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Kentauromachien
Kentauromachien
«Wein hat im Saale des hochgemuten Peirithoos einst auch jenen berühmten Kentauren Eurytion völlig verblendet: Als den Verstand er als Gast der Lapithen mit Wein sich verdorben, raste er los, um im Haus des Peirithoos Übles zu stiften. (...) Seitdem streiten Kentauren und Männer; den Anfang vom Unheil machte doch er bei sich selber und fand ihn im schweren Weinrausch.»
Homer, «Odyssee» 21, 295–304 (spätes 8. Jh. v. Chr.)
Kämpfe zwischen Helden und Tieren bzw. Mischwesen gehen weit über die Darstellung einer blossen Kampfhandlung hinaus. Es geht vielmehr um die Verteidigung einer zivilisierten Kultur gegen die Bedrohungen durch eine wilde Natur. Besonders die Kentaurenkämpfe (griechisch Kentauromachia) wurden oft als Metapher für diesen «kulturellen» Kampf verwendet. Die Pferdemänner bedrohten durch ihr rohes, zügelloses Verhalten zentrale Normen der griechischen Gesellschaft wie die Gastfreundschaft (Abb. 62, 63) oder die Ehe. Die Helden Herakles und Theseus verteidigten durch ihren Kampfesmut die Zivilisation.
Die Gleichstellung der Kentauren mit dem Bedrohlichen ging so weit, dass ab dem 5. Jahrhundert v. Chr. auf zahlreichen griechischen Bauwerken Kentauromachien als ein Sinnbild für jegliche äussere Bedrohungen (wie die Perser) standen. Auf diese Weise wurde der mythologische Kontext auf eine realpolitische Ebene gebracht.
△ Abb. 62
Herakles und der Kentaur Pholos beim behaglichen Gastmahl
Trinkgefäss (Kylix) aus gebranntem Ton, frühes 5. Jh. v. Chr., Athen | Inv. BS 489 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Andreas F. Voegelin ▽ Abb. 63
Herakles im Kampf gegen die Kentauren (Kentauromachie)
Trinkgefäss (Kylix) aus gebranntem Ton, frühes 5. Jh. v. Chr., Athen | Inv. BS 489 © Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig / Foto: Andreas F. Voegelin