Beiträge aus politisch-parlamentarischer Sicht
Frieden durch nachhaltige Sicherheit – Was die EU jetzt tun muss Markus Ferber, Mitglied des Europaparlaments und Vorsitzender der Hanns-Seidel-Stiftung
Markus Ferber
Foto: Privat
Die Begriffe Sicherheit, Frieden und Nachhaltigkeit sind in unserer heutigen Welt eng miteinander verflochten. Als Europäische Union müssen wir sie im Rahmen unserer Politik miteinander in Einklang bringen, um unser Potenzial auf allen Ebenen auszuschöpfen und die Position der EU als weltweit einzigartige Staatengemeinschaft zu stärken.
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lle diese drei Prinzipien gleichermaßen zu berücksichtigen, ist alles andere als einfach, schon allein deshalb, weil jeder sie anders definiert und unterschiedliche Prioritäten setzt. Was zum Beispiel bedeutet Sicherheit für die Europäische Union?
Europäische Handlungsfähigkeit durch robuste Sicherheit Besonders vor dem Hintergrund der Geschehnisse in Russland und der Ukraine während der letzten Monate, liegt der Fokus natürlich schnell auf der militärischen Komponente. Kritiker werfen an dieser Stelle ein, dass Frieden langfristig nicht durch Waffen aufrechtzuerhalten sei. Doch zeigt sich nicht am Beispiel der Ukraine deutlich die Notwendigkeit einer leistungsfähigen, militärischen Ausstattung zur Verteidigung? Schließlich liegt der Weltfrieden nicht alleine in der Hand der Europäischen Union. Wenn Aggressoren wie Russland eine Bedrohung darstellen, müssen wir zu unserer eigenen Sicherheit handlungsfähig sein. Auch China sollte als gleichermaßen wirtschaftlich wie ideologisch kriti-
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scher Faktor nicht außer Acht gelassen werden. Die Ereignisse in der Ukraine haben uns gezeigt, wie wichtig es ist, auf eine offene strategische Autonomie der EU hinzuarbeiten, um im Ernstfall weder wirtschaftlich noch militärisch von Drittstaaten abhängig zu sein. Die Westbindung ist dabei zentraler Baustein unserer Sicherheitsarchitektur. Nichtsdestoweniger hat gerade die Präsidentschaft von Donald Trump gezeigt, dass selbst auf Partner wie die USA nicht unter allen Umständen und zu jeder Zeit Verlass ist. Die Schlussfolgerung aus diesen Ereignissen ist, dass Europa eigenständiger werden muss, das gilt gerade in der Sicherheitspolitik: Daher bedarf es zukünftig dringend stärkerer Investitionen und Entwicklung im Bereich Verteidigung. Dazu gehört auch, das 2 %-Ziel der NATO in Zukunft zuverlässig einzuhalten – nicht allein aus Bündnistreue, sondern auch aus Eigeninteresse. Charles de Gaulle hat es im Jahre 1962 bereits treffend formuliert: „Wofür brauchen wir Europa? Damit nicht die Amerikaner oder Russen über uns bestimmen.“
Europas Zukunft – offen und autonom Autonomie ist aber keine rein militärische Frage: Spätestens durch die Coronakrise wurde uns schmerzhaft vor Augen geführt, welche wirtschaftlichen Folgen komplexe, stark von Drittstaaten abhängige Lieferketten haben können, sollten sie durch unvorhersehbare Ereignisse wie eine Pandemie unterbrochen werden. Europa profitiert von einer offenen, regelgebundenen und integrierten Weltwirtschaft. Nichtsdestotrotz zeigen die vergangenen Jahre, dass ein gewisses Maß an Autonomie in bestimmten strategischen Sektoren ein Wert an sich ist. Dass die EU hier die richtigen Lehren zieht, wird am Beispiel des sogenannten Chips Acts deutlich, welcher darauf abzielt, die Kapazitäten europäischer Unternehmen im Bereich Forschung, Entwicklung und Herstellung von Halbleitertechnologien und Chips zu etablieren und auszuweiten. Zwar ist dieser Ansatz vom Umfang her noch überschaubar, er stellt aber einen Schritt in die richtige Richtung dar. Zur offenen strategischen Autonomie gehört aber auch die notwendige politische Handlungsfähigkeit. Worüber in diesem Kontext deshalb ebenfalls dringend nachgedacht werden muss, ist die Reformierung grundlegender politischer Entscheidungsprozesse innerhalb der Europäischen Union. Das nach wie vor herrschende Einstimmigkeitsprinzip bei au-
Frieden, Sicherheit, Nachhaltigkeit – Beiträge zu einer gesellschaftspolitischen Debatte