3 minute read

TORGAU

Next Article
PLAUEN

PLAUEN

GESCHICHTE VOLLER LEBEN

DEM GESTERN KANN MAN IN TORGAU NICHT ENTKOMMEN. WIESO SOLLTE MAN AUCH? • IN DEN GASSEN LEBT DIE REICHE GESCHICHTE DER STADT BIS HEUTE WEITER.

Advertisement

Torgaus Charme lebt von der Geschichte, die sich bis heute in der Stadt nacherleben lässt. Mehr als 600 Baudenkmäler machen Torgau zu einer der schönsten Renaissance-Städte Deutschlands und Historisches findet sich in allen Gassen. Hier eilte schon Georg Spalatin über das Kopfsteinpflaster, Martin Luther natürlich und auch dessen Frau Katharina von Bora, die vor ihrem Tod einige Zeit in der Stadt lebte und in der Stadtkirche St. Marien beigesetzt wurde. Andere denkwürdige Ereignisse liegen nur Jahrzehnte zurück, wie das Ende des Zweiten Weltkriegs, bei dem Torgau eine gewichtige symbolische Rolle spielte. Im April 1945 trafen hier sowjetische und amerikanische Soldaten aufeinander und reichten sich an der zerstörten Elbbrücke die Hände: Dieses Bild ging um die Welt.

Und dann ist da noch Schloss Hartenfels, das über die Jahrhunderte ganz unterschiedliche Rollen für Torgau spielte. Kaiser Karl V. beneidete die sächsischen Kurfürsten im 16. Jahrhundert um ihr Schloss, das mit seinem Großen Wendelstein als architektonische Meisterleistung gilt und als Deutschlands bedeutendstes Frührenaissance-Schloss. Andere Besucher nehmen den Bau als die „Schaltzentrale der politischen Reformation“ wahr, denn tatsächlich hätten es Luthers Ideen nach 1517 ohne die Fürsprache der hiesigen Kurfürsten ungleich schwerer gehabt. Und wie viele kleine Schlossgäste kann man Hartenfels auch noch ganz anders sehen: als den Ort, „wo die Bären sind“. Wenn nämlich Benno, Bea und Jette nicht gerade Winterschlaf halten, sind die drei Braunbären im Schlossgraben die absoluten Publikumslieblinge auf Hartenfels.

Die Bären von Schloss Hartenfels ©LRA Nordsachsen

LUTHER AUF „SEINER“ KANZEL

Ob sich Martin Luther anno 1544 schon an den Bären erfreut hat, ist nicht überliefert. Am 5. Oktober jedenfalls wird er kaum einen Blick für den Burggraben gehabt haben, denn an jenem 17. Sonntag nach Trinitatis stand er vor einer ganz besonderen Aufgabe. Auf Einladung von Kurfürst Johann Friedrich dem Großmütigen sollte er die erste Predigt in der neuen Schlosskapelle halten. Sie gilt als der erste protestantische Kirchenbau überhaupt und Luther soll sogar selbst mit dem Architekten über seine Vorstellungen für das Bauvorhaben gesprochen haben.

So verwundert es nicht, dass sich viele Elemente von Luthers Theologie in der Architektur des Innenraums verorten lassen. Gleich der erste Blick in die Schlosskapelle fällt auf die Kanzel direkt gegenüber dem Portal. Das betont die Bedeutung, die der Reformator der Predigt beimaß. Die Gestaltung der Kanzelreliefs von Simon Schröter führt die Symbolik fort: Drei neutestamentarische Geschichten werden hier dargestellt, die jeweils für einen essenziellen lutherischen Begriff stehen: Gnade, Schrift und Christus. Der Rest des lichten Kirchraums mit zwei Emporen ist beeindruckend schlicht gehalten. Der Altar wird von vier Engelsfiguren getragen und steht auf einem zweistufigen Podest. Und auch wenn wohl ursprünglich noch ein Flügelaltar aus der Werkstatt von Lucas Cranach zur Ausstattung gehörte, macht diese Innenausstattung eine Abkehr vom Prunk der römisch-katholischen Kirche überdeutlich. Die schlichte Gestaltung des modernen Gestühls nebst Lesepult und Taufbecken unterstreicht diese Haltung nochmals.

Schlosskirche mit Lutherkanzel ©Wolfgang Sens

LEUCHTENDE FESTTAGE

Besucher brauchen deshalb auch heute nicht viel Fantasie, sich den Festgottesdienst am 5. Oktober vor 475 Jahren vorzustellen. Unter der Kanzel die Prominenz des Kurfürstentums, oben der wortgewaltige Prediger Luther. Und der war wohl zufrieden mit der neuen Kirche, mahnte aber zugleich in seiner Predigt: „Nicht, daß man daraus eine sonderliche Kirche mache, als wäre sie besser denn andere, wo man Gottes Wort predigt.“ Dem Kurfürsten muss die Predigt gefallen haben. Zum Dank, so heißt es, habe er Luther ein Fässchen Most nach Wittenberg senden lassen.

Auch die Torgauer sind bis heute stolz auf ihr bedeutendes Gotteshaus. Sie nutzen das Kirchweih-Jubiläum für ein rauschendes Altstadtfest und feiern mit ihren Gästen vom 3. bis 6. Oktober 2019. Künstlerische Lichtinstallationen werden dann auf Hartenfels die „leuchtenden Ideen“ der Reformation symbolisieren, ergänzt durch Klanginseln in der ganzen Stadt. Historische Darstellungen und Straßenkunst lassen sich in den Gassen der Elbestadt erleben, kurzum: ein Trubel wie zu Luthers Zeiten.

This article is from: