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Herrin der Tiere

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Literatur

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Herrin der Tiere

«Doch ihn tadelte sehr die Schwester, die Herrin der Tiere, Artemis, sie, die Jagende, Wilde, mit höhnenden Worten.»

Homer, «Ilias» 21, 470–471 (spätes 8. Jh. v. Chr.)

Als «Herrin der Tiere» (griechisch: Pótnia Therón) bezeichnet man eine weibliche Gestalt, die mit ausgestreckten Armen zwei Wildtiere oder Mischwesen bändigt (Abb. 11, 12). Ein männliches Pendant ist zwar belegt, kommt in der Ikonografie aber deutlich seltener vor. Das Motiv der tierbändigenden Figur geht zweifelsohne auf altorientalische Vorbilder des 4. Jahrtausends v. Chr. zurück. Im Verlaufe des 2. Jahrtausends v. Chr. entwickelte es sich im ägäischen Raum zu einem der beliebtesten Bildtypen der ausgehenden Bronzezeit, hauptsächlich in Form von Siegelbildern. Die Bezeichnung «Herrin der Tiere» geht auf Homer zurück, der damit die Göttin Artemis umschreibt. Da ausser dem homerischen Zitat weitere schriftliche Belege jedoch fehlen, sind wir ausschliesslich auf die Bildanalyse angewiesen.

◁ Abb. 11

Geflügelte Herrin der Tiere (griechisch Pótnia Therón)

Weingefäss (Amphora) aus gebranntem Ton, mittleres 6. Jh. v. Chr., Athen Inv. BS 497 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Andreas F. Voegelin

Obwohl Homer die Bezeichnung «Herrin der Tiere» mit Artemis gleichsetzt, dürfte es sich eher um ein Bildkonzept gehandelt haben, das weniger eine konkrete Gottheit bezeichnete, als vielmehr ein allgemeines Schema, das für die Darstellung verschiedener Gottheiten Verwendung fand. Sie galt daher nicht nur als Beschützerin der Natur, sondern auch als eine Naturgottheit, die möglicherweise die Beherrschung der Tiere und somit der Natur durch den Menschen symbolisieren sollte. Die Figur erlebte ihre eigentliche Blüte im frühen 1. Jahrtausend v. Chr. In verschiedenen Abwandlungen migrierte das Motiv vom Vorderen Orient (Abb. 13) über Ägypten, Griechenland, Italien bis nach Mittel- und Nordwesteuropa.

△ Abb. 12

Geflügelte Herrin der Tiere (griechisch Pótnia Therón)

Weingefäss (Amphora) aus gebranntem Ton, mittleres 6. Jh. v. Chr., Athen | Inv. BS 497 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Andreas F. Voegelin Abb. 13 ▷

Flügelgenius und Herr der Tiere

Pferdestirnplatte aus Bronze, 8.–7. Jh. v. Chr., Van-See (Urartu) Leihgabe Dr. Barbara L. Begelsbacher © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Ruedi Habegger

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