um unseren Wohlstand und unsere Werte langfristig zu sichern, reicht daher nicht nur der Fokus auf Bürokratieabbau im engeren Sinne. Vielmehr muss sich unser Staat in den nächsten zehn Jahren mehr verändern als in den letzten 70 Jahren zusammen. Er braucht keine homöopathische Behandlung, sondern eine Radikalkur. Zu dieser Analyse sind wir – das ist

Ein „Neustaat“ für Deutschland –Aufbruch in ein neues Reformjahrzehnt

Nicht erst seit Corona schauen wir mit Sorge auf Föderalismus, Verwaltung und internationale Zusammenarbeit. Während die Welt sich in tosendem Tempo wandelt, stößt unser Staat an seine Grenzen. Projekte dauern zu lange oder scheitern ganz.

eine Projektgruppe von Unionspolitikern verschiedenster Fachbereiche – gekommen und haben deshalb eine Antwort entwickelt. Die Antwort nennen wir „Neustaat“, wir beschreiben sie im gleichnamigen Buch. Wir machen damit zusammen mit zahlreichen Experten aus Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft 103 Vorschläge für eine Neuausrichtung von Staat und Politik, eine Neuausrichtung in die Zukunft.

Ein neues Leitbild – der lernende Staat

Dabei decken wir viele Zukunftsfelder ab – von Blockchain bis Bildung, von Klima bis KI, von Datensouveränität bis zur Doppelrente. Viele der Vorschläge sind ambitioniert, manche werden Sie überraschen, doch alle sind konkret und drängen. Und: Sie sind Teil eines neuen Denkmodells: dem „lernenden Staat“.

Der „lernende Staat“ geht davon aus, dass in einer digitalen, sich schnell ändernden Welt Gesetze anders gemacht werden müssen, anders aussehen müssen und anders vollzogen werden müssen wie bisher, nämlich agiler, vernetzter und digitaler. Der lernende Staat nutzt Daten als Entscheidungsgrundlage und ist bereit, Regularien in schnellen Zyklen zu ändern als es bisher der Fall war.

Das muss sich konkret ändern

Wir fangen bei uns selbst an, bei der Art und Weise, wie wir Gesetze machen. Zum Beispiel mit Verlaufscharts, die garantieren, dass von Anfang an in den Blick genommen wird, wie Gesetze in der Praxis wirken.

Und auch der Vollzug soll sich ändern. Durch neue digitale Möglichkeiten ist es heute machbar, Themen gemeinsam anzugehen statt, wie es heute der Fall ist, Prozesse nebeneinander oder hintereinander abzuwickeln. Die bisherige Praxis führt zu elend langen Verfahren, auch bei politisch unstrittigen, eigentlich unkomplizierten Bauprojekten – wie dem Ausbau des

Foto: AdobeStock©Iamio

Hauptzollamts Itzehoe. Die geplante Projektdauer liegt bei 10 Jahren. Da sind die häufig auftretenden Verzögerungen noch nicht mit inbegriffen.

Zur Beschleunigung würde beispielsweise die vollständige Automatisierung von Behördenverfahren führen, die nicht auf Ermessen oder Bewertung beruhen, sondern lediglich abgearbeitet werden müssen. Es ist unverständlich, warum ein Antrag auf Ummeldung, Verlängerung eines Reisepasses oder auf Kindergeld jedes Mal von Sachbearbeitern geprüft werden müssen. Die Kriterien sind klar und erfordern kein Ermessen, können also auch maschinell bearbeitet und stichprobenartig geprüft werden. Grundlegende Infrastrukturen hierfür wie eine schnelle Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes und Einführung eines staatlich zertifizierten, digitalen Identitätsnachweises, der E-ID, sind schnellstmöglich umzusetzen. Gut, dass der Koalitionsausschuss im Juni im Rahmen des Corona-Konjunkturpakets entsprechende Beschlüsse gefasst hat!

Zum anderen reformieren wir Verwaltungsprozesse und Arbeitsweisen durch einen Kulturwandel in den Behörden selbst. Das beginnt beim Personal: Wir wollen eine grundlegende Reform des Personalmanagements im öffentlichen Sektor – vom Recruiting über Bewerberpools statt (oftmals nur behördeninterne) Ausschreibungen auf einzelne Stellen, über Rotationspflicht zwischen Behörden als Voraussetzung für Führungspositionen bis hin zu verstärkter abteilungsübergreifender Projektarbeit.

Für uns ist klar: die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes sind die falschen Adressaten der öffentliche Kritik. Vielmehr geht es um starre, langsame und veraltete Prozesse. Wir haben zu viele, überkomplexe und sich teils widersprechende Vorgaben aus der Politik. Deshalb: Wir dürfen nicht mit dem Finger auf Beamte zeigen, sondern wir müssen bei uns selbst anfangen!

Unsere Vorschläge sind ambitioniert, teilweise auch radikal. Unsere Überzeugung ist, dass wir nur durch grundlegendes Neudenken den Fortschritt erzielen können, den wir brauchen.

Und die Zeit für Veränderung und Neudenken war lange nicht so passend wie heute: Ob Klimawandel, Digitalisierung oder Verschiebungen der internationalen Kräfteverhältnisse: Die Veränderung um uns herum wird immer größer. Und

Ein „Neustaat“ für Deutschland –Aufbruch in ein neues Reformjahrzehnt

sie wartet nicht darauf, dass wir uns

Nadine Schön MdB

Stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

„Wir sitzen in der Komplexitätsfalle: Wir sind zu hierarchisch, zu bürokratisch und zu langsam. Und das ist fatal.“

ihr gewachsen zeigen. Seien Sie beim „Neustaat“ dabei!

Neustaat ist aber keineswegs ein Projekt allein für die Politik-Blase. Wir wollen eine breite öffentliche Auseinandersetzung mit Zukunftsfragen und Wegen, wie wir als Politik und Staat besser schneller und schneller besser werden können. Lassen Sie uns gemeinsam Deutschlands Zukunft gestalten – denn die Zukunft zieht keine Wartenummer. l

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