Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst
ISSN 1437-8337
Nr. XII / 37. Jg / 50. Woche
Berlin und Bonn / Dezember 2021
Schlüssel zur Fehlervermeidung Dr. Oliver Hermann über Bürgerbeteiligung in Wittenberge........................................... Seite 17
Kompetenzzentrum kommt
(BS/mfe) Auf der Innenministerkonferenz (IMK) wurde die Verwaltungsvereinbarung für ein neues Bund-Länder-Kompetenzzentrum für Krisenmanagement und Krisenprävention verabschiedet. Das Zentrum soll schon im kommenden Jahr seine Arbeit aufnehmen. Zudem soll ein neues IT-gestütztes Frühwarnsystem zur Identifikation und Bekämpfung von Krisen aufgebaut werden. Bei diesem Warnsystem ist der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) geplant. Nach Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius, der in der IMK als Sprecher der SPDgeführten Ressorts (sogenannte “A-Länder”) fungiert, braucht es mehr Kompetenzbündelung in diesem Bereich. Die Trennung zwischen Zivil- und Katastrophenschutz habe sich überlebt.
250 Millionen Euro bis 2025
(BS/mj) Bis 2025 haben Städte und Gemeinden aller Größenklassen Zeit, Maßnahmen zur Entwicklung ihrer Innenstädte und Zentren umzusetzen. Die für das Bundesprogramm “Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren” vorgesehenen Mittel wurden im Sommer dieses Jahres, auf Beschluss des Bundestages von ursprünglich 25 Millionen Euro um das Zehnfache auf 250 Mio. Euro erhöht. Das Programm soll vor allem konzeptionelle Maßnahmen von rund 240 Kommunen fördern und legt den Fokus auf langfristige, resiliente und krisenfeste Entwicklung. “Die zentralen Stadtbereiche sollen damit als lebendige und attraktive Orte für Handel, Gewerbe, Bildung, Kultur, Wohnen und Freizeit weiterentwickelt werden”, beschreibt ein Sprecher des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) das Ziel des Förderprogramms. Und die positive Resonanz auf den Projektaufruf zeige den großen Handlungsbedarf in den Innenstädten.
www.behoerdenspiegel.de
Landespolizei weiterentwickeln
Sprengmeister mit viel Erfahrung
Innenministerin Dr. Tamara Zieschang über ihre Ziele................................................... Seite 59
Gerd Fleischhauer über den Kampfmittelbeseitigungsdienst............................................... Seite 71
Die neue Dreifarbigkeit
Klares Bekenntnis pro Bonn
(BS/tr) Wichtige Weichenstellung für Bonn: Die künftige Bundesregierung bekennt sich im Koalitionsvertrag zum BerlinBonn-Gesetz und kündigt einen Zusatzvertrag an. “Es ist ein starkes und wichtiges Zeichen der Stärkung für Bonn und die Region durch die künftige Regierung”, begrüßt Bonns Oberbürgermeisterin Katja Dörner das Bekenntnis. Man werde sich mit Nachdruck für die Einhaltung der Versprechen einsetzten. “Es ist von zentraler Bedeutung, Bonn als zweites bundespolitisches Zentrum zu benennen”, so Dörner. Im Koalitionsvertrag werden vor allem die Stärkung und der Ausbau der ansässigen Zukunftscluster sowie der UNStandort Bonn benannt.
G 1805
Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung (BS/Uwe Proll/Jörn Fieseler) 177 Seiten umfasst der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP mit dem Titel “Mehr Fortschritt wagen”. Wie bei Koalitionsvereinbarungen üblich, enthält das Dokument viele Allgemeinplätze, aber auch sehr konkrete Vorhaben und sogar Ungewöhnliches. Auch mit Blick auf den Öffentlichen Dienst. Zwei Dinge unterstreichen jedoch die Andersartigkeit dieses Dokumentes und das Gefühl einer neuen Zusammenarbeit der Koalitionsparteien. Zugleich ist nicht alles positiv zu bewerten. “Die Verwaltung soll agiler und digitaler werden. Sie muss interdisziplinäre und kreative Problemlösungen setzen. Wir werden sie konsequent aus der Nutzungsperspektive heraus denken. Wir wollen das Silodenken überwinden und werden feste ressort- und behördenübergreifende, agile Projektteams und Innovationseinheiten mit Kompetenzen ausstatten. Wir werden proaktives Verwaltungshandeln durch antragslose und automatisierte Verfahren gesetzlich verankern”, heißt es an prominenter Stelle zu Beginn des Textes. Zugleich soll der Öffentliche Dienst attraktiver gestaltet werden. Aber wie? Hier schweigen die Koalitionäre weitestgehend. Schaut man mal zurück, waren die Ansätze hierzu in der letzten SPD-geführten Bundesregierung bis Ende 2006 deutlich radikaler und zukunftsweisender. Damals ging es um eine wirkliche Veränderung der Struktur des Öffentlichen Dienstes und eine durchaus signifikante Veränderung des Beamtenrechts. Der Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition bleibt hinter diesen damaligen Vorstellungen, die besonders von Ex-Bundesinnenminister Otto Schily getrieben wurden, doch weit zurück. Einzig der Personalaustausch und die Rotation zwischen Behörden, zwischen Bund und Ländern sowie zwischen Verwaltung und
Wann kommt es bei der Bundesregierung zum ersten Sündenfall, der den ganzen Korb ansteckt? Foto: BS/grey, stock-adobe.com
Privatwirtschaft sind genannt. Wie das beamtenrechtlich umgesetzt wird, ist noch völlig offen. Die neue Innenministerin, die hessische SPD-Landesvorsitzende Nancy Faeser, hat hier Spielräume für die konkrete Ausgestaltung. Das ist der Vorteil von Allgemeinsätzen. Anders etwa beim Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur. Bis 2030 sollen eine Million öffentliche und diskriminierungsfrei zugängliche Ladepunkte in Deutschland vorhanden sein. An
solchen Aussagen wird man sich künftig messen lassen müssen. Und dass die Koalitionäre an die Sozialpartner in Kommunen und bei den Gewerkschaften appellieren, einen eigenständigen Tarifvertrag für die Beschäftigten im Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) zu schaffen, ist in dieser Form noch nicht vorgekommen. Der unterschiedliche Detailierungsgrad der Formulierungen ist ein Zeugnis der Vorbereitung des Textes. Manche der 22 Ar-
beitsgruppen haben sehr ergebnisorientiert gearbeitet, konkrete Schritte und Projekte benannt. Andere sind strategischer vorgegangen, haben es bei allgemeineren Aussagen bewenden lassen. Zugleich zeigt der Vertrag die neue Art der Zusammenarbeit. Denn zwei Querschnittsthemen durchziehen den Koalitionsvertrag in einer Art und Weise, dass die Bezeichnung Querschnittsthema berechtigt ist: Digitalisierung und Klima.
Kommentar
Der DBB braucht mehr Frauen (BS) Im November 2022 steht der nächste Gewerkschaftstag des DBB Beamtenbunds und Tarifunion (DBB) an. Schon jetzt positionieren sich die Kandidaten. Während die Spitze der Bundesleitung für eine zweite Amtszeit kandidieren will, ist die Frauenfrage noch offen – leider. Die Kandidatenkür beim DBB ist immer eine Frage des Einflusses der Landesbünde und der größeren Fachgewerkschaften von Beamten und Tarifbeschäftigte. Schon ein Jahr vor den Wahlen positionieren sich die Kandidaten, um diesem ausgeklügelten System Rechnung zu tragen. Dabei wird einmal mehr deutlich: Frauen sind im Bundesvorsitz mit seinen sechs Stellvertreterposten selten. Insbesondere in diesem Jahr. Neun Personen müssen gewählt werden, sieben Männer haben ihre Kandidatur bekannt gegeben. So stellt sich der DBB-Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach ebenso zur Wiederwahl wie die beiden Fachvorstände Friedhelm Schäfer (Beamtenpolitik) und Volker Geyer (Tarifpolitik). Bei einer Wiederwahl wäre dies die dritte Amtszeit eines Tarifbeschäftigten
an der Spitze des Beamtenbundes. Und Silberbach ist intern nicht unumstritten. Der neuen Bundesleitung wird einer der jetzigen Stellvertreter nicht mehr angehören: Thomas Eigenthaler, Chef der Deutschen Steuergewerkschaft (DStG), wird nicht mehr antreten. Anders Claus Weselsky (Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer), Maik Wagner (Gewerkschaft der Sozialversicherung) und Jürgen Böhm (Verband Deutscher Realschullehrer). Alle drei haben ihre Kandidatur zur Wiederwahl schon bekannt gegeben. Und auch Andreas Hemsing, Chef der Komba, tritt an. Bei den zwei weiblichen Mitgliedern ist aktuell unklar, ob sie sich wieder zur Wahl stellen. Kirsten Lühmann hat sich noch nicht positioniert. Ihre Chancen werden als gering eingeschätzt,
nachdem sie nicht mehr für die Bundestagswahl angetreten war und auch die Wahl um den Bundesvorsitz der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) gegen Rainer Wendt verloren hat. Und auch von Astrid Hollmann hat man bisher noch nichts vernommen. Karoline Herrmann (DBB Jugend) und Milanie Kreutz (DBB Frauen) sind über ihre Ämter schon in der Bundesleitung kooptiert, allerdings ohne Stimmrecht. Der DBB braucht dringend mehr Frauen. Andrea Sauer-Schnieber (DStG NRW), Simone Fleischmann (Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband) oder Sabine Schumann (DPolG Berlin) sind nur einige der möglichen Kandidatinnen. Sie und andere Frauen sollten sich trauen. Dem Verband würde mehr Weiblichkeit in der Bundesleitung guttun. Jörn Fieseler
Durchstarten
Landwirtschaft, Verkehr, Gesundheitswesen und vor allem die Verwaltung – in jedem Bereich soll die Digitalisierung mitgedacht werden. Man darf gespannt sein, wie die Zuständigkeit des neuen Verkehrsministeriums unter Volker Wissing (FDP) mit der zusätzlichen Aufgabe Digitales im Ressortkreis zurechtkommen wird. Und inwiefern er den anderen Ministerien bei diesem Thema Vorgaben machen kann und darf. Gleiches gilt für das Klima und den Klimaschutz. Ganze 196mal findet sich das Wort “Klima” im Koalitionsvertag wieder. Sämtliche Lebensbereiche sollen unter dem Gesichtspunkt Klimaschutz betrachtet und jedes Gesetz soll einem Klimacheck unterzogen werden. Auch hier wird man sehen, wie sich Klimaschutzminister und Vizekanzler Robert Habeck in Zukunft schlagen wird. Trotz zahlreicher Vorhaben gibt es aber auch Abstriche. Vor allem bei der Bundespolizei. Es scheint, als gebe es eher ein Misstrauen gegen die Gesetzeshüter in Uniform. Wie sonst soll man es bezeichnen, wenn erlaubte Instrumente zurückgenommen werden, wie die biometrische Auswertung von Videoüberwachung, die Telekommunikationsüberwachung für die Bundespolizei und die Online-Durchsuchung.