November 2021 INDUSTRIEPOLITIK DOSSIER
Industriebericht Industrieproduktion und Handel nach Branchen
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Die jüngste Entwicklung des internationalen Infektionsgeschehens erhöht die Risiken für die Industrieproduktion in diesem Winter massiv. Schon ohne neue öffentliche Corona-Beschränkungen ist eine erneute spürbare Kaufzurückhaltung zu befürchten. Zum Glück sind die Auftragsbücher in vielen Branchen momentan noch gut gefüllt.
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Die Industrieproduktion in Deutschland wird durch Lieferengpässe erheblich behindert. Wir erwarten für das Jahr 2021 nur noch einen Anstieg der Produktion im Verarbeitenden Gewerbe um vier Prozent – halb so viel wie bislang. Die deutsche Industrie muss 2022 um 7 ½ Prozent wachsen, um wieder auf Vorkrisenniveau zu gelangen.
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Die Corona-Pandemie hat weltweit einen Produktionsausfall in der Industrie im vergangenen Jahr von mehr als sieben Prozent verursacht. Dieser Verlust ist ein erheblicher Rückschlag und entspricht mehr als der deutschen Industrieproduktion eines Jahres.
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Die deutsche Industrie leidet unter einer im internationalen Vergleich besonders großen Lücke zur Vorkrisenproduktion. Diese Lücke erreicht für die beiden Jahre 2020 und 2021 gut elf Prozent. Kein anderes Industrieland muss eine so starke Einbuße verkraften. Frankreich verliert fast acht Prozent, die USA etwas mehr als sieben Prozent, das Vereinigte Königreich rund fünf und Italien etwa vier Prozent.
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Die weltweiten Warenexporte werden in diesem Jahr um zehn Prozent steigen und trotz Corona ein neues Allzeithoch erreichen. Die Warenexporte aus den entwickelten Volkswirtschaften legen mit voraussichtlich rund acht Prozent nicht ganz so stark zu wie die aus den Schwellenländern mit zwölf Prozent.
Industriebericht | Industrieproduktion und Handel nach Branchen 22/11/2021
Inhaltsverzeichnis Industrieproduktion weltweit ............................................................................................................. 3 Industrieproduktion in den entwickelten Volkswirtschaften ................................................................... 4 Erholung gerät seit Sommer ins Stocken .............................................................................................. 4 Industrieproduktion in den Schwellenländern ....................................................................................... 5 Afrika und Lateinamerika fallen weiter zurück....................................................................................... 5 Produktionsverluste in der Industrie durch die Pandemie ..................................................................... 6 China: zweistelliges Wachstum trotz geringen Wachstumsraten in zweiter Jahreshälfte .................... 8 Vereinigte Staaten: Schnelle Erholung nach etwas mehr als einem Jahr ............................................ 9 Japan: Fahrzeugbau bremst stärkere Erholung aus ........................................................................... 10 Südkorea: Industriekonjunktur verliert zum Jahresende an Schwung ................................................ 11 Vereinigtes Königreich: Erholung setzt erst mit Verspätung ein ......................................................... 12 Europäische Union: Elektroindustrie glänzt mit kräftigem Wachstum................................................. 13 Deutschland: Lieferengpässe verlängern Rezession in der Industrie ................................................. 14 Frankreich: Rückstand auf Vorkrisenniveau hat sich halbiert ............................................................. 15 Italien: Produktion seit Sommer über Vorkrisenniveau ....................................................................... 16 Spanien: Produktion zum Jahresende 2021 nur noch knapp unter Vorkrisenniveau ......................... 17 Welthandel: Handelsaktivitäten sinken das zweite Jahr in Folge ....................................................... 18 Entwicklung der deutschen Exporte .................................................................................................... 19 Industriebranchen in Deutschland .................................................................................................. 20 Automobilindustrie ............................................................................................................................... 20 Bauindustrie......................................................................................................................................... 21 Baustoff-Steine-Erden-Produktion ist leicht im Plus............................................................................ 22 Chemieindustrie: Chemiegeschäft mit ersten Bremsspuren ............................................................... 23 Deutsche Elektroindustrie: Erholung trägt die Branche aktuell sogar über das 2018er Niveau ......... 24 Gießerei-Industrie: Erholung mit großen Herausforderungen ............................................................. 25 Keramische Industrie ........................................................................................................................... 26 Luftfahrt: Leichte Erholung im Sommer 2021 aber die Krise dauert an! ............................................. 26 Nichteisen-Metallindustrie ................................................................................................................... 27 Maschinenbau: Weiteres Wachstum im kommenden Jahr ................................................................. 28 Pharmazeutische Industrie .................................................................................................................. 29 Lage der Stahlindustrie ....................................................................................................................... 30 Stahl- und Metallverarbeitung: Produktion nach 3 Quartalen 14 Prozent über Vorjahr ...................... 31 Impressum ......................................................................................................................................... 32
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Industriebericht | Industrieproduktion und Handel nach Branchen 22/11/2021
Industrieproduktion weltweit Seit Frühjahr wieder über Vorkrisenniveau In diesem Jahr dürfte die weltweite Industrieproduktion den durch die Corona-Pandemie bedingten Produktionseinbruch mehr als wettmachen. Nach Angaben des Netherlands Bureau for Economic Policy Analysis (CPB) stieg die Industrieproduktion im ersten Quartal 2021 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 7,4 Prozent. Im zweiten Quartal nahmen die Aktivitäten bedingt durch das niedrige Vorjahresniveau sogar um 14,8 Prozent zu. Zur Jahresmitte dürfte die Industriekonjunktur ihren Zenit überschritten haben. Nachdem die Aktivitäten in den Schwellenländern bereits im Juli gegenüber dem Vorzeitraum zurückgingen, setzte diese Entwicklung in den entwickelten Volkswirtschaften im August ein. Die weltweite Industrieproduktion ist zwar in den ersten acht Monaten des laufenden Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um zehn Prozent gestiegen. Für den weiteren Jahresverlauf zeichnet sich aber angesichts mangelnder Frachtkapazitäten sowie Lieferengpässen eine eher verhaltene Entwicklung ab. Der Einkaufsmanagerindex (PMI) ist seit Erreichen seines Jahreshochs im Mai drei Monate in Folge gesunken. Am aktuellen Rand konnte der Index etwas Boden gutmachen und bewegt sich mit 54,3 Indexpunkten weiterhin im Expansionsbereich. Wir rechnen für die restlichen vier Monaten des laufenden Jahres mit keiner weiteren Wachstumsbeschleunigung, so dass die weltweite Industrieproduktion entsprechend unseren Einschätzungen aus dem Frühjahr um acht Prozent steigen dürfe.
Welt: Industrieproduktion*, Einkaufsmanagerindex 60
20 15
55 10 50
5 0
45
-5 40
Schwellenländer entwickelte Volkswirtschaften Einkaufsmanagerindex saisonbereinigt (linke Achse)
-10
35
-15 2017
2018
2019
2020
2021
*Produktionsindex: 2-Monatsdurchschnitt, kalender- und saisonbereinigt in Prozent zum Vorjahr Quellen: Macrobond, Netherlands Bureau for Economic Policy Analysis, eigene Berechnungen
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Industriebericht | Industrieproduktion und Handel nach Branchen 22/11/2021
Industrieproduktion in den entwickelten Volkswirtschaften Erholung gerät seit Sommer ins Stocken In den entwickelten Volkswirtschaften stieg die Industrieproduktion erst zur Jahresmitte 2021 wieder auf das Niveau vom Februar 2020, bevor in den meisten Industrieländern die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie einsetzten. Während die Industrie im Euroraum sowie im Vereinigten Königreich noch immer weniger produziert als vor Ausbruch der Pandemie, lag der Ausstoß der Industrien in den entwickelten asiatischen Staaten ohne Japan bereits seit August 2020 über Vorkrisenniveau. Die Industrieproduktion dieser Länder erhöhte sich in den ersten acht Monaten des laufenden Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 9,9 Prozent. Bei stagnierender Produktion bis zum Jahresende dürfte das Produktionsplus dieser Ländergruppe für das gesamte Jahr 2021 bei plus acht Prozent liegen. In der Gruppe der sonstigen entwickelten Volkswirtschaften lag die Produktion seit Jahresbeginn 2021 über Vorkrisenniveau. Für diese Länder erwarten wir im Schnitt ein Produktionsplus von sieben Prozent. Damit fiele die Jahresproduktion etwa drei Prozent höher aus als im Jahr 2019. Der Einkaufsmanagerindex (PMI) für die entwickelten Volkswirtschaften erreichte in den Monaten Mai und Juli mit 59,8 Indexpunkten jeweils ein Jahreshoch. Am aktuellen Rand gab der Index drei Mal in Folge nach, befand sich aber mit 56,6 Indexpunkten weiterhin im Expansionsbereich. Selbst bei Stagnation im weiteren Jahresverlauf ist ein Anstieg der Produktion um mehr als sechs Prozent zu erwarten. Damit würden die industriellen Aktivitäten wieder denen des Jahres 2019 entsprechen.
Entwickelte Volkswirtschaften: Industrieproduktion*, Einkaufsmanagerindex 65
25 20
60 15 55
10 5
50 0
45
40
-5 restliche entw. Volkswirtschaften Euroraum Japan USA Einkaufsmanagerindex saisonbereinigt (linke Achse)
-10 -15
35
-20 2017
2018
2019
2020
2021
*Produktionsindex: 2-Monatsdurchschnitt, kalender- und saisonbereinigt in Prozent zum Vorjahr Quellen: Macrobond, Netherlands Bureau for Economic Policy Analysis (CPB)
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Industrieproduktion in den Schwellenländern Afrika und Lateinamerika fallen weiter zurück Die Industrieproduktion in den Schwellenländern lag aufgrund der schnellen wirtschaftlichen Erholung in den asiatischen Staaten bereits ab November 2020 wieder auf Vorkrisenniveau. In der ersten Jahreshälfte 2021setzte sich die konjunkturelle Erholung in dieser Ländergruppe mit Wachstumsraten von 10,4 Prozent im ersten Quartal und 14,1 Prozent im zweiten Quartal (Vorjahresvergleich) weiter fort. Zur Jahresmitte setzte eine Seitwärtsbewegung ein. Dabei war die Entwicklung in den einzelnen Ländergruppen recht unterschiedlich. Das stärkste Wachstum war in den asiatischen Schwellenländern ohne China zu beobachten. Hier stieg die Industrieproduktion in den ersten acht Monaten des laufenden Jahres im Vergleicht zum Vorzeitraum um 17,4 Prozent, und damit noch stärker als in China. Obwohl das Wachstumstempo zuletzt nachgelassen hat, dürfte das Produktionsplus für das gesamte Jahr 2021 mit plus 13 Prozent im zweistelligen Bereich liegen. In den Ländern Zentral- und Osteuropas erreichte die Industrieproduktion erst im zweiten Quartal 2021 das Vorkrisenniveau. Das Erholungstempo ließ zur Jahresmitte jedoch wieder nach, so dass wir im Jahresergebnis nur mit einem Produktionsanstieg in einer Größenordnung von drei bis vier Prozent rechnen. Damit wäre die Jahresproduktion etwa ein Prozent höher als im Jahr 2019. In Lateinamerika produzierte die Industrie bereits ab Februar 2021 über Vorkrisenniveau und konnte dieses Niveau bis zum aktuellen Rand halten. Wir rechnen für das gesamte Jahr 2021 mit einem Anstieg der industriellen Aktivitäten um acht Prozent. Die jährliche Industrieproduktion Lateinamerikas wäre damit aber immer noch um 1 ½ Prozent niedriger als im Jahr 2019. Die Region Afrika und Mittlerer Osten hat sich noch nicht von dem pandemiebedingten Einbruch von knapp zehn Prozent aus dem Vorjahr erholen können. Die Industrieproduktion dürfte im laufenden Jahr zwar um vier Prozent steigen. Die Erholung findet allerdings von einem niedrigen Niveau aus statt. Selbst im August des laufenden Jahres lag die Industrieproduktion noch immer unter dem Niveau des Vorjahres. Schwellenländer: Industrieproduktion*, Einkaufsmanagerindex 55
20
15
10 50 5
0 45 Afrika/Mittlerer Osten Lateinamerika Zentral- und Osteuropa Asien (ohne China) China Einkaufsmanagerindex saisonbereinigt (linke Achse)
-5
-10
40
-15 2017
2018
2019
2020
2021
*Produktionsindex: 2-Monatsdurchschnitt, kalender- und saisonbereinigt in Prozent zum Vorjahr Quellen: Macrobond, Netherlands Bureau for Economic Policy Analysis (CPB)
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Industriebericht | Industrieproduktion und Handel nach Branchen 22/11/2021
Der Einkaufsmanagerindex (PMI) für die Industrie in den Schwellenländern ist seit seinem Jahreshöchststand im April fünf Monate in Folge gesunken. Im August verfehlte er den Schwellenwert von 50 Punkten, der eine Expansion anzeigt. In den Monaten September und Oktober signalisiert er wieder eine steigende Industrieproduktion, so dass wir in den Schwellenländern mit einem Anstieg der Industrieproduktion um neun Prozent im Vorjahresvergleich rechnen. Produktionsverluste in der Industrie durch die Pandemie Die Corona-Pandemie hat in der ersten Jahreshälfte des Jahren 2020 zu erheblichen Einbrüchen bei Bruttoinlandsprodukt, Handel und Industrieproduktion weltweit geführt. Der konjunkturelle Einbruch war in manchen Ländern und Regionen sogar stärker als während der weltweiten Finanzkrise in den Jahren 2008 und 2009. Gleichzeitig setzte nach Ausbruch der Pandemie eine wesentlich schnellere Erholung ein. So erreichte der weltweite Warenhandel bereits neun Monate nach Ausbruch der Pandemie wieder das Vorkrisenniveau. Nach der Lehmann-Pleite im September 2008 hatte es dafür etwas mehr als zwei Jahre gebraucht. Um den Verlust an industrieller Produktion aufgrund der Pandemie zu bestimmen, gilt es zunächst zu ermitteln, wie hoch die Produktion ausgefallen wäre, wenn es keine pandemiebedingen Produktionseinschränkungen gegeben hätte. Hierfür wird für die Jahre 2020 und 2021 das Trendwachstum der letzten zehn Jahre fortgeschrieben. Diese potenzielle Entwicklung wird mit dem tatsächlichen Produktionsverlauf der Jahre 2020 und 2021 verglichen. Da für die Monate September bis Dezember 2021 noch keine Ist-Daten vorliegen, wird für diesen Zeitraum der letztverfügbare Monatswert des Jahres 2021 mit der Trendwachstumsrate bis zum Jahresende fortgeschrieben. Die Differenz zwischen der potenziellen und der tatsächlichen Produktion ergibt die Produktionslücke. Im Diagramm wäre dies die Fläche zwischen der Trendlinie (blau) und tatsächlicher Verlaufslinie (grau). Industrieproduktion weltweit (ohne Bau): Schließen der Produktionslücke verzögert sich 135
125
10-Jahres-Trend 115
105 0
-5 -10 -15 2017
2018
2019
2020
2021
Lücke zum Trend in Prozent Quellen: Macrobond, Netherlands Bureau for Economic Policy Analysis (CPB), eigene Berechnungen
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Nach diesen Berechnungen ist die weltweite Industrieproduktion bedingt durch die Corona-Pandemie im Jahr 2020 um 7,3 Prozent geringer ausgefallen. Dies entspricht etwa der jährlichen Industrieproduktion Deutschlands und Australiens zusammen. Im Jahr 2021 hat sich die Produktionslücke auf 2,2 Prozent vermindert. Für die Jahre 2020 und 2021 zusammen, lag der Produktionsverlust bei minus 4,7 Prozent. Die Rückkehr auf den Trendwachstumspfad dürfte im kommenden Jahr erfolgen. Industrieproduktion nach Ländern und Regionen Produktionslücke (zum 10-Jahres-Trend)
Niveauvergleich zum 4. Quartal 2019
(Differenz in Prozent)
(in Prozent)
Jahr 2021*
Jahr 2020
2020_2021
4. Quartal 2021*
4. Quartal 2020
Welt
-2,2
-7,3
-4,7
3,5
0,2
Entwickelte Volkswirtschaften
-3,2
-8,2
-5,7
0,9
-2,1
Schwellenländer
-1,2
-6,4
-3,8
6,1
2,5
USA
-5,5
-9,2
-7,3
-1,5
-4,3
Vereinigtes Königreich
-3,3
-7,1
-5,2
-1,8
-3,4
China
1,6
-3,4
-0,9
9,5
7,1
Japan
-8,2
-11,7
-9,9
-8,6
-4,2
Südkorea
2,6
-1,9
0,4
3,4
1,4
EU27
-3,4
-9,2
-6,3
0,1
-0,9
Euroraum
-4,2
-9,9
-7,1
-0,7
-1,2
-10,9
-11,9
-11,4
-6,5
-1,5
Frankreich
-5,2
-10,1
-7,6
-4,7
-4,1
Italien
1,0
-9,2
-4,1
1,2
-2,4
Spanien
-0,4
-7,3
-3,8
1,7
-2,3
Deutschland
* Prognose auf Basis der Trendwachstumsrate 2010 bis 2019 Quellen: Macrobond, Netherlands Bureau for Economic Policy Analysis (CPB), eigene Berechnungen
Im Jahr 2020 ist es nur der Industrie in Südkorea gelungen, wieder zurück auf den Trendwachstumspfad zu gelangen. Im laufenden Jahr werden China und Italien folgen. Für die chinesische Industrie ist vor allem das hohe Wachstum der Grund für die Rückkehr auf den Trendwachstumspfad. Für die italienische Industrie sind hierfür zwei Faktoren verantwortlich. Neben der stark gestiegenen Produktion ist es die geringe bzw. leicht negative Trendwachstumsrate. Die deutsche Industrie weist für die Jahre 2020 und 2021 mit 11,4 Prozent die größte Produktionslücke aus, gefolgt von Japan mit immerhin noch 9,9 Prozent. In beiden Ländern ist der Abstand zum Vorkrisenniveau (jeweils das vierte Quartal 2019) mit minus 8,6 Prozent (Japan) und minus 6,5 Prozent (Deutschland) am größten.
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China: zweistelliges Wachstum trotz geringen Wachstumsraten in zweiter Jahreshälfte Die chinesische Industrie konnte ihren Wachstumskurs zum Jahresbeginn 2021 zunächst fortsetzen. Auf Basis der Daten des Netherlands Bureau for Economic Policy Analysis (CPB) stieg die Industrieproduktion im ersten Quartal 2021 im Vergleich zum Vorquartal um 5,8 Prozent. Im Vorjahresvergleich entsprach dies einem Zuwachs von 27,4 Prozent. Seit dem Frühjahr gerät die Industrieproduktion jedoch etwas aus dem Tritt. Bremsend wirkten sich vor allem der Mangel an Vorprodukten wie Computerchips aus. Zudem dürfte die Null-Covid-Strategie der chinesischen Regierung mit dazu beitragen, dass bereits kleine Corona-Ausbrüche größere wirtschaftliche Auswirkungen haben können. Im Ergebnis sank die Industrieproduktion im zweiten Quartal im Vorquartalsvergleich um 2,9 Prozent. Dies waren aber immer noch 8,8 Prozent mehr als im zweiten Quartal des Vorjahres. Zu Beginn der zweiten Jahreshälfte trat keine wesentliche Besserung ein. Die chinesische Industrie erhöhte zwar in den ersten beiden Monaten des dritten Quartals ihren Ausstoß im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 5,9 Prozent. Gegenüber dem Vorzeitraum Mai/Juni haben die Aktivitäten aber abgenommen. Im Fahrzeugbau summierten sich die Produktionseinbußen in den Monaten Juli und August gegenüber dem Vorjahreszeitraum auf minus 16,9 Prozent. Die Fertigung von Pkw sank dabei um elf Prozent, die von kommerziellen Fahrzeugen um mehr als ein Drittel. Neben den Lieferengpässen dürfte zuletzt auch die Energieknappheit die Lage in der Industrie verschärft haben. Der Einkaufmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe ist seit dem Jahreshoch im Mai drei Monate in Folge gesunken. Im August sank er mit 49,2 Punkte auf einen Wert, der eine rückläufige Produktion anzeigt. Von diesem Tief hat er sich zu Beginn des dritten Quartals wieder erholt. Dies spricht dafür, dass die Produktion im vierten Quartal 2021 gegenüber dem Vorquartal zulegen sollte. Für das gesamte Jahr 2021 erwarten wir trotz der geringen Wachstumsraten in der zweiten Jahreshälfte einen Anstieg in der Industrieproduktion in einer Größenordnung von zehn Prozent. China: Industrieproduktion*, Einkaufsmanagerindex 55
40 30
50
20 10
45
0 -10
40
-20 2017
2018 Industrieproduktion (rechte Achse)
2019
2020
2021
Einkaufsmanagerindex saisonbereinigt (linke Achse)
*Produktionsindex: 2-Monatsdurchschnitt, kalender-und saisonbereinigt in Prozent zum Vorjahr Quellen: Macrobond, Netherlands Bureau for Economic Policy Analysis (CPB)
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Vereinigte Staaten: Schnelle Erholung nach etwas mehr als einem Jahr Die US-amerikanische Industrie (Produzierenden Gewerbe ohne Bau) hat sich nach etwas mehr als einem Jahr vom pandemiebedingten Einbruch erholt. Im Juni 2021 stieg der Produktionsindex erstmals wieder über das Vorkrisenniveau vom Februar 2020. Nach einem Rücksetzer zu Jahresbeginn legte die Produktion im zweiten Quartal 2021 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 14,7 Prozent und im dritten Quartal um weitere 5,7 Prozent zu. Für die ersten neun Monaten des laufenden Jahres resultierte hieraus ein Anstieg um 5,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahrszeitraum. Im Verarbeitenden Gewerbe war der Anstieg mit plus 7,3 Prozent noch stärker. Unter den einzelnen Branchen des Verarbeitenden Gewerbes stieg die Produktion im Fahrzeugbau im gleichen Zeitraum mit plus 14,4 Prozent am kräftigsten an. Auch im Maschinenbau war das Produktionsplus per September mit 11,2 Prozent zweistellig. Die Herstellung von elektronischen Geräten und Ausrüstung erhöhte sich um 6,9 Prozent, die von Datenverarbeitungsgeräten um 8,4 Prozent. Während im Pharma-Bereich die Produktion mit 10,5 Prozent deutlich zulegen konnte, stieg die Herstellung von chemischen Grundstoffen nur um drei Prozent an. Am aktuellen Rand deutet sich eine Verlangsamung des Wachstums an. Im kalender- und saisonbereinigten Zweimonatsvergleich August/September 2021 gegenüber dem Vorzeitraum stagnierte die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe (plus 0,1 Prozent). Der Einkaufmanagerindex für die Industrie sank zwar im Oktober das dritte Mal in Folge. Mit 58,4 Indexpunkten liegt er aber weiterhin deutlich oberhalb der Schwelle, ab der eine steigende Produktion angezeigt wird. Wir rechnen im vierten Quartal nicht mehr mit einem Produktionsrückgang, so dass im Jahresvergleich die Produktion des Verarbeitenden Gewerbes um sechs Prozent steigen wird. Damit läge die Produktion des Jahres 2021 nur noch ein Prozent unter Vorkrisenniveau.
Vereinigte Staaten: Industrieproduktion*, Einkaufsmanagerindex 65
20 15
60
10 55
5
50
0
-5
45
-10 40
-15
35
-20 2017
2018
Industrieproduktion (rechte Achse)
2019
2020
2021
Einkaufsmanagerindex saisonbereinigt (linke Achse)
*Produktionsindex: 2-Monatsdurchschnitt, kalender- und saisonbereinigt in Prozent zum Vorjahr Quellen: Macrobond, Netherlands Bureau for Economic Policy Analysis (CPB)
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Japan: Fahrzeugbau bremst stärkere Erholung aus Erstmals seit zwei Jahren befindet sich die japanische Industrie wieder auf Wachstumskurs. So stieg die Produktion des Produzierenden Gewerbes (ohne Bau) im ersten Quartal 2021 im Vorjahrsvergleich um 5,1 Prozent. Bedingt durch das niedrige Ausgangsniveau stieg die Produktion im zweiten Quartal sogar um 24,3 Prozent und im dritten Quartal ebenfalls zweistellig. Hieraus resultierte für die ersten neun Monate des laufenden Jahres ein Produktionsplus von 17,7 Prozent. Im Verarbeitenden Gewerbe stieg die Produktion im gleichen Zeitraum um 7,5 Prozent. Unter den einzelnen Branchen fiel die Produktionsausweitung im Maschinenbau mit plus 17,8 Prozent und in der Elektroindustrie mit plus 11,2 Prozent am kräftigsten aus. Der Fahrzeugbau, der zur Jahresmitte noch das höchste Produktionsplus auswies, konnte nicht an die starke Entwicklung anknüpfen. Per September schrumpfte das Produktionsplus auf 5,4 Prozent. Trotz zweistelligem Produktionsrückgang im Vorjahr steigerte die chemische Industrie ihre Produktion in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres nur um 3,2 Prozent (Basischemie). Zusammen mit dem Pharma-Bereich war das Ergebnis mit plus 2,3 Prozent sogar noch etwas schwächer. In der Zementindustrie und in der Ernährungsindustrie ging die Produktion mit minus 1,5 Prozent bzw. 1,1 Prozent leicht zurück. Japans Industriekonjunktur ist zum Ende des dritten Quartals ins Stocken geraten. Besonders im Fahrzeugbau und in der Elektroindustrie haben sich die Aktivitäten deutlich vermindert. Ursache hierfür dürften Lieferengpässe gewesen sein. Aber auch in anderen Branchen ist der Produktionsverlauf leicht abwärtsgerichtet. Der Einkaufmanagerindex (PMI) für das Verarbeitenden Gewerbe ist in den Monaten August und September gesunken, was ebenfalls auf eine Wachstumsschwäche schließen lässt. Nicht ins Bild passt der plötzliche Stimmungsumschwung im Oktober, als der Index um 1,7 Punkte zulegte und den zweithöchsten Wert des Jahres erreichte. Es spricht vieles dafür, dass Teile der im dritten Quartal ausgefallenen Produktion im vierten Quartal nachgeholt werden. Dies legen Pläne der Autobauer nahe. Das würde im Jahresergebnis auf einen Anstieg der Industrieproduktion um fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr hinauslaufen. Im Vergleich zum Jahr 2019 wären dies immer noch knapp sieben Prozent weniger.
Japan: Industrieproduktion*, Einkaufsmanagerindex 55
25 20 15
50 10 5 45
0
-5 -10 40 -15 -20 35
-25 2017
2018
Industrieproduktion (rechte Achse)
2019
2020
2021
Einkaufsmanagerindex saisonbereinigt (linke Achse)
*Produktionsindex: 2-Monatsdurchschnitt, kalender-und saisonbereinigt in Prozent zum Vorjahr Quelle: Macrobond
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Südkorea: Industriekonjunktur verliert zum Jahresende an Schwung Nachdem im Jahr 2020 das Vorjahresniveau gehalten werden konnte, ist Südkoreas Industrie mit einem Produktionsplus von 5,4 Prozent im ersten Quartal ins Jahr 2021 gestartet. Vor allem der Fahrzeugbau und die Elektroindustrie konnten ihre Produktion zum Jahresbeginn steigern. Im zweiten Quartal hat sich das Wachstum nochmals beschleunigt und auf weitere Branchen ausgedehnt. So verzeichnete nun auch die chemische Industrie ein zweistelliges Wachstum. Eher verhalten war dagegen die Entwicklung in der Ernährungsindustrie und in der pharmazeutischen Industrie. Im dritten Quartal hat sich das Wachstum deutlich verlangsamt. Lieferengpässe dürften die Aktivitäten im Fahrzeugbau deutlich ausgebremst haben. Diese sanken im Vorjahresvergleich um 7,5 Prozent. Die Metallherstellung gab sogar um acht Prozent nach. Im Gegensatz dazu konnte die Elektroindustrie ihr Wachstumstempo halten. Insgesamt ergab sich für die ersten neun Monate des laufenden Jahres ein Produktionsanstieg in der Industrie von 7,4 Prozent. Im Verarbeitenden Gewerbe ist die Produktion in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres gegenüber dem Vorjahreszeitraum um plus 7,6 Prozent gestiegen. Unter den einzelnen Branchen konnte die Elektroindustrie ihre Produktion mit plus 18,5 Prozent am stärksten ausweiten. Die Chemische Industrie (ohne Pharmazie) konnte ihre Produktion ebenfalls überdurchschnittlich erhöhen (plus 8,5 Prozent). Im Maschinenbau stieg die Produktion mit plus vier Prozent unterdurchschnittlich. Der Pharma-Bereich und die Ernährungsindustrie verzeichneten leichte Produktionseinbußen, die metallverarbeitende Industrie einen Rückgang um 4,9 Prozent. Für Südkoreas Fahrzeugbauer zeichnet sich eine deutliche Eintrübung ihrer Geschäfte ab. Das gute Ergebnis von plus 7,7 Prozent aus den ersten neuen Monaten dürfte angesichts von Lieferengpässen bis zum Jahresende nicht zu halten sein. Für den weiteren Jahresverlauf deutet sich eine rückläufige Produktion an. Im kalender- und saisonbereinigten Zweimonatsvergleich August/September 2021 gegenüber dem Vorzeitraum sank die Industrieproduktion zuletzt um minus 5,5 Prozent. Der Einkaufmanagerindex sank im Oktober auf ein neues Jahrestief. Mit einem Wert von 50,2 Punkten liegt er nur noch knapp über der Expansionsschwelle. Trotz trüber Aussichten zum Jahresende dürfte die Industrieproduktion aufgrund des starken Jahresauftaktes im gesamten Jahr 2021 um sechs Prozent steigen. Südkorea: Industrieproduktion*, Einkaufsmanagerindex 60
13
55
8
50
3
45
-2
40
-7 2017 2018 Industrieproduktion (rechte Achse)
2019 2020 2021 Einkaufsmanagerindex saisonbereinigt (linke Achse)
*Produktionsindex: 2-Monatsdurchschnitt, kalender- und saisonbereinigt in Prozent zum Vorjahr Quelle: Macrobond
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Vereinigtes Königreich: Erholung setzt erst mit Verspätung ein Die Industrie in Großbritannien hatte zu Jahresbeginn noch einen leichten Rücksetzer zu verkraften. Im ersten Quartal 2021 ging die Produktion im Produzierenden Gewerbe (ohne Bau) sowohl im Vergleich zum Vorquartal als auch im Vorjahreszeitraum zurück. Erst im zweiten Quartal 2021 setzte mit einem Produktionsanstieg von 20,6 Prozent im Vorjahresvergleich die konjunkturelle Erholung ein. Im dritten Quartal folgte ein Anstieg um 3,8 Prozent. Hieraus resultierte in den ersten neun Monaten ein Anstieg der Industrieproduktion im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 6,9 Prozent. Der Ausstoß im Verarbeitende Gewerbe erhöhte sich im gleichen Zeitraum mit plus neun Prozent sogar noch stärker. Unter den einzelnen Industriebranchen verzeichnete der Maschinenbau mit plus 21,8 Prozent und der Fahrzeugbau mit plus 19,3 Prozent die stärksten Produktionssteigerungen. Dies dürfte positiv auf die metallverarbeitende Industrie ausgestrahlt haben, die ihre Produktion um 9,6 Prozent steigern konnte. Die Herstellung von elektrischer Ausrüstung stieg um 11,5 Prozent, die von Computern und optischen Geräten hingegen nur um 3,3 Prozent. Die chemische Industrie verbesserte sich um 5,8 Prozent. Gegen den Trend sank die Herstellung von pharmazeutischen Produkten per September um zwei Prozent und im sonstigen Fahrzeugbau sogar um 10,2 Prozent. Am aktuellen Rand zeichnet sich eine Bodenbildung ab. Im kalender- und saisonbereinigten Zweimonatsvergleich August/September 2021 stieg die Produktion in der Industrie gegenüber dem Vorzeitraum wieder leicht an. Auch der Einkaufmanagerindex für die Industrie, der nach seinem Jahreshoch im Mai fünf Mal in Folge an Boden verlor, konnte im Oktober wieder Boden gut machen. Er befindet sich weiterhin in einem Bereich, in dem eine Expansion angezeigt wird. Insofern dürften die Aktivitäten im vierten Quartal weiter steigen, so dass für das laufende Jahr ein Anstieg der Produktion vor bis zu sieben Prozent im Vergleich zum Vorjahr erreichbar ist.
Vereinigtes Königreich: Industrieproduktion*, Einkaufsmanagerindex 70
30
20 60 10
50
0
-10 40 -20
30
-30 2017
2018
Industrieproduktion (rechte Achse)
2019
2020
2021
Einkaufsmanagerindex saisonbereinigt (linke Achse)
*Produktionsindex: 2-Monatsdurchschnitt, kalender-und saisonbereinigt in Prozent zum Vorjahr Quelle: Macrobond
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Industriebericht | Industrieproduktion und Handel nach Branchen 22/11/2021
Europäische Union: Elektroindustrie glänzt mit kräftigem Wachstum In der Europäischen Union (EU27 ohne Großbritannien) hat die Industrie ihren Erholungskurs zu Jahresbeginn fortsetzen können. Die Produktion im Produzierenden Gewerbe (ohne Bau) stieg im ersten Quartal 2021 gegenüber dem Vorjahresquartal um 3,4 Prozent und damit gleichzeitig über das Vorkrisenniveau (viertes Quartal 2019). Im zweiten Quartal betrug der Anstieg im Vorjahresvergleich sogar 22,8 Prozent. Neben dem Basiseffekt waren hierfür vor allem die deutlich gestiegenen Aktivitäten im Fahrzeugbau verantwortlich. Im dritten Quartal verminderte sich das Expansionstempo wieder, so dass in der Summe die EU-Industrieproduktion in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres gegenüber dem Vorjahreszeitraum um zehn Prozent zulegen konnte. Im Verarbeitenden Gewerbe stieg die Produktion in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres um 10,7 Prozent. Unter den Leitbranchen verzeichnete die Elektroindustrie mit einem Produktionsplus von 21,5 Prozent die mit Abstand stärksten Zuwächse. Zweistellige Wachstumsraten verbuchten auch der Maschinenbau mit plus 13,1 Prozent und die metallverarbeitende Industrie mit plus 14,7 Prozent. Im Fahrzeugbau kam es bedingt durch Lieferengpässe zu deutlichen Produktionseinbußen im dritten Quartal, so dass sich das Produktionsplus per September auf nur noch 7,7 Prozent reduzierte. Im sonstigen Fahrzeugbau war die Produktion mit plus 1,3 Prozent nur unmerklich höher als im Vorjahreszeitraum. In der chemischen Industrie erhöhte sich der Ausstoß um sieben Prozent. Die Pharmazeutische Industrie befindet sich seit mehr als zehn Jahren auf Wachstumskurs. Sie steigerte ihre Produktion per September um 16,2 Prozent. In der weniger konjunkturreagible Ernährungs- und Genussmittelindustrie wuchs die Produktion um 3,8 Prozent. Die Entwicklungen am aktuellen Rand deuten für den weiteren Jahresverlauf auf eine deutliche Verlangsamung der industriellen Aktivitäten hin. In der Zweimonatsbetrachtung August/September 2021 sank die Industrieproduktion in der EU saison- und kalenderbereinigt um 1,1 Prozent gegenüber dem Vorzeitraum. Maßgeblich für den Rückgang waren vor allem der Produktionseinbruch im Fahrzeugbau mit zuletzt knapp 13 Prozent gegenüber Juni/Juli. Der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe ist seit seinem Jahreshoch vom Juni fünf Mal in Folge gesunken. Er bewegt sich aber bei 58 Indexpunkten weiterhin deutlich im Expansionsbereich. Wir rechnen im vierten Quartal mit einer Stagnation, so dass die Industrieproduktion in der EU im Jahresergebnis im Vergleich zum Vorjahr um 7,5 Prozent steigen dürfte. Europäische Union EU27: Industrieproduktion*, Einkaufsmanagerindex 65
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Einkaufsmanagerindex saisonbereinigt (linke Achse)
*Produktionsindex: 2-Monatsdurchschnitt, kalender- und saisonbereinigt in Prozent zum Vorjahr Quelle: Macrobond
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Industriebericht | Industrieproduktion und Handel nach Branchen 22/11/2021
Deutschland: Lieferengpässe verlängern Rezession in der Industrie In Deutschland geriet die konjunkturelle Erholung bereits zu Jahresbeginn 2021 wieder ins Stocken. So verminderte sich die Produktion des Produzierenden Gewerbes (ohne Bau) im ersten Quartal 2021 trotz voller Auftragsbücher im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 1,6 Prozent. Im zweiten Quartal stieg die Produktion aufgrund des Basiseffektes mit plus 19,4 Prozent im Vorjahresvergleich kräftig an. Sie lag damit aber immer noch um 3,8 Prozent unter dem Vorkrisenniveau (viertes Quartal 2019). Im dritten Quartal verminderte sich das Wachstum auf 2,6 Prozent. Damit stieg die Industrieproduktion in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 6,1 Prozent. Für das gesamte Produzierende Gewerbe, also unter Einbeziehung des Baugewerbes, betrug das Produktionsplus fünf Prozent. Im Verarbeitenden Gewerbe stieg die Produktion im Zeitraum Januar bis September im Vorjahresvergleich um plus 6,6 Prozent. Mit Blick auf die einzelnen Branchen verzeichneten die Elektroindustrie mit plus 12,5 Prozent und die metall-erzeugenden und -verarbeitenden Betriebe mit plus 11,3 Prozent jeweils zweistellige Produktionszuwächse. Der Maschinenbau und die chemische Industrie verbuchten mit plus 8,1 bzw. 7,1 Prozent ebenfalls überdurchschnittliche Zuwächse. Unterdurchschnittlich entwickelte sich die Produktion in der pharmazeutischen Industrie (plus 4,4 Prozent), im sonstigen Fahrzeugbau mit plus 1,2 Prozent und in der nicht so konjunkturreagible Ernährungs- und Genussmittelindustrie mit plus 0,7 Prozent. Im Fahrzeugbau stagnierte die Produktion (minus 0,1 Prozent), nachdem im Vorjahreszeitraum schon ein Rückgang von mehr als 30 Prozent zu verzeichnen war. Die Aussichten für die Entwicklung in den drei verbleibenden Monaten des laufenden Jahres gestalten sich schwierig. Die Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes verfügen zwar über ausreichend Aufträge, können diese aber angesichts von Lieferengpässen nicht wie gewünscht abarbeiten. In der Zweimonatsbetrachtung August/September 2021 gegenüber dem Vorzeitraum sank die saison- und kalenderbereinigte Industrieproduktion um 4,2 Prozent. Im Fahrzeugbau belief sich der Rückgang sogar auf minus 17,3 Prozent. Der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe hat seit dem Erreichen des Jahreshochs im Juli kontinuierlich an Boden verloren. Im Oktober sank er auf den zweitniedrigsten Wert des Jahres. Bei stagnierender Produktion im vierten Quartal dürfte die Industrieproduktion im laufenden Jahr zwar um vier Prozent steigen. Das Vorkrisenniveau (Jahr 2019) würde damit um sieben Prozent unterschritten. Deutschland: Industrieproduktion*, Einkaufsmanagerindex 70
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2019 2020 2021 Einkaufsmanagerindex saisonbereinigt (linke Achse)
*Produktionsindex: 2-Monatsdurchschnitt, kalender- und saisonbereinigt in Prozent zum Vorjahr Quelle: Macrobond
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Frankreich: Rückstand auf Vorkrisenniveau hat sich halbiert In Frankreichs Industrie setzte sich zu Jahresbeginn die konjunkturelle Erholung zunächst fort. Das Produzierende Gewerbe (ohne Bau) verbuchte im ersten Quartal 2021 ein Produktionsplus von zwei Prozent (Vorjahresvergleich). Die Differenz zum Vorkrisenniveau (viertes Quartal 2019) schrumpfte damit auf nur noch 4,1 Prozent. Durch das coronabedingte niedrige Ausgangsniveau stieg die Produktion im zweiten Quartal im Vorjahresvergleich um nahezu ein Viertel an. Im dritten Quartal nahm das Wachstumstempo deutlich ab, so dass die Produktion in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres im Vorjahresvergleich um insgesamt 8,3 Prozent zulegen konnte. Im Verarbeitenden Gewerbe stieg die Produktion im gleichen Zeitraum um 8,6 Prozent. Die stärksten Produktionssteigerungen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verbuchte der Maschinenbau mit einem Plus von 15,8 Prozent, gefolgt von der metallverarbeitenden Industrie, die mit plus 15,4 Prozent ähnlich stark expandierte. Der Fahrzeugbau konnte seine Aktivitäten um 13,5 Prozent steigern, allerdings nach einem doppelt so starken Rückgang im Vorjahr. Elektroindustrie und chemische Industrie konnten ihre Produktion mit plus 10,7 Prozent und 9,1 Prozent ebenfalls überdurchschnittlich ausweiten. In der weniger konjunkturreagiblen Ernährungsindustrie und im Pharma-Bereich lagen die Wachstumsraten bei etwas mehr als drei Prozent. Der sonstige Fahrzeugbau verzeichnete auch das zweite Jahr in Folge einen Produktionsrückgang. Verglichen mit dem vierten Quartal 2019, dem Quartal vor Ausbruch der Corona-Pandemie konnte nur der französische Maschinenbau das Vorkrisenniveau wieder überschreiten. Für den weiteren Jahresverlauf zeichnet sich eine Seitwärtsbewegung ab. In der Zweimonatsbetrachtung August/September 2021 stieg die Industrieproduktion saison- und kalenderbereinigt gegenüber dem Vorzeitraum um 0,8 Prozent. Dies war gleichzeitig der dritte Anstieg in Folge. Der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe ist zwar seit dem Jahreshoch im Mai kontinuierlich gesunken, befand sich im Oktober aber immer noch im Expansionsbereich. Auch der Fahrzeugbau wies zuletzt wieder eine steigende Produktion auf. Im Jahresergebnis 2021 dürfte die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe in Frankreich um rund sechs Prozent steigen, und damit den Rückstand auf das Produktionsniveau des Jahres 2019 halbieren. Frankreich: Industrieproduktion*, Einkaufsmanagerindex 60
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2019 2020 2021 Einkaufsmanagerindex saisonbereinigt (linke Achse)
*Produktionsindex: 2-Monatsdurchschnitt, kalender- und saisonbereinigt in Prozent zum Vorjahr Quelle: Macrobond
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Industriebericht | Industrieproduktion und Handel nach Branchen 22/11/2021
Italien: Produktion seit Sommer über Vorkrisenniveau Italiens Industrie (Produzierendes Gewerbe ohne Bau) ist mit einem kräftigen Plus in das Jahr 2021 gestartet. Die Industrieproduktion stieg im Vorjahresvergleich um neun Prozent. Im zweiten Quartal stieg die Produktion mit plus 32,6 Prozent um fast ein Drittel, wobei hier die Dynamik durch das niedrige Ausgangsniveau überzeichnet wurde. Auch das dritte Quartal wies ein kleines Produktionsplus aus, sowohl gegenüber dem Vorquartal als auch im Vorjahresvergleich. Aufgrund der kräftigen Erholung stieg die Produktion in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 13,8 Prozent. Das Verarbeitende Gewerbe weist für den gleichen Zeitraum mit plus 15,4 Prozent sogar einen noch größeren Produktionsanstieg aus. Die stärkste Erholung erfolgte im Fahrzeugbau. Hier stieg die Produktion per September mit plus 34,8 Prozent um mehr als ein Drittel. Die Erholung im Fahrzeugbau strahlte auf die zuliefernden Branchen aus. Die metallverarbeitende Industrie konnte ihre Produktion um 23 Prozent steigern, die Elektroindustrie um 21,4 Prozent. Im Maschinenbau stiegen die Aktivitäten mit plus 17,7 Prozent ebenfalls überdurchschnittlich. In der chemischen Industrie erhöhte sich die Ausbringung mit plus 9,5 Prozent nicht ganz so stark. Nur das Pharma-Geschäft war mit minus 3,4 Prozent leicht rückläufig. Für den weiteren Jahresverlauf deutet sich eine Ausweitung der Produktion an. Der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe ist zwar seit dem Erreichen des Jahreshochs im Mai in vier von fünf Monaten gesunken. Im Oktober stieg er jedoch auf 61,1 Indexpunkte an und erreichte damit ein Viermonatshoch. Gleichzeitig stieg die Produktion in der Zweimonatsbetrachtung August/September 2021 sowohl gegenüber dem Vorzeitraum als auch gegenüber dem Vorjahreswert an und bewegt sich seit Mitte des Jahres kontinuierlich über Vorkrisenniveau. Wir rechnen daher mit einem Produktionsplus von etwas mehr als vier Prozent im Jahresendquartal. Im Jahresergebnis dürfte die Produktion damit um mehr als zwölf Prozent steigen. Italien: Industrieproduktion*, Einkaufsmanagerindex 70
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Einkaufsmanagerindex saisonbereinigt (linke Achse)
*Produktionsindex: 2-Monatsdurchschnitt, kalender-und saisonbereinigt in Prozent zum Vorjahr
Quelle: Macrobond
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Spanien: Produktion zum Jahresende 2021 nur noch knapp unter Vorkrisenniveau In Spanien setzte sich die konjunkturelle Erholung in der Industrie zu Jahresbeginn zunächst fort. Das Produzierende Gewerbe (ohne Bau) verbuchte im ersten Quartal 2021 ein Produktionsplus von 2,6 Prozent (Vorjahresvergleich). Der Abstand auf das Vorkrisenniveau (viertes Quartal 2019) hatte sich damit auf nur noch 1,4 Prozentpunkte reduziert. Bedingt durch das niedrige Ausgangsniveau des Vorjahres stieg die Produktion im zweiten Quartal im Vorjahresvergleich um 27,5 Prozent an. Im dritten Quartal verminderte sich die Zuwachsrate gegenüber dem Vorjahr auf 2,2 Prozent. In der Summe konnte Spaniens Industrie in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres die Produktion im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 9,6 Prozent steigern. Im Verarbeitenden Gewerbe erhöhte sich die Produktion im gleichen Zeitraum um 10,8 Prozent. Unter den Leitbranchen stieg die Produktion im Maschinenbau mit 16,5 Prozent am stärksten. Ebenfalls zweistellig waren die Produktionsausweitungen in der metallverarbeitenden Industrie (plus 14,8 Prozent) und in der Elektroindustrie (plus 10,1 Prozent). Im Fahrzeugbau stieg die Produktion trotz des starken Rückgangs im Vorjahr von knapp 20 Prozent nur um neun Prozent. In der chemischen Industrie lag der Ausstoß 8,6 Prozent über Vorjahresniveau. Die Hersteller von Pharmazeutika konnten ihre Produktion nochmals um 5,7 Prozent steigern. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern stieg die Produktion in der Nahrungs- und Genussmittelindustrie mit plus fünf Prozent überdurchschnittlich stark an. Die zuletzt verfügbaren Daten deuten darauf hin, dass die konjunkturelle Erholung zwar an Schwung verloren hat, ein deutlicher Einbruch aber ausbleiben dürfte. Am aktuellen Rand sank die Produktion in der Zweimonatsbetrachtung August/September 2021 gegenüber dem Vorzeitraum zwar saison- und kalenderbereinigt 0,6 Prozent. Das Vorjahrsniveau wurde aber nicht verfehlt. Der Einkaufmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe hat im Vergleich zum Jahreshöchststand im Juni zwar drei Punkte abgegeben, liegt aber mit 57,4 Indexpunkten über der Schwelle von 50, ab der eine Expansion anzeigt wird. Wir erwarten daher im vierten Quartal noch einmal eine leichte Produktionssteigerung. Im Jahresvergleich dürfte das Verarbeitenden Gewerbe Spaniens im Vergleich zum Vorjahr um mehr als acht Prozent ausweiten. Das Vorkrisenniveau dürfte am Jahresende nur um ein Prozent verfehlt werden.
Spanien: Industrieproduktion*, Einkaufsmanagerindex 65
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Einkaufsmanagerindex saisonbereinigt (linke Achse)
*Produktionsindex: 2-Monatsdurchschnitt, kalender-und saisonbereinigt in Prozent zum Vorjahr Quelle: Macrobond
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Welthandel: Handelsaktivitäten sinken das zweite Jahr in Folge Der weltweite Warenhandel hatte bereits zum Jahresende 2020 das Volumen vor Ausbruch der Corona-Pandemie überschritten und setzte seine Erholung im laufenden Jahr fort. Nach Angaben des Netherlands Bureau for Economic Policy Analysis (CPB) stieg das weltweite Handelsvolumen in den ersten acht Monaten des Jahres 2021 im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum um 12,4 Prozent. Nach einem starken ersten Quartal, in dem der Handel im Vorquartalsvergleich um 3,6 Prozent zulegte, verlor der Welthandel zur Jahresmitte deutlich an Schwung. Entsprechend schwach war das Ergebnis des zweiten Quartals mit nur noch plus 0,8 Prozent im Vergleich zum Vorzeitraum. Seit Juni nimmt das Handelsvolumen in der Zweimonatsbetrachtung zwar kontinuierlich leicht ab. Für das gesamte Jahr ist angesichts des niedrigen Ausgangniveaus mit einem Anstieg in einer Größenordnung von zehn Prozent zu rechnen. Die Schwellenländer haben in den ersten acht Monaten des laufenden Jahres insgesamt 13,9 Prozent mehr Waren exportiert als im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Am stärksten stiegen die Warenausfuhren aus China mit plus 26,9 Prozent sowie die aus den asiatischen Schwellenländern ohne China mit plus 18 Prozent. Unterdurchschnittlich entwickelten sich die Ausfuhren aus Lateinamerika. Sie stiegen im Vergleich zum Vorzeitraum um 7,5 Prozent. Im Gegensatz dazu sanken die Warenausfuhren aus Afrika und dem Mittleren Osten um 2,1 Prozent und die aus Mittel- und Osteuropa um 3,9 Prozent. Die Exporte aus den entwickelten Volkswirtschaften stiegen in den ersten acht Monaten des laufenden Jahres um 11,4 Prozent. Japan verzeichnete mit plus 17,8 Prozent den stärksten Zuwachse in dieser Ländergruppe. Leicht überdurchschnittlich stiegen auch die Exporte aus dem Euroraum mit plus 11,7 Prozent. Die Gruppe der restlichen entwickelten Volkswirtschaften exportierte elf Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Die Warenexporte aus den USA erhöhten sich um 10,3 Prozent. Die Ausfuhren aus dem Vereinigten Königreich sanken dagegen um 1,1 Prozent. Welt: Exporte nach Herkunftsregionen 30 25 20
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entwickelte Volkswirtschaften Schwellenländer
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Index: 2-Monatsdurchschnitt, kalender- und saisonbereinigt in Prozent zum Vorjahr Quelle: Macrobond
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Entwicklung der deutschen Exporte Die deutschen Exporte befanden sich zwar schon seit Jahresmitte 2020 wieder auf Wachstumskurs. Das Vorjahresniveau wurde mit plus 2,6 Prozent allerdings erst im ersten Quartal des laufenden Jahres erreicht. Im zweiten Quartal 2021 stiegen die Exporte im Vorjahresvergleich um 33,4 Prozent, wobei dieser Wert durch das niedrige Ausgansniveau die Entwicklung etwas überzeichnet. Gleichzeitig wurde erstmals seit Ausbruch der Pandemie das Vorkrisenniveau wieder überschritten. Mit jeweils mehr als 40 Prozent legten dabei die Ausfuhren in die USA und die EU-Mitgliedsstaaten, die nicht zum Euroraum gehören, zu. Auch im dritten Quartal waren die Exportzuwächse in die EU-Staaten und die USA zweistellig. Die Ausfuhren nach Asien erhöhten sich um vier Prozent, die in die restlichen Regionen um 5,6 Prozent. Im Ergebnis stiegen die deutschen Exporte in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 14,4 Prozent. Mit Blick auf die Zielregionen sind die Exporte in die USA mit plus 19,3 Prozent am stärksten gestiegen. Die Ausfuhren in die Eurozone stiegen mit plus 17,4 Prozent ebenfalls kräftig an, die in die restlichen Mitgliedstaaten der EU mit plus 18,6 Prozent sogar noch etwas stärker. Nur halb so stark, mit plus 9,1 Prozent fiel der Anstieg bei den Asienexporten aus. Für die restlichen Länder war nur ein Plus von 8,2 Prozent zu verzeichnen. Am aktuellen Rand haben die Exportaktivitäten an Schwung verloren. In den Monaten August und September gingen sie im Vormonatsvergleich sogar zurück. Selbst bei stagnierenden Exporten bis zum Jahresende, dürften für das gesamte Jahr 2021 die deutschen Exporte um nominal zwölf Prozent steigen und auch den Wert des Jahres 2019 leicht überschreiten.
Deutschland: Exporte nach Zielregionen 50 40
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restliche Länder Asien USA EU 11 Euroraum
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Index: 2-Monatsdurchschnitt, kalender- und saisonbereinigt in Prozent zum Vorjahr Quelle: Macrobond
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Industriebranchen in Deutschland Automobilindustrie Produktion Am Anfang des Jahres sah es so aus, als könnte ein Teil des 2020er Produktionseinbruchs aufgrund der Coronapandemie wieder aufgeholt werden. Die Nachfrage nach neuen Fahrzeugen ist im Laufe dieses Jahres auch angezogen, hat sich dann jedoch vor allem in einem auf das höchste Level seit 30 Jahren gestiegenen Auftragsbestand niedergeschlagen. Die Inlandsproduktion hingegen hat sich im Jahresverlauf deutlich abgeschwächt. In den ersten zehn Monaten verließen mit 2,56 Millionen Pkw acht Prozent weniger Fahrzeuge als in dem schwachen Vorjahr die Montagebänder. In den drei Monaten August bis Oktober sank die Fertigung sogar um 39 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode. Der Hauptgrund hierfür war der sich im Jahresverlauf verschärfende Mangel an Halbleitern, der sich im Jahresverlauf zu einer generellen Rohstoffknappheit ausgeweitet hat. Während zu Beginn der Coronapandemie im Frühjahr 2021 ein Abriss der Lieferketten trotz Lock-Downs und Grenzschließungen vermieden werden konnte, sind sie dieses Jahr aus verschiedenen Gründen (Schiffsstau im Suezkanal, lokale Corona-Lock-Downs in Häfen, überraschend stark ansteigende Nachfrage etc.) stark unter Druck. Es scheint offensichtlich, dass insbesondere der Halbleitermangel nicht kurzfristig gelöst werden wird. Lange Vorlaufzeiten in der Chipfertigung erschweren die Lage. Momentan wird davon ausgegangen, dass es frühestens ab der zweiten Jahreshälfte 2022 zu einer leichten Entspannung kommen dürfte. 2021 könnte die Produktion um 18 Prozent auf 2,88 Millionen Einheiten sinken. Gleichzeitig zu dieser herausfordernden Situation aufgrund externer Faktoren ist in der Automobilindustrie die Transformation zur Elektromobilität in vollem Gange. In den ersten drei Quartalen war bereits fast jeder fünfte in Deutschland produzierte Pkw mit einem Elektromotor ausgestattet. Mit 449.000 Elektro-Pkw wurden 82 Prozent mehr Einheiten als vor einem Jahr gefertigt. Damit ist Deutschland der mit Abstand wichtigste Standort für E-Autos in Europa. Weltweit werden nur in China mehr E-Pkw hergestellt, Deutschland liefert sich momentan ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit den USA als zweitgrößtem Produktionsland. Auch weil Elektroautos einen höheren Bedarf an Halbleitern haben – neben den Mikrocontrollern auch Leistungselektronik – ist die Gesamtproduktion in Deutschland dieses Jahr von den Stückzahlen her stärker zurückgegangen als in anderen europäischen Ländern. In den ersten neun Monaten verteilt sich die E-Produktion etwa gleich auf Plug-In Hybride (PHEV) und rein batterieelektrische Fahrzeuge (BEV), im dritten Quartal machen die BEV bereits 61 Prozent der E-Autos aus. Der Personalabbau hat sich im letzten Jahr verlangsamt. Während im September 2020 rund 30.000 weniger Beschäftigte in der Automobilindustrie als im Vorjahr tätig waren, waren es im September 2021 bei einer Gesamtbelegschaft von 785.500 Personen nur noch 18.000. Der Rückgang war bei den Herstellern mit 2,9 Prozent etwa gleich hoch wie bei den Zulieferern mit 3,3 Prozent. Export Etwas schwächer als die Produktion wurden die Exporte vom Halbleitermangel getroffen. Die Exportquote stieg um mehr als einen Prozentpunkt auf 76 Prozent. In den ersten zehn Monaten sind die Ausfuhren um sechs Prozent auf 1,95 Millionen gesunken. Für das Gesamtjahr rechnen wir mit 2,22 Millionen Pkw-Exporten (minus 16 Prozent). Wichtigster Handelspartner war in den ersten neun Monaten Großbritannien mit 218.000 Stück (minus 17 Prozent) vor den USA mit 205.000 Einheiten (plus sieben Prozent) und China mit 201.000 Pkw (plus 14 Prozent).
Kontakt: Alexander Fritz; Tel.: +49 30 8978 423 33; E-Mail: alexander.fritz@vda.de
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Bauindustrie Am Bau gab es einen schwachen Start ins Jahr 2021. Neben Vorzieheffekten ins Vorjahr – wegen der Rückkehr zum Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent zum Jahresbeginn – gab es im ersten Quartal äußerst schlechte Witterungsbedingungen, die die Bautätigkeit erheblich einschränkten. Danach hat sich die Bautätigkeit allerdings stabilisiert. Von April bis August stieg der Auftragseingang im Bauhauptgewerbe gegenüber dem Vorjahreszeitraum um nominal 8,6 Prozent, der Umsatz um 3,2 Prozent. Zur Jahresmitte erreichte der Auftragsbestand mit 63 Milliarden Euro (plus acht Prozent gegenüber dem Vorjahr) einen neuen Rekordwert. Ein großes Problem stellt aber – wie in vielen anderen Branchen des Produzierenden Gewerbes – die Versorgung mit Vorprodukten dar. Im Rahmen des ifo Konjunkturtests meldeten im März vier Prozent der teilnehmenden Firmen des Bauhauptgewerbes eine Behinderung ihrer Produktion durch Materialmangel. Im Juni waren es dann schon 46 Prozent. Auch wenn zwischenzeitlich ein Rückgang auf ein Drittel der Firmen stattgefunden hat, wird das Problem die Branche bis in das kommende Jahr begleiten. Damit einher gehen stark steigende Preise für Baumaterial. So verteuerte sich Konstruktionsvollholz von Januar bis September um 93 Prozent, Betonstahl je nach Ausführung zwischen 48 und 72 Prozent sowie Produkte auf Erdölbasis (Bitumen, Dämmstoffe) um ein Drittel. Vor allem bei langlaufenden Verträgen können diese Preissteigerungen nur eingeschränkt an die Investoren weitergegeben werden, was sich negativ auf die Ertragslage der Baufirmen auswirkt. Für das laufende Jahr erwartet der Hauptverband der deutschen Bauindustrie dennoch eine nominale Stagnation der baugewerblichen Umsätze im Bauhauptgewerbe auf dem Vorjahresniveau von 143 Milliarden Euro, real entspricht dies einem Rückgang in der Größenordnung von drei bis vier Prozent. Die Beschäftigung wird einmal mehr ausgeweitet, im Jahresdurchschnitt dürfte der Sprung über die Grenze von 900.000 Erwerbstätigen gelingen. In den Branchen ist das Konjunkturbild allerdings gemischt. Im Wohnungsbau sind sowohl Baugenehmigungen als auch Auftragseingänge und -bestand weiterhin positiv, 2021 wird ein weiteres Wachstumsjahr werden. Immerhin hat sich in den vergangenen Jahren ein Genehmigungsüberhang gegenüber den Fertigstellungen von gut einer halben Million Wohnungen aufgebaut, der erst einmal abgebaut werden muss. Allerdings gibt es vor allem im Ausbaugewerbe – dem Handwerk – gravierende Kapazitätsprobleme. Der Wirtschaftsbau entwickelt sich – entgegen unseren Erwartungen vom Jahresbeginn – stabil. Nach einer Schwächeperiode in den ersten Monaten haben die Baugenehmigungen erheblich zugelegt, auch die Auftragseingänge liegen in den ersten acht Monaten mittlerweile deutlich im Plus. Trotz der anhaltenden Probleme in der Produktion durch Materialmangel ist die Investitionsneigung der Industrie anscheinend ungebrochen. Probleme gibt es dagegen – wie erwartet – im Öffentlichen Bau. Dies ist zum einen auf Kapazitätsprobleme in den öffentlichen Bauverwaltungen zurückzuführen, zudem werden auch Ausschreibungen von Bauaufträgen wegen der hohen Preise zurückgehalten. Hinzu treten auf kommunaler Ebene anhaltende Finanzprobleme auf, die zu Lasten der Investitionstätigkeit gehen. Entsprechend entwickelte sich der Auftragseingang im Jahresverlauf negativ.
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In das Jahr 2022 gehen die Unternehmen des Bauhauptgewerbes verhalten optimistisch, die Geschäftserwartungen haben zuletzt angezogen. Werden die Probleme bei der Materialversorgung auslaufen liegt ein leichtes reales Produktionsplus im Bereich des Möglichen.
Kontakt: Heinrich Weitz; Tel.: +49 30 21286 144; E-Mail: heinrich.weitz@bauindustrie.de
Baustoff-Steine-Erden-Produktion ist leicht im Plus Die Baustoff-Steine-Erden-Industrie hat nach einem schwachen ersten Quartal 2021 (Produktion real minus 2,9 Prozent gegenüber Vorjahr) in den beiden Folgequartalen zugelegt (II/2021: plus 6,4 Prozent; III/2021: plus 2,1 Prozent). Somit ergibt sich für die ersten drei Quartale ein Produktionsplus von 2,2 Prozent. Zum Wachstum beigetragen haben dabei industrienahe Bereiche wie die Feuerfest- und die Kalkindustrie, die – ausgehend vom krisenbedingt niedrigeren Produktionsniveau 2020 – von der wieder anspringenden Industriekonjunktur profitiert haben. Auch in der Ziegel-, Gips- und Mörtelindustrie waren signifikante Zuwächse festzustellen, während die Bereiche Zement, Beton und Naturstein leichte Rückgänge zu verzeichnen hatten; dabei ist allerdings das erreichte hohe Nachfrageniveau zu berücksichtigen. Insofern haben die spürbaren Materialengpässe im Bau, etwa bei Holz- und Stahlerzeugnissen, bislang keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Steine-Erden-Produktion gehabt. Für das Jahr 2021 insgesamt erwartet der bbs einen leichten Produktionszuwachs in der Größenordnung von real plus zwei Prozent. Die insgesamt positive Lage spiegelt sich auch in den Ergebnissen des ifo-Konjunkturtests für den Bereich Glasgewerbe, Keramik, Steine und Erden wider. Die aktuelle Lage wird von den Unternehmen demnach sehr positiv engeschätzt (Saldo: plus 53 Prozentpunkte). Die Erwartungen sind mit einem Saldo von minus zehn Prozentpunkten inzwischen allerdings mehrheitlich pessimistisch. Angesichts der alles in allem weiterhin positiven Lage der Baukonjunktur erwartet der bbs für 2022 einen leichten Anstieg der Baustoff-Steine-Erden-Nachfrage. Allerdings dürften einzelne Nachfragebereiche, etwa der kommunale Bau, aufgrund angespannter Haushalte zunehmend auf die Investitionsbremse treten. Der Export, der aufgrund der hohen Transportkostenintensität vieler Güter in der Steine-Erden-Industrie nur in einigen Subsektoren von größerer Bedeutung ist, hat sich im Jahresverlauf 2021 wieder stabilisiert (Januar bis August: nominal plus 7,3 Prozent). Im Vorjahr waren die wertmäßigen Ausfuhren noch um 5,6 Prozent zurückgegangen.
Kontakt: Christian Engelke; Tel.: +49 30 7261 999 29; E-Mail: c.engelke@bvbaustoffe.de
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Chemieindustrie: Chemiegeschäft mit ersten Bremsspuren Die rasante Erholung der deutschen Chemie- und Pharmaindustrie nach dem Pandemie-Schock des Vorjahres hat sich im dritten Quartal 2021 abgeschwächt. Die Branche bekam die Auswirkungen der globalen Knappheiten bei Material und Logistik mehr und mehr zu spüren. Zuletzt machte zudem der Anstieg der Energiepreise den Unternehmen zu schaffen. Vor diesem Hintergrund drosselten viele Unternehmen die Produktion. Die Kapazitäten waren nicht mehr so stark ausgelastet wie noch in den vorangegangenen Quartalen. Trotz dieser Bremsspuren im dritten Quartal des Jahres lag die Produktion von Januar bis September 2021 rund 6,5 Prozent über Vorjahr. Steigende Produktionskosten konnten überwiegend an die Kunden weitergegeben werden. Damit konnte auch der Branchenumsatz im In- und Ausland deutlich ausgeweitet werden. Daher waren die Unternehmen mit der aktuellen Geschäftslage weiterhin mehr als zufrieden. Ausblick: Abkühlung im Chemiegeschäft erwartet Der Blick nach vorne hat sich allerdings eingetrübt. Mittlerweile geht die Branche davon aus, dass sich die Geschäftslage im Winterhalbjahr verschlechtert. Gründe hierfür sind die steigenden Energiepreise, die rückläufige Industrieproduktion und die Infektionslage. Seit Jahresbeginn legten die Preise für Öl, Gas und Kohle kräftig zu. Auch für Strom mussten die Verbraucher immer tiefer in die Tasche greifen. Im September und Oktober schnellten die Preise für Gas und Strom noch einmal sprunghaft nach oben. Dies treibt die Produktionskosten in der energieintensiven Chemieindustrie nach oben. Die Ammoniakproduktion musste bereits aufgrund von Wirtschaftlichkeitserwägungen gedrosselt werden. Eine Entspannung wird wohl erst im Frühsommer nächsten Jahres eintreten. Auch bei den Lieferengpässen ist keine Entspannung in Sicht. Die Engpässe wirken sich immer stärker auf die Kundenindustrien aus, die zunehmend die Produktion drosseln – insbesondere in Deutschland, aber auch weltweit. Damit dürfte die Nachfrage nach chemischen Erzeugnissen gebremst werden. Gleichzeitig behindern die Engpässe auch die Produktionsmöglichkeiten der Chemieunternehmen. Und auch die Infektionslage hat sich zuletzt in vielen Ländern wieder verschlechtert. Wegen der erreichten Impfquoten der Bevölkerung wird es zwar keinen harten Lockdown in den Industrieländern mehr geben. Doch die Einschränkungen könnten wieder zunehmen. Das belastet zum einen die globale Wertschöpfungsketten noch zusätzlich und trübt die Stimmung der Konsumenten. Vor dem Hintergrund dieser Belastungsfaktoren rechnet der VCI damit, dass sich das Chemiegeschäft zum Jahresende weiter eintrüben wird. Nach dem bisher starken Jahresverlauf erwartet der VCI trotz des konjunkturellen Dämpfers am Jahresende für das Gesamtjahr aber noch ein Plus der Produktion von 4,5 Prozent. Bei anziehenden Preisen (plus 8,5 Prozent) steigt der Branchenumsatz um 15,5 Prozent auf rund 220 Milliarden Euro. Inlands- und Auslandsgeschäft dürften sich mit ähnlicher Dynamik entwickeln.
Kontakt: Christiane Kellermann; Tel.: +49 69 2556 1585; E-Mail: kellermann@vci.de
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Industriebericht | Industrieproduktion und Handel nach Branchen 22/11/2021
Deutsche Elektroindustrie: Erholung trägt die Branche aktuell sogar über das 2018er Niveau Nachdem die deutsche Elektroindustrie mit einem 2020er Produktionsrückgang von 6,1 Prozent vergleichsweise glimpflich durch das vergangene (Pandemie-)Jahr gekommen ist, liegt der Zuwachs der preisbereinigten Produktion für die ersten neun Monate 2021 bei 11,8 Prozent. Damit hat die Erholung die Produktion nicht nur auf ein Niveau gehoben, das die Verluste aus dem Vorjahr, sondern auch die aus 2019 mehr als aufgeholt hat. Die Entwicklung der nominalen Umsätze ist ähnlich verlaufen. Nach dem Rückgang um 6,2 Prozent auf 181,9 Milliarden Euro im letzten Jahr steht im bisherigen Jahresverlauf (Januar - September) 2021 ein Plus von 11,3 Prozent zu Buche. Auch hier gilt, dass das Umsatzniveau über 2018 liegt und damit einen neuen Höchstwert darstellt. Sowohl die Produktions- als auch die Umsatzentwicklung hinken jedoch den Auftragseingängen hinterher. Diese rangierten in den ersten neun Monaten 2021 26,3 Prozent über Vorjahr. Entsprechend hoch fällt dann auch die Auftragsreichweite aus. Sie markierte im Oktober ein Allzeithoch bei 5,4 (Produktions-)Monaten. Dass Produktion und Umsatz hinter den Auftragseingängen zurückbleiben, dürfte vor allem auch mit einem Mangel an Vorprodukten zusammenhängen. So berichten aktuell fast 85 Prozent der Betriebe aus der Elektroindustrie von Produktionsbehinderungen durch Materialknappheit – der höchste Wert seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 1991. Die Zahl der Beschäftigten in der deutschen Elektroindustrie belief sich zuletzt auf 871 Tausend Mitarbeiter, womit sie nur minimal unter dem Vorjahreswert lag. Auch das Instrument der Kurzarbeit wird seitens der Unternehmen immer weniger eingesetzt. Während sich im Frühjahr 2020 auf dem Höchststand gut zwanzig Prozent der Branchenbeschäftigten in Kurzarbeit befanden, ist dieser Anteil inzwischen nur noch bei zwei Prozent. Das Geschäftsklima der deutschen Elektroindustrie befindet sich weiter im expansiven Bereich, auch wenn es inzwischen zu einer gewissen Abkühlung gekommen ist. Beides gilt sowohl für die Lagebeurteilung als auch für die Erwartungen. Letztere haben sich seit Februar dieses Jahres von sehr hohem Niveau fast stetig eingetrübt. Erstere wurde in den letzten drei Monaten jeweils negativer bewertet als im Vormonat, sodass auch das Geschäftsklima insgesamt nun drei Mal in Folge nachgegeben hat. Gemäß der aktuellen Prognose rechnet der ZVEI – Verband der Elektro- und Digitalindustrie für 2021 mit einem Anstieg der preisbereinigten Produktion der deutschen Elektroindustrie um acht Prozent. Mit Blick auf die höheren Vergleichswerte im Schlussquartal 2020 dürfte sich die tatsächliche Entwicklung dieser Vorhersage in den ausstehenden drei Monaten von oben annähern. Elektroexporte: Erholung auf breiter Front Die Ausfuhren der deutschen Elektroindustrie haben sich – nach dem Rückgang um 5,7 Prozent auf 202,7 Milliarden Euro im Jahr 2020 – im bisherigen Jahresverlauf (Januar - August) 2021 mit einem Anstieg um 12,3 Prozent zum Vorjahr deutlich erhöht. Die Erholung hat dabei regional auf breiter Front stattgefunden. So wurden unter den zehn größten Abnehmerländern heimischer Elektroexporte die Ausfuhren nach China (Platz 1) in den ersten acht Monaten dieses Jahres zum Vorjahreszeitraum um 10,6 Prozent gesteigert. Die Elektroexporte in die USA (Platz 2), die sich zu Jahresbeginn noch etwas schleppender entwickelt hatten, kommen auf ein Plus von 9,6 Prozent. Zweistellige Zuwachsraten wurden im Gesamtzeitraum von Januar bis August 2021 verbucht für die Branchenausfuhren nach Frankreich (Platz 3, plus 18,4 Prozent) und in die Niederlande (Platz 5, plus 18,5 Prozent). Beide waren im vergangenen Jahr aber auch spürbar eingebrochen. Die Elektroexporten nach Polen konnten 2021
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bisher weiter erhöht werden (Platz 4, plus zwölf Prozent). Polen war dabei neben China das einzige Land innerhalb der Top-10, in das die Ausfuhren auch 2020 trotz Corona-Pandemie signifikant gesteigert werden konnten. Die Aussichten auf das zukünftige Exportgeschäft bewerten die Unternehmen der deutschen Elektroindustrie weiterhin zuversichtlich. So befand sich der Saldo der Exporterwartungen mit plus 18 Prozentpunkten im Oktober 2021 weiter im positiven Terrain, wenngleich auch hier der Optimismus in den letzten Monaten etwas nachgelassen hat.
Kontakt: Matthias Düllmann; Tel.: +49 69 6302 329; E-Mail: matthias.duellmann@zvei.org
Gießerei-Industrie: Erholung mit großen Herausforderungen Bei den deutschen Gießereien ist die Stimmungslage im Herbst 2021 durchwachsen. Der Saldo der Gut- und Schlechtbewertungen des Ifo-Institutes liegt im Oktober bei hohen plus 30,8 Punkten. Zwar wurde das vergangene halbe Jahr insgesamt tendenziell positiv bewertet, vielschichtige Herausforderungen setzen einzelne Sparten jedoch teils erheblich unter Druck. Während sich die Auftragslage nach der langen Talfahrt im Vorjahr insbesondere durch eine hohe Nachfrage aus dem Maschinenbau über den Sommer hinweg auf einem sehr hohen Niveau bewegte, wirken sich die Probleme bei der Halbleiterversorgung in der Automobilindustrie stark auf die zuliefernden Gießereien aus. Stornierungen und verschobene Abrufe bei gleichzeitiger Erwartung jeder Zeit liefern zu können, machen eine seriöse Produktionsplanung nahezu unmöglich und treiben zusätzliche Kosten für Lagerhaltung in die Höhe. Auf der anderen Seite bringen die explodierenden Rohstoffkosten und die enorme Dynamik bei den Energiepreisen die Branche insgesamt in eine Gefahrenlage. 40 Prozent der Gießereien gaben im Oktober an, dass Materialengpässe die Produktion behindern. Arbeitskräftemangel schränkt bei der teils guten Auftragslage derweil jedes zweite Unternehmen bei der Produktion ein. Die Gussproduktion in den ersten drei Quartalen stieg um 19,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Während die Eisen- und Stahlgießereien ein Plus von 20,6 Prozent melden, liegen NichtEisen-Metallgießereien bei einem Plus von 14,9 Prozent. Im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Jahres 2019 fällt die Produktion für beide Werkstoffgruppen kumuliert noch rund 20 Prozent geringer aus. Nachdem der Umsatz im Vorjahr um rund 18 Prozent einbrach, ist für das Gesamtjahr 2021 aktuell noch ein Zuwachs von 15 Prozent zu erwarten. Hohe Rohstoff- und Energiekosten drücken gleichwohl das Ergebnis der Unternehmen entscheidend. In den knapp 600 Unternehmen (BDG Erhebung) sind aktuell rund 69.000 Personen beschäftigt. Die Halbleiterkrise in der Automobilindustrie dauert bereits seit Monaten und wird die Branche auch in den kommenden Monaten noch maßgeblich beeinträchtigen. Die damit verbundenen Probleme bei den zuliefernden Gießereien haben sich in den vergangenen Wochen nochmal deutlich intensiviert. Decoupling und internationale Lieferketten Der Umsatz der deutschen Gießereien beziffert sich für die Monate Januar bis August 2021 auf rund 7,6 Milliarden Euro. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum ergibt sich damit ein Minus von 20,6 Prozent. Die Exportquote ist mit rund 33 Prozent stabil geblieben. Der Umsatz im Euro-Ausland ist derweil mit knapp 15,9 Prozent schwächer gewachsen als der Umsatz im übrigen Ausland, welcher um 24,7 Prozent zulegen konnte, wobei der Einbruch im Vorjahr im übrigen Ausland nur geringfügig größer war
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als im Euro-Ausland. Wenngleich eine Rückverlagerung der Produktion nach Europa und der Aufbau von Kapazitäten im verarbeitenden Gewerbe insgesamt im Hinblick auf die Versorgungssicherheit und den Klimawandel erstrebenswert sind, gilt es bereits kurzfristig eine Stabilisierung der internationalen Lieferketten zu erreichen und internationale Handelskonflikte im Sinne des Decoupling unter allen Umständen zu vermeiden. Risiken liegen nicht zuletzt in der Verfügbarkeit von Metallen, die zu einem Großteil in China gewonnen werden.
Kontakt: Tillman van de Sand; Tel.: +49 211 6871 301; E-Mail: tillman.vandesand@bdguss.de
Keramische Industrie Bedingt durch das durch die Pandemie geprägte Jahr 2020 mit heftigen Einbrüchen ist das Jahr 2021 in der Feinkeramischen Industrie durch hohe Zuwächse und volle Auftragsbücher gekennzeichnet. Viele Mitgliedsunternehmen werden bereits in 2021 das Vorkrisenniveau 2019 erreichen. Die Technische Keramik erreicht ein Umsatzwachstum von 14,5 Prozent. Hier zeigt sich bei den Automobilzulieferern allerdings eine volatile Situation, die auch noch dazu führen könnte, dass die Vorkrisenzahlen hier nicht erreicht werden. Weitgehend von negativen Auswirkungen der Pandemie verschont geblieben ist die Sanitär-Keramik. Hier war die Auftragslage in 2020 gut und in 2021 ebenfalls positiv. Anders sieht dies bei den Geschirrherstellern und den Manufakturen aus. Die massiven Umsatzrückgänge des Jahres 2020 können durch das Plus von 7,5 Prozent im Jahr 2021 nicht ausgeglichen werden. Insbesondere das Projektgeschäft ist noch nicht auf Vorkrisenniveau, der angestiegene private Konsum sorgt allerdings insgesamt für einen positiven Trend. Die Hersteller von Ofenkacheln konnten ihr Wachstum von 2020 fortsetzen und verzeichnen im Jahr 2021 einen Zuwachs von 22 Prozent. Die Auftragseingänge deuten an, dass die Keramik das Jahr 2021 mit einem Umsatzplus von ca. 15 Prozent abschließen wird. Als Betreiber von Kleinanlagen, die nicht im EU-ETS sind, führt die nur in Deutschland eingeführte CO2-Bepreisung zu einer Schieflage im Wettbewerb. Deutsche Keramikwerke sind von der Politik mit deutlichen Wettbewerbsnachteilen belastet.
Kontakt: Christoph René Holler; Tel.: +49 9287 80 80; E-Mail: holler@keramverband.de
Luftfahrt: Leichte Erholung im Sommer 2021 aber die Krise dauert an! Das Passagieraufkommen an deutschen Flughäfen und bei den deutschen Fluggesellschaften liegt im Zeitraum Januar bis September auf 26 Prozent des Niveaus von 2019. Auch wenn dieser Wert im dritten Quartal auf ca. 45 Prozent des Vergleichszeitraums 2019 angestiegen ist, befindet sich die Luftverkehrswirtschaft immer noch in der heftigsten Krise seit dem zweiten Weltkrieg und die verkehrliche Wiederbelebung kommt nur zögerlich voran. Dies macht sich auch in einem Rückgang des Umsatzes von 61 Prozent gegenüber 2019 bemerkbar und an einem Abbau der Beschäftigung von zwölf Prozent (Ende September vs. Ende September 2019).
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Der Sommer war insbesondere durch einen starken Urlaubsverkehr nach Süd- und Südosteuropa geprägt teilweise wurde bereits die Nachfrage auf Vorkrisenniveau erreichte. Der Interkontinentalverkehr litt weiterhin unter den starken Reisebeschränkungen und der innerdeutsche Verkehr kehrt auch nur verhalten zurück. Einige Fluggesellschaften berichten über eine Rückkehr der Geschäftsreisenden, aber es fehlen viele relevante Anlässe für berufliche Reisen, wie zum Beispiel Messen und Kongresse. Auch ist der wichtige Geschäftsreiseverkehr nach Asien, insbesondere nach China und Indien, aufgrund der Reisebeschränkungen noch sehr stark begrenzt. Die Preise haben für den deutschen Kunden (Warenkorb des statistischen Bundesamtes) gegenüber 2019 angezogen. Dies betrifft v.a. den Europa- und den innerdeutschen Verkehr. Im Ausblick auf die Entwicklung in den nächsten drei Monaten zeigt sich, dass das Angebot an Sitzen zu ca. 66 Prozent zurückkehrt. Es setzt sich der Trend fort, dass sich der innerdeutsche Verkehr unterdurchschnittlich entwickelt, während der Europaverkehr wieder bei 70 Prozent liegen wird. Die Öffnung des Verkehrs mit den USA auch für Europäer wird die Dynamik im Winterflugplan stark mitbestimmen. Dies umfasst sowohl die Langstrecken wie auch die Zubringerstrecken zu den Drehkreuzen. Vollkommen gegensätzlich entwickelt sich die Luftfracht: Ein stabiles globales, aber auch nationales Wachstum hält seit mehreren Monaten an. Global stieg der Luftfrachtverkehr für den Zeitraum Januar bis September um acht Prozent. Die Luftfracht von und nach Deutschland stiegt um elf Prozent an. Die Gründe sind vielfältig: Nachholeffekte, die Dynamik der globalen Wirtschaft und des Handels aber auch Störungen im Seeverkehr sind hier zu nennen. Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Krise ist nicht vorbei. Die stark verschuldeten Unternehmen müssen mit einer sehr volatilen Verkehrs- und Umsatzsituation umgehen. Neben den finanziellen Problemen zeigt sich das Phänomen, dass die Nachfrage noch sehr spitzenlastig (einzelne Tage / Ferienbeginn) zurückkehrt. Das Handling dieser einzelnen Verkehrsspitzen mit einem krisenbedingt reduzierten Personalstand, das sich an der durchschnittlichen Verkehrsentwicklung orientieren muss, stellt die Unternehmen vor große Herausforderungen. In diesem Zusammenhang ist es insbesondere wichtig, dass die geltende Kurzarbeiterregelung verlängert wird. Nur so können die Flughäfen und Fluggesellschaften einen störungsfreien Betrieb für eine wachsende Nachfrage sicherstellen. Eine besonders problematische Herausforderung ergibt sich dadurch, dass die massiv preiserhöhenden „Fit for 55“-Vorschläge ohne einen Carbon Leakage Schutz für die europäischen Luftverkehrsdrehkreuze und Fluggesellschaften eingebracht wurden. Ohne einen solchen Schutz droht nicht nur erheblicher Carbon Leakage sondern auch eine massive Wettbewerbsbenachteiligung der europäischen Luftverkehrsunternehmen.
Kontakt: Norbert Lübben; Tel.: +49 30 5200 771 30; E-Mail: Norbert.Luebben@bdl.aero
Nichteisen-Metallindustrie Die deutsche Nichteisen(NE)-Metallindustrie blickt trotz voller Auftragsbücher etwas weniger optimistisch ins erste Halbjahr 2022. Maßgeblich hierfür sind zunehmende Materialknappheit und Fachkräftemangel. Bis auf wenige Teilmärkte ist die Auftragslage sehr erfreulich. Von Januar bis September 2021 erzielte die Branche mit 105.000 Beschäftigten in 620 Unternehmen eine Produktion von 5,4 Millionen Tonnen (plus neun Prozent gegenüber dem jeweiligen Vorjahreszeitraum) und einen
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Umsatz von 50 Milliarden Euro. Allein 53 Prozent des Umsatzes entfielen auf das Inland, den bedeutendsten Absatzmarkt. Die Branche setzt sich zusammen aus den Wertschöpfungsstufen Erzeugung (Rohmetall), Halbzeug (erste Bearbeitung zu Bändern, Blechen, Stangen, Profilen, Rohren und Drähten), Weiterverarbeitung (Folien, dünne Bänder, Tuben, Aerosol-, sonstige Dosen und Pulver), Guss und Feuerverzinkung. Die Aluminiumindustrie erzeugte im Zeitraum Januar bis September 2021 839.000 Tonnen Rohaluminium, fünf Prozent mehr als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Die Produktion von Aluminiumhalbzeug belief sich im selben Zeitraum auf zwei Millionen Tonnen und lag damit 13 Prozent über dem Niveau der ersten drei Quartale im Vorjahr. Das Fertigungsvolumen der Aluminiumweiterverarbeitung verringerte sich gegenüber den ersten neun Monaten 2020 um zwei Prozent auf 247.000 Tonnen. Die Buntmetallindustrie (Kupfer, Zink, Blei, Nickel, Zinn und Seltenmetalle) verzeichnete insgesamt mit 1,7 Millionen Tonnen eine Produktion sieben Prozent über den ersten neun Monaten 2020. Darunter zeigten die Hersteller von Halbzeug aus Kupfer und Kupferlegierungen ein besonders dynamisches Produktionswachstum von 15 Prozent auf 650.000 Tonnen. Die NE-Metallgießerei-Industrie produzierte im selben Zeitraum 631.000 Tonnen Gussteile, 15 Prozent mehr als 2020. Die NE-Metallindustrie dürfte im nächsten Jahr das Produktionsniveau des starken Jahres 2018 noch nicht ganz erreichen. Halbzeug: Import dynamischer als Export Der Auslandsumsatz der NE-Metallindustrie belief sich im Zeitraum Januar bis September 2021 auf gut 23 Milliarden Euro. Damit ging die Exportquote auf 47 Prozent zurück. Deutschland ist nicht nur Nettoimporteur von Erz und Konzentrat, sondern auch von Rohmetall. Mit anderen Worten, es wird erheblich mehr Rohmetall importiert als exportiert. Hier spiegelt sich die Abhängigkeit der deutschen Industrie von Importen einiger Rohmetalle wie Aluminium, Nickel, Zink, Zinn und etlicher Seltenmetalle aus dem Ausland wider. Die Rohmetalleinfuhr stieg in den ersten neun Monaten 2021 um 13 Prozent gegenüber dem jeweiligen Vorjahreszeitraum auf 2,8 Millionen Tonnen. Die Ausfuhr von Rohmetall legte um acht Prozent auf 772.000 Tonnen zu. Andererseits ist Deutschland Nettoexporteur von Halbzeug. Die exportstarke Halbzeugindustrie profitierte in den ersten drei Quartalen 2021 von einer höheren Auslandsnachfrage in Höhe von 1,9 Millionen Tonnen (plus sieben Prozent). Dem stand ein Import von 1,6 Millionen Tonnen gegenüber (plus 14 Prozent). Im Ranking der wichtigsten Exportmärkte für die deutsche NE-Metallindustrie fiel das Vereinigte Königreich im Zeitraum Januar bis September 2021 weiter zurück auf Platz zehn. 2018 war es noch der wichtigste Auslandsmarkt. Knapp fünf Prozent der Ausfuhren von Rohmetall und Halbzeug wurden dort nachgefragt. Gegen den allgemeinen Trend brach der Export in das Vereinigte Königreich um weitere 22 Prozent auf 121.000 Tonnen ein. Dagegen stieg die Einfuhr von dort um elf Prozent auf 179.000 Tonnen.
Kontakt: Oliver Eisenberg; Tel.: +49 30 726207 167; E-Mail: eisenberg@gdb-online.org
Maschinenbau: Weiteres Wachstum im kommenden Jahr Im Maschinen- und Anlagenbau in Deutschland übertraf die Produktion ihr Vorjahresniveau in den ersten neun Monaten des Jahres um 7,6 Prozent. Wäre allein der Bestelleingang maßgeblich, hätte es ein deutlich stärkeres Wachstum gegeben. Doch zahlreiche Engpässe beschränken die Produktion. Nach den Ergebnissen des Ifo- Konjunkturtest behinderte in 81 Prozent der Unternehmen Materialmangel die Produktion. Die Bandbreite dringend benötigter Zulieferungen ist lang: Sie reicht von Elekt-
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ronikkomponenten über Stahl bis hin zu Kunststoffen und zu Chemikalien. Doch die Materialzulieferungen sind nicht der einzige Flaschenhals. Nach Ergebnissen der 11. VDMA-Blitzumfrage, die am 2. September abgeschlossen wurde, klagten 71 Prozent der Melder über Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen. Selbst nachdem die Einreise in die USA seit Anfang November wieder möglich ist, würde ein aktuell abgefragtes Ergebnis immer noch viel zu hoch ausfallen. Im Bereich Logistik/Transport hat sich die Situation sogar weiter verschlechtert. Fast zwei Drittel (65 Prozent) der Unternehmen klagten Anfang September über Engpässe in diesem Bereich. Im April waren es 42 Prozent gewesen. Dazu kommt der Fachkräftemangel. 61 Prozent der Befragten sahen ihre Geschäftstätigkeit als merklich oder sogar gravierend behindert an. Die Ausnutzung der Sachkapazitäten stieg inzwischen auf 89,9 Prozent im Oktober und liegt damit erstmals seit Januar 2019 wieder oberhalb des 50-ProzentStreubandes (84,1 und 89,1 Prozent). Trotz all dieser Herausforderungen fällt der Blick auf das gesamte Jahr 2021 positiv aus: 51 Prozent der Maschinenbauer rechneten Anfang September mit einem Umsatzplus von zehn Prozent oder mehr. Das korrespondiert mit der VDMA Produktionsprognose. Sie lautet auf zehn Prozent Wachstum für das laufende Jahr. Die Risken dieser Prognose, die vom Juni dieses Jahres stammt, sind in den letzten Monaten gestiegen. Zwar entwickelt sich der Auftragseingang weiterhin dynamisch, doch gab es bisher weder eine nennenswerte Entspannung bei den Engpässen noch ist absehbar, wann sie sich auflösen. Es ist daher nahezu unmöglich einzuschätzen, wie stark und wie lange sich die Produktion verzögern wird. Für das kommende Jahr sind die Chancen auf weiteres Wachstum groß. Der Ordereingang beläuft sich in den ersten neun Monaten des Jahres auf 36 Prozent plus. Die Inlandsnachfrage stieg um 19 Prozent, die Bestellungen aus dem Ausland legten sogar um 45 Prozent zu. Der Unterschied kann zum Teil durch einen deutlich höheren Anteil an Großanlagengeschäft bei den Auslandsauftragseingängen erklärt werden. Viele Regionen könnten auch im nächsten Jahr wieder zum Wachstum beitragen. In den USA haben einige großvolumige Konjunkturpakete die gesamte Wirtschaft auf Touren gebracht. Darüber hinaus wurde das Gesetz zur Förderung von Infrastrukturinvestitionen verabschiedet. In Europa dürfte der Wiederaufbaufonds der EU für positive Effekte sorgen. Außerdem gibt es einige Vorhaben nationaler Regierungen, die weiteres Wachstum puschen dürften. So soll beispielsweise in Frankreich mit der „Agenda Frankreich 2030“ 30 Milliarden Euro in den kommenden Jahren in grüne und in digitale Vorhaben investiert werden. In Italien können sich private Haushalte und Unternehmen ab dem kommenden Jahr über Steuererleichterungen von rund 23 Milliarden Euro freuen. Summa summarum rechnet der VDMA mit einem Produktionsplus von rund fünf Prozent.
Kontakt: Olaf Wortmann; Tel.: +49 69 6603 1373; E-Mail: olaf.wortmann@vdma.org
Pharmazeutische Industrie Die pharmazeutische Industrie hat sich seit Beginn der Corona-Krise vergleichsweise robust entwickelt: Die Produktionsleistung stieg im vergangenen Jahr trotz der pandemiebedingten Einschränkungen des gesellschaftlichen Lebens um rund 2,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Andere Wirtschaftszweige hatten deutliche Einbußen hinzunehmen und müssen vor allen Dingen seit Monaten mit erheblichen Störungen in den internationalen Lieferketten umgehen. Auch im laufenden Jahr 2021 setzte sich der Aufwärtstrend fort – die Produktionsleistung dürfte nicht zuletzt wegen des Schubs aus der Herstellung von Impfstoffen um kräftige sechs Prozent anziehen. Auch das Auslandsgeschäft, dass im
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vergangenen Jahr rückläufig war, erfährt in diesem Jahr eine Erholung. Die Exporte dürften gegenüber dem Jahr 2020 um rund sieben Prozent steigen. Im kommenden Jahr zeichnet sich eine weitere Expansion der Produktionsleistung um rund vier Prozent ab. Die Dynamik fällt dabei allerdings deutlich geringer aus als in den Sommermonaten dieses Jahres: Dies liegt einerseits daran, dass mittlerweile auch in der Herstellung pharmazeutischer Produkte deutliche Engpässe bei der Belieferung mit Vorprodukten zu beobachten sind. Vor allem Verpackungsmaterialien aus Glas, Kunststoff und Kartonage sind zunehmend schwieriger am Markt zu beziehen. Mittlerweile berichten mehr als zwei Drittel der Hersteller von entsprechenden Problemen. Diese dürften allerdings vorübergehender Natur sein. Beispielsweise fehlt es bei der Herstellung von Papiererzeugnissen an entsprechenden Recyclingmaterialien, da in den Monaten der Pandemie der Papierverbrauch deutlich rückläufig war. Auch andere Rohstoffe dürften allmählich wieder zu beziehen sein, so dass sich die Schwierigkeiten voraussichtlich lösen. Andererseits sind die Produktionskapazitäten im Laufe dieses Jahres deutlich ausgeweitet worden und laufen im Bereich der Impfstoffherstellung an der Kapazitätsgrenze. Angebotsseitig ist daher im kommenden Jahr kein neuerlicher Schub in der Produktionsleistung angelegt. Mit der globalen Erholung und auch der Normalisierung des gesellschaftlichen Lebens dürfte die Nachfrage nach anderen Arzneimitteln und pharmazeutischen Produkten wieder zulegen, was insbesondere eine weitere Belebung des Auslandsgeschäfts bedeutet. Die Auslandsumsätze dürften im kommenden Jahr um gut fünfeinhalb Prozent steigen, sofern die Störungen der Lieferketten keine anhaltenden Schwierigkeiten in der Herstellung bereiten. Die Krise hat gezeigt, wie schnell die pharmazeutische Industrie innovative Produkte entwickeln und Produktionsstrukturen hochfahren kann. Der Technologiesprung im Bereich der Impfstoffentwicklung zeigt die Potenziale der Industrie, die sich auch in harten wirtschaftlichen Kennzahlen niederschlagen. Allein das Unternehmen BioNTech dürfte in diesem Jahr einen Wachstumsbeitrag zum Bruttoinlandsprodukt von gut 0,5 Prozentpunkten leisten. Die damit verbundenen Steuereinnahmen für die Stadt Mainz führen von einem geplanten Defizit in Millionenhöhe in diesem Jahr zu einem Haushaltsüberschuss von mehr als einer Milliarde Euro. Diese Potenziale weiter zu heben, sollte Ziel wirtschaftspolitischer Anstrengungen sein.
Kontakt: Dr. Claus Michelsen; Tel.: +49 30 2060 4120; E-Mail: c.michelsen@vfa.de
Lage der Stahlindustrie Die Stahlmengenkonjunktur in Deutschland hat sich bis zum Herbst 2021 schneller als erwartet von der pandemiebedingten Rezession erholt. Die Rohstahlerzeugung ist von Januar bis September gegenüber dem Vorjahr um rund 16 Prozent angestiegen. Die Auftragseingänge wiesen im gleichen Zeitraum mit plus 17 Prozent ein ähnliches Wachstum auf. Etwas schwächer verlief die Entwicklung bei den Lieferungen. Zuletzt hat der Gegenwind auf die Stahlmengenkonjunktur in Deutschland jedoch spürbar zugenommen. Bremseffekte gingen von den Lieferengpässen im industriellen Bereich aus. Im dritten Quartal kam es bei der Rohstahlproduktion in Deutschland zu einer Wachstumsverlangsamung auf plus zwölf
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Prozent im Vorjahresvergleich. Bei den Auftragseingängen zeigte sich eine noch deutlichere Bremswirkung (minus 20 Prozent zum Vorjahr). Mit einer Auflösung der Verspannungen in der industriellen Wertschöpfungskette wird laut dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung erst im Verlaufe des Jahres 2022 gerechnet. Für das globale Umfeld gilt ein ähnliches Konjunkturbild: Auch hier ist bis zuletzt eine breit angelegte Erholung zu erkennen. Das 2019-er Niveau ist in den meisten Ländern wieder erreicht bzw. überschritten. Für die EU rechnet der europäische Stahlverband „Eurofer“ nach dem Einbruch im letzten Jahr (minus elf Prozent) 2021 mit einem kräftigen Rebound der Stahlnachfrage von plus 13 Prozent. Die EU-Stahlnachfrage bliebe damit aber mit rund 146 Millionen Tonnen noch unter dem Level des Jahres 2018. In China hat sich nach der raschen Krisenbewältigung die Stahlmengenkonjunktur abgekühlt. Zum einen hat die Nachfrage aus dem Baubereich (Immobilien und Infrastruktur) stark nachgelassen, zum anderen belasten emissionssenkende Maßnahmen (einschließlich Energieeinsparung) die Industrieproduktion. Infolgedessen hat der Weltstahlverband inzwischen seine ursprünglich positive Einschätzung für 2021 zurückgenommen und geht nun von einem Rückgang der chinesischen Stahlnachfrage um ein Prozent aus. Insgesamt wird für die globale Marktversorgung Stahl mit einem Nachfragezuwachs um 4,5 Prozent in diesem und um rund zwei Prozent im kommenden Jahr gerechnet.
Kontakt: Bernhard Krischer; Tel.: +49 211 6707 963; E-Mail: Bernhard.Krischer@wvstahl.de
Stahl- und Metallverarbeitung: Produktion nach 3 Quartalen 14 Prozent über Vorjahr Die Produktion der Stahl und Metall verarbeitenden Betriebe in Deutschland hält sich auch nach drei Quartalen zweistellig über dem Vorjahresniveau. Das Plus von 14 Prozent gegenüber den ersten neun Monaten des Pandemiejahres 2020 dürfte sich zum Jahresende hin jedoch weiter abschwächen, darauf deuten nicht nur die sinkenden Zuwachsraten der WSM-Branchen hin, sondern auch die Entwicklungen in der wichtigsten Kundenbranche, der Automobilindustrie. Dort führen die Engpässe in den Lieferketten zu erheblichen Produktionsausfällen, der VDA geht inzwischen von einer um 18 Prozent niedrigeren Pkw-Herstellung in Deutschland gegenüber dem bereits schwachen Niveau des Jahres 2020 aus, bis September wurden drei Prozent weniger Fahrzeuge fertiggestellt. Die Rückgänge schlagen demnach zumindest nicht unmittelbar und vermutlich auch nicht in vollem Umfang auf die zuliefernden Stahl- und Metall-Verarbeiter durch. Daher könnte deren Branchenwachstum bis zum Jahresende noch knapp zweistellig bleiben. Dennoch bedeuten die kurzfristig stark schwankenden Lieferabrufe in Verbindung mit exorbitanten Kostensteigerungen existenzielle Herausforderungen. Während die WSM-Produktion insgesamt im September nochmals um 3,2 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat gestiegen ist, verzeichnen automobillastige Segmente auf Monatsbasis bereits Rückgänge, die jedoch deutlich geringer ausfallen als der 44-prozentige Einbruch der Automobilhersteller. Die Entwicklung der Auftragseingänge deutet auf eine weiterhin stabile Nachfrage hin, die derzeit offenbar nicht vollständig bedient werden kann. Von Januar bis September 2021 sind 28,7 Prozent mehr Aufträge verbucht worden als im Vorjahreszeitraum. Weiterhin sehr dynamisch zeigt sich die Auslandsnachfrage mit einem Plus von 37,2 Prozent, während inländische Kunden 24,1 Prozent mehr bestellt haben. Im September führten Rückgänge im Inland um 11,8 Prozent und im Ausland um drei Prozent zu einer insgesamt 8,6 Prozent niedrigeren Nachfrage.
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Trotz der aktuell nachlassenden konjunkturellen Dynamik blicken die Unternehmer der Stahl und Metall verarbeitenden Industrie laut ifo-Geschäftsklima-Umfrage im Oktober mit etwas geringerer Skepsis in das Jahr 2022 als der Durchschnitt des Verarbeitenden Gewerbes. Während sich die Stimmung im Aggregat des Verarbeitenden Gewerbes angesichts der anhaltenden Versorgungsengpässe weiter eintrübt, haben die WSM-Teilnehmer ihre Einschätzungen der zukünftigen Geschäftsentwicklung auf dem Niveau des Vormonats tariert (plus 0,7 Saldenpunkte). Demnach könnten sich die derzeit noch festgefahrenen Bremsen – die Einschätzung der aktuellen Geschäftslage fällt um 9,5 Punkte negativer aus – ab dem zweiten Quartal 2022 allmählich lösen und bei dann hoffentlich wieder stabiler Materialversorgung ausgefallene Produktion nachgeholt werden. Bis dahin gilt es allerdings, die immensen Herausforderungen durch gemeinsame Anstrengungen in den Lieferketten zu bewältigen. Unvermeidbare Kostenbelastungen müssen fair und partnerschaftlich diskutiert und angemessen kompensiert werden. Auch die neue Bundesregierung muss ihren Beitrag leisten, indem zumindest die staatlich veranlassten Energiepreisbestandteile weitestmöglich reduziert werden, sodass zumindest in Europa Wettbewerbsfähigkeit erhalten bleibt.
Kontakt: Holger Ade; Tel.: +49 233 1958 821; E-Mail: hade@wsm-net.de
Impressum Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) Breite Straße 29 10178 Berlin T: +49 30 2028-0 www.bdi.eu Autor Thomas Hüne T: +49 30 2028 1592 t.huene@bdi.eu Redaktion / Grafiken Dr. Klaus Günter Deutsch T: +49 30 2028 1591 k.deutsch@bdi.eu Marta Gancarek T: +49 30 2028 1588 m.gancarek@bdi.eu
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