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Interview: Albert Rösti, Präsident auto-schweiz

«Wir stehen in der Schweiz vor gewaltigen Herausforderungen»

Anfang Juni übernahm Albert Rösti als neuer Präsident das Lenkrad von auto-schweiz. aboutFLEET traf den Berner Nationalrat zwei Monate nach seinem Amtsantritt zu einem ausführlichen Interview.

Interview: Rafael Künzle

aboutFLEET: Sie wurden kürzlich zum neuen Präsidenten von auto-schweiz gewählt. Welche Beziehung haben Sie persönlich zum Automobil? Albert Rösti: Für meine verschiedenen Tätigkeiten bin ich viel unterwegs, und dies meist mit dem Auto. Die Flexibilität und die zeitliche Ungebundenheit sind hier am grössten. Das Auto ist für mich aber mehr als ein praktisches Fortbewegungsmittel. Das Gefühl von Freiheit habe ich besonders stark empfunden, als ich vor Jahrzehnten die Autoprüfung bestanden habe – und plötzlich war ich beim Ausgang auf niemanden mehr angewiesen. Dieses Gefühl von Unabhängigkeit ist bis heute geblieben.

Wie gut fahren Sie Auto, auf einer Skala von 1 bis 10? Kurze Begründung? Ich würde mir am liebsten eine 10 geben, immerhin war ich Motorfahrer im Militär und habe anschliessend auch den Lastwagenführerausweis erlangt. Wenn Sie aber meine Mitfahrenden fragen, insbesondere meine Frau, dürfte die Punktzahl deutlich unter 10 sein. Das ist gut so, denn so führt man sich immer wieder vor Augen, wie schnell etwas passieren kann und wie wichtig vorausschauendes Fahren ist.

Was reizt Sie am Amt des Präsidenten von auto-schweiz? Ich möchte meinen Beitrag zur künftigen Ausgestaltung der Mobilität in unserem Land leisten. Wir stehen in der Schweiz vor gewaltigen Herausforderungen. Angesichts des weiterhin zu erwartenden Bevölkerungswachstums muss die Infrastruktur entsprechend angepasst werden. Gleichzeitig ist derzeit ein massiver Umbruch von fossilgetriebenen Fahrzeugen hin zu Elektromobilität, Wasserstoff oder synthetischen Treibstoffen im Gange. Hier stellen sich, auch angesichts der derzeitigen Energiekrise, ganz neue Fragen bei den Themen Stromproduktion und Versorgungssicherheit. An Lösungen zur Bewältigung dieser Herausforderungen mitzuarbeiten, war genügend Motivation, mich als Präsident zu bewerben. Dies auch vor dem Hintergrund, dass ich als Mitglied der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (UREK) schon seit über 10 Jahren mit politischen Belangen rund um Autos konfrontiert wurde und werde.

Welche Ziele haben Sie sich gesetzt? Nach nur kurzer Zeit im Amt ist es vielleicht noch etwas früh, über genaue Zielsetzungen zu reden. Grundsätzlich geht es bei einem Verband wie auto-schweiz darum, sich um die Anliegen der Mitglieder zu kümmern. Und um diese besser kennenzulernen und zu verstehen, bin ich derzeit viel unterwegs und besuche die Fahrzeugimporteure. In kleinen Gesprächsrunden diskutieren wir über aktuelle Problemstellungen und mögliche Lösungswege. Zudem lernen die Mitglieder und ich uns so schnell gut kennen.

Wie einfach fiel Ihnen die Zusage? Die Branche steht aufgrund der Folgen der Corona-Pandemie sowie des Ukraine-Kriegs und der damit verbundenen Lieferengpässe sowie Preisexplosionen vor grossen Herausforderungen.

Diese Herausforderungen haben mich sicher nicht von einer Kandidatur abgehalten, ganz im Gegenteil. Wir müssen lernen, mit diesen externen Einflüssen, die wir nicht steuern oder beeinflussen können, umzugehen. Kaum eine Branche hat ihre Flexibilität und Fähigkeit zur Anpassung auf sich ständig wechselnde Rahmenbedingungen in den vergangenen Jahrzehnten so gut unter Beweis gestellt wie die Automobilindustrie. Deshalb bin ich der festen Überzeugung, dass wir gemeinsam diese Herausforderungen meistern können und werden. auto-schweiz wird ihre Mitglieder bestmöglich dabei unterstützen.

Sie führen hauptberuflich die Büro Dr. Rösti GmbH mit Dienstleistungen in den Bereichen Public Affairs und Projektmanagement, Beratungen für Wirtschaft und Politik.

Daneben sind Sie Präsident und Verwaltungsrat von mehreren Verbänden und Unternehmen. Wie viel Zeit nimmt das Präsidentenamt bei auto-schweiz ein? Ich arbeite in einem 30-Prozent-Pensum für auto-schweiz, der effektive Zeitaufwand ist gerade während der ersten Monate sicher höher. Das eine oder andere Mandat habe ich abgegeben, um mich der neuen Aufgabe gebührend widmen zu können.

Wie viele Kilometer absolvieren Sie beruflich im Jahr, und womit legen Sie diese zurück? Ich habe das nie genau gemessen. Da ich mit meinen politischen Verpflichtungen in der ganzen Schweiz an Veranstaltungen präsent sein muss, kommt einiges zusammen, zwischen 30 000 und 40 000 Kilometer mit dem Auto und wahrscheinlich nochmals so viel mit dem Zug.

Viele Unternehmen ziehen auch Mobility as a Service in Betracht. Käme die Kombination von Verkehrsmitteln/ÖV für Sie infrage? Natürlich, das nutze ich bereits. Gerade für Sitzungen, die weiter weg von meinem Wohnort Uetendorf liegen, nehme ich oft den Zug. Von Bern nach Zürich ist zudem die zeitliche Zuverlässigkeit auf der Schiene höher – ein Umstand, den wir bei der Strasseninfrastruktur dringend adressieren müssen. Wenn Sie die Strecke heute mit dem Auto fahren, wissen Sie nicht, ob Sie 90 Minuten, zwei Stunden oder deutlich länger unterwegs sind. Das kann und darf nicht sein, damit beschädigen wir unseren Wirtschaftsstandort.

Unternehmen und Private sind angesichts der hohen Spritpreise besorgt. Müsste der Staat Ihrer Ansicht nach in der jetzigen Situation entlastend eingreifen? Ich bin der Meinung, dass ein vorübergehender Verzicht auf Teile der Mineralöl- oder der Mehrwertsteuer bei Benzin und Diesel angezeigt wäre. Viele unserer Nachbarländer haben zu ähnlichen Massnahmen gegriffen – nun tanken viele Schweizerinnen und Schweizer im Ausland, ganz abgesehen von Durchreisenden und Touristen. Die hohen Treibstoffpreise schaden nicht nur unserer Wirtschaft und belasten Familien, sie führen so auch zu niedrigeren Steuereinnahmen durch diesen Tanktourismus.

Ab 2035 werden mit dem Verkaufsverbot von Neuwagen mit Verbrennungsmotor in Europa die fossilen Brennstoffe aus den Showrooms verbannt. Wird die Schweiz Ihrer Ansicht nach bis dahin bereit sein für den Umstieg auf die E-Mobilität? Wir müssen uns noch stärker als bisher auf diese Transition vorbereiten. Der Ladeinfrastruktur-Ausbau kann mit dem derzeitigen Marktwachstum bei Steckerfahrzeugen nicht mithalten – eine gefährliche Entwicklung. Eine grosse Herausforderung sehen wir vor allem bei Mietwohnungen und im Stockwerkeigentum. Nirgends in Europa ist die Wohneigentumsquote so niedrig wie in der Schweiz. Das bedeutet, wir müssen Anreize schaffen für Eigentümer von Überbauungen, diese Ladeinfrastruktur ihren Mietern mit Abstellplätzen anzubieten. Natürlich nicht gratis, aber eine Erstinvestition ist heute oft eine hohe Hürde.

Wie sieht es bezüglich Stromversorgung aus? Reicht diese, wenn der Grossteil der Bevölkerung ein E-Auto fährt? Das wird die noch grössere Herausforderung. Wir müssen die inländische Stromproduktion ausbauen und sichern. Wasserkraft und erneuerbare Energieträger können hier eine wichtige Rolle spielen. Im Zusammenspiel von Fotovoltaikanlagen und Elektroautos als Energiespeicher, die Strom zurück ins Netz speisen können, liegt enormes Potenzial. Doch die Elektrifizierung des gesamten Personenwagenbestands der Schweiz würde einen Mehrbedarf von 14 Terawattstunden Strom bedeuten. Das ist die 1,5-fache Jahresproduktion des Kernkraftwerks Gösgen. Bei der Ausgestaltung der Energiezukunft dürfen wir uns keine Scheuklappen anlegen – gerade angesichts des Ukraine-Kriegs und der drohenden Verknappung der Gaslieferungen aus Russland nicht.

Die Anzahl der Autos hat sich in der Schweiz in den letzten 50 Jahren vervielfacht, während das Strassennetz vergleichsweise geringfügig ausgebaut wurde. Hat die Politik diesbezüglich geschlafen? Angesichts der langen Planungs- und Bauzeiten wurde sicher mit einigen Projekten zu spät begonnen. Die A1 müsste mindestens zwischen Bern und Zürich längst durchgehend dreispurig sein. Wir haben enorme Herausforderungen in den Agglomerationen, wo die Autobahn gleichzeitig als Umfahrung und Ringstrasse genutzt wird, wie etwa im Raum Basel, zwischen Genf und Lausanne oder in Luzern. Gleichzeitig träumen links-grüne Politiker von einem langjährigen Moratorium für Autobahn-Ausbauten. Das wäre eine Katastrophe für unser Land.

Das Geld für die Strasseninfrastruktur stammt zu einem beträchtlichen Teil aus der Mineralölsteuer. Wie werden die Strassen im E-Zeitalter finanziert werden? Eine leistungsabhängige Abgabe für Elektrofahrzeuge wäre sicher die fairste Lösung – wer mehr fährt, bezahlt mehr. So ist es ja heute auch bei der Mineralölsteuer. Die Umsetzung gestaltet sich sicher alles andere als einfach. Deshalb bin ich froh, dass das Bundesamt für Strassen die Ausarbeitung nun in die Hand genommen hat. Wir können nicht erst tätig werden, wenn der Nationalstrassen- und Agglomerationsfonds leer zu werden droht. Eine solche Abgabe darf aber keinesfalls in einem Roadpricing münden, was die Mobilität für alle verteuern würde, sondern soll lediglich das derzeitige Einnahmenniveau sichern.

Ist eine Steuer für E-Autos entsprechend unausweichlich? Künftig müssen sich alle Verkehrsteilnehmer gleichermassen an der Finanzierung der Infrastruktur beteiligen. Elektroautos tun dies heute lediglich über die Autobahnvignette. Als Anschubunterstützung für diese neue, emissionsarme Technologie war und ist dies sicherlich noch vertretbar. Doch in wenigen Jahren werden bereits eine halbe Million Steckerfahrzeuge auf unseren Strassen unterwegs sein. Der Wandel kommt schnell, deshalb müssen wir heute bereits Überlegungen anstellen, wie wir die Finanzierung unserer Strassen künftig sicherstellen.

Haben Sie persönlich Erfahrungen mit E-Fahrzeugen? Ich habe schon E-Fahrzeuge ausprobiert, aber privat habe ich noch einen Verbrennungsmotor. Zu Beginn werde ich wahrscheinlich einen Plug-in-Hybrid fahren, um mich mit der Technik und dem Laden im Alltag vertraut zu machen. Die eigenen Einstellhallen-Parkplätze hat auto-schweiz bereits seit längerem mit Ladestationen versehen und hatte bereits einige Steckerfahrzeuge in ihrer Flotte. Hier kann ich sicher schnell lernen, ich freue mich auf die Erfahrung.

Wie steht auto-schweiz zu Mobility-Pricing generell? Ein faires System, in dem sämtliche Verkehrsträger gleichmässig zur Finanzierung der Infrastruktur herangezogen werden, unterstützen wir. Doch falls die Strasse über Gebühr belastet werden soll oder Lenkungsmassnahmen über den Preis ergriffen werden sollen, würden wir uns massiv zur Wehr setzen. Ein reines Roadpricing lehnen wir klar ab.

Die Geschwindigkeit, mit der sich die E-Mobilität verbreitet, lässt vermuten, dass auch andere Technologien wie das autonome Fahren sich schneller als gedacht durchsetzen. Steuern Sie lieber selbst oder würden Sie das Lenkrad gerne der Technik überlassen? Ich kann mir gut vorstellen, mich eines Tages automatisiert chauffieren zu lassen. Doch bis dahin, so habe ich mir sagen lassen, wird doch noch etwas Zeit vergehen. Derzeit drehe ich auf jeden Fall noch sehr gerne selbst am Lenkrad.

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