Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst
ISSN 1437-8337
Nr. VII / 38. Jg / 27. Woche
Berlin und Bonn / Juli 2022
www.behoerdenspiegel.de
Schlankes Modell, breiter Service
Zwischen EncroChat und DFL
Im Sinne der Verhältnismäßigkeit
Michael Boddenberg zur Grundsteuer in Hessen ......................... Seite 7
Bremens Innenminister Mäurer zur Auseinandersetzung mit der Deutschen Fußball Liga �� Seite 38
Laura Stieg: Wenn es die Bauaufsicht ins Fernsehen schafft ������������������������������ Seite 48
Jeder Übergriff ist einer zu viel
Hilfeleistungsgesetz soll reformiert werden (BS/mfe) Der Bremer Senat hat über das Gesetz zur Änderung des Hilfeleistungsgesetzes beraten. Eine wesentliche Änderung betrifft die Feuerwehr. Bislang gab es in Bremen brandschutztechnische Begehungen von Gebäuden mit erhöhtem Brandrisiko (sog. Brandverhütungsschauen) lediglich anlassbezogen. Den beiden Stadtgemeinden wird mit der neuen Regelung die Möglichkeit eingeräumt, die Details zur Durchführung von Brandverhütungsschauen in einem Ortsgesetz festzulegen und für die Umsetzung refinanziertes Personal vorzusehen. Im Rettungsdienst ändert sich das Einsatzspektrum stetig. Die Einsatzzahlen steigen kontinuierlich. Außerdem wirken sich der demografische Wandel und der Fachkräftemangel aus. Für ein flexibles und kurzfristiges Reagieren auf diese Herausforderungen soll eine Experimentierklausel ins Gesetz aufgenommen werden.
Flächenziele für Windräder
(BS/mj) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) planen Flächenziele für Windräder von 1,4 Prozent der Bundesfläche bis 2026 und zwei Prozent bis 2032. Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, begrüßte die Entscheidung und erklärte, dass dafür auch die Ausbaugeschwindigkeit erhöht werden müsse. Verfahren müssten schneller und bürokratische Hürden abgebaut werden, ohne den Artenschutz und Landschaftsschutz gegeneinander auszuspielen: “Die Länder müssen liefern und überregional verbindlich diese Flächen für jedes Land ausweisen. Gleichzeitig muss klar festgelegt werden, für welche Gebiete Windanlagen tabu sind, weil dort bedrohte Vögel brüten”, so Dedy. Adressfeld
G 1805
Studie offenbart Dunkelfeld bei Gewalt gegen Beschäftigte / Alle sind gefordert (BS/Jörn Fieseler) Jeder vierte Beschäftigte im Öffentlichen Dienst ist das Opfer von Beleidung, Bedrohung, (versuchter) Körperverletzung, (versuchter) Tötung oder von sexuellen Übergriffen geworden – kurzum von Gewalt. So das Ergebnis einer neuen Studie. Besonders dramatisch: die Größe des Dunkelfeldes. 70 Prozent aller Vorfälle werden nicht gemeldet. Die Gründe sind vielfältig, werfen jedoch kein gutes Licht auf die öffentlichen Arbeitgeber. Es ist Zeit, zu handeln. Über die Arbeit und die Arbeitsstätte hinaus. “Wir müssen mehr tun, um die Menschen zu schützen, die unser Land jeden Tag am Laufen halten – ob auf dem Amt oder als Retter in der Not”, betont die Chefin des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI), Nancy Faeser (SPD), anlässlich der Vorstellung der Studie “Gewalt gegen Beschäftigte im Öffentlichen Dienst”. Das sei nicht nur ein Gebot der Fürsorgepflicht des Dienstherrn oder Arbeitgebers, sondern auch eine Frage des Schutzes der Demokratie vor Verrohung, Hass und Gewalt. Die im Auftrag des BMI zusammen mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und dem DBB Beamtenbund und Tarifunion (DBB) erstellte Studie “offenbart enorme Lücken”, sagt Yasmin Fahimi, Vorsitzende des DGB. Zwar haben rund 25 Prozent der Beschäftigten schon Gewalt gegen sich erlebt, doch nur drei von zehn Fällen werden gemeldet. “Wichtig ist, jeden Übergriff ernst zu nehmen, zu melden und zur Anzeige zu bringen. Hier darf es keine falsche Scham und keine Hürden geben”, fordert deshalb Bundesinnenministerin Faeser. Allerdings glauben 56 Prozent der Befragten, eine Meldung würde nichts bringen. 55 Prozent sehen die Übergriffe als nicht meldungswürdig an. Für ein Drittel ist der bürokratische Aufwand zu hoch. Schockierend sind jedoch drei
Beleidigungen, Bedrohungen oder Körperverletzungen: Die Zahl derer, die im Öffentlichen Dienst Opfer von Gewalt geworden sind, ist erschreckend hoch. Noch schlimmer: Die meisten Fälle werden nicht gemeldet. Foto: BS/unitypix, stock.adobe.com
andere Aspekte: Erstens kritisieren 17 Prozent, von der Behörde gebe es keine Unterstützung. Jeder Zehnte ist der Ansicht, dass zweitens eine Meldung nicht gern gesehen sei und hat drittens Angst, selbst Konsequenzen ertragen zu müssen. Drei Prozent gaben sogar an, Vorgesetzte hätten angewiesen, den Übergriff nicht zu melden. “Das sind unhaltbare Zustände,
die die Arbeitgeber beseitigen müssen”, fordert Fahimi. Dazu gehöre, die Führungskräfte für die Wichtigkeit von Präventivund Nachsorgemaßnahmen zu sensibilisieren – und möglichst unkomplizierte Meldeverfahren zu etablieren, so die DGB-Vorsitzende. Ulrich Silberbach, Vorsitzender des DBB, fordert: “Wir brauchen bundesweit umfängliche Handlungsempfehlungen,
um die Kolleginnen und Kollegen nachhaltig zu schützen. Und ihnen in dem Fall, der dann trotz bestmöglicher Prävention doch eintritt, konsequent und sofort zur Seite zu stehen.” Faeser verlangt über den Schutz der Beschäftigten hinaus: “Die Täter müssen hart verfolgt werden.” So wichtig und richtig der breite Konsens ist, dass jede Attacke auf die Repräsentanten und
Beschäftigten des Staates ein Angriff auf die demokratischen Institutionen und Werte ist, so fehlt ein entscheidender Ansatz bei der Prävention. Es reicht nicht, die Beschäftigten aufzufordern, jeden Vorfall zu melden. Es reicht nicht, Führungskräfte zu sensibilisieren und Betroffene bestmöglich zu unterstützen. Es reicht auch nicht, die Täter hart zu verfolgen. Viel wichtiger ist der gesellschaftliche Diskurs über einen respektvollen Umgang miteinander. Dafür ist die Ergebnispräsentation der jüngsten Studie ein geeigneter Anlass. Doch auch schon die Untersuchung der Körber-Stiftung mit dem Titel “Angriffe auf die Kommunalpolitik. Hass und Gewalt entgegentreten” war ein solcher Anlass. Der Diskurs ist nicht nur anzufachen, sondern er muss am Lodern gehalten werden. Die Kampagne des DGB “Vergiss nie, hier arbeitet ein Mensch”, ist dazu ein richtiger Ansatz. Ebenso die Unterzeichnung der “Hannoverschen Resolution” durch den niedersächsischen Landesinnenminister Boris Pistorius (SPD) und den Vorsitzenden des Deutschen Feuerwehrverbandes, Karl-Heinz Banse, gegen Gewalt gegen Einsatzkräfte (siehe Seite 42). Vor allem aber im Alltag und in den Sozialen Medien muss diese Debatte geführt werden.
Kommentar
Ausschreibung hängt (BS) Der Wettbewerb um den Rahmenvertrag für P20 ist nach der fachlichen Entscheidung für das von Accenture geführte Konsortium aufgrund einer Beschwerde eines anderen Anbieterkonsortiums in die Vergabeprüfung gegangen. Die Vergabekammer beim Bundeskartellamt hat nicht entschieden, sondern zur mündlichen Anhörung geladen. Das verzögert den Zuschlag. Ziel der Rahmenvereinbarung zur Umsetzung der digitalen Transformation der Polizeien hierzulande ist es, in den nächsten Jahren im Zusammenspiel mit der P20-Progammleitung Konzeption, Planung, Aufbau, Migration und Transformation zu einer gemeinsamen, modernen und einheitlichen Informationsarchitektur für die Polizeien des Bundes und der Länder zu realisieren. Diese Aufgabe umfasst die Koordination und Integration des geplanten gemeinsamen P20-Datenhauses mit allen derzeitigen und künftigen Teilprojekten. Hierzu bedarf es einer langfristigen Organisation von Projektmanagement und Governance, um die Akteure in Bund und Ländern einzubinden, darunter polizeiliche Ansprechpartner, aber auch externe
Dienstleister wie Dataport, Bundesdruckerei und Datenzentren in den Ländern. Sollten alle Teilnehmer des nun klagenden Konsortiums weiterhin bei der Stange bleiben, wird das Ganze wohl beim Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf landen, wo erfahrene Richter in Sachen Vergabestreitigkeiten sitzen. Doch das ist noch nicht ausgemacht. Denn die Beschwerde könnte nach Expertenmeinung schon bei der Vergabekammer des Kartellamtes scheitern. Dennoch bliebe dem Konsortium um Materna der Weg zum OLG offen. Allerdings liegen der Behörden Spiegel-Redaktion Informationen vor, dass darüber Uneinigkeit innerhalb des Konsortiums herrscht. Derweil ist die Ausschreibung für die Ergänzung des BOS-Digi-
talfunks um breitbandige Dienste entschieden. Alle teilnehmenden Wettbewerber sind dabei: Telekom, Vodafone und Telefónica. Die Leistungsbeschreibungen der Anbieter stehen nun den Bundesländern zur Einsicht zur Verfügung. Nach vier Wochen soll dann zugestimmt werden. Nicht dabei ist 1&1, die noch nicht über ein flächendeckendes Netz verfügen. Bei der Ausschreibung blieb ebenfalls die Frage unberücksichtigt, wie zukünftig ein Management gestaltet werden soll, wenn ein Mix aus Anbietern, Ländern, Endgeräten und Software schon jetzt die Diversität der Polizei und der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehrbehörden zeigt. Uwe Proll
Einstimmung auf den Winter