STADTSICHT 4/2020

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WAS DAS URBANE ZENTRUM DER ZENTRALSCHWEIZ BEWEGT WAS DIE REGION LUZERN UND FÜNF KANTONE BEWEGT

N O 4 | 2020

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GENUG BRECHEN WIR AUS

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WIE UNSERE ZUKUNFT AUSSEHEN KÖNNTE VIER SZENARIEN FÜRS PLANEN

35 LUZERNS ZENTRUM

BRAUCHT INSPIRATION KING'S CROSS IN LONDON LIEFERT

DIE TIPPGEBER der

– so gelin gt m Ausbr uch aus de n w do mentalen Lock SEITE 15


SETZEN SIE AUF IHR GLÜCK Spiel, Spass und Genuss

STILVOLLE UNTERHALTUNG – ALLES UNTER EINEM DACH! Grand Jeu Casino – Jackpot Casino – Casineum / The Club – Cocktail Bar Restaurant Olivo – Seecafe – Bankette / Kongresse – Parking Täglich geöffnet 09 bis 04 Uhr, Mindestalter 18 Jahre, Zutrittskontrolle (Pass, europ. ID, Führerschein)

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ZAHLEN SPIEL

Quelle: Geschäftsbericht und Jahresrechnung Luzerner Theater 2018/19

WAS FÜR EIN THEATER! Am

7.11. 1839

Das Luzerner Theater ist

das einzige professionelle Mehrsparten­theater

war die Eröffnung des

damaligen Stadttheaters mit der Aufführung von Friedrich Schillers «Wilhelm Tell».

in der Zentralschweiz.

330

Aufführungen bietet das Neue Luzerner Theater durchschnittlich pro Spielzeit an.

Für das Luzerner Theater geht es in den nächsten Monaten ums Ganze. Um das neue Haus, um die Zukunft. Das muss die Stadt, aber auch den Kanton Luzern interessieren, auch weil sie bezahlen werden. Doch was ist das Luzerner Theater heute?

689 Seit

1995 betreibt die Stiftung

Produktionen hat das Neue Luzerner Theater pro Saison durch­ schnittlich auf dem Spielplan.

Luzerner Theater das Haus. Sie wurde durch die Stadt Luzern, den Kanton Luzern und

Das Luzerner Theater ist ein

wirtschaftlicher Faktor. Die Löhne, aber auch die Beiträge an regionale Lieferanten fallen

Bei den grössten Arbeitgebern in der Zentralschweiz rangiert das Luzerner Theater auf Platz

jährlich ins Gewicht: 1 579 234 Franken beträgt die Wertschöpfung

79

38

Mitarbeitende (inklusive Luzerner Sinfonieorchester) Sie stammen aus 44 Nationen.

zwölf Gemeinden gegründet.

15,8 Millionen

Franken fallen pro Jahr für Löhne und Gagen (inkl. Nebenkosten und Sozialleistungen) an.

Die Stiftung hat die Sponsorenbeiträge seither sukzessive ausgebaut, von anfänglich weniger als

200 000 Franken auf über

1,25 Millionen Franken aktuell.

alleine in der Stadt Luzern. In der Agglomeration fallen rund 1,1

Millionen Franken an.

Das Fazit ist klar: Das kulturelle Epizentrum in der

Ausserhalb der Zentralschweiz sind es rund

Stadt Luzern ist mehr als das. Es ist ein wirtschaftlicher Faktor,

1,26 Millionen Franken.

den man nicht unterschätzen darf.

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ADVERTORIAL

Grand Hotel National Luzern

RAUM FÜR ABSTAND

Genügend Raum und Abstand erlauben auch in Pandemiezeiten das Durchführen von Veranstaltungen – ohne die Gesundheit der Teilnehmer zu gefährden. Denn eines ist in den letzten Monaten klar geworden: Nichts kann die reale zwischenmenschliche Begegnung ersetzen.

D

ie faszinierende Architektur des GRAND HOTEL NATIONAL erinnert an französische Schlösser des 17./18. Jahrhunderts und an Paläste der italienischen Renaissance. Die Räumlichkeiten verbreiten ruhigen Luxus und sind wie geschaffen für den inspirierenden Austausch von Ansichten und Einsichten. Zudem überzeugt das 150-jährige Traditionshaus am Luzerner Nationalquai durch seine Lage direkt am See sowie durch grosszügige Räume mit hohen Fenstern und direktem Zugang zur Seeterrasse. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil in der heutigen Zeit.

In den beiden Sälen Ritz und Escoffier mit je rund 200 Quadratmetern Fläche und sechs Metern Höhe gibt es genügend Raum für Meetings, Bankette oder Geschäftsessen im kleinen oder grösseren Rahmen, selbstverständlich unter Einhaltung des geltenden Schutzkonzeptes. Mit Harlekin und Marmara stehen zwei weitere kleinere Räume zur Verfügung. Vier Restaurants, ein Bistro und die wohl schönste Bar Luzerns – mit live Pianomusik – bieten weiteren Spielraum und kulinarische ­Abwechslung. Und für die Übernachtung gibt es unter dem gleichen Dach 41 historische und mit moderner Technik ausgestattete Hotelzimmer, zum grössten Teil mit Seeblick.

Übrigens sind die beiden Säle benannt nach César Ritz, dem wel­t­ bekannten Synonym für Hotellerie allerersten Ranges, und Auguste Escoffier, dem Erfinder der Haute Cuisine. Beide haben die Geschichte des GRAND HOTELS NATIONAL entscheidend geprägt. Ritz führte das Haus von 1878 bis 1890. Als Ritz mit Auguste Escoffier 1881 auch noch den berühmtesten Küchenchef seiner Zeit für das «Hôtel National» gewinnen konnte, wurde das Hotel zum gefragtesten Aufenthaltsort für die Sommermonate. Im Winter wirkte Ritz in verschiedenen Grandhotels an der Côte d’Azur und an der französischen ­Atlantikküste.

Grand Hotel National | Haldenstrasse 4 | 6006 Luzern T +41 41 419 09 09 | F +41 41 419 09 10 | info@grandhotel-national.com | www.grandhotel-national.com

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EDITORIAL

WAGEMUT IST WIEDER EN VOGUE

Bruno Affentranger Chefredaktor STADTSICHT, BA Media Luzern

Die globale EY-Organisation ist Marktführerin in der Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Transaktionsberatung und Rechtsberatung sowie in den Advisory Services. Wir fördern mit unserer Erfahrung, unserem Wissen und unseren Dienstleistungen weltweit die Zuversicht und die Vertrauensbildung in die Finanzmärkte und die Volkswirtschaften. Für diese Herausforderung sind wir dank gut ausgebildeter Mitarbeitender, starker Teams sowie ausgezeichneter Dienstleistungen und Kundenbeziehungen bestens gerüstet. Building a better working world: Unser globales Versprechen ist es, gewinnbringend den Fortschritt voranzutreiben – für unsere Mitarbeitenden, unsere Kunden und die Gesellschaft. Die EY-Organisation ist in der Zentralschweiz mit zwei Sitzen in Luzern und Zug vertreten. Zusammen sind 90 Mitarbeiter an den beiden Sitzen tätig und bieten vollumfänglich alle oben erwähnten Dienstleistungen an.

Liebe Leserinnen, liebe Leser Sie halten die letzte Ausgabe der STADTSICHT in diesem Jahr in den Händen. Es ist ein seltsa­ mes, anforderungsreiches Jahr, das zu Ende geht. Auch wir, die wir uns normalerweise nicht vom ­A lltagsgeschehen drängen oder leiten lassen und lieber weit vorausschauen und die Fragen für die Zukunft des urbanen Raums stellen, können uns dem allgegenwärtigen Thema nicht ent­ ziehen. Covid-19, das Coronavirus, bestimmt unser ­aller Leben.

Partner der STADTSICHT

Doch obwohl wir uns diesmal den Ängsten und den Zwängen widmen, wollen wir nicht bloss bei ihnen verharren. In diesem Magazin spre­ chen wir mit Menschen, die ihre eigenen Erfah­ rungen gemacht haben, und die ihre eigenen ­Rezepte haben, mit denen sie den Ausbruch schaffen. Denn darum geht es: Dem mentalen Lockdown zu entwischen, der uns ereilt hat, und einen Weg in die Zukunft zu finden. Vielleicht gelingt es uns, Chancen zu erblicken, die sich nur in solchen Zeiten des Wechsels und der Krise bieten. Die Menschen, mit denen wir gesprochen haben, wollen mutig sein.

STADTSICHT steht für den urbanen Raum und für die Antworten auf die Anforderungen der Zukunft. Doch das Magazin widmet sich auch unspektakulären Geschichten, die aus der ­Nachbarschaft stammen und die gerne über­sehen werden. Lesen Sie in dieser Ausgabe über die ­beiden Künstlerinnen, die den ster­ benden ­L öwen ganz neu interpretieren. Oder über den Kurden aus Anatolien, der einen aben­ teuerlichen Weg bis in jenes Restaurant ge­ macht hat, das ihm heute gehört und in dem er mit seiner Herzlichkeit alleine einen ganzen Raum zu ­f üllen vermag. Lassen Sie sich inspi­ rieren. Zum Beispiel von den Vorschlägen zur Neubelebung von bisher leer gefegten Hotels, Restaurants oder Eventräumen. Von einer Stadtentwicklung inmitten Londons, auf die wir dank einem Hinweis aus unserem Leser­ kreis aufmerksam geworden sind. Sie könnte als Blaupause in kleinerer Dimension für das Zentrum Luzerns dienen. Dann, wenn der Durchgangsbahnhof Realität wird und in­ mitten der Stadt viele freie Flächen freigespielt sein werden.

Auch aus diesem Grund bringen wir dieses ­Magazin, das sich selber tragen und finanzieren muss, mitten in dieser Zeit heraus. Wir werden damit kein Geld verdienen, aber es soll ein ­Zeichen sein, Mut machen und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten schaffen.

Wir freuen uns, wenn wir Ihnen spannende Beiträge bieten können und wir wünschen ­Ihnen vor allem dies: einen gesunden und glücklichen Ausgang des Jahres mit Ihren ­Lieben und ein neues Jahr, das Zuversicht bringen wird. Viel Lesevergnügen

ey.com/ch/de/home

STADTSICHT wird ausserdem unterstützt durch folgende Partner

Der Wirtschaftsverband Stadt Luzern (WVL) ist mit fast 500 Mitgliedern das Sprachrohr für das Luzerner Gewerbe. Als Wirtschaftsverband leistet er verschiedene Beiträge: – Er vertritt die Interessen des Gewerbes. – Er stärkt Luzerns Wirtschaft. – Er bezieht in wirtschaftspolitischen Fragen Stellung. – Er pflegt Kontakte mit seinen Mitgliedern. Luzern als starkes Wirtschaftszentrum der Zentralschweiz: Dafür setzt sich der Verband ein. Er fordert wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen und macht sich für einen wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort und damit auch für langfristig gesicherte Arbeitsplätze stark. wvl.ch

Die City Vereinigung Luzern (CVL) fördert mit ihren mehr als 240 Mitgliedern die Attraktivität von Luzern als Einkaufsstadt sowie als Handels-, Wirtschafts-, Tourismus- und Begegnungs­ zentrum der Zentralschweiz. Die CVL will mit einem ganzheitlichen Marketingmix für eine Belebung der Innenstadt sorgen. Dazu gehören Interessensvertretung, politische Arbeit, Öffentlichkeitsarbeit, klassische Werbung sowie Events oder Verkaufsförderungsaktionen. Bestseller der CVL ist die CityCard – die gemeinsame Geschenkkarte für das Shopping-Center Stadt Luzern. Einheimische und Gäste sollen Luzern freundlicher, zuvorkommender und sympathischer erleben als alle anderen Städte, die sie kennen. city-luzern.ch

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INHALT

No 04/2020

Coverbild Vera Lukjantschuk

03 Start in Zahlen 05 Editorial / Partner 06 Inhalt

STARTER 07 07 07 09 09 09

IMPRESSUM

Lesen, was man vor hier aus sehen kann Das Tattoo an der Bar Eine teuflische Idee kommt bis nach Hause Café Nord als unser südlicher Rückzugsort Und noch eine Pizza Detroit Style gefällig? Die echte Kapellbrücke in einer Uhr – gibts jetzt neu

STADTSICHT ist ein Produkt der BA Media GmbH mit Sitz in der Stadt Luzern. Das Magazin ist ein redaktionelles Erzeugnis, erscheint viermal jährlich und wird in alle Briefkäs­ ten der Stadt Luzern und den umliegenden Gemeinden sowie Städten Emmen, Ebikon, Horw, Meggen, Adligenswil und Kriens verteilt sowie an weiteren 600 Punkten in der Zentral­schweiz aufgelegt.

COVERSTORY 10 14 15 20 21 23

So kann es nicht weitergehen Mit Wagemut gegen die Pandemic Fatigue Zwei Generationen streiten um den Ausgang und die wichtigen Dinge im Leben Was kommt 2021? Vier Szenarien zum Weiterdenken So kommen wir aus dem mentalen Lockdown: Ein Arzt gibt konkrete Tipps Gesundheit, Tourismus, Gesellschaft: Alles wird neu

STADTSICHT wird von verschiedenen Organisationen unterstützt, ist jedoch politisch unabhängig und inhaltlich keinem Verband und keiner Ideologie verpflichtet. Herausgeber und Redaktion behalten sich alle journa­ listischen Freiheiten vor. Herausgeber Bruno Affentranger, Angel Gonzalo, BA Media GmbH, Luzern

BUSINESS 24 Christmas-Shopping: Dieses Jahr mit mehr Freude denn je

PORTRÄT 29 Die andere Weihnachtsgeschichte: Wie ein Mann aus Anatolien die Herzen in Luzern erobert

THINK TANK

32 Gute Ideen sind in diesen Zeiten gefragt – zum Beispiel für die Swissporarena

THINK FURTHER

35 Das Zentrum Luzerns könnte von King’s Cross lernen Eine städtebauliche Erweckung im ehemaligen Kohledepot Londons

KREATIV

10 29

EVENTS 45 Bald geht es wieder los – bitte melden!

Bildbearbeitung bw-kraftwerk AG, Luzern bw-kraftwerk.ch Korrektorat No limits Schmid, Winterthur Layout/Produktion aformat Luzern, aformat.ch Verlag BA Media GmbH Obergrundstrasse 26, 6003 Luzern affentranger@bamedia.ch gonzalo@bamedia.ch

Anschrift STADTSICHT, BA Media GmbH, Obergrundstrasse 26, 6003 Luzern stadtsicht@bamedia.ch bamedia.ch Facebook: stadtsicht.ch

47 Machen Sie mit im Debattierclub

ESSEN IN LUZERN

49 Wir zeigen Ihnen die besten Adressen zum Geniessen

50 Unanständige Fragen für den mentalen Heimweg

Fotografie Angel Gonzalo BW Kraftwerk LTAG Philipp Klemm

Druck Swissprinters AG Brühlstrasse 5, 4800 Zofingen

AUFGEDECKT

AUSSICHTEN

Redaktion Angel Gonzalo Kaisa Ruoranen

Inserateverkauf BA Media GmbH Manuela Willimann willimann@bamedia.ch 079 455 89 11

40 Zwei Frauen erforschen die Privilegien des Löwen

Chefredaktion Bruno Affentranger, BA Media GmbH

35 6|

Unterstützungspartner EY (Ernst & Young AG) Wirtschaftsverband der Stadt Luzern City Vereinigung Luzern weitere Auflage 55 000 Exemplare Erscheinungsdaten 2021 März, Juni, September, Dezember


STARTER

GEHEIMTIPPS

1997 DIE ZA HL

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Die Stadt Luzern hat seit 1997 ein Kinder- und ein Jugendparlament. Diese beiden Parlamente können parlamentarische Vorstösse beim Grossen Stadtrat einreichen. So steht es in der Gemeindeordnung der Stadt Luzern geschrieben.

Eine ziemlich ungewöhnliche Geschichte. Ein 15-Jähriger flüchtet alleine aus Afghanistan in die Schweiz. Knapp zehn Jahre später steht er hinter der Theke der Luce Bar und mixt Cocktails für die Gäste im Hotel Radisson. Wie ein Weltmeister. Und sticht Tattoos für seine Kundschaft, im Salon in Luzern, bald in Kriens. Und tritt als Model auf und zeigt seinen durchtrainierten Körper. Er war Mr. Universe Junior, was eine nationale Tageszeitung kürzlich zu einem Porträt veranlasst hat. Emran «Lucky» Hobab bricht jedes Klischee und ist der Crossover-Künstler und Schwerarbeiter schlechthin. Doch darum geht es hier eigentlich nicht, sondern vielmehr um die grandiosen Cocktails, die der 24-jährige Bartender im «Luce» mixt. Einfach mal probieren. Den Rest am besten selber erfragen. Eventuell auch etwas über die Tattoos rausfinden, die «Lucky» selber spazieren führt.

LUZIS

LUZERN

TATTOO-MIXER IM RADISSON

TEUFLISCH GUTE IDEE – UND FEIN

NAT UR

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Luzis heisst das Projekt, das Tavolago, gewisser­massen der gastronomische Arm der Schifffahrts­gesellschaft SGV, im Nu geboren und umgesetzt hat. Seit Anfang November kann man in Luzern unter luzis.ch Leckeres bestellen und sich sicher und entspannt nach Hause liefern lassen. Die «Luziden» oder «Luziferen» – je nach Gusto – greifen auf die Menüpläne von gleich sieben Restaurants zurück: Ampersand Grillrestaurant, Gasthof & Spielparadies Chärnsmatt, Hotel & Restaurant Stern Luzern, LUZ See­ bistro, N’ICE Gastronomie Eiszentrum Luzern, Tisch + Bar Shoppingrestaurant und Wirtshaus Taube Luzern. Aber genug geredet. Einfach mal unseren Geheimtipp, die Currywurst aus dem LUZ Seebistro, probieren. Teuflisch. www.luzis.ch

WINTER? EGAL. JETZT WANDERN WIR LOS

LITER AT UR

LESEN, WAS MAN VON HIER AUS SEHEN KANN

In zwei Stunden und auf rund sieben Kilometern einfach mal dem Alltag davonwandern – das ist heute mehr denn je angesagt. Egal ob Schnee oder Regen, letzte Herbstsonnenstrahlen oder erste Winterüberraschungen, diese herrliche und einfache Wanderung führt von Weggis zum Biohof ­Haldihof und weiter nach Greppen. In Greppen besteht die Möglichkeit, den Rückweg mit dem Bus zu bewältigen oder zu Fuss via Rigi-Chestene-Weg. Was daran erstaunlich ist, vor allem für jene, die wenig von Geografie und Kantonszugehörigkeiten wissen: Obwohl diese Wanderung am Fuss der Rigi entlangführt, ist man stets auf luzernischem Boden. Spielt aber eigentlich keine Rolle. Hauptsache, die Füsse bleiben trocken. Die Stimmung wird so oder so gut sein.

Es ist eine schöne Neuigkeit, weil sie Lust auf Erzählungen und Zuhören macht. Mariana Leky, die deutsche Autorin und sen­ sationelle Newcomerin des Jahres, kommt nach Luzern und liest aus ihrem Buch «Was man von hier aus sehen kann». Vom 16. Januar bis zum 7. Februar wird sie als Literaturresidentin im Hotel Beau Séjour logieren und schreiben. Am 29. Januar prä­ sentiert sie den betörend poetischen und berührend reduzier­ ten Sound ihres Bestsellers gleich selber vor Publikum. Erwar­ ten Sie ein Erlebnis, das in einem kalten Winter das Leserin­ nen- und Leserherz für eine lange Weile zu erwärmen vermag. Mehr unter: beausejourlucerne.ch

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LUST AUF EINEN KULINARISCHEN KURZURLAUB? Wir entführen Ihre Sinne im Restaurant Olivo

DINNER & CASINO: CHF 88.– STATT CHF 122.– Jetzt reservieren: 041 418 56 61 Apéro & 3-Gang-Menu im Restaurant Olivo inkl. Eintritt in den Spielbereich* und Spielchips im Wert von CHF 25.– *Ab 18 J., mit gültigem Pass, europ. ID, Führerschein, täglich von 09 bis 04 Uhr.

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Königliche Rigi Rundreise TÄGLICH DA S GANZE JAHR AB LUZE RN

Schifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees(SGV) AG +41 41 367 67 67 | www.lakelucerne.ch | info@lakelucerne.ch


STARTER

GEHEIMTIPPS

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SOZIA LES

JUBIL ÄUM

DIE STADT DER VEREINE

In der Stadt Luzern gibt es über 400 Freizeitund Sportvereine. Einen wichtigen Beitrag zum Quartierleben leisten die Quartiervereine der Stadt Luzern. Wer nach Kuriosem sucht, der wird hier fündig: zum Beispiel der Verein Amateurfunk/Union Schweiz. KurzwellenAmateure, Sektion L ­ uzern, HB9LU. Oder der Freundeskreis Mongolei. Oder SMCL SchiffModell-Club Luzern. Alles Oasen für Gleichge­ sinnte. Biotope für s­ oziale Kontakte im echten Leben. Nix digital. Wer neu in der Stadt ist und sich schnell in das Leben stürzen will, ist hier richtig.

Diese Zahl sei für alle genannt, die sich ­gerne etwas länger auf ein grosses Jubiläum vorbereiten. Denn wer ein wirklich prächti­ ges Fest feiern will, bereitet das auch mit prächtiger Vorlaufzeit vor. 1223, vor fast 800 Jahren also, kamen die ersten «Barfüs­ ser» nach Luzern. Damit waren und sind die Anhänger des Franziskanerordens gemeint, die diese Stadt kulturell, geistig und pädagogisch stärker geprägt haben, als mancher heute noch weiss. Spätestens in zwei Jahren werden wir mehr erfahren. Garantiert. Mehr über die Franziskanerkirche: de.wikipedia.org/wiki/Franziskanerkirche_(Luzern)

Mehr unter: stadtluzern.ch/politikverwaltung/vereine

KULINA RISCH

Nordwärts in der Stadt Cafe Nord

Smørrebrød gefällig? Das reich belegte Butterbrot, wahlweise auch als eine volle Mahlzeit durchgehend, wird den Dänen zugeschrieben. Die Schweden aber kennen es auch. Spielt keine Rolle. Hauptsache nördlich, Hauptsache Skandinavien. Ach was, mitten in Luzern. Im Hirschmatt-Neustadt-Quartier ist neuerdings nicht nur Smørrebrød zu finden, sondern vor allem «Fika». So heisst nach eigener Erklärung der Betreiberinnen des Cafés Nord ein zentraler Bestandteil der schwedischen Kultur. Er bedeutet: Vergiss besser alles und gib dich dem Moment hin. Am besten natürlich mit einer heissen Tasse fein duftenden Kaffees. Mehr unter: cafenord.ch

GOOD FOOD

PIZZA DETROITSTYLE?

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KEINE AHNUNG

Mehr unter: kaffee-kind.ch

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Exemplare nur hat die Schweizer Uhrenmanufaktur BijouMontre davon produziert und bringt sie soeben auf den Markt: Die Damenuhr «Swiss Limited Edition». Mehr wären möglich, aber das Unternehmen aus La Chaux-de-Fonds will die Exklusivität hochhalten für diese Quarzuhr, welche die Schweiz und ihre Sehenswürdigkeiten feiern soll. Das Besondere daran ist der ziemlich überraschende Bezug zu Luzern: Auf dem auswechselbaren Zifferblatt thronen das Matterhorn und die Kapellbrücke mit dem Wasserturm. Die Bergminiatur ist mit dem Staub eines Steines aus dem Zermatter Hochgebirge gestaltet, das Dach von Wasserturm und Kapellbrücke aus einem der Originalziegel der einst abgebrannten Brücke. Souvenirhändler Robert Casagrande hatte solche Stücke 1993 selber aus der Reuss gefischt und den Uhrenmachern aus La Chaux-de-Fonds kürzlich eines davon übergeben. Nun also sind die historischen Brückenfragmente für 3800 Franken pro Uhr wieder als Erinnerungsstücke in der Heimatstadt zurück. Mehr unter: casagrande.ch oder bijoumontre.ch

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EXKLUSIV

Es klingt einfach zu gut, um abseits zu stehen. Man muss es einfach mal versucht haben: Pizza Detroit Style. Was auch immer damit gemeint ist. Soll nichts für Puristen sein. Wir denken natürlich sofort an harte Spielfilme mit ebenso harte Ermittler aus der Tiefe der Siebziger­ jahre. Im Kaffee Kind an der Baselstrasse ist alles darüber zu erfahren. Pizza Napoletana? Vergiss es: Pizza Detroit. That’s it. Hartes Brot für weiche Kerle und smarte Mädels. Wahrscheinlich.


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COVERSTORY

SOLL DAS UNSER LEBEN SEIN?

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COVERSTORY

WAGEMUT IST GEFRAGT Alles beginnt im Kopf. Wagen wir den Ausbruch aus dem mentalen Lockdown.

S ICH

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P O SI T H C U A E HE

IV ES


S

VORNE H C A N CHAUE

ICH

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COVERSTORY

GENUG JETZT –

BRECHEN WIR AUS

Fühlen Sie sich kraftlos und schlapp, obwohl Sie genug schlafen und Erholungszeit geniessen? Klarer Fall: Pandemic Fatigue, Pandemie-Müdigkeit. Das gibts. Die Frage ist: Wie finden wir raus? VON BRUNO AFFENTRANGER

D

ie WHO, die Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen, hat in einem Bericht kürzlich festgehalten, dass es die Pandemie-Müdigkeit gibt. Pandemic Fatigue ist kei­ ne Erfindung von Verschwörungstheoretikern oder Corona-Ver­ irrten. Menschen fühlen sich demotiviert und schlapp. Sie sind nach diesem anstrengenden, seltsamen Jahr der vorgegebenen Schutzmassnahmen müde. Der Bericht schätzt die Zahl der Be­ troffenen in Europa auf rund sechzig Prozent der Bevölkerung und stützt sich dabei auf Befragungen. Die Ermatteten neigten dazu, sich und andere weniger zu schützen, ganz einfach, weil sie es nicht mehr können. Sie halten es mental nicht mehr aus. Das geht so weit, dass sie sich mit anderen wiederfinden, die sich gegen die staatlich verordneten Sicherheitsbestimmungen auf­ lehnen. Nun, es muss natürlich nicht immer gleich in einer unbewil­ ligten Demonstration von Realitätsleugnern enden. Aber Fakt ist: Der Pandemie-Müdigkeit wohnt eine Sorge inne, die auf Ungewissheit und Unsicherheit fusst. Niemand weiss, wie lange die Rückkehr der einstigen Normalität weiter auf sich warten lässt. Das nagt. Nicht nur am Portemonnaie von Geschäftsinha­ berinnen, Vermietern, Touristikern, Kulturschaffenden oder Eventmanagerinnen. Es reisst an den Nerven. Und wenn noch in Aussicht gestellt wird, dass möglicherweise die traute Fami­ lienfeier zu Weihnachten in diesem Jahr aus Sicherheitsgründen ausfallen muss, dann wird das Loch dunkler und grösser, in das man zu fallen droht.

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Diese beständige, anhaltende emotionale Überforderung kann zu psychischen Gesundheitsproblemen führen. Spezialisten er­ warten vermehrt Patienten, die über Depressionen oder Angst­ zustände klagen. In Grossbritannien ist jüngst eine Studie dazu erschienen. Sie spricht von einer geschätzten Zunahme der be­ handelten Fälle von zwanzig Prozent in diesem Jahr. In den USA wurde die erste Corona-Welle im April bereits von einer veritab­ len Angst-Welle begleitet: Statt den 3,4 Prozent der Bürgerinnen und Bürger, die zwei Jahre zuvor eine ernsthafte psychische Er­ krankung diagnostiziert erhielten, waren es im April sage und schreibe 28 Prozent. Ob man die Zahlen für übertrieben hält oder nicht, spielt kei­ ne Rolle, wenn sie faktenbasiert sind. Sie zeigen einen Trend auf. Der Befund ist nicht falsch: Die Müdigkeit hat um sich gegriffen. Der mentale Lockdown ist da. Wie aber findet man da wieder he­ raus? Wie zieht man sich am eigenen Schopf aus diesem alles do­ minierenden Trübsinn (ein Thema, das wir von der STADTSICHT übrigens nur allzu gerne meiden würden – geht aber nicht mehr, dafür ist es zu allgegenwärtig)? Was sollten wir stattdessen ange­ hen und nicht vergessen? Es existieren Strategien und Ideen. Ihnen allen eigen ist eine Art ... Wagemut. Dieses alte Wort kommt in Kurs. Wagen und Mut zeigen. Diese Kombination ist gefragt wie nie. Nur, wie geht das? Wir haben mit ganz unterschiedlichen Menschen über ihr Befinden und vor allem über ihre Tipps und Gedanken gesprochen. Denn dort fängt das Gute an: im Kopf.


COVERSTORY

Im Gespräch suchen zwei unterschiedliche Menschen nach Rezepten, um glücklich zu werden. Oder zufriedener. Ihre Analysen sind verschieden. Dass sie dabei streiten, versteht sich. Wir lernen daraus.

Was tun,

dass es besser geht? GESPRÄCHSLEITUNG BRUNO AFFENTRANGER UND ANGEL GONZALO BILDER ANGEL GONZALO

Wie kommt man mental aus diesem Lockdown heraus? Michelle Meyer: Es existiert viel Negativität. Auf Social Media, wo man als junger Mensch gerne unterwegs ist, wimmelt es von Hasskommentaren. Viele erzählen, dass es schlecht läuft. Das zieht uns alle noch weiter runter. Die täglich vermittel­ ten Fallzahlen tragen das ihrige dazu bei. In den Diskussionen an den Hochschulen und Universitäten, an Kantonsschulen und Oberstufenschulen dominiert das Thema der Überforderung. Auf der einen Seite soll man leistungsfähig sein, auf der anderen Seite Sorge tragen. Wie soll das gehen? Die Anforderungen werden ohne Rücksicht­ nahme auf die besondere Situation perma­ nent hochgehalten. Das ist das negative, schwierige Bild. Wie findet man da heraus? Michelle: Indem wir die Zeit, die wir im nächsten Umfeld miteinander verbringen können, wieder vermehrt schätzen. Die er­ laubte Nähe zur eigenen Familie oder zu der kleinen Zahl an Freunden, die man noch sehen darf, müssen wir nutzen. Nur damit schaffen wir es, das Denken zum Po­ sitiven hin zu verändern und das Zusam­ mengehörigkeitsgefühl wieder zu fördern. Müssen wir Gegensteuer geben? Michelle: Sicher müssen wir das. Gerade in der Schweiz wird sehr viel Kritik geübt. An

allem und jeder. Wir mäkeln an Regierun­ gen herum, an Mitmenschen, die allesamt toxisch sind. Normale Begegnungen sind fast nicht mehr möglich, ein Lächeln ist verdächtig. Das ist die Beschreibung eines toxischen Zeitalters. Geht es uns tatsächlich so schlecht? Ueli Breitschmid: Ich würde nicht so weit gehen. Wir leben sicherlich in einer Zeit, in der es den Menschen so gut geht, wie noch nie zuvor. Woran machst du das fest? Ueli: Uns geht es so gut, dass wir uns schon schlecht fühlen, wenn wir uns einmal nicht alles leisten können. Unsere An­ spruchshaltung ist so hoch und gewach­ sen, dass wir gar nicht mehr wissen, wie reich wir eigentlich sind. Ich stelle fest, dass diese Anspruchshaltung gefördert wird. Ebenso wachsen Kritiken und Neid, hingegen schwindet das Solidaritätsden­ ken. Dieser Logik folgend, steigt nun der Ich-Anspruch, der ungesunde, pure Egois­ mus. Polarisierungen, Schwarz-weiss-Den­ ken, simple Gut-schlecht-Unterscheidun­ gen sind Mode. Obwohl wir genau wissen oder zumindest ahnen, dass das Leben aus Zwischenwegen besteht, werden diese vernünftigen Pfade zwischen den Polen plötzlich weniger. Weil dieser Befund in­ zwischen Normalität geworden ist, be­

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wirtschaften politische Exponenten dieses Feld ganz ungeheuerlich und mit viel Kraft. Wir stecken mitten im Zeitalter des Neids. Michelle: Aber ist das nicht das Wesen der Schweizer Politik: das Extreme zu fordern und sich zum Schluss den Kompromiss zu erarbeiten? Ueli: Die Schweiz ist das eine, die Welt das andere. Ich zeichne hier einen globalen Trend. In der Schweiz sind wir zum Glück noch nicht ganz so weit. Ich spucke dich nicht an, weil du eine andere politische Ge­ sinnung hast als ich. Michelle: Das hoffe ich doch. Ueli: Das ist aber gang und gäbe. Und unse­ re politische Kultur gerät unter Druck. Da­ mit auch vieles andere mehr. Was denn zum Beispiel? Ueli: Heute wird man scheel angeschaut, wenn man in einen Beruf einsteigt, bei dem das Helfen die Hauptaufgabe ist. Heb­ amme zum Beispiel. Wer nicht studiert und nicht den ökonomischen Wert des Tuns in den Vordergrund stellt, wird be­ mitleidet. Das ist der falsche Weg. Früher arbeiteten die St.-Anna-Schwestern in Lu­ zern um Gotteslohn. Michelle: Das hat sich nicht gross geändert. Ueli: Willst du mir sagen, dass die Men­ schen in der Hirslandenklinik oder im Kantonsspital heute für Gotteslohn ar­ beiten?


COVERSTORY Michelle: Nein. Aber in den Pflegeberufen sind die Löhne viel zu tief, gemessen an der Arbeit, die geleistet wird. Ueli: Diese Meinung teile ich nicht. Was verdient eine Pflegefachfrau im Kantons­ spital? Michelle: Ich kenne viele Menschen, die in Pflegeberufen arbeiten und in diesem Jahr oft 12 ½-Stunden-Schichten eingelegt ha­ ben. Sie sind nicht angemessen bezahlt. Ueli: Ich streite doch gar nicht ab, dass das Pflegepersonal in diesem Jahr stark gefor­ dert gewesen und es immer noch ist. Aber man übt diesen Beruf doch gerade aus, weil man helfen und Überdurchschnittli­ ches leisten will. Ausserdem steht es jeder und jedem frei, einen anderen Beruf zu er­ greifen. Michelle: Du meinst also, man soll den Be­ ruf so wählen, dass man möglichst viel verdient. Wer es nicht tut, soll ruhig blei­ ben und keine Forderungen stellen. Wir dürfen doch den Glauben an Veränderun­ gen haben. Ueli: Fordern ist legitim und immer gut. Aber zurück zu deinem Punkt: Wer viel verdienen will, sollte nicht einen Pflegebe­ ruf ergreifen. Michelle: Darum geht es doch gar nicht und das ist doch auch nicht das Ziel. Es geht um die angemessene Bezahlung von Leistung. Was ist angemessen? Ueli: Das ist Verhandlungssache und letzt­ lich immer das Resultat eines wirtschaftli­ chen, politischen und gesellschaftlichen Konsenses. Die Arbeit, die dir am meisten Freude bereitet, am höchsten bezahlt ist und noch die richtige Anzahl an Freizeit­ stunden bietet, die ist nicht erfunden. Wirklich nicht? Was tust du denn? Ueli: Ich besitze alle drei genannten Kom­ ponenten in hohem Mass. Aber ich bin 75 Jahre alt und habe mir diese Position erar­ beitet. Mit 22 Jahren habe ich vieles akzep­ tieren und mich arrangieren müssen. Aber zurück zu meinem Befund: In der politi­ schen Diskussion verzichten immer mehr Menschen darauf, die Gesamtinteressen über den Eigennutz zu stellen. Du zeichnest das Bild einer Gesellschaft die früher solidarischer war als heute. Falls das stimmt: Worauf fusste diese Solidarität? Ueli: Um auf die Pflegeberufe zurückzu­ kommen – die Menschen, die in diesem Be­ reich tätig waren, waren das, weil sie ihren

Beruf gerne ausübten und nicht, weil sie angemessen bezahlt sein wollten. Aber das Gesundheitswesen ist inzwischen indus­ trialisiert und von finanziellen Anreizen bestimmt. Michelle: Die Arbeitsbedingungen im Ge­ sundheitswesen stimmen nicht mehr. Es gibt nirgendwo so viele Burn-outs pro Jahr wie in den Pflegeberufen. Man findet sel­ ten ein Team, das einen Altersdurchschnitt über vierzig Jahre aufweist. Einfach, weil viele jung einsteigen, aber auch jung be­ reits aufhören und weiterziehen. Zur Eingangsfrage zurück: Was ist deine Strategie, aus einem mentalen Lockdown herauszufinden? Ueli: Muss ich eine haben? Vielleicht brauchst du das nie. Ueli: Doch. In erster Linie müssen wir aus einer Negativspirale der Einflüsse heraus­ finden. Wie macht man das? Ueli: Man liest keine Zeitungen mehr, schaut nicht mehr fern und hört keine News. Ich entziehe mich bewusst vielen negativen Meldungen. Michelle: Entziehen ist das eine, darüber zu reden das andere. Das Ansprechen und Aus­ sprechen, was Informationen mit einem an­ stellen, ist wichtig. So lernen wir einzuord­ nen und richtig zu deuten, immer in Ab­ sprache mit anderen Menschen. Ansons­ ten ist man schnell alleine. Ueli: Menschen sind Herdentiere. Die Be­ einflussung der Massen findet deshalb statt. Dabei rede ich nicht von einer welt­ umspannenden Verschwörung oder von Einzelnen, die das tun. Es ist ein Mechanis­ mus, ein physisches Axiom. Alle sind be­ einflusst, alle schaukeln sich gegenseitig hoch. Wir leben in einem Sturm der Mel­ dungen und Beeinflussungen. Michelle: Ich muss hier die Politik in Schutz nehmen. Es ist für staatliche Stellen heute nicht einfach: Einerseits müssen sie über Fallzahlen zu Covid-19 Auskunft geben und warnen, andererseits das Vertrauen der Menschen gewinnen oder behalten. Sie können nicht Massnahmen einfordern, wenn gleichzeitig niemand glaubt, dass diese wirken. Ueli: Auch in diesem Thema muss jeder ein­ zelne Mensch seine Mechanismen entwi­ ckeln, dass er sich nicht zu stark beeinflus­ sen lässt.

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Ueli Breitschmid 75, ist Inhaber und Verwaltungsratspräsident der Curaden AG in Kriens, die als bekannteste Marke CURAPROX führt. Das Unternehmen betreibt Fachhandel für Zahnärzte und Zahntechnik und stellt Mund­ gesundheitsprodukte her, die sie weltweit vermarktet. In der Schweiz arbeiten rund 150 Mitarbeitende; Der Umsatz beträgt rund hundert Millionen Franken. Weltweit werden über Tochterfirmen und Mehrheitsbeteiligungen in vierzig Ländern gut 200 Millionen Franken erwirtschaftet. Ueli Breitschmid investiert in innovative Start-ups, in Immobilien und besitzt Weingüter in der Schweiz, in Italien und Spanien. Ausserdem ist der verheiratete Vater von vier Töchtern in der Gastronomie engagiert und besitzt Hotels und Restaurants.

Michelle Meyer 22, studiert an der Universität in Zürich Politikwissenschaften. Die aus Beromünster stammende Politikerin engagiert sich als Co-Präsidentin der Jungen Grünen des Kantons Luzern. Ausserdem arbeitet sie im Vorstand der Jungen Grünen Schweiz und ist die Leiterin der Arbeitsgruppe Campaigning der Grünen in Luzern.


COVERSTORY

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COVERSTORY Nochmals: Wie tut man das konkret? Ueli: Nach dem Kappen der Verbindung zu beeinflussenden Medien muss ich in mei­ nem privaten Umfeld die Sicherheit suchen und eine Oase schaffen. Das klingt nach der Bildung einer klassischen Meinungsblase, in der man nur noch mit Gleichdenkenden und Gleichsprechenden zusammen ist. Ueli: Keinesfalls. In der Oase muss Wider­ spruch existieren, sonst kann ich sie gar nicht als Oase wahrnehmen. Aber gehen wir noch einen Schritt weiter: Ich behaupte immer, dass in solchen Zeiten, wie wir sie heute erleben, Chancen entstehen. Nichts ist so schlecht, dass es nicht für etwas gut ist. Mit diesem Denkansatz gelingt mir stets der Ausbruch. Michelle: Diesen Ansatz teile ich. Welche Chancen seht ihr denn aktuell? Michelle: Dass sich die Menschen wieder mehr Zeit für sich selber nehmen, für ihre Gesundheit, sie gehen regelmässig spazie­ ren, an die frische Luft, ernähren sich ge­ sünder, fühlen sich besser. Es gibt nichts Schlimmeres, als sich selber zu Hause ein­ zusperren und nichts mehr zu tun. Noch vor Kurzem lebten wir alle den Trend, im­ mer mehr zu leisten. Wir leben jetzt in ­einer Phase der Rückbesinnung. Ist das Corona-Jahr mehr als eine Pandemie, nämlich ein Vollstopp, der uns den Gang der Welt ändern lässt? Michelle: Es ist ein Vollstopp. Wir können uns jetzt überlegen, wie es weitergehen soll. Wir können daran arbeiten, dass die Unterschiede kleiner werden. Es kann doch nicht sein, dass die einen so viel ver­ dienen und andere ihre Geschäfte schliessen müssen. Es kann auch ökologisch an­ ders funktionieren: Wir sind im Frühling in der Lockdown-Periode nicht mehr ge­ flogen, und die Umwelt hat profitiert. Die Lehre daraus: So könnte es gehen. Ueli: Mit einem permanenten Lockdown ohne Fliegen? Michelle: Nein. Einen Lockdown wünscht sich niemand herbei. Aber wir müssen ­einen neuen Mittelweg finden und nicht mehr so extrem weiterfahren wie bisher. Wir müssen eine gerechtere Welt schaffen. Es kann zum Beispiel nicht sein, dass die Kultur wenig Unterstützung erhält, auf der anderen Seite das Unternehmen Swiss Mil­

«Man liest keine Zeitungen mehr, schaut nicht mehr fern und hört keine News. Ich entziehe mich bewusst vielen negativen Meldungen.» Ueli Breitschmid

lionen zugeschossen kriegt und gleichzei­ tig Boni ausbezahlen will. Ueli: Das musst du auseinanderhalten. Pri­ vatwirtschaft ist Privatwirtschaft, Staat ist Staat. Es ist der Swiss unbenommen, Boni zu bezahlen. Jedes Privatunternehmen ist frei in seinen Entscheidungen. Michelle: Auch wenn es Menschen entlässt? Ueli: Das ist Wirtschaft. Einmal stellt man Menschen ein, einmal entlässt man. Das ist leider Realität. Michelle: Es darf nicht Realität bleiben, dass die Produktivitätsschraube nochmals angezogen wird und sich das Hamsterrad der Leistung noch schneller dreht. Ueli: Finde dich damit ab, dass du als junger Mensch, der ins Erwerbsleben einsteigt, mehr gefordert wirst als später. Michelle: Grundherausforderung ist ein wichtiger Antrieb. Aber die Überforderun­ gen bei jungen Menschen nehmen zu. Sie haben in grosser Zahl psychische Proble­ me. Der Grund liegt bei den Schulanforde­ rungen und beim Druck der Eltern. Viele fürchten sich, dem nicht gerecht zu wer­ den. Die Suizidrate bei Jugendlichen steigt. Die sozialen Medien verlangen Standards, die wir nicht erfüllen können. Ueli: Das ist gewissermassen ein Grundge­ setz. Es war früher schon ein Problem. Das ist das Los der Jugend: Sie schultert vieles. Wir müssen eine gerechtere Welt schaffen – was heisst das?

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Ueli: Grundsätzlich sollen alle dieselben Ausgangschancen haben. Die Frage ist: Was ist gerecht und was macht die Men­ schen glücklich? Ich habe Armut in der eige­nen Familie konkret erlebt. Aber wa­ ren das unglückliche Momente? Es ist eine schwierige Diskussion. Ich glaube, Glück hängt von der inneren Einstellung ab. Ich messe meine menschliche Würde daran, wie glücklich oder unglücklich ich bin. Dummerweise ist es so, dass ich mit mehr Geld zum Beispiel nicht glücklicher werde. Michelle: Aber das ist doch ein Wider­ spruch. Auf der einen Seite sprichst du für Bonuszahlungen und gleichzeitig weisst du, dass diese die Menschen nicht glückli­ cher machen werden. Ueli: Das tue ich nicht. Deine Kernfrage ist doch, was eine gerechte Entlöhnung in ­einem Unternehmen ist. Es kann sein, das ich in meiner Firma jemandem mehr und einem anderen weniger bezahle. Das ist meine Entscheidung. Es ist meine Firma. Das ist ein privater Entscheid auf der kom­ plexen Gerechtigkeitsbasis meiner Unter­ nehmung. Gerechtigkeit ist kein absoluter Wert, es ist ein Privatgut. Hingegen kann man sich empören und aufregen über je­ manden, der ein Unternehmen in den Ab­ grund geritten hat und danach noch Millionenabfindungen kriegt. Ich finde diese Geschichten auch komplett daneben. Aber ob es gerecht oder ungerecht ist, ist eine andere Frage. Das Gerechtigkeitsterrain ist ein Minenfeld und gefährlich. Michelle: Sollten wir nicht darüber reden, gerade weil es ein schwieriges Terrain ist? Gerechtigkeit ist kein Empfinden, es ist mehr. Es ist doch ungerecht, dass zum Bei­ spiel Frau Martullo-Blocher in ihrer EmsChemie Leute entlässt und selber über ein Milliardenvermögen verfügt. Ueli: Darf ein Milliardär nicht mehr Leute entlassen? Soll er trotz aufkommender Krise mit offenen Augen ins Verderben ge­ hen und niemanden entlassen? Würdest du das tun? Michelle: Es ist ein Fakt, dass Manager so viel mehr als normale Angestellte mit ei­ nem Mindestlohn verdienen. Ueli: Eine Diskussion über Gerechtigkeit ist nicht sinnvoll. Das bringt uns nicht weiter. Man kann Gerechtigkeit nicht auslagern. Wenn du gerecht sein willst, dann rufe ich dir zu: Mach es! Sei es! Fordere nicht von anderen Gerechtigkeit ein. Du musst mit dir selber und mit anderen gerecht sein.


COVERSTORY Gerechtigkeit fordert nur der liebe Gott. Michelle: Ich glaube nicht, dass der liebe Gott grosse Firmen betreut und von ihnen Gerechtigkeit einfordert. Zwei Menschen, zwei Überzeugungen: Ueli, du sagst, dass man nur selber gerecht sein kann. Du, Michelle, sagst, dass man Gerechtigkeit sehr wohl einfordern kann. Was stimmt? Michelle: Ich gebe Ueli recht: Es gibt Men­ schen, die selber beeinflussen können, dass es bei ihnen und in ihrem Umfeld ge­ recht vorgeht. Viele aber haben keinen Einfluss. Sie sind ein kleines Rädchen in ­einer riesigen Maschine. Deshalb brauchen sie die Hilfe von Menschen, von Politik, von Gewerkschaften und anderen mehr. Ueli: Ich glaube, das Grundproblem in un­ serer Diskussion hier liegt darin, dass das Wort Gerechtigkeit falsch angewendet ist. Was gerecht ist, ist meine private Meinung. Es existiert keine öffentliche Meinung da­ rüber, was gerecht ist. Michelle: Wenn eine Mehrheit von Men­ schen findet, dass etwas nicht gerecht ist, dann ist das doch relevant. Ueli: Ich glaube, du sprichst von Angemes­ senheit. Eine Mehrheit kann finden, dass etwas nicht angemessen ist. Aber Gerech­ tigkeit ist subjektiv. Über Glauben, Ge­ schmack und Gerechtigkeit kann man nicht diskutieren. Michelle: Da bin ich anderer Meinung.

ert habe. Wenn ich mir Zeit für mich selber nehmen, Sport machen oder meine vielbe­ schäftigte Familie sehen kann. Ueli: Ich bin glücklich, wenn ich mich auf­ gehoben sehe, wenn ich weiss, dass ich nicht alleine bin, wertgeschätzt werde und eine Rolle in der Gesellschaft oder in einer Gruppe habe. Das gibt mir Halt. Abgesehen davon müssen meine Grundbedürfnisse gedeckt sein. Das Glück hängt vollkom­ men von der sozialen Komponente ab. Ich kann das nicht planen, aber ich kann es steuern. Ich nenne dazu einen Trick: die eige­nen Ansprüche und jene an andere im­ mer so tief als möglich zu halten. Wer seine eigene Erwartungshaltung richtig managt, wird leichter zufriedengestellt. Michelle: Erwartungen oder Herausforde­ rungen an sich selber sind aber immer wichtig. Ganz ohne geht es also nicht. Ueli: Das Grundkonzept heisst: underpro­ mise and overdeliver. Versprich weniger und liefere mehr. Das führt zum Glück. Machen wir unser Glück komplett und finden wir die Themen, für die heute Zeit wäre. Was müssen wir alle sofort angehen? Michelle: Das Erreichen der Klimaziele. Nur weil wir mit dem Coronavirus kämpfen, wird dieses Thema nicht weniger drin­ gend. In den Parlamenten werden Vor­ stösse in diese Richtung abgelehnt.

Unsere Diskussion ist an einem schwierigen Punkt angelangt, deshalb eine schwierige Frage: Was macht das Glück der Menschen? Michelle: Diejenigen, die die Freiheit ha­ ben, das zu tun, was sie gerne und gut tun, sind nahe am Glück. Zum Glück gehört, dass keine Existenzangst drückt und eine ausgewogene Balance zwischen allem herrscht. Wichtig ist, dass man sich akzep­ tiert und gut aufgehoben fühlt.

Was wäre also zu tun? Michelle: Es hilft, wenn wir selber mehr Zeit in der Natur verbringen. Wir lernen dadurch schätzen, was wir im nächsten Umfeld erleben. Wir müssen den Men­ schen direkt sagen, dass sie jetzt in die Na­ tur hinausgehen sollen und so die Notwen­ digkeit des Schützens und Rettens erken­ nen. Es ist jetzt der Moment, die grossen Zusammenhänge in der Ökologie zu er­ kennen und zu handeln.

Geld spielt keine Rolle? Michelle: Doch. Mindeststandards müssen erfüllt sein, damit die Freiheiten über­ haupt erst entstehen können. Viele Men­ schen trauen sich weniger zu, als sie ei­ gentlich könnten. Ueli: In welchen Situationen fühlst du dich persönlich glücklich? Michelle: Wenn ich einen guten Arbeitstag erlebt habe, interessante Gespräche hatte, einen Erfolg mit einer Präsentation gefei­

Aber gesundet die Natur nicht gerade in der Corona-Krise? Michelle: Wir fliegen weniger ... Ueli: ... aber das macht in der Bilanz nicht sehr viel aus. Michelle: Alles beginnt immer mit dem Verändern des eigenen Verhaltens. Den­ noch braucht es staatliche Massnahmen, um globale Probleme zu bekämpfen. Es braucht gemeinsame Ideen und Vorgaben. Das Individuum ist alleine chancenlos. Ein

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zweites grosses Thema ist sicherlich die Diskussion über die richtige Arbeitsdauer. Ist es noch richtig, 42 Stunden in der Woche zu arbeiten? Können wir nicht ein wenig zurückfahren, weil wir ja effizienter wer­ den, und dadurch den Anteil der Freizeit und die sozialen Kontakte steigern? Die Diskussion um die Teilzeitarbeit für Män­ ner oder den Vaterschaftsurlaub beweist dass hier etwas in Bewegung geraten ist. Ueli: Die Arbeitswelt verändert sich immer, diesmal aber viel grundlegender, als du denkst. Ich habe schon vor vierzig Jahren davon gesprochen, dass die Automatisie­ rung uns den Tag bringen wird, an dem sich die Vorzeichen umkehren. Es wird das grösste Privileg des Menschen sein, über­ haupt noch arbeiten zu dürfen. In diesem Prozess stecken wir. Am Ende des Tages gibt es zwei Lager: die armen Menschen, die Berge an Geld besitzen und all das kon­ sumieren müssen, was produziert wird, und die wenigen Privilegierten, die noch einen sinnerfüllenden Job besitzen. Geld ist in dieser Welt nicht mehr die wichtige Währung, sondern das Gefühl der Wert­ schätzung und der Sinnhaftigkeit des eige­ nen Tuns. Für mich stellt sich heute die Frage: Kann ich damit umgehen, dass ich nicht mehr arbeiten muss? Michelle: Das ist ein negatives Bild einer schlimmen Welt. Ueli: Nein, das ist das Bild der heutigen Welt. Sie hat bereits begonnen. Du aber ar­ gumentierst noch immer auf der Grundla­ ge einer Welt der Fünfzigerjahre. Michelle: Du kehrst unsere Rollen gerade um. Ich stecke im Heute und ich erlebe das anders. Zurück zum Thema. Wie findet ihr ganz persönlich aus einem mentalen Lockdown? Michelle: Ich gebe meinem Alltag Struktu­ ren und ich versuche in den Dingen, die ich tue, einen Sinn zu finden. Ich hoffe, sie ma­ chen mich glücklich. Daneben schaue ich stark darauf, dass ich selber für mich noch genug Zeit finde, meine persönlichen An­ liegen zu erfüllen. Ich sollte mich genug bewegen, an der frischen Luft sein, genug Schlaf finden. So könnten es auch andere schaffen. Ueli: Ich muss in meinem Leben gar nichts ändern. Ich ziehe meinen eigenen Rhyth­ mus weiter und muss niemandem mehr et­ was beweisen. Das ist das Privileg meines Alters und meiner Situation.


COVERSTORY

WIE DIE ZUKUNFT AUSSIEHT Unsicherheit und Ungewissheit machen Angst. Deshalb ist es höchste Zeit, über die kommenden Jahre nachzudenken. Mit oder ohne Corona. VON BRUNO AFFENTRANGER

E

s ist eine seltsame Zeit, in der wir feststecken. Träge fliessen die Tage dahin, die Eventbranche, die Kultur, der Spass an sich haben verordnete Auszeiten. Der Hedonismus von 2019 ist abgewrackt. Wir befinden uns in einem Kreuzzug gegen ein Vi­ rus, das der Welt den Atem raubt. Unternehmen haben Mühe, ihre Zukunft zu planen und die Mittel richtig einzusetzen. Denken in Szenarien würde vor allem über den mentalen Still­ stand hinaushelfen und uns eine gedankliche Stütze schenken. Das Zukunftsinstitut in Deutschland um den Gründer Matthias Horx hat das gemacht. Von einer neuen Welt mag das Team um den arriviertesten Zukunftsforscher im deutschsprachigen Raum nicht sprechen. Auch nicht davon, ob wir nun für immer dazu ver­ dammt sind, trotz, mit oder gegen Corona leben zu müssen.

Szenario 1: Die totale Isolation – alle gegen alle

Das am wenigsten verheissungsvolle Zukunftsbild. Hier haben wir uns in unsere Nationen und hinter die Grenzen zurückgezo­ gen und verbarrikadieren uns in unseren amtlichen Sicherheits­ zonen. Jeder ist sich selbst am nächsten. Gleichzeitig findet eine De-Urbanisierung statt: Urbane Hipster, die Trendsetter von ges­ tern, werden zu Verlierern und Hilfsbezügern in einer prekären Klasse. Die Städte erleben einen Niedergang, und in der Suche nach einer keimfreien Umwelt bleiben Importe und Beziehungen auf der Strecke. Hingegen erlebt die Häuslichkeit ein Comeback. Der Trend zum Rückzug wird staatlich belohnt. Hauslieferungen in jeder Hinsicht werden stärker zulegen. Szenario 2: Der Systemcrash – permanenter Krisenmodus

Auch nicht schön: Es geht einfach immer weiter wie jetzt. In der Geopolitik kommt es zu Auseinandersetzungen, da sich ein NeoNationalismus ausbildet. In der Wirtschaft rücken Fertigung und Produktion ins eigene Land zurück (Nearshoring). Grössere Städ­ te, kulturelle Schmelztiegel, verwandeln sich in ständige Krisen­ gebiete, die es zu meiden gilt. Big Data und künstliche Intelligenz werden noch wichtiger und erfahren einen Schub, damit aber auch Cybercrime und die sogenannten Predictive Analytics, also die datenbasierten Vorausberechnungen menschlichen Verhaltens, die für die Viruseindämmung entscheidend werden. Datenfrei­ heit und Datenschutz verlieren an Bedeutung.

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Szenario 3: Die Neo-Tribes – Rückzug ins Private

Es kann auch anders kommen, eher positiver, was Beziehungen angeht. Staat und Institutionen verlieren weiter an Glaubwürdig­ keit, aber wir geben deshalb nicht auf und finden uns in vertrau­ ensvollen «Wir-Konstrukten» wieder. Das sind die neuen Stämme (Neo-Tribes). Eventuell aber sind dies auch die Elemente von neu­ en Meinungsblasen (Bubble»), die Verständigung zwischen den Gruppen erschweren. Als Reaktion auf das derzeitige Alleinsein könnten neue Formen von Co-Living heranwachsen. Der Rückzug ins Private ist auch hier ein Kernelement. Nur Virtual Reality findet noch ins Haus. Gleichzeitig wächst der Gemein­ schaftssinn, nimmt die Nachbarschaftshilfe zu. Die eingeschränk­ te Mobilität der Risikogruppen wird durch andere freiwillig über­ nommen. Eine progressive Provinz wächst, Selbstversorgung ab­ seits der Zentren wird hip. Der öffentliche Verkehr hingegen lei­ det, weil die Mobilen aufs Velo oder E-Bike umsteigen. Szenario 4: Die Adaption – resiliente Gesellschaft

Das Szenario, das auf selbstheilende Kräfte innerhalb unserer Sys­ teme, Gesellschaften und Wirtschaftsordnung baut. Auf einen Ver­ zicht folgt die Wiederentdeckung heimischer Alternativen. Der stationäre Handel, regionale Produkte und Lieferketten profitie­ ren, lokaler und globaler Handel existieren gleichzeitig. Weil Staa­ ten an Glaubwürdigkeit verloren haben, werden gerade Städte und supranationale Instanzen wichtiger und finden direkt zueinander: Bürgermeisterinnen und Bürgermeister treffen und reden direkt mit Weltorganisationen, unter Ausschluss des Staates. Im Gesund­ heitswesen setzt sich ein holistisches Verständnis durch, das den Zusammenhang zwischen allem akzeptiert. Predictive Health, wiederum datengestützte Vorhersage, wird salonfähig. Systemre­ levante Berufe wie alle, die im auf Reinheit getrimmten Bereich (Pflegepersonal, Reinigungspersonal) tätig sind, rücken in die Nä­ he von systemrelevanter Bezahlung. Im Baubereich setzen sich Ge­ schwindigkeit (Gesetzes- und Verordnungsanpassungen sowie Verfahrensstraffung) und modulare Massenproduktionen durch. So könnte es werden – oder anders. Diskutieren Sie mit uns. Unter info@bamedia.ch oder direkt mit dem Autor dieses Textes: affentranger@bamedia.ch


COVERSTORY

Der Weg aus dem gedanklichen Gefängnis Didi Schmidle lebt und praktiziert als Arzt in Luzern. Der Schulmediziner mit Affinität zu alternativen Methoden und zur buddhistischen Lehre zeigt uns mögliche Wege zur Überwindung des mentalen Lockdowns. INTERVIEW ANGEL GONZALO

Herr Schmidle, haben Sie Angst vor Corona? Didi Schmidle: Der Begriff Angst ist viel­ schichtig. Als Kinder haben wir Angst davor, ein Spielzeug zu verlieren. Als Ju­ gendlicher macht uns der Verlust einer Beziehung Angst. Wir haben Angst vor dem Leben und vor dem Tod. Aber vor allem ­beeinflusst uns das Ungewisse in dieser – zugegeben – schwierigen Situation in be­ sonderem Mass. Jetzt passiert etwas mit uns aufgrund der Corona-Pandemie. Die Angst wird auch medial geschürt. Politi­ sche Kräfte präsentieren uns Massnah­ menrechtfertigungen. Sind diese Massnahmen für uns Menschen beunruhigend? Wir werden durch die Massnahmen in eine Struktur gezwungen, die Fragen über unsere Grundrechte aufwirft. Die Frage muss erlaubt sein: Darf der Staat so ein­ greifen, dass er Zwänge oder Massnahmen erlässt, die derart stark auf unser Empfin­ den einwirken? Die politisch Verantwort­ lichen müssen sich überlegen, welche Massnahmen Sinn machen. Wir erfahren fast stündlich die neuesten Zahlen. Verschlimmert diese mediale Bearbeitung des Themas die Lage? Es ist wenig erbaulich, dass wir medial mit Bildern und Informationen bedient wur­ den und werden, die Angst machen: etwa übervolle Notfall- und Intensivstationen oder Leichen, die vom Militär in den Fried­ hof transportiert werden, wie in Italien im letzten April. Der Fokus sollte auf einer besseren Aufklärung der medizinischen Sachverhalte liegen. Inzwischen werden

wir auch mit Infektionsraten, Todesfällen und anderem bedient, die einerseits ab­ stumpfen, anderseits alarmieren. Der Nor­ malsterbliche kann diese Informationen nicht mehr interpretieren oder einordnen. Vergiften Corona-Verweigerer und -verschwörer die Stimmung zusätzlich? Es ist wichtig, die Massnahmen zu respek­ tieren, bis man mehr weiss. Wir müssen die Verschwörer so ernst nehmen wie die

Eine Persönlichkeit mit Ecken und Kanten Didi Schmidle (69) ist ein weitgereister Arzt mit vorarlbergischen Wurzeln. Er studierte ein Jahr Theologie in Innsbruck, entschied sich dann aber für ein Medizinstudium in Wien. Danach spezialisierte er sich im Bereich Sportmedizin. Didi Schmidle war mehr als zwei Jahrzehnte lang Gefängnisarzt in Luzern. Seit über 25 Jahren ist er Vertrauensarzt im Zirkus Knie. 1979 traf er den Dalai Lama in der Schweiz. Seither ist er mit dem geistlichen Oberhaupt der Tibeter freundschaftlich verbunden und beschäftigt sich intensiv mit der buddhistischen Lehre.

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Ignoranten. Das erreichen wir aber nur, wenn wir sachlich fundierte Informatio­ nen über das Virus und die Krankheit er­ halten. Wir müssten hier transparenter in­ formieren und deeskalieren. Das ist wich­ tig. Bislang standen nur die Massnahmen im Vordergrund. Die Menschen sollten aber auch erfahren, dass Infektionskrank­ heiten zu unserem Leben gehören. Es ist hoch spannend, wie sich der Einzelne ver­ ändert und sich nicht darauf besinnt, dass wir eine begrenzte Lebenszeit haben. Als Arzt ist es für mich jetzt wichtig und zen­ tral über die Ursachen der Pandemie nach­ zudenken. So stosse ich auf Unwissen und Ungewissheit. Die Coronaviren sind ja seit Jahren bekannt. Was jetzt folgt, ist die me­ diale Begleitung für den epidemiologi­ schen und virologischen Benefit. Das ist neu. Es gibt im Moment keine Antworten darauf, ob wir resistent sind. Wir sind alle geprägt von politischen Massnahmen, die uns in eine Zwangsjacke zwingen. Only bad news are good news? No news are good news, wäre in dieser Situation wohl besser. Etwas provokativ ge­ dacht: Vielleicht würde ein medialer Lock­ down während ein paar Tagen helfen, an­ ders über die jetzige Situation zu denken. Was raten Sie einem Menschen, der sich bedroht fühlt und dadurch gelähmt ist in dieser Situation? In einem Notzustand gibt es zwei Strategi­ en. Die eine nenne ich die Starrheit. Ich be­ wege mich nicht und hole mir die Informa­ tionen nur über eine bestimmte Informati­ onsquelle. Die zweite ist: Ich besinne mich


COVERSTORY und überlege, was für Möglichkeiten und welchen Ausweg ich habe. Der Mittelweg der beiden Strategien erscheint sinnvoll: Wir müssen die guten, konstruktiven von den weniger guten Informationen tren­ nen. Das ist aber alles andere als einfach. Wir werden mit Informationen überschüt­ tet, die wir einordnen müssen. Ein paar Beispiele: Ein Patient fragt: «Ich habe Coro­ na, muss ich jetzt sterben?» Der andere will wissen: «Erklären Sie mir, was in Italien passiert ist.» Ich müsste dann mit der glei­ chen Bildkraft etwas relativieren, das oft übertrieben wurde. Denn es findet eine Verschärfung alles Negativen statt.

«Für Menschen, die sehr früh eine hohe spirituelle Affinität haben, ist es einfacher, sich mit der Angst zu befassen.» Didi Schmidle

Was also ist zu tun? Jetzt wäre es an der Zeit, das Ganze umzu­ drehen. Wir haben die Chance, über ande­ res nachzudenken: zum Beispiel über poli­ tische Mechanismen und Abläufe, über gesellschaftliche Verhaltensweisen, über gesundheitliche Zusammenhänge und un­ sere Position dazu. Wir müssten einen Marschhalt machen, bedenken und neu bewerten. Geschieht das? Es kommt vermehrt zum Dialog, und das ist gut. Wir müssen vermehrt vertrauens­ bildend und konstruktiv miteinander re­ den, nicht rechthaberisch und rücksichts­ los. Wir können informativ unser Wissen austauschen, sowohl in der Bevölkerung als auch in den Fachgemeinschaften. Sind wir in Kontroversen gefangen? Für oder gegen eine Massnahme zu sein, ist per se nicht richtig. Als ehemaliger Gefäng­ nisarzt kommt mir diese Situation ähnlich vor, wie wenn jemand unverschuldet im Ge­ fängnis sitzt. Vorerst ohne Grund oder we­ gen einer Untersuchung. Er wird in eine si­ chere Umgebung gebracht. Bildlich gespro­ chen: Die Menschen in unserer Gesellschaft sind wegen der Corona-Pandemie unschul­ dig inhaftiert und mit Massnahmen belegt worden. Wie äussert sich das? Die Hausordnung in einem Gefängnis äh­ nelt unserem Lockdown, der notwendige Vorkehrungen trifft, Regeln und Verhal­ tensweisen in der Gesellschaft neu defi­ niert. Das überfordert. Wir werden automa­ tisch wütend, haben Unverständnis, sind aufgebracht. Die Perspektive lautet: Wir

sind unschuldig in einen Lockdown geraten. Wir erleiden Massnahmen, mit denen wir nichts zu tun haben wollen. Wir weigern uns vorerst instinktiv, diese Massnahmen zu akzeptieren. Es ist das Problem der ande­ ren, nicht unseres – so der Denkansatz. Sind wir überfordert? Ja, das sind wir. Und das hat eine Kehrseite. Wir bedienen uns der Themen wie in einem Einkaufsladen. Wir reden zum Beispiel lie­ ber über die Umweltprobleme im Allgemei­ nen als über konkretes Recycling oder Ener­ giesparen im Haushalt. Wir reden lieber über den Klimawandel als über konkrete CO2-sparende Massnahmen im eigenen überschaubaren Umfeld. Wir reden über das allgemeine Flüchtlingselend, statt über das Schicksal des einzelnen Flüchtlings. Wir vermögen gar nicht genau hinzuschauen. Wohl einfach, weil wir überfordert sind. Weil wir uns jetzt in einer absoluten Notsitu­ ation ertappen. Wir müssten einen Moment innehalten und fragen: Wo sind wir? Ähnlich wie ein verirrter Bergwanderer oder wie je­ mand, der auf offenem Meer treibt. Sind wir derart orientierungslos? Das Thema sollte im Grunde das Virus sein, nicht die Massnahmen. Diese dürfen nicht der Grund sein, dass wir das Virus gewissermassen boykottieren. Wir wissen mittlerweile, dass das Virus sehr anste­ ckend ist, und offenbar sind ältere Men­ schen mit Vorerkrankungen besonders ge­ fährdet. Also macht es Sinn, die Massnah­ men konsequent einzuhalten und insbe­ sondere unser Immunsystem zu stärken.

PRAKTISCHER HANDLUNGSANSATZ – 7 SCHRITTE ZUR MENTALEN BEFREIUNG NACH DIDI SCHMIDLE 1. Mut zur Demut 2. Beseitigung von Wut und Neid 3. Respekt gegenüber allem und allen 4. Vertrauen fassen und bilden 5. Rückzug und Ruhe 6. Spiritualität leben 7. Ethische Grundprinzipien verfolgen

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Blockiert uns das Gefangenenbild mental? Angst und Unwissenheit begleiten uns seit unserer Geburt. Das gehört zum Leben. Ein Beispiel. Wir haben vor nicht allzu lan­ ger Zeit – bildlich gesprochen – einfache Nahrung zu uns genommen. Später genies­ sen wir ein opulentes Mahl. Das Virus zwingt uns nun zu einem Reset, den wir gerne anders gestaltet hätten. Wir sollten jetzt innehalten, um uns und unser Mitei­ nander zu überdenken. Das ist zwar nachvollziehbar, aber wir werden von existenziellen Ängsten geplagt. Unsere stark globalisierte Wirtschaft leidet extrem. Das macht auch Angst. Wie wirken wir dagegen? Ich komme zurück auf das reich angerich­


COVERSTORY Konklusion tete, opulente Mahl. Die Wirtschaft, die uns zwar viel Materielles ermöglicht, hat auch unser Wunschdenken verändert. Dank der Globalisierung haben wir heute Zugang zu unzähligen Produkten des täglichen Be­ darfs zu oft beschämend tiefen Preisen. Al­ les wird dem Profit untergeordnet. Diese Entwicklung empfinde ich, und ich glaube viele Menschen denken ebenso, als unge­ sund. Ich masse mir nicht an, die wirtschaft­ lichen Implikationen der Pandemie zu kom­ mentieren, dazu fehlt mir die Kompetenz. Doch ich denke, wir sollten uns vermehrt kleinräumig bewegen und unsere Bedürf­ nisse möglichst lokal befriedigen. Als Arzt sind Sie auch psychologisch geschult. Erfahren Sie in Ihrer Praxis die Angst der Leute? Ja, gewiss. Und zwar von Patienten jeden Alters. Viele Patienten kommen mit Angst in die Praxis. Es ist die Zeit des Gesprächs, des Zuhörens. Eine Zeit der Vertrauensbildung. Braucht es eine kritische Reflexion darüber, wie wir mit der Krise umgehen? Es geht um eine auf Wissen ruhende Infor­ mation, aber – ehrlicherweise – auch da­ rum, zuzugeben, dass wir nicht alles über das Virus und dessen Implikationen wissen. Wie machen wir das? Für Menschen, die sehr früh eine hohe spi­ rituelle Affinität haben, ist es einfacher, sich mit der Angst zu befassen. Zuerst ei­ nen Schritt zurück mit Demut, und dann mit einer solideren Haltung mutig voran­ zuschreiten – das wäre wünschenswert. Mut zur Demut sozusagen. Es ist hoch inte­ ressant. Manchmal wirkt etwas sinnlos, doch im Grunde ist es sinnhaft. Manchmal wirkt etwas übermütig, dabei ist es nur leichtsinnig. Manchmal wirkt etwas über­ heblich oder übertrieben und ist im Grun­ de respektlos. Wir sollten wieder zurück zur Einfachheit. Wenn ich mir einen Ex­ kurs in den Buddhismus erlauben darf: Wir müssen unsere Wut, unsere Gier und auch unsere Unkenntnis überwinden. Die­ se fördern unsere Unsicherheit und unsere Ängste. Das ist zwar noch keine Erkennt­ nis, aber ein wichtiger Lernschritt.

VERWEGENE WETTE Ausbruch, Aufbruch. Die ersten, ganz einfachen persönlichen Aktionen sind auf den vorangegangenen Seiten beschrieben. Nötig sind für jede und jeden Einzelnen: Wagemut zeigen, den ersten Schritt zu tun, egal, ob man bereits weiss, wohin der Weg führen wird. Wichtig sind Frischluftgewinn im wahrsten Sinne des Wortes und Bewegung, dies im ­übertragenen Sinn. Sind wir einmal gestartet, fällt das Laufen leichter. Und laufen müssen wir. Dürfen wir. Ein Fenster der Möglichkeiten ist gerade jetzt offen – wer weiss, wie lange. Den Ausweg aus der Pandemie-Müdigkeit der Bevölkerung sieht die WHO im Einbezug derselben in alle Entscheidungen und in die nächsten Schritte. Wer integriert wird, bleibt nicht abseits liegen. Wer mitbestimmen kann, wird nicht abgehängt und zum gedanklichen Aussenseiter. Als zweiten Erfolgsfaktor ist die Innovation zu nennen. Sie bleibt immer wichtig. In jeder Beziehung. Auch sie ist nur mit Wagemut zu haben. Drittens wird es aktuell nicht reichen, den Menschen zu sagen, dass sie nicht gemeinsam Weihnachten feiern dürfen, weil sie ansonsten ihre Gesundheit riskieren würden. Stattdessen müssten Städte und Gemeinden mit ihren Bürgerinnen und Bürgern neue Formen finden, wie alle sicher feiern können. Dieser hochemotionale Termin ist der ultimative Test in diesem schwierigen Jahr. Daran wird sich messen lassen, wer seine Stadt oder Gemeinde wirklich gut managt. Was aber wird 2021 werden? Nur drei Themen seien hier kurz angetippt. Gehen wir davon aus, dass sich auf dem weiten Feld der Gesundheit eine umfassendere Betrachtung durchsetzen wird. Zusammenhänge zu erkennen wird wichtiger , und damit werden auch die entsprechenden Angebote für eine vernetzte, mit allem zusammenhängende Gesundheit attraktiver. Es ist nicht verwegen zu behaupten, dass nach der Lehre aus diesem Jahr die bisherige Privatsache Gesundheit öffentlich relevanter wird. Mit guten und schlechten Folgen. Gut vielleicht, dass die Prävention in der Gesellschaft weit mehr Anhängerinnen und Anhänger findet wird als bisher. Im Tourismus, der Luzern besonders betrifft, erwarten gescheite Köpfe, dass künftig die Qualitäts- und vor allem die Sicherheitsfrage höher gewichtet wird denn je. Zumindest zu Beginn einer weltweit wieder langsam einsetzenden Reisetätigkeit. Die Angebote dafür müssen bereitgestellt werden. Luzern und die Zentralschweiz werden sich überlegen müssen, wie diese aussehen könnten. Auf gesellschaftlicher Ebene schliesslich ist der Rückzug ins Private offensichtlich. Die entsprechenden Lebens-, Denk-, Bildungs-, Kommunikations- und Konsumformen werden dieses Private wieder ins gesellschaftliche Licht der Öffentlichkeit katapultieren. Absurd, aber so wird Privates öffentlicher als je zuvor sein. Wetten, dass in diesem Spannungsfeld Tugend und Moral noch an Bedeutung zulegen und den politischen Diskurs vollständig prägen werden? Es bleibt spannend. Bruno Affentranger

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Rägetröpfli sind so fein,

beschenken.

dass sie sogar Aufnahme fanden im offiziellen Inventar «Kulinarisches Erbe der Schweiz».

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CHRISTMAS-SHOPPING

Himmlisches Einkaufsvergnügen F Geschenkkarte

ür die Suche nach einem passenden Weihnachtsgeschenk ist der Länder­ park in Stans mit seinen vielfältigen Geschäften ein idealer Ort. Falls Sie nicht wissen, wie Sie Ihren Liebsten oder Be­ kannten eine Freude bereiten können, dann sind Sie mit unseren stilvollen Geschenk­ karten auf der sicheren Seite. Sie sind am Migros-Kundendienst oder online über un­ sere Webseite erhältlich. Die Geschenkkarte im praktischen Kreditkartenformat kann aber auch im Länderpark am Automaten bezogen werden. Hier können Sie die Karte auch mit einem eigenen Bild zu einem sehr

persönlichen Präsent veredeln. Verschen­ ken Sie ein einzigartiges Shopping-Erlebnis: Ob Modeboutique, Schmuckgeschäft, Coiffeursalon, Papeterie oder Vinothek – es ist garantiert das Richtige dabei! Öffnungszeiten Mo – Fr   9.00 – 2 0.00 Uhr Sa   8.00 – 18.00 Uhr Sonderöffnungszeiten im Dezember: Di 8.12. 9.00 – 18.00 Uhr So 20.12. 10.00 – 17.00 Uhr Do 24.12. 8.00 – 16.00 Uhr * Do 31.12. 8.00 – 17.00 Uhr *Lebensmittelgeschäfte + Restaurants ab 7.00 Uhr Restaurants öffnen jeweils 30 Minuten früher.

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n diesem aussergewöhnlichen Jahr gibt es nur Eines, das man seinen Liebsten, seiner Kundschaft und Mitarbeitenden auf den Weg geben oder wie man «DANKE» sagen sollte. Wünschen Sie viele «SCHUTZENGELI» für das nächste Jahr, damit alle voller Zuversicht die Heraus­ forderungen der Zukunft anpacken können. Mit unseren zartschmelzenden Schutz­ engeli landen Sie bestimmt einen Voll­ treffer und überbringen eine einzigartige und emotionale Botschaft: Du bist mir wichtig! Ich denke an Dich! Was wünscht man sich in diesen speziellen Zeiten als Beschenkter mehr?

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CHRISTMAS-SHOPPING

Weihnachten im Verkehrshaus Weihnachtszeit ist Verkehrshauszeit. Das attraktive Programm im meistbesuchten Museum der Schweiz bietet spannende Höhepunkte und unvergessliche Erlebnisse während den Festtagen. Das Verkehrshaus hat 365 Tage, auch an Weihnachten und Neujahr, für Sie geöffnet.

Festtagsfilme ganz gross Er gehört zur Weihnachtszeit wie Guetzli und Glühwein: der Nussknacker. Wir ­zeigen am 20.12. das bekannte Stück des Bolschoi Balletts aus ­Moskau. Ausserdem zeigen wir Festtagsklassiker wie «Love Actually», Der Zauberer von Oz und «Dinner for One», alles auf ganz grosser Leinwand. Nächtliche Führungen Wollten Sie schon immer einmal wissen, welch spannende Geschichten sich nach Einbruch der Dunkelheit im beliebtesten Museum der Schweiz verbergen? Vom 5.12. bis am 9.1. bieten wir jeden Samstag um 17.30 Uhr Gelegenheit dazu. Unsere Guides nehmen Sie mit auf unsere beliebten «Nachts im Museum»-Führungen. Weihnachtszauber im Planetarium «D’Wiehnachtsgschicht» erleben Sie auf

einzigartige Weise im Planetarium. Sitzen Sie inmitten eines riesigen, animierten Bilderbuches und werden Sie so selber Teil der Reise nach Betlehem. Die Show eignet sich für Kinder ab 4 Jahren. Den Zauber der Nordlichter erleben Sie täglich in der Planetariumsshow «Aurora». Am 27., 28. und 30.12. ist der Kinderlieder­ macher Andrew Bond zu Gast im Planetarium. Mit seinem Konzert «Schternefeischter» nimmt er Kinder mit ihren ­Eltern, Grosseltern und überhaupt alle Möchtegern-Raumfahrer mit auf eine musikalische Reise. Vor dem Konzert ­geniessen Sie ein Frühstück in unserem Selbstbedienungsrestaurant. Wundervolle Geschenkideen Verkehrshaus-Erlebnisse können Sie auch verschenken! Wie wäre es zum Beispiel mit einer Geschenkmitgliedschaft, die 365 Tage im Jahr freien Eintritt ins

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Museum ermöglicht? Auf der Verkehrshaus-Webseite finden Sie alle Angaben ­dazu. Zahlreiche weitere Geschenkideen wie Spielwaren, Accessoires und einzig­ artige Schokoladekreationen Maître ­Chocolatier finden Sie in unserem Shop, der 365 Tage im Jahr für Sie da ist – ­perfekt für Last-Minute-Geschenke! Das ganze Weihnachtsprogramm, Tickets und Öffnungszeiten unter verkehrshaus.ch/weihnachten

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«EIN BMW. DAS WÄR’S.»

DIESEN WUNSCH ERFÜLLT IHNEN DIE STEINER GROUP AG IN LUZERN, KRIENS ODER BUOCHS.


PORTRÄT

VOM KURDISCHEN BAUERNSOHN ZUM GASTROUNTERNEHMER Das ist die Geschichte des Sohns eines kurdischen Bauern, der erfolgreich sein eigenes Restaurant in Luzern führt. Der Weg von Gökhan Temizmermer von Anatolien bis in die Schweiz liest sich abenteuerlich. Die vorgezogene Weihnachtsgeschichte über einen Selfemademan. BILD UND TEXT ANGEL GONZALO

D

as Leben hat Gökhan Temiz­ mermer nicht viele Ge­ schenke beschert. Er erin­ nert sich, wie er als 13-Jähriger mit dem Traktor die Felder seines Va­ ters pflügte. Eines Tages sei ihm auf einem benachbarten Bauernhof ein etwa 35-jähriger Mann auf ei­ nem Velo aufgefallen. Das habe ihn fasziniert, zumal er nie auf einem Fahrrad gefahren war. Gökhan verhandelte mit dem Mann und konnte den Traktor mit dem Zweirad für einen halben Tag tauschen. Einen Morgen lang hat er sich so selber das Fahrradfah­ ren beigebracht. Diese Episode ist typisch für Gökhan, den kurdischen Bauernsohn aus Anato­ lien, den inzwischen fast alle in Luzern als Patron des Restaurants Made in Sud ken­ nen. Obschon er der jüngste Sohn einer neun-köpfigen Familie ist, wurde ihm früh viel Verantwortung aufgetragen. Er musste schnell lernen, auf eigenen Füssen zu ste­ hen. Und er brachte sich vieles selber bei.

Geburtsdatum unbekannt Seine Kindheit verbrachte Gökhan in Kan­ dil, einem kleinen Dorf in Zentralanatoli­ en mit damals rund 3000 Einwohnern, umgeben von Getreidefeldern, so weit das Auge reichte. In den Siebzigerjahren eine archaische, beschauliche Welt mitten im gebirgigen Kleinasien. Er wisse nicht mit Sicherheit, wann genau er geboren sei. In seinem türkischen Ausweis steht der 2. Ja­ nuar 1974 geschrieben, aber das stimme nicht.

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Die Anmeldung der geborenen Kinder sei damals eine umständli­ che, gar abenteuerliche Sache gewe­ sen. Im Januar wurden traditionel­ lerweise die Tiere auf den Gross­ viehmärkten in den grösseren Städten verkauft, sodass die Bau­ ernfamilien ihre geborenen Kinder jeweils in dieser Zeit anmeldeten. Daher der 2. Januar im Pass. «Die Hälfte meiner Generation im länd­ lichen Anatolien weist ungenaue Geburtsdaten auf», sagt er mit einem Schmunzeln. Von seiner Mutter wisse er, dass er ge­ gen Ende März 1976 geboren sei. Etwa zu der Zeit, als das letzte Eis auf den Feldern gelegen habe. Fehlen im Haushalt die Uh­ ren und Kalender, lebt man im Takt der Na­ tur. Somit ist Gökhan auf bürokratische Weise glatt zwei Jahre älter als in Wirklich­ keit. Das lässt ihn dafür jünger erscheinen. Seine unbeschwerte, glückliche Kind­ heit verlief in den Bahnen einer typisch kurdischen Bauernfamilie. Erst in der Pri­


PORTRÄT marschule lernte er die vom Staat aufge­ zwungene türkische Sprache. Bis dahin hatte er nur kurdisch gesprochen. Gymnasium als harte Lebensschule

Mit 15 Jahren begann für Gökhan eine ent­ scheidende Phase in seinem Leben. Seinen Eltern war die Bildung ihrer Kinder wich­ tig. Sie schickten ihn ins Gymnasium nach Konya, einer Stadt mit zwei Millionen Ein­ wohnern, 200 Kilometer südlich seines Geburtsortes gelegen. Finanziell wurde die Familie auf bewährte kurdische Art von zwei älteren Brüdern Gökhans unter­ stützt, die mittlerweile in Glarus und Win­ terthur ihr Geld verdienten. In Konya ver­ brachte er fünf Jahre bis zum Abschluss seiner gymnasialen Ausbildung und lebte zusammen mit seinem älteren Bruder Yussuf. Dieser studierte an der Universität Geschichte, musste aufgrund seiner politi­ schen Aktivität für die kurdische Sache aber vorzeitig das Land verlassen. Gökhan fand in Konya eine für ihn neue, unbekannte und bedrohliche Welt vor. Als Kurde und damit Teil einer Minori­ tät inmitten von rund 3500 Gymnasiasten und 400 Lehrkräften, habe er sich lange Zeit als Fremder gefühlt. Er sei oft ange­ feindet worden, sein kurdisch gefärbter Akzent habe die Situation zusätzlich ver­ schärft. Harte Zeiten brachen an, doch mit der Zeit, so Gökhan, gewöhne man sich da­ ran. Der emotionale Druck seiner Familie, die Ausbildung durchzustehen, sei ihm durchaus bewusst gewesen: «Ich wollte meine Eltern nicht enttäuschen, und so ha­ be ich auf die Zähne gebissen.» Der Junge vom Land lernte schnell, liess sich nicht provozieren, schon gar nicht un­ terkriegen. Er wurde schneller reif als für sein Alter üblich. In dieser Zeit entwickelte er ein politisches Bewusstsein, auch wegen seines Bruders Yussuf, der für die Sache der Kurden in exponierter Weise mediale Ar­ beit verrichtete und ihn politisch beein­ flusste. Sein Vater hingegen sei immer apo­ litisch gewesen, wie wohl die meisten Bau­ ern seiner Generation, die sich mit der Si­ tuation als «Bürger zweiten Grades» in der Türkei irgendwie abgefunden hatten. Ein Leader auf der Strasse

Der heranwachsende Gökhan liess die ständigen Anfeindungen nicht lange zu. Er schloss sich einer kurdischen Gruppe von Gymnasiasten an, die fortan zusammen­

hielt und dezidierte Gegenwehr leistete. Die psychische und physische Gewalt, wel­ che viele kurdische Jugendliche in solchen Ausbildungsinstitutionen erleben muss­ ten, prägte eine ganze Generation bis heute. «Gegenwehr als Überlebenschance», nennt Gökhan die angewandte Strategie. Er, der an unzähligen Auseinandersetzungen an vorderster Front teilnahm, oft zur Vertre­ tung oder in Verteidigung eines schikanier­ ten Freundes. Die türkischen Nationalisten der Gruppe «Graue Wölfe» oder auch Hooli­ gans jeglicher Couleur machten dem jungen Kurden das Leben schwer. In diesem rauen Umfeld lernte Gökhan die Regeln der «Streetfighters» kennen, ih­ re Riten und Rituale. Eine Lektion blieb bei ihm hängen: Nie aufgeben, keinen Schritt zurückweichen. Das bedingte, dass er sich immer mehr exponierte und sich mit der Zeit einen gewissen Ruf erwarb. Gökhan geriet so ungewollt in eine Leaderrolle, «aus einem gewissen Ehrgefühl heraus», wie er betont.

Gökhan ging hoch hinaus, arbeitete auf über 1900 Metern über Meer – als Tellerwäscher. Danach folgten mehrere Anstellungen als Eisenleger, Kebabverkäufer, Keller, Gärtner, Kranführer.

Mehr als einmal geriet er in brenzlige Situationen, etwa dann, wenn er einem zu­ sammengestauchten Freund zur Seite stand, ihn aufmunterte und den Mut auf­ brachte, die Aggressoren zu stellen. Er sei gewiss nicht stolz auf die Gewaltbereit­ schaft, die in ihm schlummerte, doch sei das der einzige Weg gewesen, sich und sei­ nen kurdischen Freunden Respekt in ei­ nem testosterongeschwängerten Umfeld zu verschaffen. Es kam der Tag, an dem alle – Freunde wie Feinde – wussten, mit Gök­ han sei in solchen Dingen nicht zu spassen.

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Dies führte nicht etwa zu mehr Gewalt, sondern brachte Ruhe zwischen den Fron­ ten. Gökhan erlebte während seiner Schul­ zeit in der Grossstadt, wie wichtig es im Le­ ben ist, Kontakte zu pflegen und Verhand­ lungen zu führen, gerade in einem feindli­ chen Umfeld. Das hat ihn reifen lassen und weitergebracht. Alle diese «Nebeneffekte» hinderten den vifen Gökhan nicht, das Gymnasium erfolgreich abzuschliessen. Der Sprung in den Westen

Nach dem Gymnasium, im Alter von zwan­ zig Jahren, rief das Militär. Schnell immatrikulierte sich Gökhan als Wirtschafts­ student an der Universität, um den Dienst für den türkischen Staat zu vermeiden. Er belegte seine Fächer zwei Jahre lang im Fernstudium und half nebenbei seinem Bruder Veysel, der aus Basel in die Türkei zurückgekehrt war, beim Aufbau einer Hühnerfarm. Als das Familienunterneh­ men 1998 wegen einer Rezession in finanzi­ elle Schieflage geriet, bewies Gökhan er­ neut sein Verhandlungstalent beim Ver­ kauf des Betriebes an eine mächtige und einflussreiche kurdische Familie. Sein Ruf als gewiefter Unterhändler trotz seines jungen Alters war in kurdi­ schen Kreisen sehr wohl bekannt. Er holte nicht nur einen ansprechenden Betrag für den hoch verschuldeten Betrieb heraus, sondern erhielt als zusätzliche Gegenleis­ tung einen Lebensmittelladen obendrauf, welcher der Familie seines Bruders das Einkommen sichern sollte. Inzwischen lebte sein Bruder Yussuf in Belgien und ar­ beitete für das unabhängige kurdische Fernsehen «MED-TV» in Denderleeuw. Auf Intervention der türkischen Regierung musste Yussuf sechs Monate im Gefängnis verbringen. Gökhan verfolgte die politische Arbeit seines Bruders besorgt aus der Ferne, ent­ schloss sich dann im Alter von 24 Jahren, den Sprung in den Westen zu wagen. Auf verschlungenen Wegen erhielt er ein Vi­ sum als Geschäftsmann und landete, nachdem er zuvor mehrere Tage in Anka­ ra um die Ausreise hatte bangen müssen, am 1. August 2000 mit nur 200 D-Mark in der Tasche in Bonn und fuhr direkt nach Belgien. Dort blieb er nicht lange. Der junge Mann wollte nicht von seinem Bruder ab­ hängig sein, wollte «mit eigenen Flügeln fliegen», wie er sagt. Er reiste bald zurück


PORTRAIT

Sein Restaurant führt Gökhan so, wie er seine Gäste behandelt: mit einer entwaffnenden und ehrlichen Herzlichkeit.

nach Deutschland, wo seine Schwester wohnte, doch das passte für Gökhan auf Anhieb nicht. Die relativ grosse kurdi­ sche Gemeinschaft in Deutschland lebte für ihn zu fest in den eigenen Traditionen verhaftet. Luzern als neue Heimat

Die weitverzweigte Familie Gökhans führ­ te den suchenden jungen Mann in die Schweiz nach Kreuzlingen, direkt zu einem Cousin mütterlicherseits. In der Schweiz stellte er ein Asylgesuch und landete in ei­ nem Auffangheim in Stans. Im Unterschied zu heute durften die Asylanten damals ei­ ner Arbeit nachgehen. Gökhan ging hoch hinaus, arbeitete auf über 1900 Metern über Meer im Stanser­ horn-Restaurant. Als Tellerwäscher. Da­ nach folgten mehrere Anstellungen als ­Eisenleger, Kebabverkäufer, Kellner, Gärt­ ner und gar Kranführer – ein vielseitig be­

gabter Mann. Durch die Heirat mit einer Kurdin lebte er zwischenzeitlich in Win­ terthur, fand aber bald darauf den Weg zu­ rück in die Zentralschweiz und arbeitete von 2008 bis 2014 als Werkarbeiter in der inzwischen ins Ausland verlagerten Schlauchfabrik Boa AG in Rothenburg. In Luzern fand der «Nomade» eine neue Heimat und verbesserte zusehends seine Deutschkenntnisse. Ab 2012 belegte er gar vier Semester als Maschinenbaustudent an der Hochschule für Technik & Architektur in Horw und absolvierte nebenbei einen Deutschkurs. Auch in dieser Hinsicht be­ wies Gökhan viel Mut. Inzwischen Vater einer Tochter, war für Gökhan die Doppelbelastung als Student und Werkarbeiter bei der Boa nicht mehr tragbar. 2015 übernahm Gökhan einen be­ reits bestehenden Kebabladen in Kriens. Als erster Kebab-Gastronom in der Zen­ tralschweiz bot er fortan Schnitzel, Spiesse,

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Burger und Kebab in Bioqualität an. Damit hatte er seine Berufung gefunden. Am 1. August 2016 eröffnete der Jung­ unternehmer sein eigenes Restaurant Ma­ de in Sud an der Obergrundstrasse in Lu­ zern. Von seiner ehemaligen Dozentin an der Hochschule für Technik & Architektur erhielt Gökhan 20 000 Franken als Kredit, mit der Vorgabe, diesen erst dann zurück­ zuzahlen, wenn er es tun könnte. Das ist für Gökhan Ehrensache und längst geschehen. Gemäss dem Online-Be­ wertungsportal Tripadvisor mischt das Restaurant ganz oben mit. Geführt von ei­ nem Gökhan, der eine entwaffnende und ehrliche Herzlichkeit im Umgang mit sei­ nen Gästen pflegt. Und an die Verhand­ lungsfront geht, wenn es sich aufdrängt. Er, der Mann, der anpackt, wenn ange­ packt werden muss.


THINK TANK

WIR HÄTTEN NOCH EIN PAAR IDEEN Seit einigen Monaten ist der Think Tank nicht bloss eine Überschrift eines Magazinkapitels. Es gibt ihn. In wechselnder Besetzung. Hier die ersten Ideen in dieser seltsamen Zeit. VON STADTSICHT

V

ier Personen an einem Tisch. Nicht mehr als fünf Personen bei zufälligen Treffen in der Öffentlichkeit. Nicht mehr als fünfzig oder gar nur dreissig Zuschauende an Fuss­ ballspielen. Kinobesuch nur durchgängig mit Maske. Und so weiter und so fort. Das ist die kleine soziale Horrorshow zum Jahresabschluss. Man könnte nun den Laden dichtmachen, den Kopf in den Sand stecken und erst wieder herausziehen, wenn die Impfung vorbei ist. Wollen wir alle nicht. In der letzten STADTSICHT haben wir einige Beispiele von Luzernerinnen und Luzernern nacherzählt, die ihr Leben und vor allem ihr Geschäft ungebrochen weiterfüh­ ren. Unter erschwerten Bedingungen, aber mit neuen Ideen, die aus dem Reich des Unkonventionellen stammen. Der Think Tank hat einige weitere Vorschläge, die – wie wir finden – doch überprüfenswert wären. Hier sind sie:

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Wer ein ganzes Stadion mit theoretisch 17 069 Sitzplätzen

­ utaten. Fettarm. Wir kennen kaum jemanden, der das Z anbietet, und wissen, dass im urbanen Gebiet die Hipster ­genau so leben: korrekt und umweltbewusst. → Apropos umweltbewusst: Weil sich doch noch einige für den Klimakampf fit machen sollten (er kommt auch trotz Corona), würden mit den Essen und Getränken auch gleich Lehrmaterialien mitgeliefert. Anleitungen zum Urban ­Gardening. Zum Selberbacken, Restenverwerten, Verhin­ dern von Foodwaste und anderes mehr. Digital ausgelöst bei Auslieferung. Mit Loyalitätsprogramm. → Gut würde auch das Störkochen gehen: Den Gault-MillauKoch oder die -Köchin bestellen, mitkochen, vorher ­v ielleicht zusammen einkaufen gehen. Alles gefilmt für die Nachwelt, Mitwelt und für einen selber. Wiederum mit ­v ielen Online-Tipps und Links versehen. Auch hier, zur Schaffung von Kundenloyalität. Würde etwas kosten, aber es würde gekauft. → M it Bewilligung auf der Strasse Suppenküche anbieten. Oder in leerstehenden Erdgeschossen Pop-up-Stores aufmachen. → Falls Restaurant kombiniert mit Hotel: In den Zimmern der kleinen Gemeinschaft gross auftischen. Dazu Vorträge, zum Beispiel über Luxus, und Uhrendirektverkauf. Oder Weine. Oder anderes mehr.

und 900 VIP-Plätzen zur Verfügung hat, der sollte es nutzen. Auch ausserhalb der Corona-Saison werden pro Spielzeit lediglich 18 Partien aufgeführt. Einige Konzerte und sonstige Events lassen erahnen, dass es mit der Auslastung nicht zum Besten steht. Nun denn, gehen wir es an. Was könnte der FC Luzern als Schirmherr in der Swisspor­ arena auf der Allmend ausrichten? Zum Beispiel das:

→ I m Frühling 2021 finden trotz Corona Generalversammlun­ gen statt. Mehrere Hundert bis mehr als 2000 Menschen (Luzerner Kantonalbank) finden je nach Unternehmen in Normalzeiten zusammen. Jetzt dürften sie nicht, wahr­ scheinlich bis tief ins 2021 nicht. Ausser sie halten gehörig Abstand. Warum also soll man nicht die LuKB-Generalver­ sammlung als Zeichen des Widerstands und des Willens, nicht alles in den virtuellen Raum entschwinden zu lassen, im Stadion durchführen? Auf dem Rasen wäre Platz für die einmalige Show mit quadratischer Anordnung und grossen Screens, auf den Tribünen sässen die Damen und Herren Aktionäre in gebührendem Abstand. Geht nicht, weil der Zugang, Einlass und das Danach zu Menschenansammlun­ gen führen könnte? Ach was. Der FC Luzern hat bereits Anfang Oktober unter strengen Auflagen bewiesen, wie ein Sicherheitskonzept funktioniert und man viele Menschen sicher ins und aus dem Stadion bringt. Probieren. → Bootcamps, Sportkurse, Tanz, Yoga-Event – das Stadion mit den garantierten Abständen ist wie gemacht als Ausweichort für alles, wo es zu eng ist. → A m kommenden 4. Dezember will das Luzerner Theater in der Swissporarena das legendäre Barragespiel vom 13. Juni 2009 nachstellen, in dem Luzern gegen Lugano gleich mit 5:0 (wir sagen nur: zweifacher Torschütze João Paiva) Treffern siegte. Vielleicht wird es etwas, vielleicht nicht. Man weiss es heute zum Zeitpunkt der Drucklegung dieses Magazins noch nicht. Doch im Frühling wäre das vor ein paar tausend Zuschauenden nachzuholen. Warum nicht noch andere legendäre Matches aufleben lassen, mit grosser Show? Mit allem Drum und Dran, digitalen Bratwürsten und Tickets und vielem mehr? Was wir gerne wiedersehen wür­ den: Das 4:1 gegen Basel von 1993 mit dem heute noch gelten­ den Zuschauerrekord von 26 100 Fans, der diesmal natürlich analog und digital gemischt übertroffen werden müsste. Oder den höchsten Heimsieg am 30. April 2015 mit einem 6:2 über den FC St. Gallen. Oder den 10. Juni 1989, als mit ­einem 1:0-Sieg über den FC Servette-Genf im vorletzten ­Saisonspiel die bisher einzige Meisterschaft festgemacht werden konnte. Hansi Burri würde nochmals mit der Pokal­ nachbildung über den Platz rennen. Grosses Theater.

Hotels leiden bekanntlich besonders unter der Absenz der normalen Kundschaft (minus siebzig Prozent Belegung zum Vorjahr sind schon als Erfolg zu verbuchen). Wie soll das gehen? Was könnte man mit den freien Räumen anstellen?

→ Kurse jeglicher Art mit bis zu vier Personen, online bedient, in einem Zimmer. → Auszeiten schaffen mit Literatur-, Film-, Musik-Anleitung durch Profis, live oder virtuell. → C oiffeurstudio für Einzelkunden (bereits erprobt, funktioniert). → Tattoo- oder Kosmetikstudio (siehe Coiffeur), Massagestunde, weiteres. → Tagesmieten mit Digitalkursen, eine Person pro Zimmer, verbunden mit dem Netz, geführt von der Lobby aus (vorzugsweise für Seniorinnen und Senioren angeboten). Verbunden mit Wettbewerben in Geschicklichkeit und Lunch oder Dinner aufs Zimmer. → K riminaltheater mit Auflösungswettbewerb, in einzelnen Zimmern, aufgeteilt. → Zimmer als Proberäume für Bands, Musikerinnen, Musiker.

Man könnte die Liste weiterführen. Wir werden das tun und ­kostenlos Ideen weitergeben. Im Sinne der Nachbarschaftshilfe im urbanen Raum. Haben Sie Ideen und möchten in unserem Think Tank mit­ tun – wir werden die Vorschläge gerne veröffentlichen, natürlich auch online: Gerne jederzeit an info@bamedia.ch

Falls Restaurants weiterhin nur wenige Gäste einlassen dürfen und die Besetzung auf ein kommerziell unerträgliches Mass herunterschrauben müssen:

→ Heimlieferdienste sind sicherlich Zukunft. Vegan, ­vegetarisch sowieso. Aber auch betont mit regionalen

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KULTURTIPPS

MACHEN WIR NOCHMAL THEATER Das Luzerner Theater trotzt den Schwierigkeiten.

TIPP 1

TIPP 2

TIPP 3

KINDERMUSIKTHEATER SCHELLEN-URSLI GLÖCKELT

SCHAUSPIEL HAPPY END AUF DER ALLMEND

TANZ ALICE IN ASIA

Diese Geschichte trifft direkt ins Herz, und das seit 75 Jahren. So lange ist es her, seit Selina Chönz und der unvergessene Alois Carigiet den Schellen-Ursli erstmals aus dem Engadin in die Kinderstuben des Unterlands ­haben tanzen lassen. Ursli hat nur ein Glöckchen, alle anderen eine Glocke, und damit wollen die Kinder beim Chalandamarz den Winter aus dem Dorf vertreiben. Nur, wie soll das mit diesem Glöckchen gehen? Ursli hat einen Plan – und er findet einen Weg. Die Opernsparte tut sich mit den Puppenspielerinnen von Gustavs Schwestern zusammen und gibt mit ihnen und Studierenden des ­Studiengangs Musik, der Institute Klassischer Gesang sowie Volksmusik und Jazz der Hochschule Luzern diese immer aktuelle Erzählung über Selbstbestimmung, Schmerz, Hadern, Ausbruch und pure Freude. Als ob ­jemand von heute berichten würde.

Die zwei grössten Spektakelmacher in dieser Stadt? Das Luzerner Theater und der FC Luzern. Sie haben mehr gemein, als man annehmen würde. Ein perfektes Fussballspiel funktioniert nach den klassischen Regeln des Dramas, retardierendes Moment inklusive, bevor alles sich zum Guten wendet oder die denkbar schlechteste Wendung nimmt. Wie im Leben halt oder wie im Theater. Logisch, dass die beiden endlich zusammenfinden. An einem einzigen Abend spielt es das legendäre Match von 2009 gegen den Abstieg nach. Jeder, der den FCL in seinem Herzen trägt, kennt die Geschichte. 5:0, Begeisterung, Lugano ist besiegt, das Drama ab­ gewendet. Der Schweizer Künstler Massimo Furlan und Schauspieler André Willmund bringen das Event in die Swissporarena. Nur ein Goalie, ein Stürmer, ein Ball. Oléoléolé.

Inspiriert von Lewis Carrolls Klassiker «Alice in ­Wonderland» geht es an diesem Abend in die Abgründe des eigenen Wunderlands. Po-Cheng Tsai treibt den Tanz voran, Videoprojektionen und schwarz-weisse ­Tuschezeichnungen geben die dichte Atmosphäre. In Tanz 35 bringt Kathleen McNurneys Truppe Spitzenleistung auf die Bretter und lässt sich in asiatische ­Traditionen entführen, ohne den zeitgenössischen, westlichen Tanz zu verraten. Die Haut-Couture-­ Kostüme des Choreografen geben zusammen mit der Musik des Filmkomponisten Rockid Li ein facetten­ reiches Ästhetik- und Klangbild, das man nicht so schnell vergisst. «Tanz Luzerner Theater» tanzt die ­Premiere zusammen mit zwei Tänzerinnen und einem Tänzer aus Po-Cheng Tsais taiwanesischer Kompanie «B.DANCE».

Spieldaten: 2.12. (Premiere)

Spieldaten: 4.12. (Premiere in der Swissporarena)

Spieldaten: 16.1. (Premiere)

5., 6., 8., 9., 13., 16., 19., 23. Dez.

21., 24., 29., 31. Jan. / 6., 20., 28. Feb. / 6., 14., 19., 27. März / 10., 23. April

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THINK FURTHER

LONDON MACHT ES VOR – BLICKEN WIR AUF KING’S CROSS Luzern ist nicht London. Klar. Doch lohnt sich ein Blick in die britische Metropole, wenn es darum geht, über unser «Jahrhundertprojekt Durchgangsbahnhof» nachzudenken. Der Londoner Stadtteil King’s Cross ist derzeit eines der grössten städtebaulichen Projekte Grossbritanniens. Ein inspirierender Blick über den eigenen Tellerrand. VON ANGEL GONZALO UND KAISA RUORANEN

D

ie Planung des Durchgangsbahn­ hofs Luzern ist im Gange. Das ent­ sprechende Vorprojekt wird bis En­ de 2022 vorliegen. 2040 soll der 2,4 Milliarden Franken teure Durchgangs­ bahnhof in Betrieb gehen. Bereits jetzt be­ ginnt – zumindest gedanklich – der Bau der Stadt unserer Kinder und Enkel. Das ist

auch eine Chance, denn es geht darum, Zu­ kunftsszenarien für die Gleisflächen zu entwerfen, die wegen des Durchgangs­ bahnhofs frei werden. Es geht immerhin um acht Hektaren (knapp 16 Fussballfel­ der) Fläche, die neu genutzt werden kann. In der Stadt werden bald alle darüber nach­ denken und Entwürfe skizzieren können.

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Etwa drei Mal grösser ist die bespielte Fläche rund um die King’s Cross Central Station (27 Hektaren), ein kultiger und ge­ schichtsträchtiger Ort Londons. Dort ent­ steht derzeit eines der weltweit span­ nendsten städtebaulichen Projekte. Ein Blick darauf lohnt sich – aus verschiedenen Gründen.


THINK FURTHER

Kohle, Kartoffeln und Getreide

Der Londoner Stadtteil King's Cross wird von seinem Bahnhof geprägt, einem Mikrokosmos, in dem sich Geschäftsreisende mit Rollkoffern auf dem Weg zum Eurostar mit Horden von Harry-Potter-Fans vermi­ schen. Hier trifft man in den Farben von «Gryffindor» gekleidete Kinder, die sich auf dem «Bahnsteig 9¾» fotografieren lassen. Der lange Zeit grösste Bahnhof Grossbritan­ niens ist ein veritabler Star und kommt in mehreren Filmen und Büchern vor. Das grosszügig angelegte Bahnhofsund Güterareal war einer der wichtigsten Handelsknoten, nachdem der Warentrans­ port zu Beginn des 19. Jahrhunderts den Weg vom Schiff auf die Schiene fand. Ne­ ben Kohle wurden in den speziell dafür konstruierten Güteranlagen entlang des Kanals Kartoffeln und Getreide gelagert, bevor die Ware weiter durchs Land reiste. Hunderte von Pferden, die auf ihre Einsät­

ze warteten, waren dort untergebracht. Platz gab es sogar für eine «hauseigene» Pferdeklinik. In diesen Jahren des Auf­ bruchs wurde auch «The Metropolitan Railway», die erste unterirdische Bahn der Welt, fertiggestellt. Gebaut im sogenann­ ten «cut and cover»-Verfahren, einem Tun­ nelsystem, das offen von oben her gebaut wurde – in einem gewissen Sinne ähnlich, wie sich die Arbeiten am Durchgangs­ bahnhof in Luzern dereinst gestalten werden. Vom Güterbahnhof zum Kultquartier

Mitte des 19. Jahrhunderts wurden in die­ ser Gegend tonnenweise Kohle entladen, die mit dem Zug aus Nordengland ankam und in Fuhrwerken zur Versorgung Lon­ dons verteilt wurde. Mehr als ein Jahrhun­ dert später, in den Neunzigerjahren, er­ wachten diese stillgelegten viktoriani­ schen Lagerhäuser und wurden zur Bühne für epische – und in der Regel illegale – Ra­

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ves und zum Mittelpunkt des Londoner Clubbings. Mit so ikonenhaften und inzwi­ schen geschlossenen Locations wie «The Cross», «The Key» oder «Bagley's», dort, wo Prince 1993 die Afterparty seiner Act-IITournee veranstaltete und die Rolling Stones oder Madonna Videoclips drehten. In dieser Zeit war das Gebiet um King's Cross für sein Nachtleben bekannt und bil­ dete so etwas wie eine Drehscheibe und Bühne für Künstler und kreative Organisa­ tionen jeglicher Couleur. Zunehmende Probleme mit Kriminalität, Arbeitslosig­ keit und Drogen untergruben das Renom­ mee der Gegend, die in der Folge mehrere Jahre in einen Dauerschlaf versank. Mit dem Wechsel ins 21. Jahrhundert schlug King’s Cross jedoch ein neues Kapitel in sei­ ner Geschichte auf. Die gelungene Renaissance

Der typisch viktorianische Backstein bil­


THINK FURTHER

Wer sich heute in die Umgebung des einst gefährlichen, verrufenen Terrains begibt, stösst auf eines der jüngsten, vor Leben pulsierenden Wahrzeichen Londons.

det die Kulisse für die hier stattfindende Londoner Designausstellung. Insbesonde­ re die alten Industriegebäude im King'sCross-Station-Viertel, das als Londons neues Silicon Valley bezeichnet wird und ein modernes Facelifting erhalten hat. Fa­ cebook und Youtube sind bereits eingezo­ gen. Es wird erwartet, dass Google bald fol­ gen wird. In der Siedlung befindet sich heute be­ reits eine Universität, eine neue öffentliche Bibliothek, ein Kindergarten und zwei Grundschulen. Geplant sind rund 1900 Wohnungen, wovon ein grosser Teil «affor­ dable», also bezahlbar, sein wird. Das Ge­ samtkonzept sieht eine enge Zusammen­ arbeit mit Freiwilligen-Organisationen vor und forciert attraktive Freizeit- und Sportmöglichkeiten. Einen grossen Anteil an der Metamorphose dieses einst berüch­ tigten Viertels trägt Coal Drops Yard, das Kultur-, Freizeit- und Kunstzentrum auf

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einer Fläche, die vor vielen Jahren als Koh­ lelager gedient hatte – daher der Name. Nun ist es in einen vor Leben strotzenden, multidisziplinären Raum mit zahlreichen Geschäften, Restaurants und Kunsträu­ men mutiert. Kunst, Kommerz und Kultur

Das Einkaufszentrum Coal Drops Yard, das im Oktober 2018 an diesem geschichts­ trächtigen Ort eröffnet wurde, gilt als ei­ nes der grössten Stadterneuerungsprojek­ te des Landes. Wer sich heute in die Umge­ bung des altehrwürdigen Bahnhofsareals begibt, stösst auf eines der jüngsten Wahr­ zeichen dieser Stadt. Eine sorgfältige, vom international re­ nommierten Architekten Thomas Hea­ therwick (Schöpfer des futuristisch anmu­ tenden Google-Campus in Kalifornien oder des brandneuen Vessel Viewpoints in den New Yorker Hudson Yards) entworfene


THINK FURTHER

Restaurierung verbindet die beiden Back­ stein- und Gusseisengebäude mit ihren schiefergedeckten Wellblechdächern und macht den Komplex zu Londons neuem Einkaufsziel. Seine Bögen beherbergen rund fünfzig Geschäfte von aufstreben­ den, originellen Kreativen. Hier findet man Nischenkosmetik, handgemachte Kerzen oder massgefertigte Gläser, aber auch renommierte Möbelstudios und Lu­ xusbrands wie Paul Smith. Es ist als Treff­ punkt konzipiert, an dem die Besucherin­ nen und Besucher, ob sie kaufen oder nicht, an einem Blumenarrangement-Workshop teilnehmen, eine Fotoausstellung besu­ chen, ihre eigene Lampe in Tom Dixons Atelier herstellen oder – wieso nicht – die herrlichen Tacos von Casa Pastor oder die Küche der Starköchin Pip Lacey aus Hicce (im Concept Store Hicce × Wolf & Badger ) ausprobieren können.

In der lebhaften N1C (die neue Postleit­ zahl des Gebietes) gibt es viel zu sehen und zu tun. Das Kings's-Cross-Besucherzent­ rum bietet Führungen an, die erklären, wie sich dieses ehemalige Elendsviertel mit zweifelhaftem Ruf komplett verwan­ delt hat. Das Herzstück des Erneuerungsprojekts ist der Granary Square, der Platz, der seit 2011 Sitz der renommierten Modeschule

Der Designer Thomas Heatherwick hat das ikonische Coal Drop Yards geplant. Eine betörende Symbiose aus Geschichte und Moderne. Wäre das ein Weg für Luzern in seinem Zentrum?

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Central Saint Martins ist. Seine Hauptat­ traktion sind die farbenfrohen Fontänen: 1080 choreographierte Düsen, die sich an heissen Tagen in ein improvisiertes städti­ sches Schwimmbad verwandeln, das jeder mit seinem Mobiltelefon zwischen vier und fünf Uhr nachmittags über die spezielle An­ wendung Granary Squirt steuern kann. Nach dem Eintauchen in die Springbrunnen ist ein Spaziergang entlang des Regent's Ca­ nal ein Muss, bei dem es neben der Besichti­ gung der farbenfrohen Lastkähne, von de­ nen einige zu Häusern umgebaut wurden, zwei wesentliche Stationen gibt: die schwimmende Buchhandlung Word on the Water, ein Boot aus den Zwanzigerjahren mit neuen und gebrauchten Büchern sowie Jazz- und Gedichtvorträgen. Und nicht zu vergessen das London Canal Museum, das die Geschichte der Wasserwege der Stadt anschaulich erklärt.


Zu den Grünflächen von King's Cross gehört der Gasholder Park, eine kreisför­ mige Rasenfläche, die von der Struktur ei­ nes alten viktorianischen Gasometers und einer hypnotisierenden Spiegelinstallation umgeben ist. Oder der ruhige Lewis Cubitt Park, an dessen Spitze sich der Skip Garden befindet. In diesem Gemeinschaftsgarten werden Obst und Gemüse angebaut sowie Töpfer-Workshops oder Yogakurse ange­ boten. Und voraussichtlich bis Ende 2020 wird der Camley Street Nature Park, ein städtisches Naturschutzgebiet, mit seinem schwimmenden Aussichtspunkt wieder­ eröffnet. Mit einer Handvoll von Ständen und Es­ senswagen, ist der Streetfood-Markt KERB ein Paradies für Strassenverpflegung. Von Freitag bis Sonntag übernimmt der nahe gelegene überdachte Canopy Market mit seinen Austernständen, grillierten Käse­ sandwiches oder Craftbeer und seinen Ständen mit Kunsthandwerk oder Vinta­ ge-Schmuck. Gleich nebenan befindet sich das House of Illustration, ein Museum für

Illustration und Grafik, das 2014 vom le­ gendären britischen Künstler Quentin Bla­ ke gegründet wurde. Eine gespenstische Esche

KING’S CROSS IN ZAHLEN 27 Hektaren 50 neue Gebäude 1900 neue Wohnungen 20 neue Strassen 10 neue öffentliche Parks und Plätze 10,5 Hektaren Freifläche 42 000 Einwohner ab 2022 5 der wichtigen neuen Plätze – Granary Square, Station Square, Pancras Square, Cubitt Square und North Square – sind zusammen 3,2 Hektaren gross Coal Drops Yard ist ein 100-MillionenPfund-Projekt und 13 500 Quadratmeter gross

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Ein Rundgang durch dieses pulsierende Stadtgebiet darf die Alte Kirche St. Pancras nicht auslassen, deren Besuch sich nicht nur wegen der Kirche mittelalterlichen Ur­ sprungs lohnt, sondern vor allem wegen ihres Friedhofsgartens. Hier erhebt sich der unglaubliche Hardy Tree, eine ge­ spenstisch aussehende Esche, deren Wur­ zeln vollständig mit Grabsteinen bedeckt sind. Sie wurden in den 1860-Jahren von Thomas Hardy, der vor seiner Tätigkeit als Schriftsteller Architekt war, platziert, als die Konstruktion der Eisenbahn die Ver­ legung eines Teils der Gräber auf dem Friedhof erzwang. Das ist ein weiterer Beweis dafür, wenn es denn eines weite­ ren bedürfte, dass die Geister der Vergan­ genheit der ganz besonderen Atmosphäre dieses Viertels immer noch Charakter verleihen.


KREATIV

HAT DER LÖWE PRIVILEGIEN?

WILLKOMMEN ZUR ERFORSCHUNG Was ist das Löwendenkmal in Luzern? Ein Idyll, eine ferne Erinnerung, eine Sehenswürdigkeit? Oder etwa mehr? Zum 200-Jahr-Jubiläum des Denkmals hat sich das «Löwendenkmal 21»-Projekt dieser Fragen angenommen. Die Antworten aus der Kunst sind spannend und wecken Widerspruch. So auch die neueste Intervention von Jeanne Jacob und Mirjam Ayla Zürcher. TEXT UND BILDER ANGEL GONZALO

S

ie trafen sich mit 19 Jahren als Maturandinnen zum ersten Mal in Biel. Heute bilden sie für ausgewählte Projekte ein «Kunst-Duo»: Jeanne Jacob und Mirjam Ayla Zürcher ticken zwar ganz unterschiedlich, in grundsätzlichen Fragen denken sie aber in ähnlichen Mustern. Nur: wie? Und was hat das alles mit dem sterbenden Löwen in Luzern zu tun? Um das herauszufinden, sehen wir uns im QuartierInfo Mett, einem Treffpunkt zum Basteln, Werken, Gärtnern, Spielen, Zu­ sammensein und für ein lebendiges Quartier. Die Institution ist in einer alten Fabrik in der Bieler Peripherie untergebracht und un­ terstützt generationenübergreifende und multikulturelle Projek­ te. Hier ist das Atelier von Jeanne Jacob (*1994) untergebracht – ein geradezu ideales Habitat für die junge Bieler Künstlerin. Aus Bern ist die gleichaltrige Mirjam Ayla Zürcher angereist, leicht verspä­ tet, weil sie an der falschen Bushaltestelle ausgestiegen ist. Beide kennen sich aus dem gestalterischen Vorkurs in Biel und dem ge­ meinsamen Studium an der Hochschule Luzern – Design & Kunst. Zwei verwandte Seelen in gewissem Sinne, was nur schon daraus zu deuten ist, dass sie seit 2017 mehrere Kunstprojekte gemeinsam entworfen und realisiert haben. Das letzte für das Mehrjahrespro­ jekt «Löwendenkmal 21». Dazu später mehr.

Weit gefasster Feminismus

Jeanne und Mirjam bezeichnen sich selber als Queer-Feministin­ nen. Der Queer-Feminismus ist eine seit den Neunzigerjahren

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aufkommende Variante, die – im Gegensatz zur Frauenbewegung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts – nicht nur die Frauen, son­ dern alle, die nicht einer heteronormativen und cisgeschlechtli­ chen (binären) Norm entsprechen, in den Fokus ihrer Betrachtun­ gen stellt. Für Mirjam und Jeanne geht die Diskussion viel weiter, als bloss für die Rechte der Frauen in einem patriarchalen System einzustehen: «Uns geht es um alle Formen der Diskriminierung. Wir betrachten die Welt mit kritischen Augen.» Mirjam fragt sich ausserdem, wie stark uns das «Weiss-Sein» prägt und erläutert die Theorie der Critical Whiteness. Diese Theorie untersucht, wie die weisse Identität die verschiedenen sozialen, politischen, wirt­ schaftlichen und kulturellen Identitäten im Leben eines Men­ schen beeinflusst. Beide Künstlerinnen arbeiten engagiert. Die Auseinanderset­ zung mit ihrer Identität spielt in ihrer Arbeit eine wichtige Rolle. Mirjam beschreibt diese Einstellung so: «Meine persönlichen Er­ fahrungen sind dann kollektiv, wenn diese auf etwas Strukturelles deuten. Ich schreibe zwar aus meiner Perspektive, bin aber stark beeinflusst von der Umwelt. Ich beobachte, horche auf, nehme Partei, empöre mich bisweilen.» Mirjam ist die ruhigere des Künstlerinnen-Duos. Sie liebt Spra­ che, nutzt Wörter als Instrumente für ihre Ausdrucksform. Sie wollte als Kind Autorin werden, vielleicht Schauspielerin. Ihre Texte sind geschrieben, um darüber nachzudenken. Keine leichte Kost. Sie kann stundenlang in ihre Texte eintauchen, wägt Wort


KREATIV

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für Wort ab – streicht, ergänzt, versetzt ganze Textpassagen. Spra­ che sei ihr «bevorzugtes Material». Jeanne ist temperamentvoller. Sie taucht ein in ihre Bilder, ver­ flucht diese gar, wenn sie nicht weiterkommt. Setzt dann das Ma­ len fort oder gibt es gänzlich auf und beginnt von Neuem. Beim Malen agiert Jeanne aus dem Bauch, intuitiv, bei den Performances mit dem Kopf, geplant und vorbereitet. Vielfältige Ausdrucksformen

Kunst kommt von Können: Jeanne hat eine solide, handwerkliche Basis, Mirjam verfügt über ein breites technisches Know-how im multimedialen Bereich. An der Hochschule in Luzern haben sie das künstlerische Denken gelernt. Ihr Kunstverständnis und künstle­ risches Schaffen sind vielseitig. Jeannes Werk umfasst Malerei, Zeichnungen und Performances, Mirjams Kurztexte, die in Radio­ blogs, Lectureperformances oder Videos verarbeitet werden. Beide stammen aus Familien, denen Politik nicht egal war. Mir­ jams Vater ist protestantischer Pfarrer. Als Teenager war sie ausge­ sprochen idealistisch, hat die Ungerechtigkeit auf dieser Welt an­ geprangert. Sie fühlte so etwas wie Weltschmerz, diese tiefe Trau­ rigkeit über die Unzulänglichkeit der Welt. Solche Gefühle hegt sie heute noch, so wie Jeanne, die mit ihrem Vater «einen sehr interes­ santen Austausch» pflegt. Die beiden Künstlerinnen haben mit der Performance «Eindrü­ cke» gemeinsam ein Vaterprojekt inszeniert: Sie sitzen am Tisch, kneten Tonstücke und formen «Eindrücke». Sie führen ein Ge­ spräch über das Verhältnis ihrer Väter zur Kunst im Allgemeinen und zu ihrer Auffassung von Kunst im Besonderen. Jeanne: «Der Dialog erzeugt Eindrücke, die wir als Tonklumpen darstellen und in die Mitte des Tisches legen. Was am Ende von unserem Gespräch übrig bleibt, sind die Eindrücke.»

Jeanne Jacob Geboren 1994 in Neuenburg, lebt und arbeitet in Biel. Nach dem Vorkurs an der Kunstgewerbeschule in Biel (2014) hat sie den Bachelor of Fine Arts an der Hochschule Luzern – Design & Kunst absolviert. Ihre Diplomarbeit (2019) wurde mit dem Förderpreis der Zeugindesign-Stiftung ausgezeichnet. 2019 zeigte sie in Zusammenarbeit mit Jenny Scherer eine Performance im Migros-Museum Zürich in der Ausstellung «United by AIDS» und nahm an der Cantonale Berne Jura in der Stadtgalerie Bern sowie an der Nef in Le Noirmont teil. 2020 präsentierte sie im Programm Queer Archive in der Breeder Art Gallery in Athen ihre erste Soloausstellung mit dem Titel «Looking for Love». Ihr künstlerisches Schaffen umfasst hauptsächlich Malerei, Performances und Zeichnung. jeannejacob.com

Nachdenken über Denkmäler

Die Soldaten ziehen in den Krieg, die Frauen bleiben bei den Kin­ dern. Diese Sicht steht am Anfang des Engagements der beiden Künstlerinnen für das Mehrjahresprojekt «Löwendenkmal 21». Sie wurden letzten Winter angefragt, am Projekt teilzunehmen. Da­ nach hatten sie ein halbes Jahr Zeit, ihre Arbeit fertigzustellen. Jeanne und Mirjam gingen vom Ansatz aus, dass Denkmäler im öffentlichen Raum eine symbolische Funktion einnehmen. Denk­ mäler repräsentieren, wer beziehungsweise was für eine Gesell­ schaft von Bedeutung ist oder war. Sie sind ein Abbild herrschen­ der Machtstrukturen einer Gesellschaft in einer bestimmten Zeit. «J’ai des privilèges, donc je peux» heisst das gemeinsame Werk der jungen Künstlerinnen, in ironischer Anlehnung an Descartes’ unumstössliche Wahrheit «Je pense, donc je suis». Sie stellen Denk­ mäler dar als «Erinnerungsordnungen einer kapitalistischen, pa­ triarchalen und rassistischen Gesellschaft, die in der Geschichts­ schreibung von und für alte, weisse Männer betrieben wurde». Ihre multimediale Installation besteht aus vier Teilen: Das Vi­ deo «FAQ» stellt Fragen über Privilegien, das Video «Grrrraaaaooo­ oww» zeigt ein deformiertes Löwendenkmal. Das «Ongoing Mani­

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KREATIV festo» plädiert in poppiger Info-Panel-Ästhetik für mehr Solidari­ tät und Verletzlichkeit. Schliesslich setzt sich die «Selbstdeklara­ tion, Versuch 1» mit strukturellen Zusammenhängen zwischen in­ dividueller Laufbahn, Identität und kollektiven Determinismen auseinander. Insgesamt ein reifes Gesamtkunstwerk, das in kriti­ scher und reflektierter Weise das Phänomen Privilegien entlarvt. Darin geht es für die beiden Künstlerinnen auch um die Wider­ sprüche des Lebens. Radikal offen

Jeanne und Mirjam haben unterschiedliche Charaktere, doch oft die gleichen Ideen. Sie sind mittlerweile gute Freundinnen gewor­ den, telefonieren regelmässig einmal pro Woche. So haben sie ihr eigenes Care-System aufgebaut. Beide geben aber zu, unterschied­ liche Tempi zu haben, wenn sie gemeinsame Projekte konzipieren. Jeanne zum Meinungsbildungsprozess: «Wir streiten gut mitein­ ander, wägen ab, verhandeln. Wir kennen unsere Stärken und Schwächen. Bei Meinungsverschiedenheiten stimmen wir aber nicht ab.» «Wie denn auch», interveniert Mirjam, «zu zweit? Ha­ ha …». Der Generation Y zugehörig, sehen sie die Selbstbestimmung als Triebfeder menschlichen Tuns. Es ist jene Generation, die sich zunehmend Fragen stellt nach Sinnhaftigkeit und Werthaltung und für die eine Konsensbildung in basisdemokratischen Kollekti­ ven wichtig ist. Verantwortung, Vertrauen, Gerechtigkeit. Solche Themen be­ schäftigen und begleiten sie ständig. Für beide bedeutet mehr Macht automatisch mehr Verantwortung. Queer Feminismus sei nicht ein Frauenthema – es sei ein Thema für alle. Den einfachen Weg gehen, das sei irgendwie menschlich, denken beide: «Wir ha­ ben aber die Lust, uns mit anderen zu verbinden, nehmen aktiv an Aktionen teil. Wir praktizieren radikale Softness.» Beide Künstlerinnen nutzen in ihrem Ausdruck die beiden Konzepte Plakativität und Subtilität. Sie arbeiten tief- und mehr­ schichtig. Sehen sich als radikal offen. In gewissem Sinne haben sie auch etwas Disruptives an sich, stehen dem gesellschaftlichen Wandel positiv gegenüber. Jeanne seufzt tief: Sie möchte manchmal auch nur schöne Kunst machen. Rein aufs Ästhetische zielende Kunst. Kunst, um der Schönheit willen. Für sie ist politische Arbeit sicher spannend, ja gar notwendig, aber auch anstrengender. Den zwei Kreativen geht es vor allem um Authentizität. Auch um soziales und politisches Engagement mit den Waffen der Kunst. Jeanne zitiert einen Satz der französischen Schriftstellerin und Filmemacherin Virginie Despentes, deren Werke für Skandal und literarisches Bewusstsein stehen, aber auch für eine poetisch verpackte und doch ungeschminkte Brutalität: «Rien ne me sépare de la merde qui m'entoure» (Nichts trennt mich von der Scheisse, die mich umgibt). Neulich, in einem engagierten Auftritt während eines Seminars im Centre Georges Pompidou in Paris, hat die radi­ kale Autorin zahlreiche Widersprüche unserer Existenz entlarvt. Auch aus derart beherzten Performances holen die beiden Künst­ lerinnen ihre Inspiration.

Mirjam Ayla Zürcher Geboren 1994 in Biel, lebt und arbeitet in Bern. 2019 schloss sie ihr Fine Arts Studium an der Hochschule Luzern – Design & Kunst ab. 2019 folgte die Teilnahme an der Cantonale Berne Jura 2019 in der Stadtgalerie Bern. Mirjam Ayla Zürcher präsentiert regelmässig ihre Kurztexte als Radioblog im freien Radio RaBe und veröffentlicht sie im Magazin «Megafon».Ihre meist textbasierten Werke setzen sich mit Themen wie Gender, Care-Arbeit und Körper auseinander und finden ihre Form zwischen Audioinstallation, Performance, Radioblog und Video. Mirjam Ayla Zürcher ist Mitglied des Kollektivs des Frauenraums Bern und in anderen queerfeministischen Veranstaltungsgruppen aktiv, wie dem «VOILA*!» und dem queerfeministischen Pornografiefestival «Schamlos!» in Bern. mirjamaylazuercher.ch

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LEBENSLUST? LEBENSLUST! Die Umstände machen es unmöglich, grössere Veranstaltungen durchzuführen. Doch das ist eine Momentaufnahme. Wir lassen uns nicht unterkriegen. Bald sind auch wieder physische Treffen erlaubt, bald feiern wir wieder Partys, ­dinieren zusammen oder halten Versammlungen ab. STADTSICHT begleitet regelmässig Events in Text und Bild. Steht bei Ihnen ein interessanter Anlass bevor, den Sie gerne über die STADTSICHT im urbanen Raum teilen möchten? Dann melden Sie sich unverbindlich bei Manuela Willimann (willimann@bamedia.ch). Wir freuen uns sehr darüber, mit Ihnen zu feiern.

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STS AUFGEDECKT

STADTSICHT DECKT AUF

DAS IST DER DEBATTIERCLUB Die STADTSICHT stellt seit ihrem Start vor vier Jahren gerne Fragen und gibt ebenso gerne Denkanstösse. Seit Kurzem auch in einem Debattierclub. Ein Einblick.

Das politisch neutrale und vor keinen Denkverboten haltmachende Magazin STADTSICHT unterhält seit letztem Jahr einen D ­ ebattierclub: «AUFGEDECKT! STADTSICHT lädt zu Tafel und Thesen» heisst das Format, das – wie der Name es sagt – Diskutieren und Dinieren am selben Abend vereint. Maximal siebzig geladene Personen treffen sich – wenn erlaubt natürlich – in einem privaten Rahmen und tauschen Meinungen und ­Ansichten über ein bestimmtes, vorge­ gebenes Thema aus: Am 22. September ging es im «Café de Ville» in Luzern um die P ­ räsidentschaftswahlen in den USA, die Auswirkungen auf ­China und die bei uns s­ pürbaren Resonanzwellen. Illustre nationale und internationale Gäste

­ rachten f­ undiertes Wissen mit und die b Diskussionen in Fahrt. Damit die Unkosten gedeckt werden ­können und die grosse Runde möglichst gut v ­ ersorgt debattiert, ist jeweils ein ­Eintrittspreis von CHF 200 pro Person zu ­entrichten: Dafür gibt es ein Dreigang­ menü, Gespräche à discrétion und sehr viel gedanklichen Treibstoff. Wir wollen breit anrichten STADTSICHT ist bemüht, ein breites Meinungs­spektrum ­abzu­bilden. Nur durch Widerstand im e ­ igenen Denken kommt man v ­ oran. Wer das hört, was er kennt oder gerne mag, wird selten ­gescheiter.

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Sollten Sie Interesse haben, an einem der unregelmässig und auf Ansage stattfindenden Abende ­teil­zunehmen, und sind Sie bislang von uns nicht ­eingeladen worden, so ­melden Sie sich bitte vertrauens­voll per E-Mail bei affentranger@bamedia.ch. Die nächste Veranstaltung findet nach ­Ablauf der coronabedingten Einschrän­ kungen statt. Wir gehen davon aus, dass dies im März oder April 2021 sein wird. Wir freuen uns auf Sie.


ADVERTORIAL

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FRISCHE BRASSERIE-KÜCHE IM VERKEHRSHAUS DER SCHWEIZ

QR-Code scannen und Willkommens-Gutschein entdecken

Das Restaurant «Piccard» im Luzerner Verkehrshaus ist Geschichte: Im Dezember öffnet dort mit der «Brasserie» ein neues Restaurant seine Türen.

I

m Dezember eröffnet an der Lidostrasse die Brasserie mit 50 Sitzplätzen. Ob für Museumsgäste, Quartierbewohner oder Spazier­ gängerinnen und Spaziergänger, das neue bediente Lokal bietet ganztags eine ehrliche und einfache Küche mit Westschweizer Flair. Auch für Anlässe auf Anmeldung ausserhalb der Öffnungszeitenist die Brasserie bestens geeignet: Von einem Geburtstag über ein Seminar bis hin zum Abendessen. Nachgefragt bei Hans Bühlmann, Leiter Gastronomie des Verkehrshauses: Wie entstand die Idee, eine Brasserie zu eröffnen? Der Begriff «Brasserie» steht für ein nahbares Lokal mit einer einfachen und guten Küche, sprich einer viel­ fältigen Auswahl an Snacks, kalten

und warmen Speisen. Unser Ziel ist es, mit dem neuen Lokal Museumsbesucherinnen und –besucher, aber auch Quartierbewohner und Spaziergänger anzusprechen. Wie sieht das Gastro-Konzept aus? Offen, unkompliziert und einladend: Die Brasserie wird ein Ort zum Verweilen und Geniessen werden für ­alle, die auf dem «Lido-Boulevard» flanieren. Das Lokal besteht aus ­einer Café Bar im Eingangsbereich des Verkehrshauses, dem bedienten Restaurant und der einladenden ­Terrasse zur Seeseite hin. Ob ein Croissant zum Frühstück oder nur schnell einen Kaffee, die Café Bar ist die erste Anlaufstelle am Morgen. Das gemütliche und gepflegte Ambiente des Restaurants lädt ein auf ­eine Pause zwischendurch, zum stärkenden Mittagessen oder zum

Apéro, für einen entspannten ­Ausklang des Tages. Was erwartet die Gäste kulinarisch? Das Angebot der Brasserie ist geradlinig und ehrlich. Unser herzliches Gastronomie-Team verwöhnt die Gäste mit Schweizer Klassikern ­sowie Gerichten mit einer Prise ­«Savoir-vivre». Ob verführerische Pains au Chocolat, Baguette-Sandwiches, knackige Salate, Moules oder Steak et frites, knusprige Flammkuchen und mehr – die Auswahl ist sehr abwechslungsreich. Im kommenden Sommer werden wir auf der Terrasse weitere Leckerbissen wie salzige und süsse Crêpes sowie klassische Glace-Coupes servieren. Mehr Informationen unter www.brasserie-verkehrshaus.ch

Verkehrshaus der Schweiz | Lidostrasse 5 | 6006 Luzern | 041 375 75 75 | 365 Tage im Jahr offen! | 10 – 17 Uhr

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ESSEN IN UND UM LUZERN DA NIELE‘S W EINBA R

EINE OASE FÜRS GEMEINSAME GENIESSEN

Ein Essen mit Freunden ist gut fürs Gemüt. Für Daniele Apruzzese, diesen Vollblutsgastronom, ist dies so klar wie das Amen in der Kirche. Gerade in diesen aufgrund des Coronavirus für uns alle unsicheren und unangenehmen Zeiten sei es besonders wichtig, Freundschaften und ein gewisses Mass an Geselligkeit zu pflegen. Das sei ohnehin wichtig, beteuert Daniele, unabhängig vom Virus. Er versteht zwar, dass viele Menschen zögerlich sind und möglicherweise Angst haben, die eigenen vier Wände zu verlassen und sich mit Freunden und Verwandten zu treffen. Die Verhaltensregeln seien aber für uns alle klar, und wenn man sie befolge, könne man die Risiken auf ein Minimum reduzieren. In seinem Lokal am Kauffmannweg 16 in der Neustadt sind unlängst alle Vorkehrungen getroffen worden, die einen gemütlichen und sicheren Abend ermöglichen. Das wird auch von seinen Gästen geschätzt, die gerne bei ihm einkehren und seine gepflegte Küche geniessen. Daniele ist in den letzten Monaten nicht untätig geblieben und hat ein neues

Angebot ins Leben gerufen: «Ich möchte meinen treuen Gästen die Gelegenheit bieten, die Produkte, die sie bei mir geniessen, online zu bestellen.» Dafür hat er eine eigene Boutique ins Leben gerufen: Unter boutique.danielebar.ch können Weine, Zigarren, Olivenöl, Sugos, Pastas und vieles mehr bequem von zu Hause bestellt werden. Oft sind es eigene Marken, wie z. B. der Prosecco Daniele oder das edle Daniele Olivenöl. Und immer sind es von Daniele auserlesene Produkte. Daniele zelebriert in seinem Lokal italienische Gerichte mit viel Liebe für Originalität. Das Lokal schwört auf eine regionale, volksnahe Küche. So wie man halt in Italien zu Hause isst. Dieses Versprechen löst er mit einer attraktiven Auswahl ein, die oft neue Gerichte präsentiert, aber immer authentisch italienisch bleibt. Es sind allesamt originelle Gerichte, abseits des kulinarischen Mainstreams. Es sind «primi und secondi piatti», die man am besten gemeinsam mit guten Freunden geniesst. boutique.danielebar.ch

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AUSSICHTEN

NASTY QUESTIONS

Infrastruktur negiert und warum werden Wirtschaftsinforma­ tionen aus erster Hand aus China nicht in die Diskussion aufgenommen?

Wer sich auf die Zukunft vorbereiten will, stellt sich jenen heiklen Fragen, denen man in der Regel lieber ausweichen möchte, als sie zu beantworten. Unsere nicht abgeschlossene Liste der Nasty Questions: Falls mal wieder von Heimlieferdiensten per Post und grossen Zunahmen gesprochen wird: Ist es allen Beteiligten inklusive Konsumenten klar, dass die Schweizerische Post auf Transporte von 300 000 bis 400 000 Paketen pro Tag in der Schweiz ausgelegt ist, jetzt aber Nachfrage für gut und gerne 800 000 Pakete besteht? Was heisst das für eine Stadtregion wie Luzern? Ist mit akuter Verstopfungsgefahr durch Kurierdienste zu rechnen? Kann es sein, dass die Mobilitätszahlen zwar im Lockdown dank abnehmendem Individualverkehr gesunken sind, aber der gewerbliche Verkehr wegen der Heimlieferungen gerade explodiert? Ist es also möglich, dass wir mitten in der Feier zur Abnahme des Individualverkehrs von der frechen Botschaft ereilt werden, dass der Gesamtverkehr auf der Seebrücke doch wieder zunimmt?

Ist es möglich, dass wir mit viel schwierigeren Fragen konfrontiert sind, nämlich damit: Wie lassen sich schon nächstes Jahr Mittelklassewagen und kleine Vans, die nur schwer vom normalen Verkehr zu separieren sind, kanalisieren? Wie organisieren wir die in die Stadt reinkurvende Flotte von Mini-Vans, mit denen künftig Touristengruppen aus Asien und Amerika Luzern anfahren werden? Wie um Himmels Willen kann eine Mehrheit von städtischen Politikerinnen und Politikern mitten in einer Zeit, in der die Stadt darniederliegt, ein mehr als willkommenes Geschäftsangebot zum Neustart – das WEF vom 18. bis 21. Mai – diskreditieren und mit altbackenen Behauptungen ablehnen? Warum hat man sich trotzdem an diese rituellen Spiele und Positionsbezüge in der Politik gewöhnt – so dass sie nur noch langweilen? Warum fällt es den Realisten in dieser Stadtregion und den überparteilichen Versöhnerinnen schwer, sich eine Stimme zu verschaffen? Warum sind ihre Voten nicht nur zu leise, sondern ihre Art der Realitätsdeutung zu wenig attraktiv? Kann es sein, dass die Moral die derzeit besten Storys bietet und in einer Stadtregion am meisten Anhängerinnen und Anhänger findet?

Warum werden diese Phänomene heute nicht gemessen? Warum tappen wir alle – inklusive die Spezialisten – im Dunkeln?

Lassen Sie uns über die Sätze streiten! STADTSICHT geht den Fragen nach und sucht nach Antworten. In den kommenden Ausgaben beleuchten wir unter anderem die angesprochenen Themen. Diskutieren können Sie ab sofort mit uns. Auf Facebook (stadtsicht.ch) oder per E-Mail direkt an uns: affentranger@bamedia.ch

Wie soll man auf Basis von fehlenden Grundlagen gute Entscheide für die Zukunft treffen können?

Sie finden das ganze Magazin und einzelne Texte auch online, ideal für den mobilen Konsum zubereitet: auf stadtsicht.ch

Wäre es an der Zeit, dass Stadt und Kanton die neuen Mobilitätsphänomene gemeinsam ausmessen und dafür Geld reservieren, statt sich in blossen Glaubenskämpfen zu ergehen? Weshalb wird in einem partizipativen Prozess in der Stadt Luzern noch immer über den richtigen Cartourismus debattiert – wo sich doch die Vorzeichen komplett geändert haben? Kann es sein, dass noch nicht erkannt ist, dass Cars in und nach der Corona-Zeit out und passé sind, weil kaum mehr jemand seine Gesundheit in eng zusammengepferchten Gruppen aufs Spiel setzen will – zumindest nicht in den ersten Monaten nach der Rückkehr zur gesellschaftlichen Normalität? Warum wird das nicht als leicht ablesbare Wahrheit akzeptiert: Warum wird der Ausstieg eines wichtigen Players aus dem Cargeschäft (Galliker) und damit der Wegfall einer ganzen

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