ZEIT für Unternehmer Ausgabe 2/2022

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SCHWERPUNKT NACHHALTIGKEIT LAMMSBRÄU

Prost, ihr Pioniere! Regional vernetzt, bundesweit erfolgreich – auch in Krisenzeiten bewährt sich die Strategie einer bayerischen Ökobrauerei. Was können andere Unternehmer von ihr lernen? VO N D I ET M A R H . L A M PA RT ER

J Johannes Ehrnsperger ist überzeugt, dass Fairness und Nachhaltigkeit einen Preis haben sollten. Auch dann, wenn es um ein Produkt geht, das es in Deutschland in zahllosen Ausprägungen gibt: Bier. Aber deswegen mit Rabatten um Marktanteile kämpfen? Nein. An den Zutaten sparen, um Kosten zu senken? Niemals. Auf die Lieferanten Druck ausüben, um die Konditionen zu verbessern? Im Gegenteil! Die Kunden sollen ruhig mehr bezahlen, für Ehrnspergers Halbliterflasche leicht das Doppelte dessen, was mancher Wettbewerber verlangt. »Wir sind schon deshalb teurer, weil wir unseren Biolandwirten Preise zahlen wollen, von denen sie leben und mit denen sie der nächsten Generation einen gesunden Hof übergeben können«, sagt Ehrnsperger. Johannes Ehrnsperger ist Chef der erfolgsreichsten Biobier-Brauerei der Republik: Neumarkter Lammsbräu, Sitz in Neumarkt in der Oberpfalz, gegründet 1628, seit 1800 in Besitz der Ehrnspergers. Und, eigentlich, Teil einer Branche, der es gerade richtig schlecht geht. Die Lage der Brauer im Land sei »dramatisch«, sagt Holger Eichele, der

Hauptgeschäftsführer des Deutschen BrauerBundes in Berlin und damit Deutschlands führender Bier-Lobbyist. Lammsbräu ist eine von 1500 Brauereien im Lande, darunter Großkonzerne und viele kleine Gasthausbrauereien. Nach einem Einbruch im ersten Corona-Jahr ist der inländische Bierabsatz 2021 um weitere 3,4 Prozent gesunken. Und jetzt komme noch »eine nie gesehene Preisexplosion bei Rohstoffen, Energie und Logistik hinzu«, sagt Eichele. Der »Doppelschlag Corona und Ukraine-Krieg« bringe auch traditionsreiche Familienunternehmen der Bierbranche in Existenznot, die Kapitalreserven würden aufgezehrt. Eicheles bittere Erkenntnis in diesem Frühjahr: »Die Brauer stehen mit dem Rücken zur Wand.« Nur Johannes Ehrnsperger spürt davon wenig. Im Gegenteil: »Die Corona-Krise und der Ukraine-Krieg haben uns gezeigt, wie anfällig die Globalisierung ist und wie viel resilienter und widerstandsfähiger kleine lokale Strukturen sind«, sagt der 32-Jährige. »Darauf bauen wir seit 40 Jahren.« Die Ehrnspergers mögen ein Sonderfall sein, weil sie schon auf Nachhaltigkeit gesetzt haben, als darüber noch kaum geredet wurde. Aber sie sind eine Unternehmer­ familie, von der andere lernen können, selbst wenn sie keine Pioniere sind. All jene eben, die vor der Herausforderung stehen, sich mit ihren Nischenprodukten dauerhaft von der Massenware der Großindustrie abzuheben. Denn was in Neumarkt einst mit der Suche nach der bestmöglichen Qualität für Braugerste begann, hat sich zu einem engen Verbund mit den regionalen Rohstofflieferanten

entwickelt. Sie alle eint das Prinzip des nachhaltigen ökologischen Wirtschaftens. Nebenbei ist das Unternehmen ein­ Beispiel dafür, dass eine solche Strategie auch generationenübergreifend funktionieren kann. Denn neben Johannes Ehrnsperger – weiße Sneaker, per Du mit den Mit­ arbeitern von der Empfangsdame bis zum La­geristen – gibt es da den Senior: Franz Ehrnsper­ ger, 76, graues Haar, gerne mit Janker, eher Typ Patriarch. Trotzdem habe jetzt nicht mehr der Vater das Sagen, betont der Junior, heute alleiniger Eigentümer von Lammsbräu. Er führe den Betrieb aber teamorientiert, sein Vater sei jetzt »Sparringspartner und Rat­geber«. Der Senior nickt nur. Mag der Führungsstil unterschiedlich sein, bei der ökologischen Grundüberzeugung und dem Engagement für Umweltund Klimaschutz passt kein Bierdeckel zwischen die Generationen. Johannes nennt den Franz einen »Visionär«, der war es ja, der die Grundlagen des Erfolges gelegt hat, als er 1984 das erste Biobier in Deutschland braute. Er war damals unzufrieden mit der mit Kunstdünger hochgezüchteten Gerste, dem wichtigsten Rohstoff für das Braumalz. Also probierte er es mit Biogetreide. Heraus kam »das bessere Bier«, wie er sagt. Der Branche war Biobier seinerzeit suspekt, der Ökopionier wurde belächelt. Ja: sogar bekämpft. Schließlich gilt in ganz Deutschland das Reinheitsgebot, wonach ins Bier nur Wasser, Hopfen und Malz gehören. »Wozu braucht man dann noch Biobier?«, hätten die Kollegen ihn gefragt, erinnert sich der Senior beim Rundgang durch


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