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Himmel, Hügel, freie Herzen

Zwanzig Jahre «Herzroute», das vermutlich schönste Velowandernetz der Welt Von Christoph Pfluger

Ich erinnere mich noch gut an den Moment vor bald dreissig Jahren, als Paul Hasler mein Jungverlegerbüro verliess und ich in stille Dankbarkeit über die wunderbaren Beziehungen versank, die mir mein Beruf bescherte.

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Es geht hier nicht um die vielen Ideen, die in Pauls «Büro für Utopien» reiften. Es geht hier um ein Werk, das Paul in seiner scheinbar unerschöpflichen freien Zeit als Lebenskünstler während Jahrzehnten entwickelte, bis es endlich den öffentlichen Segen erhielt und heute von Hunderttausenden begeistert, aber ohne Kenntnis seines Urhebers, genutzt wird: die Herzroute.

In der Anfangszeit des Velotourismus waren die Radwanderer noch die Helden der Landstrasse. Als sie zu deren Opfer wurden, mussten sie sicherere – und schönere – Wege finden – ein Fall für Paul. Die Idee der

Paul Hasler, Erfinder und Initiant des schönsten Velovergnügens der Welt, hier natürlich auf Erkundungsfahrt für eine neue Herzschlaufe.

Nur was wirklich autofrei ist, kann ein Veloweg sein. Die Herzroute taucht tief und hoch in die Landschaft ein und meidet die braven Radstreifen neben den Autopisten. Rechts ein Ausschnitt aus der «Herzschlaufe Napf». (allle Fotos: Herzroute)

«Herzroute» entstand, eines Velowegs, der sich nicht nach A und B orientierte, sondern nach Abwechslung, Genuss und Entdeckung.

Ein erstes Konzept wurde 1989 von Schweiz Tourismus abgelehnt. Es bestehe kein Bedarf nach beschilderten Strecken, zudem sei die Schweiz überall schön. Als ob es damals noch keine Zersiedelung und keine Autos gegeben hätte. Radwanderwege – forget it.

In den 1990er Jahren arbeitete auch das Velobüro Olten an einem Gesamtkonzept. Als «Veloland Schweiz» wurde es als Geburtstagsgeschenk zum 150-jährigen Jubiläum der modernen Eidgenossenschaft 1998 der Bevölkerung übergeben.

Aber ausgerechnet dort, wo die Schweiz nach Ansicht des St. Gallers Paul Hasler am schönsten ist, im Emmental (wo er auch wohnt), klaffte ein Loch. Sämtliche nationalen Routen schlugen einen Bogen um die grüne Hügellandschaft zwischen Jura und Alpen.

Paul liess sich nicht beirren, erkundete unter beträchtlichem Muskeleinsatz die aussichtsreichsten Wege und packte 2003 die Gelegenheit beim Schopf: 250 Jahre Bauernkrieg. Das musste mit einem versöhnenden Veloweg zwischen den Landstädten Burgdorf und Willisau gefeiert werden, der ersten «Herzroute». Die Beschilderung war behelfsmässig, die aufgemalten Markierung mussten später auf Befehl der Behörden wieder entfernt werden. Aber das Feuer der Velofreunde war entfacht und liess sich nicht mehr löschen.

Von entscheidender Hilfe war die junge Burgdorfer eBike-Herstellerin Biketec AG, deren Flyer gerade zum führenden Modell aufstieg und das Elektrovelo populär machte. Geschäftsführer Kurt Schär organisierte die Velovermietung und die Akku-Wechselstationen, und die Herzroute entwickelte sich zum Geheimtipp der Massenmedien. 2006 gab es endlich eine reguläre, bewilligte Beschilderung.

In den folgenden Jahren wurden Etappen nach Westen eröffnet und ab 2015 nach Osten bis an den Bodensee, sodass man heute die Schweiz, wo sie sonst noch am schönsten ist, auf 13 Tagesrouten durchqueren kann,. Inzwischen sind noch zehn «Herzschlaufen» durch besonders attraktive Regionen dazu gekommen, in diesem Frühling die «Herzschlaufe Langnau» mit 1800 Höhenmetern und die «Herzschlaufe Gotthelf» entlang den Wirkungsstätten des berühmten Dichters.

Wer heute diesen wunderbaren Wegen entlang radelt, ahnt nicht, wie viel Herzblut in diesen Routen steckt, die zum touristischen Tafelsilber unseres Landes gezählt werden müssen. Ich durfte mit Paul neue Strecken erkunden und erfahren, mit welcher Ausdauer er die besten Wege suchte und mit Grundeigentümern um Durchfahrtsrechte feilschte. Besonders hartnäckig: der Kanton Zug, Schweizer Meister der Privatstrassen und allgemeinen Fahrverbote.

Ich bin die Herzroute von Lausanne bis nach Rapperswil noch im Entwicklungsstadium geradelt. Die unvergesslichen Bilder und Erlebnisse besuchen mich immer wieder und rufen: Fass dir wieder einmal eine Herzroute.

Weitere Infos und Planungshilfen zu Routen, Mietmöglichkeiten und Unterbringung unterwegs: herzroute.ch und huegu-himu.ch

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