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Deutschlands Sicherheit im Cyber-Zeitalter Prof. Dr. Kurt J. Lauk
Frankreich, Großbritannien und Deutschland müssen enger zusammenarbeiten und gemeinsam Strategien entwickeln, die mit der NATO kompatibel sind. Dazu gehört auch eine Cyber-Abwehr.
Die digitale Technologie ist zu einem eigenen Konfrontationsfeld geworden“, sagte der französische Präsident
Emmanuel Macron in einer Rede vor der Französischen Militärakademie.
Europa brauche die Fähigkeit, seine „digitalen Infrastrukturen selbst zu kontrollieren“. Die Forderung ist eindeutig: Europa benötigt eigene Kompetenz in digitaler Technologie und eine gemeinsame Cyber Defense.
Macron stellte auch einen Zusammenhang zwischen Cyber-Abwehr und einer europäischen Kooperation in der Nuklearpolitik her. Seine Äußerungen sind im Lichte des deutsch-französischen Aachener Kooperationsvertrages zu betrachten. In
Artikel 4 heißt es ausdrücklich: „Sie leisten einander im Falle eines Angriffs auf ihre Hoheitsgebiete jede in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung; dies schließt militärische
Mittel ein.“
Die NATO ist nach wie vor Garant für unsere Verteidigung. Doch unter
Donald Trump ist die Unterstützung durch die USA in Zweifel gezogen worden. Macron bezeichnete die Institution daraufhin als „hirntot“- beides hat die NATO deutlich geschwächt.
Frankreich, Großbritannien und
Deutschland müssen zwingend enger zusammenarbeiten und gemeinsame
Strategien entwickeln, die mit der
NATO kompatibel sind. Dazu gehört auch eine Cyber-Abwehr.
Cyber-Attacken können Vorstufen zu militärischen Auseinandersetzungen sein. Paralysierende Attacken gab es in Europa bereits mehrmals. In seinem Buch „Sandworm“ listet Autor
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Andy Greenberg eine Reihe solcher Angriffe auf. So wurde etwa 2017 das digitale Vorreiterland Estland lahmgelegt und estnische Websites mit Falschinformationen geflutet. Die Attacke ging von russischen Hackern aus. Vermutet wird ein Zusammenhang mit pro-russischen Unruhen anlässlich der Umbettung sowjetischer Kriegsgräber.
Im August 2008 marschierten russische Truppen in Ost-Ossetien ein. Gleichzeitig fielen Internet und Elektrizitätsversorgung in Georgiens Hauptstadt Tiflis aus. Damit waren Aufklärung und Abwehr russischer Fehlinformation zunächst nicht mehr möglich.
Die US-Seite präsentierte ihr Aggressionspotential mit israelischer Unterstützung bei einem Angriff auf die iranische Uran-Anreicherungsanlage in Natanz. Mit dem Schadprogramm Stuxnet beschädigte sie 2.000 der 8.700 Zentrifugen schwer. Erstmals wurde mit Software kritische Hardware zerstört.
Die weitreichendste und teuerste Cyberattacke bisher gab es 2016 auf die ukrainische Hauptstadt Kiew samt Umland. Soweit feststellbar, setzte die russische Hackergruppe Shadow Brokers eine sehr effektive Schadenssoftware ein – ein zentraler Teil der Software war zuvor von der NSA gestohlen worden. Über den Server einer kleinen Buchhaltungsfirma, die für das Container-Logistik-Unternehmen Maersk in der Ukraine engagiert war, fand diese Hardware bis 2017 den
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Foto: AdobeStock©James Thew
Weg in die zentrale IT des ContainerLogistikers Maersk und legte nicht nur den Konzern weltweit lahm, sondern steckte weltweit weitere Unternehmen an auch in den USA. Den Gesamtschaden bezifferte das Weiße Haus auf zehn Billionen Dollar. Es kann so die Funktionsfähigkeit eines ganzen Staates eingeschränkt werden, ohne dass ein Soldat die Grenze überschritten hätte. Als Antwort Panzer, Luftwaffe und Marine zu schicken, wirkt jedoch eher lächerlich.
Die „Cyber-Großmächte“ USA, China, Israel und Russland haben jeweils mehrere 10.000 „Software Kriegern“ aufgebaut – jederzeit verfügbar. Die technische Ausrüstung umfasst ein oder mehrere Hyper-Scale-Datenbanken mit einigen 100.000 Servern per Datencenter. Aufgrund ihrer Größe und Wärmeentwicklung sind sie durch Satelliten genau zu identifizieren. Keines dieser Zentren steht in Europa. In Deutschland hingegen, gibt es derzeit – soweit bekannt – nur wenige hundert entsprechend ausgebildeter Soldaten. Auf einen Cyber-Angriff zu reagieren, ist oft ein zeitraubendes Puzzlespiel – allein um die Quelle der Attacke ausfindig zu machen.
Gegenstrategien erscheinen jedoch möglich. So verkündeten die USA 2019 gegenüber Russland, dass sie Malware in das russische Elektrizitätsnetz gelegt haben. Die Angriffswaffe wurde auf dem Territorium des möglichen Feindes platziert, aber nicht gezündet. Der Feind ist jedoch informiert.
Nach allem, was wir wissen, sind die Cyber-Kapazitäten in Deutschland und Europa im Aufbau, aber Lichtjahre von den Kapazitäten der Cyber-Supermächte entfernt. Dabei ist Deutschland durch sogenanntes Peering besonders angreifbar. Weil hierzulande verschiedene Mobilfunkanbieter operieren, die sich gegenseitig Schnittstellen für die netzübergreifende Kommunikation einräumen, entstehen Schwachstellen. Diese sind Einfallstore für Hacker. In Kombination mit der Miniaturisierung nuklearer Sprengköpfe, entsteht für Europa eine neue Dimension der Bedrohung.
Eine vollständige Abrüstung aller nuklearen Mächte wäre wünschenswert. Aber auf absehbarer Zeit ist sie nicht in Sicht. Deshalb: Wenn unsere Partner uns militärisch stützen, ist es unsere Verpflichtung Ressourcen auf die Cyber-Abwehr zu konzentrieren, um als Bündnispartner auf Augenhöhe agieren zu können. Diese militärische Dimension einer notwendi-
Prof. Dr. Kurt J. Lauk
President, Globe CP GmbH, und Ehrenvorsitzender
des Wirtschaftsrates
gen, vertieften Zusammenarbeit muss auch bei den Brexit-Verhandlungen zentrales Thema sein. Deutschland spielt hier eine zentrale Rolle dies voranzutreiben, denn die EU-Kommission ist eher überfordert.
Es ist Zeit, die strategische europäische Sicherheitsgemeinschaft, inklusive eigener nuklearer Optionen, tiefer zu ergründen. Eine deutsche Sicherheitspolitik ohne europäische Komponente in der NATO wird nicht nur die Allianz schwächen, sondern auch die Verlässlichkeit Deutschlands als Partner in Zweifel ziehen. l