Die Wirtschaft Nr. 3, 12. Februar 2021

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MAGAZIN

NR. 3 • FEBRUAR 2021 • DIE WIRTSCHAFT | 20

INTERVIEW

MICHAEL BARTZ

„Es ist ja alles so unkompliziert geworden“ Mobiles Arbeiten. New Work Experte Michael Bartz spricht im Interview über die Entwicklung des mobilen Arbeitens in Zeiten der Pandemie und deren Auswirkungen auf das Arbeiten in der Zukunft.

FOTO: IMC FH KREMS

Denn Spielregeln sind ein ganz kritischer Erfolgsfaktor, das bringt das Ganze zum Laufen oder zum Fallen. Wir haben hierzu auch einen ersten Leitfaden für das Arbeitsministerium verfasst.

Zur Person Michael Bartz ist seit 2010 Professor an der IMC FH Krems und leitet den Forschungsbereich „New World of Work“. Er forscht seit zehn Jahren zu den Themen „Spielregeln für neues Arbeiten“ und „Produktivität“. Zuvor war er als Industriemanager unter anderem für Microsoft, Philips und Capgemini tätig.

Sie beschäftigen sich im Rahmen Ihrer Forschung mit dem Thema mobiles Arbeiten, was genau ist darunter zu verstehen? Das ist einerseits das Arbeiten von Zuhause oder einem anderen Ort aus, der nicht der fixe Arbeitsplatz im Firmenbüro ist. Also um Agilität und um das Thema Flexibilität des Arbeitsplatzes und der Arbeitszeit, das spielt natürlich ineinander. Denn mobiles Arbeiten passiert auch immer mehr im Büro, einige Unternehmen setzen bereits in gewissen Bereichen nicht mehr auf fixe Arbeitsplätze. Das heißt zum Beispiel, wenn ich an einem Projekt mitarbeite, verlege ich meinenArbeitsplatz ein halbes Jahr lang in einen Projektraum oder ich gehe mal auf Zeit in ein anderes Team. Es ist ja so unkompliziert geworden, es müssen keine Anschlüsse mehr verlegt oder Telefone installiert werden. Sie haben bereits im ersten Lockdown im Zuge Ihrer laufenden Forschung zahlreiche Unternehmen hinsichtlich des mobilen Arbeitens beraten. Was gab es da konkret zu tun? In erster Linie ging es darum organisatorische Rahmenbedingungen, also Spielregeln, zu formulieren. Es ging und gehtvor allem um die Fragen: „Aufwas müssen wir achten? Was müssen wir regeln? Wie geht das?“

Durch Corona gewann das Arbeiten im Homeoffice ja stark an Bedeutung. Wie klappte die technische Umsetzung in den Unternehmen? Die hat großteils gut funktioniert. In den ersten zwei Wochen wurde noch nachgerüstet wo es nötig war, aber es braucht ja eigentlich nicht so viel - ein Notebook, ein Headset und vielleicht noch einen großen Bildschirm für den Heimarbeitsplatz. Auch hinsichtlich der Softwarelizenzen musste kaum mehr nachgerüstet werden und selbstwenn, durch die Cloudlösungen ging das sehr schnell. Inwiefern hat sich die Haltung der Unternehmen in Bezug auf mobiles Arbeiten durch Corona verändert? Sehr viele Unternehmen haben in dieser Zeit gelernt, dass das mobile Arbeiten vor allem im Homeoffice sehr gut funktioniert hat. Gerade in den skeptischen Geschäftsführungen und Vorständen gab es ein Umdenken. Vor Corona haben 18 Prozent der Firmen mobiles Arbeiten ermöglicht. Laut aktueller Studien sagen jetzt bis zu 60 Prozent der Unternehmen, dass sie nach Corona an mobilen Arbeitsweisen festhalten wollen. Das ist eine Verdreifachung der Unternehmen. Welche Veränderungen beobachten Sie bei den Arbeitnehmer/-innen? Wie wirkt sich die lange Homeofficephase auf diese aus? Da sehenwir, dass sich 70-80 Prozent derAngestellten wünschen, dass es mit dem mobilen Arbeiten nach Corona weitergeht.Allerdings gilt es hier zu differenzieren: In Betrieben, wo es vor Corona kein mobiles Arbeiten gab, geht es den Angestellten darum, dass die Möglichkeit, Homeoffice zu machen, bleibt. In Unternehmen, die schon vorher mobiles Arbeiten zugelassen haben, wünschen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dass dieses intensiver wird als vor der Pandemie. Beide Gruppen stimmen in derAussage überein, dass sie nicht zu 100 Prozent im Homeoffice arbeiten wollen. Aber der Wunsch nach mehr Vereinbarkeit von Privatund Berufsleben ist stark ausgeprägt - vor allem auch


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