THERAPIEN FÜR KINDER
Nicht alles wächst sich aus Typische Kinderkrankheiten? Das sind heute längst nicht mehr Windpocken oder Scharlach, viel eher diagnostizieren die Kinderärzte Entwicklungsverzögerungen, Sprachauffälligkeiten oder Wahrnehmungsstörungen. Die Therapiepraxen verzeichnen eine stetig wachsende Zahl an Verordnungen der sogenannten funktionellen Kindertherapien wie Ergo-, Physio- und Sprachtherapien. Mehr als jedes zehnte Kind bis 14 Jahren hat schon Therapieerfahrung. Und bei den sechsjährigen Jungen ist gar knapp jeder dritte in Behandlung, wie der aktuelle Heilmittelreport der AOK berichtet. Doch woher rührt dieser Trend zum „therapierten Kind“? Experten sind sich einig, dass auch der gestiegene Leistungsdruck in der Schule nicht unwesentlich damit zu tun hat: In Zeiten von TurboAbi und Pisa sind die Erwartungen an Kinder größer denn je. Viele Eltern fragen sich besorgt, ob ihr Kind verhaltensauffällig oder lernverzögert ist und vergleichen es ständig mit Gleichaltrigen. Für diese bietet die Lektüre des Standardwerks „Babyjahre“ des legendären Schweizer Professors für Kinderheilkunde Remo H. Largo eine gute Hilfestellung. Der Kinderarzt betont hier zu Recht: „Jedes Kind ist auf seine Weise einmalig. Alle Entwicklungsstadien und Verhaltensweisen treten von Kind zu Kind in unterschiedlichem Alter auf und sind verschieden ausgeprägt.“ Bevor Eltern also eine mögliche Therapie in Betracht ziehen, sollten sie zuerst ihren Kinderarzt aufsuchen, denn der weiß am besten, wann diese tatsächlich angebracht und hilfreich ist. Hält der Arzt dann eine Therapie für nötig, so gilt: Ergo-, Logo- und Physiotherapie sind anerkannte Heilverfahren. Sie werden von entsprechend qualifizierten Therapeuten angeboten und die Behandlung wird, sofern der Arzt eine therapeutische Maßnahme für angebracht hält und ein Rezept ausstellt, von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen. Wichtig: Gesetzlich Versicherte müssen ihr Rezept innerhalb von 14 Tagen einlösen, sonst ist es nicht mehr gültig! Auch nach Pausen von mehr als 21 Tagen (wegen Krankheit oder Urlaub) ist ein neues Rezept fällig. Und der Therapeut muss die Behandlung innerhalb von zwölf Wochen abgearbeitet haben. Bei Kindern ist übrigens keine Zuzahlung fällig.
DIE RICHTIGE PRAXIS Der Kinderarzt, der das Rezept ausstellt, hat meist auch gute Adressen parat. In der Regel geht ein Rezept über zehn Behandlungen, anschließend schreibt der Therapeut einen Bericht über den Behandlungserfolg. Aus diesem entscheidet der Arzt, ob die Behandlung fortgesetzt wird.
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Libelle | Gesunde Familie 2020
KATARZYNABIALASIEWICZ - ISTOCK
Für Kinder und Jugendliche, die in bestimmten Bereichen ihrer Entwicklung gezielte Hilfen oder einfach ein bisschen Unterstützung brauchen, gibt es heutzutage viele Förder- und Behandlungsmöglichkeiten.
Physiotherapie Immer mehr Kinder leiden an Haltungsschäden, weil sie zu lange sitzen. PHYSIOTHERAPEUTISCH angeleitete Kinder-Rückenschulen können helfen.
Kinderphysiotherapie ist eine Kassenleistung und wird vom Arzt verordnet. Und zwar immer dann, wenn ein kleiner Patient auf motorischer, sensorischer oder psychomotorischer Ebene Unterstützung oder Stabilisation braucht. Gymnastikbälle, eine bunte Kletterwand, Turnmatten oder das Trampolin stehen in der Praxis bereit. Mit ihnen üben die Kinder dann gezielt Bewegungen, die sie nicht so gut können. Das kann mitunter auch anstrengend und ermüdend sein. Ziel ist es, dass ein Kind trotz seiner Einschränkung so selbstständig wie möglich in seinem Alltag zurechtkommt. Behandelt werden beispielsweise Fußfehlstellungen, Wirbelsäulenfehlbildungen, Beinbrüche, aber auch geistig und körperlich behinderte Kinder. Babys kommen besonders häufig mit einer Schädelasymmetrie in die Praxis. Die Kleinen haben sich eine bevorzugte Lage angelernt, die ohne Behandlung zu weiteren Haltungsproblemen führen kann. Ganz gleich jedoch, um welchen Befund es sich handelt: Je schneller behandelt wird, desto besser. Denn gerade bei Kindern können die Therapeuten noch viel beeinflussen und rasch Erfolge erzielen. In einer halbstündigen Therapiesitzung bleibt allerdings nur wenig Zeit. Deshalb geht es primär darum, die Eltern anzulernen, sodass sie die Übungen daheim regelmäßig mit ihrem Kind durchführen können.
BOBATH ODER VOJTA? Das Bobath-Konzept fördert erwünschte, gesunde Bewegungen, während schlechte Bewegungsmuster gehemmt werden. Eltern lernen, ihr Kind so zu „handlen“, dass dieses Ungleichgewicht ausgeglichen wird. Beim Vojta-Prinzip werden die angeborenen Reflexe des Kindes dazu genutzt, gesunde Bewegungsmuster auszulösen. Dazu aktiviert der Therapeut bestimmte Reflexpunkte am Körper, was durchaus schmerzhaft sein kann, sodass manche Kinder weinen.