credo. Das Magazin für Mitarbeitende der Katholischen Kirche im Kanton Zürich

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Das Magazin für Mitarbeitende der Katholischen Kirche im Kanton Zürich

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40 Jahre Aids hiv-aidseelsorge Seite 4

youngCaritas: Das Engagement zählt Seite 14

Seelen-Nahrung Erntedank Seite 15

Kirche im Corona-Jahr II Wie hat sich kirchliches Leben verändert? Ab Seite 6

Oktober 2021

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Editorial

Mein Credo in der Pandemie

Franziska Driessen-Reding, SynodalratsWYpZPKLU[PU Ressort Präsidiales und Kommunikation -V[V! 7L[LY 2U\W

Sie halten die erste Ausgabe unseres neuen «credo» in der Hand. Mit diesem Magazin wollen wir alle kirchlich Engagierten in vierteljährlichem Abstand über kirchliche Wirkungsfelder informieren, Ideen austauschen und das Kennenlernen fördern. Vor gut anderthalb Jahren wurde die Idee für dieses neue Magazin geboren, unmittelbar vor Ausbruch der Pandemie. Den Namen «credo» hat es schon zu Beginn erhalten, doch es scheint mir, als ob dieser Name ganz besonders zur momentanen Situation passt. Was war Ihr Credo für die Zeit in der Pandemie? Je länger die Pandemie dauert, desto klarer wird mein Credo: Als Kirche können wir einen wesentlichen Beitrag leisten, damit wir uns - besonders heute – respektvoll begegnen dürfen. Ein zentraler Schritt dazu ist die Impfung! Corona hat unser kirchliches Leben gründlich verändert. Teils gelähmt, oft auch befruchtet. Deshalb widmen wir den Schwerpunkt dieser ersten Ausgabe Ihnen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und fragen: Wie hat die Pandemie Ihre Arbeit beeinflusst? Sollten Sie engagierte Menschen kennen, die auch Freude an diesem Magazin haben könnten, so senden Sie uns bitte deren Postadressen. Wir schicken «credo» gern allen Angestellten, Behördenmitgliedern und Freiwilligen zu. Denn wir alle sind Kirche im Kanton Zürich. Nur gemeinsam kommen wir voran. Auch das ist mein Credo. Franziska Driessen-Reding

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2 Editorial 3 Momentum

Zufluchtsort in schweren Zeiten 4-5 Aktuell

hiv-Anlaufstelle für Betroffene 6-11 Fokus

Kirchliches Leben in Coronazeiten 12 Engagiert

Katechetin Heidi Hürlimann 13 Unsere Kirche

Dampfross und Milch-Hörnli 14 Perspektiven

youngCaritas 15 Seelen-Nahrung

Erntedank 16 Ausläuten

Start up! Impressum credo credo erscheint vierteljährlich und NLO[ HU 4P[HYILP [LUKL Behördenmitglieder und Freiwillige der Katholischen Kirche im Kanton Zürich. 5Y 6R[VILY www.zhkath.ch/credo credo@zhkath.ch (\ÅHNL! ˕ ,_WS Herausgeberin Katholische Kirche im Kanton Zürich Kommunikationsstelle Hirschengraben 66 A YPJO Mail info@zhkath.ch

Gestaltung/Layout +LUPZ :JO^HYa A YPJO Wir danken Mara 4 YZL[ KPL \UZLYL zahlreichen Wünsche und unausgegorenen Pläne geduldig und mit viel Phantasie und Ideenreichtum in ein stimmiges und modernes Layout-Konzept gegossen hat. Druck und Papier :[HɈLS 4LKPLU (. Zürich )HSHUJL7\Y! OLYNLZ[LSS[ aus 100% Recyclingfasern und mit dem Umweltlabel «Blauer ,UNLS® aLY[PÄaPLY[


Momentum

Still – einsam – nicht allein. Eine oder einer hört meine Not. Bild von Dominic Nahr

Der Zürcher Fotograf Dominic Nahr spürte ^pOYLUK 4VUH[LU 4VTLU[L H\M \T KPL Corona-Pandemie in Bilder zu fassen. 12 Fotos illustrieren auch unseren diesjährigen Jahresbericht. Dieses Bild hier ist noch \U]LY ɈLU[SPJO[ ,Z ^\YKL PU 7L[LY \UK 7H\S A YPJO H\MNLUVTTLU

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Aktuell

Zahlen & Fakten

40

Jahre ist es her, seit erstmals über das HI-Virus berichtet wurde.

­>PY ZPUK VɈLU für alle Anliegen – wirklich alle» Bruno Willi und sein Team der hiv-aidsseelsorge sind Anlaufstelle und Sprachrohr für Betroffene. Interview: Thomas von Grünigen

36,3

Mio. Menschen sind weltweit an AIDS gestorben.

16’700

Personen leben in der Schweiz mit HIV.

400

Betroffene nutzen das Angebot der hivaidsseelsorge.

Der Leiter der hiv-aidsseelsorge Bruno Willi an der Fotoausstellung eines Klienten. -V[V! 9LNPUH 1pNLY

HIV ist heute sehr gut behandelbar, in der Schweiz haben Betroffene eine normale Lebenserwartung bei guter Lebensqualität. Wozu braucht es die hiv-aidseelsorge noch? Die Horrorbilder von ausgemergelten Gesichtern und Sterbenden, die in den 80er- und 90er-Jahren von den Medien verbreitet wurden, haben sich in vielen Köpfen festgesetzt. HIV ist heute eine gut therapierbare chronische Krankheit. Dieses Wissen ist in der Gesellschaft noch nicht verbreitet. Betroffene werden nach wie vor diskriminiert, verlieren den Job, können keine Zusatzversicherung abschliessen oder werden von Zahnarztpraxen abgewiesen. Wer unsere Stelle aufsucht, ist oft verzweifelt und weiss nicht mehr weiter. Wie können Sie helfen? Das Wichtigste: Betroffene können bei uns über alles reden, es gibt keine Tabus. Wir unterstützen unsere Klien-

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tinnen beim Kontakt mit Versicherungen, schreiben Gesuche um finanzielle Unterstützung oder begleiten einen Klienten beim Gang aufs Sozialamt. Den Austausch von Betroffenen untereinander ermöglichen wir bei Mittagstreffs, Anlässen rund um kirchliche Feiertage, Wochenende-Ausflügen, am Welt-Aids-Tag oder bei KreativWorkshops. Was unternehmen Sie gegen die Ausgrenzung Betroffener und gegen die Stigmatisierung der Krankheit? Firmlinge, Konfirmanden und Schulklassen haben bei uns die Möglichkeit, sich mit HIV-Infizierten auszutauschen. Dieses Angebot wird rege genutzt. Eindrückliche persönliche Schilderungen von Betroffenen und Fakten von Fachleuten gibt’s zudem ab Dezember in unserem Video-Projekt BLACK BOX HIV/AIDS auf hiv-aidsseelsorge.ch.


Aktuell

Wir begrüssen

Hausaufgabenhilfe im multinationalen Quartier Pfarrei St. Felix und Regula, Zürich «Rund 9 von 10 Kindern haben einen Migrationshintergrund und Deutsch nicht als Muttersprache», weiss Ilona Storchenegger, Jugendarbeiterin in der Stadztürcher Pfarrei St. Felix und Regula. Seit 2016 bietet die Pfarrei im Zürcher Quartier Hard die Hausaufgabenhilfe an – aufgrund der grossen Nachfrage bereits an zwei Nachmittagen der Woche. «Es kommt oft vor, dass sich Kinder mit Fragen und Lernproblemen in der Schule nicht zu melden wagen. Daheim behalten sie es für sich, weil das Elternhaus aus verschiedenen Gründen nicht helfen kann», führt Sturzenegger aus. In verschiedenen Lerngruppen arbeiten Erstbis Sechstklässlerinnen und -klässler. Der Jugendarbeiterin stehen zwei bis drei Oberstufenschülerinnen und -Schüler als Freiwillige mit Rat und Tat zur Seite. 6ɈLULZ (UNLIV[ Die Aufgabenhilfe wendet sich an alle Primarschulkinder im Quartier. Kommen die Kinder direkt von der Schule, offeriert die Pfarrei ein Znüni. Vernetzt Die Hausaufgabenhilfe ist für alle Kinder kostenlos. Die Eltern müssen die Anmeldung vornehmen. https://felixundregula.ch/angebote/kinder-und-jugendarbeit/aufgabenhilfe/

Fünf neue Lernende absolvieren bei der Zürcher Kirche einen Teil ihrer 2= (\ZIPSK\UN! Adelina Soda-Cotic Irene Pias Gonzalez Mathusa Santhakumar Patricia Daniela Gomes und Suwethikaa Selvaruban. Sie unterstütaLU \UZ PU KLY 2HUaSLP ILP KLY 1\NLUKZLLSZVYNL ILP Caritas Zürich und in der Paulus Akademie. Seit 1. September ist das Team der Missione Cattolica di lingua Italiana Don Bosco ^PLKLY RVTWSL[[! Don Daniele Faedo wirkt als =PRHY \UK Francesco Cosentino ist für die Sozialarbeit verantwortlich. =VU 9VT UHJO A YPJO! Thomas Widmer IPZOLY 2HWSHU KLY :JO^LPaLYNHYKL wird Pfarradministrator in Herz-Jesu in Zürich Oerlikon. Martin Stewen =PRHY PU :[ 7L[LY \UK 7H\S A YPJO ist vom Seelsorgekapitel zur Wahl als Synodalrat vorgeschlagen. Die Synodensita\UN ÄUKL[ HT 5V]LTILY statt. Am Bruder-Klaus-Fest hat Bischof Joseph-Maria vier Frauen und fünf Männer für den Seelsorgedienst beauf[YHN[! Ingrid Bolliger (St. 4HYPLU PU >PU[LY[O\Y Beata Gazova (St. Leonhard in 0UNLUIVOS )Y\UULU Marion Grabenweger (St. Martin in ,ɈYL[PRVU Thomas Jehle 7MHYYLP 2 ZZUHJO[ A/ Ante Jelavic (Seelsorgeraum St. Anton – Maria Krönung PU A YPJO >P[PRVU Antonia Manderla (Pfarrei Bruder 2SH\Z PU A YPJO Marcin Perl 7MHYYLP 4HYPH -YPLKLU + ILUKVYM Placido Tirendi (Pfarrei St. Josef in Schlie-

YLU Dorian Winter (Asylzentrumseelsorge in Zürich). An der Feier überraschte KLY )PZJOVM! A\Y -YHNL VI H\JO 5PJO[ .L^LPO[L PU KLY Eucharistiefeier predigen K YM[LU TLPU[L LY KPLZL Frage sei für ihn zweitrangig. «Viel wichtiger ist mir die 8\HSP[p[ KLY 7YLKPN[ ZV KLY Bischof.» Damit ist wohl im Bistum Chur das Predigtverbot der Laien vom Tisch.

Wir verabschieden Uta-Maria Köninger ist aus NLZ\UKOLP[SPJOLU .Y UKLU seit 1. September von ihren 7ÅPJO[LU HSZ 3LP[LYPU KLY Fachstelle für Religionspädagogik FaRP freigestellt \UK NLO[ H\M +LaLTILY in den vorzeitigen Ruhestand. Tatjana Disteli IPZOLY )LYLPJOZSLP[LYPU PT .LULYHS ]PRHYPH[ ^PYK H\M 5V]LTILY .LULYHSZLRYL[pYPU der katholischen Kirche im Kanton Aargau. Dominik Michel hat seine Stelle als Leiter des jenseits im Viadukt gekündigt und übernimmt künftig eine pastorale Aufgabe im Bis[\T :[ .HSSLU

Wir trauern Ernesto Vigne verstarb am 5. September im Alter von 77 Jahren. Er war ein Urgestein und Pionier in der Psychiatrieseelsorge. Über die bemerkenswerte Abdankungsfeier berichtete auch kath.ch.

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«Künftig mehr agieren als reagieren und funktionieren.» Wie hat die Pandemie uns, unsere Arbeit, unsere Pfarrei und Kirchgemeinde verändert? Mitarbeitende aus Pfarreien, Blauring und Generalvikariat über ihre Erfahrungen nach fast zwei Jahren Corona.

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Fotos: Manuela Matt

Rückmeldungen gaben mir den Eindruck, dass die Musik in der Pandemie leere Räume füllen konnte und die Funktion von (Wort-)Gottesdiensten übernommen hat. Musik hilft, Trennung zu überwinden und das Gefühl von Einsamkeit zu verdrängen. Diese etwas andere Gewichtung hat den Wert der Musik als Teil der Kunst, der Kultur und des Gottesdienstes gesteigert. Das Problem von Nähe und Distanz wurde zentral. Seit die physische Distanz grösser geworden ist, schätze ich zum Beispiel den Wert einer Umarmung mehr als vorher. Zudem hat uns die Pandemie einen Marschhalt verordnet. Künftig ist mehr Agieren als Reagieren und Funktionieren angesagt. Die Kirche muss neu gewichten, und wir sollten flexibler auf Bedürfnisse eingehen. Der interkulturelle und interreligiöse Dialog wird wichtiger werden. Zudem hat uns als Team Corona näher zusammengebracht.

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Bardia Charaf 3LP[LY 2PYJOLUT\ZPR 2PYJONLTLPUKL A YPJO >PLKPRVU

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Mit Corona war vor allem die Unbeschwertheit Knall auf Fall weg. Wir mussten aus einer gelähmten Situation heraus Anlässe organisieren und sehr flexibel unterwegs sein. Ich musste meine Lektionen anders gestalten, andere Formen ausprobieren, immer den Abstand wahren. Ich schickte viele Dinge nach Hause zu den Kindern und Jugendlichen, unter anderem auch digitale Botschaften in der Form von Videos. Die Maske irritierte die Kinder im Unterricht. Viele Menschen sind empfindlicher und emotionaler geworden. So auch die Eltern der Kinder. Mit ihnen gab es mehr Konflikte als früher. Bei der Impffrage spüre ich die Spaltung im beruflichen und privaten Umfeld. Wir haben in der Pfarrei Leute verloren, die sich sagen: Es geht auch ohne Kirche. Diese müssen wir zurückholen. Das setzt Offenheit für Neues, Anderes voraus, zum Beispiel Gottesdienste auf dem Bauernhof.

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Credo Nr. 1

Brigitte Broch 2H[LJOL[PU 2PYJONLTLPUKL ;OHS^PS


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Wir mussten neu herausfinden, wo die Bedürfnisse der Pfarreiangehörigen jetzt liegen. Die Einzelfallhilfe wurde wichtiger, die Gemeinwesen-Arbeit nahm ab. Interessant war zu beobachten, dass viele Menschen in der Kirche eine Auszeit vom Homeoffice suchten und fanden. Was wirklich fehlt sind die Unbeschwertheit und spontane Begegnungen. Wir müssen die Menschen in der Pfarrei wieder an Bord holen, mehr Präsenz zeigen und Netzwerke wieder reaktivieren. Wohltuend erlebt habe ich das Gefühl der Verlangsamung im Alltagsleben. Damit wurden Räume geöffnet für eine verstärkte Reflexion der Aufgaben und Arbeit, eine Rückbesinnung auf das Wichtige. Der Online-Weg hat viele Möglichkeiten, aber auch Grenzen aufgezeigt. Vor allem aber müssen wir den Menschen noch besser zuhören, bei ihnen nachfragen, was sie wirklich brauchen.

Beatrice Helbling-Wehrli :VaPHSHYILP[LYPU 2PYJONLTLPUKL >PU[LY[O\Y 7MHYYLP :[ <YIHU

Don Carlo de Stasio )PZJO ÅPJOLY )LH\M[YHN[LY M Y 4PNYHU[LUZLLSZVYNL .LULYHS]PRHYPH[

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«Wir haben in der Pfarrei Leute verloren, die sich sagen: Es geht auch ohne Kirche.» Brigitte Broch

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Corona war wie ein Tsunami, der über uns hereingebrochen ist. Wir waren in der Seelsorge nicht bereit für das, was kommt. Für unsere Gläubigen haben soziale Anlässe und Kontakte eine grosse Bedeutung. Diese sind in der Coronazeit weitgehend weggebrochen. Wir haben sehr viele Gläubige verloren, rund ein Drittel taucht nicht mehr auf. Der Widerstand unter den Gläubigen gegen die Coronamassnahmen ist gross, auch Missionare haben ihre Vorbehalte. Der Austausch mit den Gläubigen hat sich verändert. Wir orientieren weniger, vermitteln weniger Informationen, sondern sind mehr sozial unterwegs, weil dies so rar ist. Es braucht künftig ein noch stärkeres Zusammengehen von Missionen und Ortspfarreien. Es braucht auf beiden Seiten Seelsorgende mit mehr Kompetenzen zu interkultureller Pastoral.

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«Die Pandemie hat die Frage nach dem Wert eines Menschen aufgeworfen.» Pfarrer Mario Pinggera

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Wir haben in dieser Zeit einige Menschen verloren. Über Livestream erreichen wir aber auch andere und zusätzliche Menschen. Hausbesuche werden immer wichtiger. Es ist das grosse Bedürfnis der Menschen, dass wir raus aus dem Büro zu ihnen in die Wohnungen und Häuser kommen, dass wir mit ihnen einen intensiveren Kontakt pflegen. Ich habe während der Pandemie eine interessante Erfahrung gemacht. Die Pandemie hat Dinge offengelegt, die bisher nicht sichtbar waren. Es liegt viel Aggression in der Luft, die zwar vor Corona schon da war, aber erst jetzt an die Oberfläche tritt. Die lautstarke Totalverweigerung erstaunt mich und macht mir auch Angst. Insgesamt bin ich ruhiger und gelassener geworden. Belastend fand ich die hermetische Abriegelung von Pflegeheimen und Spitälern. Die Pandemie hat auch die Frage nach dem Wert eines Menschen aufgeworfen.

Mario Pinggera 7MHYYLY 2PYJONLTLPUKL 9PJO[LYZ^PS

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Anna Maria Caldarulo 2PYJOLUWÅLNL 7YpZPKLU[PU Kirchgemeinde Turbenthal

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Das Gemeinschaftsgefühl in der Pfarrei hat gelitten. Viele haben sich zurückgezogen, auch ich. Wohl aus Angst vor dem Virus, blieben vor allem Familien mit Kindern weg. Bei den Seniorinnen und Senioren hingegen war die Angst vor der Einsamkeit grösser als die Angst vor einer Ansteckung. Umgekehrt wünschen sich viele den aktiven Kontakt mit den Seelsorgenden. Organisatorisch mussten wir von der Kirchenpflege stärker mitdenken und das Seelsorgeteam bei den wenigen Anlässen und Gottesdiensten intensiver unterstützen. Gute und zuverlässige Informationsflüsse zu den Mitarbeitenden und Eltern wurden zentral. Die Herausforderung wird sein, dass wir in der Öffentlichkeit aktiver und attraktiver auftreten. Sonst verschwinden wir in der Versenkung. Mit Blick auf die Neuwahlen im kommenden Jahr bin ich aber unsicher, ob sich nach dem Rückzug ins Private noch viele Leute ehrenamtlich engagieren wollen.

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Was macht Corona mit uns?

Blitzumfrage zum kirchlichen Leben Wir haben in Kirchgemeinden und Pfarreien nachgefragt. 195 Pfarrer, Pfarreibeauftragte, Pfarreirats- und Kirchenpflege-Mitglieder haben geantwortet. Hat sich in Ihrer Pfarrei coronabedingt das kirchliche Leben entscheidend verändert?

Ja

eher Ja

eher Nein

Tanja Bosshard .Y\WWLUSLP[LYPU \UK :LRYL[HYPH[ Jungwacht Blauring Zürich

«

An Corona nervt mich vor allem die fehlende Planungssicherheit. Noch immer ist unklar, ob wir den diesjährigen Weihnachtsmarkt durchführen können. Immer wieder war Flexibilität gefragt: Gruppenstunden mit oder ohne Masken, Zvieri der Kinder vor Ort oder zu Hause? Künftig werden wir noch achtsamer, aufmerksamer und mit mehr Rücksicht unterwegs sein. Gerade was die mentale Gesundheit der Jugendlichen und jungen Erwachsenen betrifft. Zudem werden wir künftig einen intensiveren Austausch mit den Eltern pflegen. Ich selbst bin einerseits genervter als früher, gab es doch über Monate auf allen Kanälen und auch im privaten Gespräch nur noch Corona. Andererseits reagiere ich gelassener auf die Meinungen anderer, wenn es um die Einordnung der Pandemie geht.

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Nein

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Wie hat sich die Corona-Krise insgesamt auf das kirchliche Leben in Ihrer Pfarrei ausgewirkt? positiv

eher positiv

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negativ

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Wird das Pfarreileben nach Corona wieder so sein wie vor Corona?

Ja

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Die Gespräche führte Aschi Rutz.

Nein

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Mehr zur Umfrage und den zahlreichen Rückmeldungen im iKath.

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«Eucharistie neu denken lernen»

Der Theologe Arnd Bünker (52) ist Titularprofessor der Universität Freiburg i.Ue. :LP[ SLP[L[ LY KHZ :70 PU :[ .HSSLU \UK KPL .LZJOpM[ZM OY\UN KLY 7HZ[VYHSRVTTPZZPVU der Schweizer Bischofskonferenz.

Die ökumenische Studie Contoc* befragte in 22 Ländern Seelsorgende, welche Rolle digitale Angebote während der Corona-Pandemie hatten und wie sich ihre Arbeit durch die Pandemie verändert hat. Federführend bei der Studie war auch das Pastoralsoziologische Institut St. Gallen (SPI). Dessen Leiter Arnd Bünker berichtet über zentrale Ergebnisse für die Schweiz. Sind die Kirchen «systemrelevant» oder nicht? Diese Frage wurde im Lockdown immer wieder gestellt. Können Sie heute eine Antwort geben? Arnd Bünker: Der Bundesrat hat die Kirchen leider erst spät in den Blick genommen, die Präsenz der Seelsorge blieb auch deswegen im ersten Lockdown an verschiedenen Orten stark eingeschränkt. Aber dann erkannte die Politik, wie wichtig die Seelsorge gerade für die vulnerabelsten Menschen ist, vor allem auch in Heimen und Spitälern. Nach meiner Einschätzung führte diese Erfahrung zu einer nachhaltigen Stärkung der Seelsorge im Gesundheits- und Pflegewesen. Hier war Seelsorge tatsächlich systemrelevant.

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Und wie wichtig waren die Gottesdienste, die ja auch über Wochen und Monate nicht stattfinden konnten? Arnd Bünker: Wir haben keine Bedarfsanalyse durchgeführt, dazu wäre eine ganz andere Studie nötig. Wir wissen also nicht, wie stark die ausgefallenen Gottesdienste vermisst wurden. Wir haben uns auf die veränderten Arbeitsbedingungen der Seelsorgenden sowie die neuen, digitalen Angebote konzentriert. Was sind hier die wichtigsten Erkenntnisse? Arnd Bünker: Der erste Eindruck damals, wonach die meisten Seelsorgenden einfach die traditionellen Messen 1:1 in den digitalen Raum über-

trugen, täuscht. Die Wirklichkeit ist viel differenzierter, auch wenn viele neue Ansätze unter dem Radar einer (kirchen)-öffentlichen Wahrnehmung blieben. Es entwickelte sich schnell eine breite Versuchslandschaft von digitalen liturgischen und gottesdienstlichen Feiern jenseits klassischer Gottesdienste. Damit verbunden war nicht einfach nur ein technologischer Sprung, sondern auch ein inhaltlicher Innovationsschub. Wie sah der aus? Arnd Bünker: Ein wichtiges Element war die Schärfung der Zielgruppe. Unsere traditionellen Sonntagsgottesdienste laden ja immer ‘alle’ ein, kommen tun aber immer weniger. Die neuen Angebote waren viel zielgrup-


penorientierter, richteten sich an junge Menschen, oder an Seniorinnen und Senioren oder andere Zielgruppen. Hat das funktioniert? Arnd Bünker: Ja, sehr oft. Bei den spezifisch anvisierten Zielgruppen erreichten die Angebote zum Teil auch neues Publikum. Auch wurde die klassische Rollenteilung oft aufgebrochen, womit offenbar unlösbare Strukturprobleme der katholischen Kirche mit ihrer hierarchischen Trennung in Klerus und Laien gegenstandslos wurden. Im ersten Lockdown waren viele kirchliche Regeln ausser Kraft gesetzt. Das hat bei vielen Seelsorgenden eine ganz neue Kreativität entfacht. Es ist zu wünschen, dass diese Aufbrüche nach der Pandemie nicht wieder versanden. Sie sollten Motivation dafür sein, unsere Seelsorgeangebote grundsätzlich zu überdenken. Dann konnte die Kirche die Krise also als Chance nutzen? Arnd Bünker: Ganz so einfach ist es nicht. Teilweise ist es tatsächlich gelungen. Hauptsächlich da, wo auch schon vor der Krise Aufbrüche gewagt und erprobt wurden. Aber es gab natürlich auch die andere Seite, wo klassische Messfeiern einfach vom leeren Kirchengebäude in den digitalen Raum verlegt wurden. Das ist sicher weniger nachhaltig. Das bestehende Repertoire wurde ohne inhaltliche Erneuerung ins Digitale übertragen, ohne die Eigengesetzlichkeit des Digitalen zu berücksichtigen. Es gab aber auch Seelsorgende, die vorher vor allem in der Liturgie engagiert waren, die fielen selbst regelrecht in ein Loch, wenn nicht gar in Depression. Das gehört auch zum Bild. Zusammengefasst gab es drei Reaktionen auf den Lockdown: Innovation, Verlagerung und Depression. Soll man denn überhaupt klassische Gottesdienste übertragen? Arnd Bünker: Auf jeden Fall, aber dabei die je eigenen Gesetze des Mediums berücksichtigen. Stille Zeiten, zum Beispiel beim Kommunionempfang, mit guter Musik überbrücken, keine langen Predigten, dafür mehr bildgerechte Zeichen. Und je nach

Zielgruppe eigene Akzente setzen. Das Schweizer Fernsehen schraubt die Gottesdienstübertragungen aber immer weiter zurück. Arnd Bünker: Das Gottesdienstprogramm bei SRF ist zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig. Hier zeigt sich die Randständigkeit von Religion in den öffentlichen Medien. Darin spiegelt sich aber auch, dass es auf Ebene Schweiz oder Deutschschweiz keinen ernsthaften Dialog auf Augenhöhe mit den Verantwortlichen des SRF gibt. So geraten die Potenziale der Religion für die Öffentlichkeit aus dem Blick und die Medienpräsenz

Arnd Bünker: Die Eucharistie als «Quelle und Mitte des christlichen Lebens» ist ein schöner theologischer Gedanke, der aber von der Realität schon lange überholt ist. Empirisch spielt die Eucharistiefeier am Sonntag für viele Christinnen und Christen keine zentrale Rolle mehr. Das zeigt, dass wir Eucharistie neu denken lernen und neu feiern lernen müssen. Dieses Desiderat wurde durch die Erfahrung von Corona noch verschärft. Haben Sie selbst während des Lockdowns digitale Gottesdienste angeschaut? Arnd Bünker: Ja, schon rein aus

«Das Gottesdienstprogramm bei SRF ist zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig.» Arnd Bünker sinkt. Uns fehlten am Ende gerade in der Pandemiekrise eingespielte Kontakte und Beziehungen. SRF argumentiert mit rückläufigen Zuschauerzahlen. Arnd Bünker: Weil die Gottesdienste zu selten, kaum zielgruppenspezifisch und insgesamt thematisch zu wenig profiliert sind. Aber an den letzten Pandemie-Weihnachten hätte ich mich sehr über einen ästhetisch wie inhaltlich ansprechenden, gemeinsam von SRF, Bundesrat, den Bischöfen und der Reformierten Kirche und anderen gestalteten Gottesdienst oder eine auch religiöse Weihnachtsfeier im TV-Programm gefreut. Zu möglichst guter Sendezeit. Ich bin sicher, dass der auch Zuschauer gefunden hätte. Meines Wissens kam man aber weder seitens der Kirchen noch beim SRF auf die Idee. Jeder noch so gute digitale Gottesdienst kann das konkrete Feiern der Eucharistie in einer kirchlichen Gemeinschaft nicht ersetzen, oder?

beruflichem Interesse. Aber nicht nur! In dieser Zeit gab es in meiner Familie Krankheitsfälle. Besuche im Spital waren nicht möglich. Da war auch für mich persönlich ein guter Gottesdienst eine spirituelle Stütze. Das Gespräch führte Simon Spengler.

* Die CONTOC-Studie (Churches Online in Times of Corona) wurde in 22 Ländern durchgeführt. In der Schweiz wurde sie vom SPI und vom Zentrum M Y 2PYJOLULU[^PJRS\UN <UP]LYZP[p[ A YPJO K\YJONLM OY[ Die Auswertung wird bis Ende Jahr HINLZJOSVZZLU ZLPU KPL 7\ISPRH[PVU ¶ eine auf Deutsch und eine auf Englisch ¶ MVSN[ >LP[LYL 0UMVZ \U[LY! O[[WZ! JVU[VJ VYN KL JVU[VJ \UK O[[WZ! ZWP ZN JO

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Engagiert

«Spiritualität hat auch immer einen politischen Aspekt» Heidi Hürlimann, Katechetin

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Eine Fortbildung an der Uni Zürich hat mich tief in das Thema Spiritualität eintauchen lassen. Der Austausch mit den Theologinnen und Theologen dort war überraschend. Wir haben uns mit Strassen- und Naturexerzitien oder Herzensgebeten beschäftigt. Aber es ging nicht um «Wohlfühlspiritualität». Spiritualität soll auch unbequem oder politisch sein. Derzeit unterrichte ich die Unterstufen-Kinder, das mache ich schon lang.

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Ich möchte mittelfristig lieber mit Jugendlichen und Erwachsenen in den Austausch kommen und auch andere Liturgieformen finden. Ich merke bei vielen Familien und Erwachsenen Widerstände gegen die äussere, starre Form der Liturgie. Sobald man aber zum Beispiel einen Wortgottesdienst mit Untikindern und ihren Familien feiert, sehen die Beteiligten eine Bereicherung, wenn nicht immer die Gebete in der bekannten Form kommen.

Mir gefallen die abwechslungsreichen Aufgaben als Katechetin, die unterschiedlichen Themen, die ich mit Singen und Theaterspiel gestalten kann oder die Vorbereitung und Durchführung besonderer Erlebnistage. Da haben wir sehr viel Freiheit, uns vom groben Lehrplan zu entfernen und können schauen, was bei den Kindern aktuell ist. Diese Freiheit ist toll, die hätte ich zum Beispiel als Primarlehrerin nicht.


Unsere Kirche

Küchentipp Sie gehören zu den Lieblings-Nachtessen von Priorin Irene im Kloster Fahr: So einfach die Zubereitung der «Milch-Hörnli» ist, so bescheiden und lecker liegen sie auf dem Teller. Gerade in der Herbstzeit, wenn dazu Apfel- oder Birnenkompott serviert wird. Rezept für 4 Personen: 3 Liter Wasser aufkochen, mit 1 ½ EL Salz würzen, 200 – 300 g Hörnli zugeben und auf kleiner Stufe knapp al dente (ca. 10 Minuten) kochen. Hörnli gut abtropfen, in die Pfanne zurückgeben, je 1 dl Milch und Rahm sowie wenig Salz mischen, unter die Hörnli geben und auf kleiner Stufe ca. 5 Minuten ziehen lassen. Zum Schluss 100 g Reibkäse unter die Milch-Hörnli mischen. www.kloster-fahr.ch

Ausgehtipp Am Literaturfestival «Zürich liest» referiert der deutsche Comicautor und -zeichner Ralf König in der Paulus Akademie am 29. Oktober (19 bis 20.30 Uhr) aus seinem letzten Teil der Bibel-Trilogie «Antityp» und stellt sich anschliessend der Diskussion. Infos, Kontakt und Anmeldung: www.paulusakademie.ch

Generalsekretär Markus Hodel in seinem Element. -V[VZ! a].

Mein Hobby Ist eine Modellbahn nur für kleine Jungs? Markus Hodel beweist das Gegenteil. Bei mir begann’s mit einem Brett, auf dem ein Zug einsam seine Runden drehte. Heute organisiere ich mit Freunden über Weihnachten/Neujahr ein «Teppichbahning». Wir bauen auf bis zu 1'000 Quadratmetern eine Anlage auf. Computergesteuert rattern möglichst lange Züge über die grosszügige Anlage, wobei eine komplette Runde gut und gerne 30 Minuten dauern kann. Mit Freude an Technik und am Basteln den Alltag vergessen – nichts entspannt mehr. Volle Konzentration ist aber verlangt, wenn ich am Wochenende am Katzensee auf dem Dampfross das Publikum zur Rundfahrt einlade. Feuer, Wasser, Dampf und Pfeife: Alles muss passen, nur dann geht’s los zur grossen Fahrt. Für mich bleibt die Modellbahn das «Best Hobby in the world». Pflegen auch Sie ein spezielles Hobby oder kennen Sie eine Kollegin, einen Kollegen, der davon erzählen möchte? Schreiben Sie uns auf credo@zhkath.ch

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Perspektiven

«Egal ob Kleider spenden oder sich für die Umwelt einsetzen: das Engagement zählt!» Andrea Müller, Projektleiterin youngCaritas

Das youngCaritas-Team Zürich: Andrea Müller, Leiterin (links) und Rosa-Lynn Rihs. -V[V! `V\UN*HYP[HZ

Text: Kerstin Lenz

Die youngCaritas Zürich fördert durch Projekte, Events und Bildungsangebote mit Jugendlichen, jungen Erwachsenen und Kindern das Bewusstsein für die Themen Armut, soziale Gerechtigkeit und Integration. Durch youngCaritas Zürich werden junge Erwachsene und Jugendliche mit ihren entsprechenden Kommunikationsformen und -inhalten für Anliegen der Caritas Zürich sensibilisiert und können so aktiv werden für eine solidarische

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und faire Welt. Jugendliche und junge Menschen erhalten Unter stützung für ihr eigenes freiwilliges Engagement. Mit dem youngCaritas-Award würdigt die youngCaritas das gesellschaftliche Engagement junger Menschen. youngCaritas bietet verschiedene Möglichkeiten, sich freiwillig zu engagieren: armutsbetroffene Menschen unterstützen, an einem interkulturellen Austausch teilhaben oder sich für nachhaltige Entwicklung einsetzen.

youngCaritas Zürich Aktiv für eine solidarische und faire Welt werden Wer Junge Menschen zwischen 16 und 30 Jahren sind angesprochen, sich freiwillig zu engagieren: gegen Armut, für mehr Gerechtigkeit, im Bereich Migration sowie für Nachhaltigkeit. Eigene Projekte am Wohnort oder in Pfarrei und Kirchgemeinden unterstützt youngCaritas mit Fachwissen und Ideen. Wie Verschiedene Projekte wie ein Sommerlager mit Flüchtlingen und Bildungsprojekte zu Armut und Migration bietet die Caritas schweizweit an wie zum Beispiel die Geschenkbörse vor Weihnachten. Wo youngCaritas ist in der gesamten Schweiz tätig und hat Anlaufstellen in Zürich, Luzern und Aarau. www.youngcaritas.ch


Seelen-Nahrung

Erntedank Von Susanne Altoè

Susanne Altoè ist Seelsorgerin im Triemli-Spital.

«Man muss die Dinge vom Ende her betrachten…» sagt der ehemalige Verdingbub, und richtet sich ein wenig auf. Die Flucht vor dem stechenden Schmerz, der ihn ins Heim gezwungen hat, will nicht so recht gelingen. Staubpartikel tanzen in der Herbstsonne. Im Krankenzimmer ist es still. Knecht sei er gewesen, immer schon. Gehabt hätte er nichts. «Wissen Sie, mit dem Rucksack war ich unterwegs. Da habe ich keinen Schrank zügeln müssen!» Unter dem graumelierten Bart spielt ein Lächeln. «Mit leichtem Gepäck lässt sich leicht reisen?» frage ich. «Ja, und man kommt leichter ans Ziel.» «Das Ziel?» frage ich nach einer Pause. Aber Herr C. ist noch beim Weg. Gelassen zeichnet er ihn nach: Armut und Unrecht, Fremdsein, Gewalt und harte Arbeit für wenig Lohn - mein Wundern wächst. «Schwere Dinge sagen Sie, aber Sie wirken nicht, als ob sie sie belasten». Herr C. denkt nach. Eine Wolke wirft ihren Schatten in die Szene, als ob sie ein Geheimnis schützen wollte. Ich bin da, im stillen Gebet, in der Heiligkeit des Augenblicks und frage mich: werde ich guter Boden sein, um aufzunehmen, was sich hier ereignet? «Ich habe die schweren Dinge zurückgelassen», sagt er schlicht. Mein eigenes Leben blitzt für einen Augenblick in mein Bewusstsein. «Ich musste jedes Mal entscheiden, wenn ich weiterzog, was in den Rucksack kommt und was zurückbleibt. So ist es mit allem», sagt er. «So ist es mit allem…» Das Echo klingt tief in mir. Herr C. blickt aus dem Fenster, er sieht meine Bewegung nicht. «Und Ihr Leben, vom Ende her betrachtet?» «Die Ernte.» Er schaut mich an: «Es isch ein cheibe Chrampf gsii, aber am Obig isch mer au zfriede gsii. Bhalte chammer nüüt.» Ob er zufrieden sei, am Abend seines Lebens? «Dem Mäher ist es gleich, wie lang der Halm ist, und wie viele Körner die Ähre hat. Jede hat ihres getan, alles kommt in einen Topf.» «Wichtig ist, dass der Mäher alle Ähren mitnimmt?» «Genau.» Er lächelt. «Und jetzt hoffe ich, dass der Herrgott mich bald mitnimmt…». «Dann ist Erntedank?» «Dann ist Erntedank.»

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Ausläuten

Start up! Text: André Füglister, ehemaliger Synodalrat

Generalvikar Dr. A. Teobaldi leitet die Grundsteinlegung für die Kirche Bruder Klaus in Urdorf, Juni 1965 (Pfarreiarchiv)

In den mittleren 60-er Jahren startete in manchen Zürcher Gemeinden der katholische Bevölkerungsteil sein Zusammenleben in einer eigenen Pfarrei und legte umgehend den Grundstein für sein Gotteshaus. Festlichkeit und Leistungswille zeichnete die erwachsene Generation aus, und neugierig fieberte die ‘boomende’ Kinderschar – an Hände und Rockzipfel

sich vorerst noch klammernd – mit. Im Bereich der Wirtschaft sind solche Die Jungen entwickelten sich in einer ja geradezu Favoriten des Zeitgeistes. aufblühenden Jugendarbeit und führ- Was zeichnet sie aus? Überschaubarten später das begonnene Gemein- keit, unvoreingenommene neue Geschaftswerk getreulich fort. Dafür danken, Mut zum Risiko und fast unmüssen wir den inzwischen gealter- begrenztes Engagement. Das Hergebrachte ist zwar nicht zu verachten, ten ‘Babyboomern’ dankbar sein. Zur Zeit aber stagniert unser aber wehe dem, der einfach das verkirchliches Leben. Die Veränderung der meintlich Bewährte verwaltet! Let us Gesellschaft verlangt neue start up’s: start up, immer wieder!

«credo» braucht Ihre Mithilfe! Eine Bitte an die Kirchenpflegen: Wir verfügen leider nicht über alle postalischen Adressen der Mitarbeitenden in der Katholischen Kirche im Kanton Zürich, zu denen natürlich auch Organisten, Sozialarbeitende, Chorleiterinnen, Katechetinnen, Abwarte usw. gehören. Senden Sie uns doch bitte die Adressen Ihrer Mitarbeitenden, die an «credo» interessiert sind. Eine Bitte an alle Pfarreiverantworlichen: Bitte senden Sie uns auch die Adressen jener wichtigen Menschen in Ihrer Pfarrei, die regelmässig Freiwilligenarbeit leisten und an „credo“ interessiert sind. Kontaktadresse: credo@zhkath.ch


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