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CHEMNITZ

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Tee-Extraktkännchen, 1924 ©Francesco Bini

Eine Messingteekanne ist ihr Vermächtnis. Genauer: ein „Tee-Extraktkännchen“ aus dem Jahr 1924. Selbst Design-Liebhabern fällt selten mehr ein, wenn sie an das Werk von Marianne Brandt denken. Auch in all den schmucken Publikationen zum 100. Jahrestag der Bauhaus-Gründung von 1919 findet sich am ehesten das markant geformte Kännchen. Aber kann das schon alles sein? Ein ganzes Lebenswerk? „In meinen Augen zählt Marianne Brandt zu den fünf bis sieben wichtigsten Gestaltern am Bauhaus“, sagt Karl Clauss Dietel. Der 84-Jährige unterrichtete als Professor an der Hochschule für industrielle Formgestaltung in Halle und bekam für sein Lebenswerk 2014 den Bundesdesignpreis verliehen. 1964 traf Dietel im damaligen KarlMarx-Stadt erstmals Marianne Brandt, eine „sehr bescheidene und zurückhaltende Frau“, die „kein großes Aufhebens“ um ihre Arbeit machte. Auch deshalb gründete er vor zwei Jahrzehnten die Marianne-Brandt-Gesellschaft. Damit ihr Werk nicht in Vergessenheit gerät, betreibt die Gesellschaft einen kleinen Showroom mit Bibliothek in Brandts Elternhaus in der Chemnitzer Heinrich-Beck-Straße 22. Nach Voranmeldung kann man hier der Gestalterin näherkommen und im Gespräch mit Dietels Mitstreitern eine Idee vom Einfluss ihrer Arbeit gewinnen.

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MEHR ALS EIN TEEKÄNNCHEN

Im Bauhaus-Jubel des Jahres 2019 fällt der Name von Marianne Brandt kaum. Obwohl der Einfluss der Chemitzer Gestalterin nicht zu unterschätzen ist, wirkt ihre Bescheidenheit auch nach ihrem Tod weiter. Das macht die Spurensuche mühsam.

BAUHAUS STATT KUNST

Anfangs deutete nichts auf das durchaus praktische Gestaltungstalent der Rechtsanwaltstochter Marianne Liebe hin. In bürgerlichen Verhältnissen wuchs sie im Chemnitzer Kasbergviertel auf und ging 1911 als 18-Jährige zum Kunststudium nach Weimar. Zu ihren Mitstudenten zählte neben Hans Arp auch der Norweger Erik Brandt. Ihn heiratete sie im Jahr nach ihrem Studienabschluss 1919 und folgte ihm nach Oslo. Später, nach einem einjährigen Studienaufenthalt in Paris, kehrte das Paar 1921 nach Weimar zurück, kurz bevor es sich trennte und Erik Brandt nach Norwegen zurückkehrte.

Marianne Brandt widmete sich weiteren Studien der Bildhauerei, bis die Bauhaus-Ausstellung 1923 ihr Leben buchstäblich auf den Kopf stellte. Die 30-jährige Künstlerin vernichtete einen Großteil ihrer bisherigen künstlerischen Arbeiten und begann am Bauhaus ganz von vorn. In Weimar und Dessau studierte sie bei Paul Klee und Wassily Kandinsky, beschäftigte sich mit Fotografie und übte sich in neuen Ausdrucksformen. Ohne nennenswerte handwerkliche Erfahrung erkämpfte sie sich als erste Frau einen Platz in der Metallwerkstatt am Bauhaus. In aufwendiger Handarbeit fertigte man dort Prototypen von anspruchsvoll gestalteten Gebrauchsgegenständen. „Die Aufgabe bestand darin, diese Dinge so zu gestalten, dass sie auch bei einer serienmäßigen Herstellung in arbeitssparender Weise allen praktischen und ästhetischen Anforderungen gerecht wurden und dabei doch weit billiger sein konnten als jede Einzelfertigung“, schrieb Marianne Brandt um 1970 in einem Brief.

KURZES SCHAFFEN, GROSSER EINFLUSS

Ikonische Entwürfe wie das Teekännchen aus Messing und Ebenholz entstanden in dieser ungemein fruchtbaren Zeit am Bauhaus. Ebenso dutzende moderne Lampen und Beleuchtungskörper, deren industrielle Fertigung Brandt später als Leiterin der Metallwerkstatt organisierte. „Der größte Teil der Leuchten im Dessauer Bauhaus stammt von ihr“, sagt Karl Clauss Dietel. Bemerkenswerte Fotografien stammten ebenso aus diesen Jahren, „und künstlerische Collagen von herausragender Qualität“.

Leider währte diese überaus kreative Epoche nur wenige Jahre. Der erstarkende Nationalsozialismus brachte die radikalen Bauhaus-Ideen ab 1929 immer stärker in Misskredit. Marianne Brandt hatte die Institution bereits im Vorjahr für eine Stelle im Architekturbüro von Walter Gropius verlassen, wechselte aber schon 1929 nach Gotha. Für die Metallfabrik Ruppel entwarf sie dort bis 1932 Leuchter, Teewagen, Brieföffner und etliche andere Gebrauchsartikel nach den Maßstäben der Bauhaus-Gestaltung. Als die jüdischen Fabrikbesitzer 1934 aufgaben, zog sich Marianne Brandt immer stärker zurück. Nach dem Krieg lehrte sie der Kunsthochschule Dresden unter dem „Bauhäusler“ Mart Stam, als man in der damaligen Sowjetischen Besatzungszone an die Traditionen des Bauhaus anzuknüpfen versuchte. Danach aber geriet Marianne Brandt in Vergessenheit, letztlich bis zu ihrem Tod 1986.

Karl Clauss Dietel hat dennoch bis zum Schluss Kontakt mit ihr gehalten. Und dass man den Namen Marianne Brandt in den letzten Jahren wieder häufiger wahrnimmt, ist sicher auch ein Verdienst der Marianne-Brandt-Gesellschaft. Deren Ausstellungsraum wird am 11. Mai 2019 nach einem längeren Umbau in neuem Glanz erstrahlen.

Auch das Sächsische Industriemuseum Chemnitz widmet sich zum Ende des Jahres in einer Sonderschau der bedeutenden Chemnitzerin. Im Oktober und November 2019 zeigt es unter dem Leitmotiv „Ich bin ganz von Glas“ rund 60 Arbeiten, die im Rahmen des 7. internationalen Marianne-Brandt-Wettbewerbs ausgewählt wurden. Die Gestalterin soll zudem über ihre Objekte sowie als Mensch und Literatin in den Fokus gerückt werden. Passenderweise zitiert das Motto denn auch den Titel eines Brandt-Gedichts.

Darüber hinaus sind in Chemnitz Gruppenführungen über die Tourist-Information buchbar, die den Wirkungen der Bauhaus-Ästhetik in Chemnitz nachspüren und dabei natürlich auch Marianne Brandt in den Blick nehmen.

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