Sonderheft BDSV – Behörden Spiegel Frieden, Sicherheit, Nachhaltigkeit

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Beiträge aus der Sicht der Bundeswehr, NATO und EU

Zwischen militärischen Notwendigkeiten und politischen Erwartungen: NATO, Klimawandel und Nachhaltigkeit Michael Rühle, Leiter des Referats für Klima- und Energiesicherheit in der Abteilung für neue Sicherheitsherausforderungen der NATO rioden können zu Missernten oder Preisschwankungen bei Nahrungsmitteln auf den internationalen Märkten führen. Der Anstieg des Meeresspiegels bei gleichzeitiger Versteppung weiter Landstriche könnte Migrationsströme auslösen, Dispute um bewohnbares Land oder Trinkwasser könnten sich militärisch entladen. Mehr noch. Die schmelzenden Eiskappen am Nordpol schaffen neue Seewege und eröffnen damit nicht nur neue wirtschaftliche Perspektiven, sondern auch ein neues Gebiet potenzieller geopolitisch-militärischer Konkurrenz. Kurzum: der Klimawandel wird die bereits bestehenden Spannungen in den internationalen Beziehungen dramatisch verschärfen.

Klimawandel – eine Herausforderung auch für die NATO

Michael Rühle

Foto: Privat

Der Klimawandel ist zur zentralen Herausforderung für die Menschheit geworden. Die Auswirkungen der zunehmenden globalen Erwärmung – schmelzende Polkappen, steigende Meeresspiegel und vor allem eine Zunahme extremer Wetterereignisse – sind inzwischen weltweit zu spüren.

Z

ahlreiche Staaten haben den Klimawandel zu einem vorrangigen Problem der nationalen Sicherheit erklärt. In einer Studie des Davoser Weltwirtschaftsforums belegen „extremes Wetter“ und „Klima-Versagen“ sogar die vorderen Plätze der Risikoskala – weit vor Cyberangriffen und Massenvernichtungswaffen. Überraschen kann dies nicht. Die sicherheitspolitischen Konsequenzen der Erderwärmung, die sich in den kommenden Jahren in vollem Umfang offenbaren werden, sind dramatisch. Hierzu zählen die durch die Zunahme extremer Wetterereignisse ausgelösten Naturkatastrophen wie Hungersnöte oder Überschwemmungen, die die politische und wirtschaftliche Stabilität insbesondere von ärmeren Staaten gefährdet. Der Rückgang landwirtschaftlich nutzbaren Bodens sowie Dürren und Verschiebungen der Vegetationspe-

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Der Klimawandel ist jedoch nicht nur ein „threat multiplier“. Er wird auch bestimmen, wo und wie die Streitkräfte der NATO künftig operieren müssen. Ein strategisches Umfeld, das sich durch den Klimawandel verändert, stellt die Streitkräfte bereits jetzt vor erhebliche militärisch-operative Herausforderungen. So hat der sich verändernde Salzgehalt des Wassers im Golf von Aden zum Ausfall der Turbinen von Fregatten geführt. Die NATO-Streitkräfte in Afghanistan hatten jahrelang mit hohen Temperaturen zu kämpfen, die zu einem erheblichen Verlust an Startleistung und Nutzlast der Flugzeuge führten. Die Zunahme von Sandstürmen erschwerte die Planung und Durchführung militärischer Flüge. Die im Irak stationierten Soldaten müssen Temperaturen von 50 Grad Celsius und mehr ertragen – Temperaturen, für die ihre Ausrüstung nicht vorgesehen ist. Der steigende Meeresspiegel gefährdet zahlreiche Marinestützpunkte, und auch die durch extreme Wetterereignisse verursachten Schäden an militärischen Einrichtungen im Landesinneren nehmen stetig zu. Für die NATO, die sich das Ziel gesetzt hat, sich umfassend auf eine durch den Klimawandel erzwungene Konfliktlandschaft einzustellen, ergeben sich aus diesen Entwicklungen einige klare Vorgaben. So benötigt das Bündnis zunächst eine umfassende Bewertung der Auswirkungen der globalen Erwärmung auf sein strategisches Umfeld sowie auf seine Operationen und die Zuführung von Verstärkungskräften. Vor allem aber muss die NATO die Klima-Dimension in das gesamte Spektrum ihrer Aktivitäten integrieren. Dazu gehören zum Beispiel die Verteidigungsplanung, die zivile Notfallplanung, die Standardisierung, militärische Übungen und die

Frieden, Sicherheit, Nachhaltigkeit – Beiträge zu einer gesellschaftspolitischen Debatte


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