STADTSICHT 4/2020

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KREATIV

HAT DER LÖWE PRIVILEGIEN?

WILLKOMMEN ZUR ERFORSCHUNG Was ist das Löwendenkmal in Luzern? Ein Idyll, eine ferne Erinnerung, eine Sehenswürdigkeit? Oder etwa mehr? Zum 200-Jahr-Jubiläum des Denkmals hat sich das «Löwendenkmal 21»-Projekt dieser Fragen angenommen. Die Antworten aus der Kunst sind spannend und wecken Widerspruch. So auch die neueste Intervention von Jeanne Jacob und Mirjam Ayla Zürcher. TEXT UND BILDER ANGEL GONZALO

S

ie trafen sich mit 19 Jahren als Maturandinnen zum ersten Mal in Biel. Heute bilden sie für ausgewählte Projekte ein «Kunst-Duo»: Jeanne Jacob und Mirjam Ayla Zürcher ticken zwar ganz unterschiedlich, in grundsätzlichen Fragen denken sie aber in ähnlichen Mustern. Nur: wie? Und was hat das alles mit dem sterbenden Löwen in Luzern zu tun? Um das herauszufinden, sehen wir uns im QuartierInfo Mett, einem Treffpunkt zum Basteln, Werken, Gärtnern, Spielen, Zu­ sammensein und für ein lebendiges Quartier. Die Institution ist in einer alten Fabrik in der Bieler Peripherie untergebracht und un­ terstützt generationenübergreifende und multikulturelle Projek­ te. Hier ist das Atelier von Jeanne Jacob (*1994) untergebracht – ein geradezu ideales Habitat für die junge Bieler Künstlerin. Aus Bern ist die gleichaltrige Mirjam Ayla Zürcher angereist, leicht verspä­ tet, weil sie an der falschen Bushaltestelle ausgestiegen ist. Beide kennen sich aus dem gestalterischen Vorkurs in Biel und dem ge­ meinsamen Studium an der Hochschule Luzern – Design & Kunst. Zwei verwandte Seelen in gewissem Sinne, was nur schon daraus zu deuten ist, dass sie seit 2017 mehrere Kunstprojekte gemeinsam entworfen und realisiert haben. Das letzte für das Mehrjahrespro­ jekt «Löwendenkmal 21». Dazu später mehr.

Weit gefasster Feminismus

Jeanne und Mirjam bezeichnen sich selber als Queer-Feministin­ nen. Der Queer-Feminismus ist eine seit den Neunzigerjahren

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aufkommende Variante, die – im Gegensatz zur Frauenbewegung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts – nicht nur die Frauen, son­ dern alle, die nicht einer heteronormativen und cisgeschlechtli­ chen (binären) Norm entsprechen, in den Fokus ihrer Betrachtun­ gen stellt. Für Mirjam und Jeanne geht die Diskussion viel weiter, als bloss für die Rechte der Frauen in einem patriarchalen System einzustehen: «Uns geht es um alle Formen der Diskriminierung. Wir betrachten die Welt mit kritischen Augen.» Mirjam fragt sich ausserdem, wie stark uns das «Weiss-Sein» prägt und erläutert die Theorie der Critical Whiteness. Diese Theorie untersucht, wie die weisse Identität die verschiedenen sozialen, politischen, wirt­ schaftlichen und kulturellen Identitäten im Leben eines Men­ schen beeinflusst. Beide Künstlerinnen arbeiten engagiert. Die Auseinanderset­ zung mit ihrer Identität spielt in ihrer Arbeit eine wichtige Rolle. Mirjam beschreibt diese Einstellung so: «Meine persönlichen Er­ fahrungen sind dann kollektiv, wenn diese auf etwas Strukturelles deuten. Ich schreibe zwar aus meiner Perspektive, bin aber stark beeinflusst von der Umwelt. Ich beobachte, horche auf, nehme Partei, empöre mich bisweilen.» Mirjam ist die ruhigere des Künstlerinnen-Duos. Sie liebt Spra­ che, nutzt Wörter als Instrumente für ihre Ausdrucksform. Sie wollte als Kind Autorin werden, vielleicht Schauspielerin. Ihre Texte sind geschrieben, um darüber nachzudenken. Keine leichte Kost. Sie kann stundenlang in ihre Texte eintauchen, wägt Wort


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