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Gastkolumne auto-schweiz
from aFLEET 01/2023
Auf das Krisenjahr 2022 folgen politische Highlights
Unter dieser Rubrik äussert sich Andreas Burgener, Direktor auto-schweiz, zu aktuellen Themen der Verkehrspolitik und zum Marktgeschehen.
2022 war erneut ein Jahr der Krisen: Zu Beginn stand noch die Covid-Pandemie im Fokus, im Februar begann der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Wenige Monate später belasteten Rezessions- und Inflationsängste die wirtschaftliche Gesamtlage. All dies hatte selbstverständlich auch Auswirkungen auf die Automobilbranche. Produktionswerke und Fliessbänder der Hersteller mussten zeitweise stillgelegt werden, weil Teile fehlten, vor allem Mikrochips oder Kabelbäume aus ukrainischer Produktion. So verlängerten sich die Wartefristen für Neuwagen, die Zahl an Erstimmatrikulationen ist im dritten Jahr in Folge 25 % unter dem üblichen Niveau von rund 300 000 neuen Personenwagen geblieben. Doch Besserung ist langsam in Sicht. In den kommenden Monaten werden nun die aufgelaufenen Bestellungen abgearbeitet und die entsprechenden Fahrzeuge ausgeliefert werden. Das Autojahr 2023 wird deshalb ein Jahr der Stabilisierung werden.
Politische Agenda
Auf dem politischen Parkett wird das angelaufene Jahr einige Höhepunkte zu bieten haben. Im Herbst stehen die Wahlen des eidgenössischen Parlaments an. Wird die «grüne Welle», die wir uns in manchen Städten sehnlichst auf den Verkehrswegen wünschen würden, weiter anhalten, sogar noch erstarken oder abebben? Können die bürgerlichen Parteien und die politische Mitte dagegenhalten und (wieder) zulegen? Diese Fragen sind für die Automobil-Importeure und die gesamte Branche von zunehmender Wichtigkeit, versucht doch die Politik immer stärker, Einfluss auf unzählige Bereiche unserer Produkte zu nehmen. Die CO2-Vorschriften für Neufahrzeuge sind hier nur die Spitze des Eisbergs. Doch um ebendiese wird es auch bereits vor den Wahlen gehen, wenn sich der Ständerat über das CO2-Gesetz beugen wird. Derzeit ist seine Umweltkommission mit der Vorlage beschäftigt, welche deutlich schlanker daherkommt als die im Juni 2021 vom Stimmvolk abgelehnte Vorgängerversion. Bei den generellen Zielen zur
Andreas Burgener, Direktor auto-schweiz, Vereinigung Schweizer Automobil-Importeure.
Absenkung der Emissionen macht dies kaum einen Unterschied, aber möglicherweise kommt das Gesetz Herrn und Frau Schweizer deutlich günstiger.
Als Umwelt- und Energieminister wird dann Bundesrat Albert Rösti das Geschäft im Parlament und später sicher auch vor dem Volk vertreten. Auch wenn auf dem ehemaligen auto-schweiz-Präsidenten viele bürgerliche Hoffnungen auf einen Politikwechsel ruhen: Die Grundausrichtung des CO2-Gesetzes hat der Bundesrat bereits bei der Verabschiedung zuhanden des Parlaments festgelegt. Und zudem ändern sich auch mit einem Bundesrat Rösti die Mehrheitsverhältnisse im Siebnergremium nicht. Die (berechtigten) Hoffnungen vonseiten der Automobilbranche liegen aber in einem künftig höheren Willen im Uvek zur Anerkennung der Herausforderungen, die der enorm steile Absenkungspfad bei den CO2Vorschriften für Neufahrzeuge in den kommenden Jahren mit sich bringen wird. Unter der Vorgängerin Simonetta Sommaruga war dies eher weniger der Fall – und gipfelte in der jahrelangen Verweigerung eines simplen Gesprächstermins. Auch die Kommunikation wird sich mit Bundesrat Rösti sicherlich deutlich verbessern.
Keine kurzfristigen Fallstricke mehr
Ebenfalls künftig der Vergangenheit angehören sollten kurzfristige Erschwernisse wie etwa die Umsetzung eines Parlamentsvorstosses zur Abschaffung der CO2-Sonderziele für Kleinserien- und Nischenmarken in Rekordzeit. Diese Erleichterungen für Hersteller mit sehr geringen Marktanteilen wurden einst von der EU übernommen, wo sie bis heute gelten. Mit ihnen sollten kleineren Fahrzeugproduzenten nicht dieselben Entwicklungskosten zur CO2-Reduktion auferlegt werden wie grösseren Herstellern. Dem eidgenössischen Parlament war diese Regelung ein Dorn im Auge, man echauffierte sich wohl über Sport- und Luxusautos – und traf mit der Abschaffung vor allem beliebte günstige Marken wie Subaru und Suzuki. Von der Einreichung des Vorstosses bis zur Abschaffung der Sonderziele vergingen nicht einmal zwei Jahre – viele Parlamentsvorstösse werden in dieser Zeit nicht einmal von beiden Kammern behandelt geschweige denn umgesetzt. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt …
Die politischen Anstrengungen sollten nun in eine konstruktive Klima- und Energiepolitik investiert werden, die nicht darauf aus ist, die Bevölkerung zu schröpfen oder zu bestrafen. Für eine möglichst rasche Defossilisierung des motorisierten Individual- und Warenverkehrs braucht es vor allem zwei Dinge: Technologieoffenheit und einen starken Zubau an CO2-armer Stromproduktion – auf jeden Fall in der Schweiz, am besten in ganz Europa. Denn egal, welche Antriebsarten morgen und übermorgen eingesetzt werden – batterieelektrisch, Wasserstoff oder synthetische Treibstoffe – alle benötigen grosse Mengen an Elektrizität. Bei der Mammutaufgabe, die richtigen Rahmenbedingungen und Anreize hierfür zu setzen, hat Bundesrat Albert Rösti jede erdenkliche Unterstützung verdient.