Behörden Spiegel Juli 2022

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Wehrtechnik

Behörden Spiegel / Juli 2022

Die Attraktion auf der Eurosatory

MELDUNGEN

CAVS als Nachfolger der Füchse

(BS/df) Am 14. Juni unterzeichneten Vertreter des deutschen und finnischen Verteidigungsministeriums eine Absichtserklärung, mit der Deutschland dem finnisch geführten CAVSProgramm (Common Armoured Vehicle System) beitritt. Bei den CAVS-Fahrzeugen handelt es sich um 6x6-Radfahrzeuge vom finnischen Unternehmen Patria, diese sollen die deutschen Füchse ablösen. Beim CAVS-Programm wurde eine Modularität ähnlich wie beim Boxer gewählt. Auf einer Plattform sollen die verschiedenen Variationen realisiert werden. Aktuell gibt es bereits die Version Führungsfahrzeug sowie gepanzerter Mannschaftstransporter, weitere sind geplant, wie beispielsweise eine Amphibie mit Schwimmfähigkeit oder ein Mörser. Die NATO-STANAGSchutzklasse liegt regulär bei Level zwei, optional bei Level vier. Ein höheres Schutzniveau bedeutet allerdings auch mehr Gewicht, dabei liegt der Vorteil dieses Fahrzeugs darin, dass es weniger als die Hälfte des Gewichtes des Boxers auf die Straße bringt. Hinzu kommt ein gegenüber dem Boxer deutlich geringerer Stückpreis. Mit dem CAVS-Beitritt wird Deutschland das fünfte Land, das sich an der ersten Stufe des multinationalen Programms beteiligt. Finnland, Lettland und Estland nehmen seit 2019 an dem Programm teil, Schweden seit 2021. Im Rahmen des Programms bestellte Lettland im August 2021 mehr als 200 geschützte Mannschaftstransporter, von denen Patria bereits über ein Dutzend geliefert hat. Finnland unterzeichnete im August 2021 eine Absichtserklärung für 160 neue Mannschaftstransporter, die Vorserienlieferungen erfolgen im Juni. Schweden folgte Anfang dieses Monats mit einer Vereinbarung für eine Forschungs- und Produktentwicklungsphase. Patria ist als ausgewählter Anbieter der 6x6Fahrzeugplattform für die Systementwicklung im Rahmen von CAVS verantwortlich.

Exoskelett für Soldaten

(BS/df) Alle Streitkräfte haben das Problem, welches Gewicht den Soldaten noch zumutbar ist. Vor allem die Schutzsysteme sind für den Großteil der zu tragenden Kilos verantwortlich, aber auch die Digitalisierung mit Elektronik und Akkus verschärft die Situation. Dabei belegen zahlreiche Studien, dass moderne Soldaten die Grenze der Belastbarkeit bereits erreicht oder sogar überschritten haben. Eine mögliche Lösung dieses Problems zeigte Mawashi auf der Eurosatory: Das Ultralight Passive Ruggedized Integrated Soldier Exoskeleton (UPRISE). Dabei handelt es sich um eine ergonomische, passiv lasttragende Titanstruktur, welche dem Soldaten dynamische und unvorhersehbare Bewegungen trotz großer Lasten ermöglicht. Es ist also keine maschinell betriebene, sondern eine rein mechanische Lösung. UPRISE besteht aus einer gelenkigen Wirbelsäule, einem verschiebbaren Gürtel für die Rotationsfreiheit des Rumpfes, zwei Beinabschnitten mit funktionellen Hüft-, Knie- und Knöchelgelenken, die den Körperbewegungen folgen, und zwei in das Schuhwerk integrierten lastübertragenden Sohlen. Durch diesen Aufbau ergibt sich eine effektive Lastübertragung und Lastableitung auf den Boden.

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Der neue deutsche Kampfpanzer KF51 Panther (BS/Dorothee Frank) Es sind besondere Zeiten. Die Rüstungsindustrie, die bisher zwischen Schattendasein und Pfui existierte, ist plötzlich Vogue geworden. Menschen diskutieren öffentlich über die Vorteile von Flugabwehrsystemen und die Eurosatory, die größte Rüstungsmesse Europas, erhielt erstmals eine wohlwollende Aufmerksamkeit in Deutschland. Während bei früheren Eurosatorys Kamerateams der öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehsender wenig beliebt waren, weil sie vor allem versuchten, dunkelhäutige Menschen an Gewehren und anderen Systemen einzufangen und dann zu berichten, dass solche Messen die Kriegstreiberei schürten und Deutschland doch statt Waffen lieber Kindergartenstühle oder Gemüsesamen exportieren solle, wurde diesmal sogar die Präsentation eines neuen deutschen Kampfpanzers lobend erwähnt. Und der Chef eines Rüstungskonzerns konnte im Interview mit der ARD erläuternde Worte über diesen neuen Kampfpanzer verlieren, ohne dass vor und nach seinem Statement Entwicklungshelfer oder Altfriedensbewegte sich negativ über deutsche Waffenproduktionen äußerten.

Vollständig digitalisiertes Konzept Mit diesem Kampfpanzer war Rheinmetall aber auch eine große Überraschung gelungen. Ohne Beteiligung der anderen deutschen Panzerschmiede präsentierte das Unternehmen ein durchdachtes, ausgefeiltes Konzept für den Kampfpanzer der Zukunft. Der KF51 Panther erfindet natürlich nicht den Panzer neu, verbindet allerdings einige neue Systeme und Technologien in seinem Konzept, sodass er sich deutlich vom aktuellen Leopard abhebt. So werden die Sensoren, Effektoren, Rechner und Bedienkonsolen über eine vollständig digitalisierte und natürlich NGVA-konforme Architektur miteinander verbunden. Beim Panther wurde die Digitalisierung dabei direkt im Design mitgedacht und nicht erst nachträglich implementiert, was die Durchgängigkeit, Störfestigkeit und den Betrieb deutlich verbessert. Bei den Bedienplätzen realisierte das Unternehmen ein besonders

Rheinmetall präsentierte mit dem KF51 Panther einen neuen, rein durch das Unternehmen entwickelten Kampfpanzer auf der diesjährigen Eurosatory. Foto: BS/Oliver Hoffmann

interessantes Konzept. Ausgelegt ist der Panther auf eine DreiPersonen-Besatzung (Kommandant und Richtschütze im Turm, Fahrer im Fahrgestell), es ist im Fahrgestell allerdings noch ein zusätzlicher, vierter Bedienerplatz vorgesehen. Hier könnte ein Waffen- oder Systemspezialist oder Führungspersonal wie der Kompaniechef bzw. Bataillonskommandeur sitzen. Dies trägt dem zunehmend mit Spezialsystemen durchsetzen künftigen Gefechtsfeld Rechnung, da von diesem zusätzlichen Bedienerplatz aus etwa Drohnenschwärme geleitet oder Störmaßnahmen koordiniert werden könnten. Aufgrund der vollständig digitalisierten Architektur gemäß dem Standard der NATO “Generic Vehicle Architecture (NGVA)” ist eine nahtlose Integration von Sensoren und Effektoren sowohl innerhalb der Plattform als auch im Verbund mit anderen Systemen möglich. Dies bedeutet, dass jeder Bedienplatz die Aufgaben von jedem anderen Bedienplatz übernehmen kann. Somit wird

bei künftigen Versionen ein unbemannter Turm eine wahrscheinliche Option sein. Wobei auch der aktuelle Turm mit dem 130mm Rheinmetall “Future Gun”-System bereits eine um rund 50 Prozent gesteigerte Feuerkraft bietet als die 120-mm-Glattrohrkanone des Leopard 2 A7V.

Erwartbare Schutzsysteme An Schutz bietet der Panther die erwartbare Mischung aus aktiven und passiven Schutzkomponenten, ohne die kein moderner Kampfpanzer in Serie gehen könnte. “Das herausragende Merkmal der Überlebensfähigkeit ist sicherlich der aktive Schutz vor KE-Bedrohungen. Er erhöht das Schutzniveau, ohne das Gewicht des Systems zu beeinträchtigen. Das Rheinmetall “Top Attack Protection System” (TAPS) wehrt Bedrohungen von oben ab. Das Schnellnebelschutzsystem ROSY entzieht den KF51 Panther der feindlichen Sicht”, berichtet das Unternehmen. “Dank der Pre-Shot-Detection-Fähigkeit kann der KF51 Panther Bedro-

hungen frühzeitig erkennen und neutralisieren. Als System, das für den Einsatz in einem umkämpften elektromagnetischen Spektrum ausgelegt ist, ist der KF51 vollständig gehärtet gegen Cyber-Bedrohungen.” Auch wenn der gezeigte Panther, der extra für die Eurosatory fertiggestellt wurde, noch die Wanne eines Leopard-Kampfpanzers nutzt, wird bei Rheinmetall bereits an einer eigenen Wanne gearbeitet. Bei dem Panther handelt es sich also tatsächlich um einen neuen, firmenentwickelten Kampfpanzer, der laut dem CEO des Unternehmens in zwei Jahren die Produktionsreife erreichen könnte.

Bereit zur Bestellung Die deutschen Beschaffer erwischte der neue Kampfpanzer kalt. Das deutsch-französische Programm “Main Ground Combat System” (MGCS) erreichte bisher keine nennenswerten Meilensteine. Technologien wurden noch nicht festgelegt, Systeme noch nicht beschrieben. Während beim

ebenfalls deutsch-französischen Luftkampfprojekt “Next Generation Weapon System” bereits Entwicklungssäulen mit verantwortlichen Unternehmen und entsprechenden Technologiekonzepten stehen, fehlt all dies beim MGCS. Nun bringt Rheinmetall die deutschen Beschaffer in Zugzwang, da jetzt eine Alternative zum MGCS existiert, die ein modernes Kampfpanzerkonzept bietet. Ein ähnlicher Coup war Rheinmetall bereits mit dem Schützenpanzer Lynx gelungen, der die Erkenntnisse aus der Puma-Entwicklung nahm und ohne deutschen Goldrand ein günstiges und dennoch modernes System erschuf, an dem bereits mehrere Nationen großes Interesse zeigen. Ungarn ist der Erstkunde des Lynx, der 80 bis 90 Prozent der Performance des Pumas für 60 bis 70 Prozent des Preises bietet. Diesem Konzept treu bleibend präsentierte Rheinmetall nun also den Panther, der sicherlich auf ebenso großes Interesse wie der Lynx stoßen wird. Schließlich benötigen im Grunde alle NATOStaaten neue, an moderne Gefechtsfelder angepasste Kampfpanzer. Deutschland inklusive.

Voices in Defence Über das Konzept und die Technologien des Panthers sprach der Behörden Spiegel während der Eurosatory mit Oliver Mittelsdorf, Vertriebsleiter Taktische Fahrzeuge bei Rheinmetall. Der Podcast kann hier angehört werden.


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