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NEUE EU-RICHTLINIEN: ANBAU MUSS WACHSEN
by Bejo Zaden
„Wir streben nach einer kombinierten Sorte, in die wir so viele hohe und intermediäre Resistenzen gegen Pilze, Bakterien und Insekten stecken wie möglich.”
Bert Janssen
„Als wir in den 1980ern mit der Arbeit an der Hybrid-Züchtung bei Zwiebeln begonnen haben, haben wir auf die Verwendung im konventionellen Anbau geschaut. Das war sinnvoll, denn damals war Bio nirgendwo annähernd der große Markt, der es heute ist. Wie sich herausstellte, sind die Sorten erfolgreich, als Folge der zunehmenden Nachfrage aus dem Bio-Bereich.” Die Züchter von Bejo arbeiten simultan für die biologischen und konventionellen Märkte und das macht Sinn, weil beide Märkte Fortschritte bei den gleichen Charakteristika machen. Petter sagt: „Konventioneller Anbau verschiebt sich Richtung biologisch. Die Verwendung von Kunstdüngern und chemischen Pflanzenschutzmitteln ist bereits begrenzt und es wird erwartet, dass sich dieser Trend fortsetzen wird. Züchtung unterstützt die Bewegung in Richtung Nachhaltigkeit. Wenn Du die Genetik an Deiner Seite hast, dann brauchst Du keine Chemie.”
Fusarium
Der konventionelle Markt kann von der Erfahrung der biologischen Anbauer hinsichtlich des Arbeitens ohne Chemikalien lernen. Umgekehrt kann der Bio-Sektor Lösungen schneller finden, denn Züchter können Sorten und Elternlinien nützen, die Bejo über Jahrzehnte für die konventionelle Züchtung entwickelt hat. Manchmal ergibt sich die Antwort von selbst. Petter nennt den Bodenpilz Fusarium als ein Beispiel. „Bis vor Kurzem hat Fusarium in biologischen Betrieben selten Probleme verursacht. Wir sehen jetzt, dass sich das ändert. Die gute Nachricht ist, dass wir in unserem Programm bereits vor 20 Jahren nach Resistenz gesucht haben, weil es bereits ein Thema im konventionellen Anbau war.”
NATÜRLICHE UND INDUZIERTE CMS
Bei der Hybrid-Züchtung führt eine gezielte Kreuzung von zwei Elternlinien zu einer Sorte mit den gewünschten Eigenschaften. Um Selbstbestäubung in der Mutterlinie vorzubeugen, nützen Züchter die sogenannte cytoplasmatische männliche Sterilität (CMS).
Vorbeugung gegen Selbstbestäubung in der Mutterlinie hat klare Vorteile für die Anbauer. Das Saatgut ist uniformer und der Bestand liefert einen besseren Ertrag. Für die Saatgutproduktion bedeutet sie weniger Verluste, demzufolge eine nachhaltigere Landwirtschaft.
In vielen Gemüsearten, wie Möhren, Zwiebeln und Porree, tritt CMS als natürliche Eigenschaft auf und wird von Züchtern in die Elternlinien eingekreuzt. Anderen Gemüsearten, vor allem Kohl und Wurzelpetersilie, fehlt die natürliche männliche Sterilität. Die Lösung kommt in Form einer künstlichen Technik, Protoplastenfusion genannt.
Die europäischen und amerikanischen Richtlinien für den biologischen Anbau erlauben die Verwendung von induzierter CMS. Allerdings fordert der bio-dynamische Anbau ‘CMS-freie’ Sorten. Eine Anzahl wichtiger Marktteilnehmer in einigen Gebieten, wie Deutschland, akzeptieren induzierte CMS nicht. Bejo ist transparent hinsichtlich seiner Verwendung von CMS aus Protoplastenfusion. Von den Gemüsearten, in denen sie verwendet wird, sind immer CMS-freie Alternativen verfügbar.
Forscher studieren gegenwärtig Wege, um männliche Sterilität natürlich in Mutterlinien von Kohlarten einzuzüchten. Das ist bereits bei Blumenkohl gemacht worden, was zur Entwicklung einer neuen Sorte mit natürlicher CMS geführt hat, die sich noch in der Testphase befindet.
„Konventioneller Anbau verschiebt sich in Richtung biologisch.”
Timo Petter
ZAHLREICHE TESTS UND SORTEN PRO JAHR
Als Saatgutlieferant für den Freilandgemüsebau hat Bejo ein Sortiment von mehr als 1000 Sorten von mehr als 40 unterschiedlichen Gemüsearten im Angebot. Davon werden ca. 170 Sorten von mehr als 35 Gemüsearten speziell für den Bio-Anbau produziert – und diese Zahlen steigen weiter.
Pflanzenzüchter suchen immer nach Sorten mit noch besserer Leistungsfähigkeit oder neuen attraktiven Eigenschaften. Bevor eine bestimmte Hybride eine neue Sorte werden kann, muss sie Jahre intensiver Tests unter verschiedenen Bedingungen durchlaufen. Hier sind zwei Beispiele: Bei Möhren führt Bejo 40.000 solcher Tests an 120 Standorten auf mehreren Kontinenten durch. Das führt zu ungefähr drei oder vier neuen Sorten pro Jahr, die am besten geeigneten davon sind auch für den biologischen Markt gedacht. Bei Zwiebeln sät Bejo etwa 46.000 Parzellen pro Jahr in Züchterversuchen auf der ganzen Welt. Daraus gehen ungefähr 10 neue Sorten pro Jahr hervor.
Die Arbeit eines Züchters endet nie
Züchtung wird immer eine fortdauernde Arbeit sein. Die Widerstandfähigkeit der Pflanzen muss mit neuen Herausforderungen fertigwerden, inklusive intensiverer Landnutzung und den Konsequenzen des Klimawandels. Außerdem sind Resistenzen niemals absolut und können durchbrochen werden, wenn ein Krankheitserreger eine Gelegenheit findet. Jede Gemüseart bietet unterschiedliche Probleme. In Möhren, zum Beispiel sind Züchter in Alarmbereitschaft hinsichtlich Blattkrankheiten wie Möhrenschwärze (Alternaria dauci), Cercospora und Echtem Mehltau. „Gesundes Laub erhält den Bestand grüner und das bedeutet eine bessere allgemeine Resistenz,“ sagt Wim Zwaan, Züchtungsmanager für Möhren. Er strebt auch nach besserer Resistenz gegen Lagerkrankheiten wie Schwarzfäule (Alternaria radicina) und bodenbürtige Krankheiten wie Cavity spot (Pythium). „Möhrenanbau wird intensiver und die Fruchtfolgen werden enger. Daraus resultiert eine steigende Nachfrage nach resistenteren Sorten. Zum Beispiel sind unsere gegen Cavity spot unempfindlicheren Sorten Norfolk F1 und Nazareth F1 in England populär.”
Kohlarten
Bei Blumenkohl, Brokkoli und Kopfkohl arbeiten Züchter an Resistenz gegen die Pilzkrankheiten Ringfleckenkrankheit (Mycosphaerella) und Falscher Mehltau. Andere Ziele sind Resistenz gegen die bakterielle Infektion Xanthomonas bei Kopfkohl und Sommerblumenkohl und die Pilzkrankheit Weißfleckigkeit bei Rosenkohl, sagt Züchtungsmanager Jan Sybe Wijngaarden.
Stangensellerie und Bete
In Stangensellerie wird die relativ neue Sorte Cumbia F1 ein Gewinn sein, dank einer intermediären Resistenz gegen die Blattfleckenkrankheit Septoria, sagt Jack van Dorp, Züchtungsmanager für Gemüsearten wie Stangensellerie und Bete. Die Blattfleckenkrankheit Cercospora und die Viruskrankheit Rhizomania sind auch verbreitete Probleme in Bete. „Unsere Sorte Bazzu F1 zeigt die großen Schritte, die wir hier schon gemacht haben - und weitere werden folgen. In zahlreichen Züchtungslinien sehen wir eine Steigerung des Resistenzniveaus gegen Cercospora. Die Einkreuzung der Resistenzen in unsere Sorten ist ein fortwährender Prozess. Wir fokussieren uns speziell auf die Kombination von Resistenzen, um zu nachhaltigeren Lösungen zu gelangen.” Die Widerstandskraft der Pflanzen kommt nicht nur von einem einzigen Abwehrmechanismus. Bei Lagerkrankheiten in Knollensellerie, zum Beispiel, sind die Form und die Härte der Knolle Faktoren, auf die man achten sollte. „Jegliche Beschädigung während der Ernte ist eine potenzielle Eintrittspforte für Krankheiten,” sagt Van Dorp. „Bejo testet gegenwärtig eine viel versprechende neue Sorte für den Frischmarkt mit einer runden, glatten, attraktiven Form.”
Insekten
Die große Herausforderung für die Zukunft ist, wie man mit Insekten, inklusive Blattläusen, Möhrenfliege, Weiße Fliege, Thrips und Kohlschabe (Plutella) umgehen soll. Einige Pflanzen haben einen natürlichen Schutz gegen Insekten und es ist die Aufgabe der Züchter, diese Eigenschaft zu identifizieren und in kommerzielle Sorten einzukreuzen. Diese Arbeit erfolgt in allen Anbaukategorien, nicht nur in Sorten für den Bio-Anbau. In Kopfkohl, zum >> Beispiel, werden im konventionellen Anbau Lösungen fast genauso dringend benötigt. Schädlinge suchen Schutz in den Blattmulden, wo Spritzmittel
GENOMEDITIERUNG KANN NACHHALTIGKEIT BESCHLEUNIGEN
Klassische Züchtung ist eine Frage der Geduld. Sie erfordert viele Generationen der Pflanzenselektion, Kreuzung und Testung. Die Entwicklung einer neuen Sorte dauert oft 15 - 20 Jahre. Das kann mit der Genom-Editierung (wie CrisprCAS) viel schneller gehen. Damit können bestimmte Kombinationen von genetischen Eigenschaften in einem Labor produziert werden.
Genom-Editierung unterscheidet sich von Gen-Veränderung, manchmal GVO-Technologie genannt. GenomEditierung schafft nur Kombinationen, die mit natürlichen, `klassischen` Züchtungstechniken hätten geschaffen werden können. In genetisch veränderten Organismen, kurz GVO genannt, können art-unspezifische Eigenschaften künstlich in eine Pflanze eingezüchtet werden. GVO-Technologie unterliegt in den meisten Ländern strikten Vorschriften und regulierte GVO sind höchst selten in Gemüsekulturen. In der europäischen Gesetzgebung sind sie überhaupt nicht erlaubt.
Die EU verbietet gegenwärtig auch die Genom-Editierung und behandelt sie als eine Form der GVO-Technologie. Die EU-Kommission hat kürzlich mitgeteilt, dass sie plant, das Verbot zu überdenken. Plantum, die niederländische Vereinigung für den Pflanzenzüchtungssektor, deren Mitglied Bejo ist, begrüßt diese Neubewertung. Seit Anfang 2021 hatte Bejo die Gelegenheit, Forschung zur Anwendung der Genom-Editierung durchzuführen, innerhalb einer Forschungs- und Zulassungsvereinbarung mit US-Partnern. Die Verwendung dieser Technologie bei der Entwicklung von Sorten wird bei uns Auge gefasst, wenn sie von der aktuellen europäischen Gesetzgebung zugelassen ist. Die europäischen Vorschriften werden den biologischen Sektor weiterhin lenken. sie nicht treffen können. Das gilt vor allem für Thrips, die als berüchtigte Schädlinge in Kopfkohl bekannt sind, sagt Bert Janssen, Züchtungsmanager für Kopfkohl.
Verwendung von Resistenzen von unterschiedlichen Niveaus
Je mehr Gesundheit eine Sorte in sich vereinen kann, erklärt Janssen, desto wertvoller ist sie. „Wir streben nach einem kompletten Paket, in das wir so viele Resistenzen gegen pilzliche Infektionen, Bakterien und Insekten stecken, wie wir können. Unser Weißkohl Expect F1 wird großflächig für seine Unempfindlichkeit für Thrips geschätzt.” Neben Resistenzen sind andere Eigenschaften auch hilfreich für einen gesunden Bestand. Möhrenzüchter Zwaan erwähnt Wüchsigkeit als ein Beispiel. „Beim Möhrenanbau will man, dass der Bestand schnell und uniform wächst. So muss man nicht so viel bewässern und kann Beikräuter einfacher unterdrücken.”
Optische Qualität
Aber ein robustes Pflanzenwachstum ist nicht das einzige Thema. Vor allem im Frischmarkt können es sich Bio-Anbauer selten leisten, bei den optischen Eigenschaften des Produkts Kompromisse einzugehen. Zwaan sagt: „Konsumenten akzeptieren keine rohen Möhren mehr mit Flecken. Sicherlich nicht im Supermarkt, wo biologische und konventionelle Produkte Seite an Seite liegen. Wenn das billigere, konventionelle Produkt besser aussieht, dann werden Käufer kaum das biologische wählen.” Bejo wird eine neue Sorte nur einführen, wenn sie bei einer bestimmten Eigenschaft einen Mehrwert hat, während sie sich mindestens so gut eignet, wie bestehende Sorten. Wijngaarden sagt: „Wenn Sie Saatgut für Ihren Betrieb bestellen, dann wissen Sie noch nicht, welche Herausforderungen die kommende Saison bringen wird. Deshalb brauchen Sie zuverlässige Sorten, die unter unterschiedlichen Bedingungen gute Resultate erbringen. Wenn man das im Hinterkopf behält, dann streben wir nach Sorten, die bei der Beurteilung eine 7 (+) für jede Eigenschaft bekommen, anstatt viele 10 (++) und eine 2 oder 3 (-).”
„Jede Beschädigung während der Ernte ist eine potenzielle Eintrittspforte für eine Infektion.”
Jack van Dorp
SPRECHEN WIR ÜBER RESISTENZ
Infektion mit Falschem Mehltau auf einem Feld mit einer resistenten Sorte auf der linken und einer empfindlichen auf der rechten Seite.
RESISTENZ GEGEN KRANKHEITSERREGER BEI PFLANZEN IST EIN FASZINIERENDES PHÄNOMEN. EIN GUTES BEISPIEL IST DIE RESISTENZ GEGEN FALSCHEN MEHLTAU – DIESER PILZ KANN EMPFINDLICHE BESTÄNDE SCHNELL VERNICHTEN. FALSCHER MEHLTAU IST EIN EIPILZ. DAS IST EINE SPEZIELLE GRUPPE VON KRANKHEITSERREGERN, DIE ZWAR SCHIMMEL ZIEMLICH ÄHNELN, SICH DAVON ABER HINSICHTLICH DER EVOLUTION STARK UNTERSCHEIDEN.
Die Widerstandskraft einer Pflanze wird zum Teil durch passive Hindernisse, wie eine dicke Wachsschicht, bestimmt. Eine begrenzte Anzahl von Angreifern ist jedoch fähig, diese Hindernisse zu durchbrechen. Diese können als Spezialisten unter der Mikroorganismen angesehen werden. Ihre spezielle Fähigkeit liegt in der Absonderung sogenannter Effektoren - Proteine, die die natürliche Abwehr des Individuums durchbrechen.
Wenn es zu aktiven Abwehrmaßnahmen der Pflanze kommt, könnten wir uns einen einfachen Mechanismus in einem Schritt vorstellen. In Wirklichkeit sprechen wir jedoch von einer Kette von Prozessen, in denen die Pflanze den Eindringling erkennt und als Antwort darauf erregerspezifische Proteine produziert. Eine hypersensitive Reaktion wird an der Stelle ausgelöst, an der der Krankheitserreger einzudringen versucht und eine lokal infizierte Zelle dazu bringt, abzusterben und das weitere Wachstum des Krankheitserregers zu verhindern. Angesichts der Komplexität dieser Prozesse sollte es uns nicht überraschen, dass äußere Faktoren diese beträchtlich beeinflussen können. Zum Beispiel ist es normal für Resistenzen, dass diese bei hohen Temperaturen weniger effektiv sind.
Hohe und intermediäre Resistenz
International wird Resistenz als die Fähigkeit einer Sorte definiert, die Ausbreitung oder die Entwicklung einer spezifischen Krankheit oder eines Schädlings und/oder des Schadens, den sie/er verursacht zu unterdrücken, im Vergleich zu empfindlichen Sorten unter ähnlichen Umweltbedingungen und Krankheits- oder Schädlingsdruck. Eine resistente Sorte wird dann nicht immer frei von Symptomen oder Schäden sein. Abhängig von dem Grad, bis zu dem Symptome oder Schäden unter hohem Krankheits- oder Schädlingsdruck auftreten, unterscheiden wir zwischen hoher Resistenz (HR) und intermediärer Resistenz (IR).
Kontrollierte Testung
Bei der Testung, ob eine Sorte Resistenzkriterien erfüllt, werden äußere Einflüsse so weit wie möglich ausgeschaltet. Tests werden unter Bedingungen durchgeführt, die für den Krankheitserreger optimal sind. Die Identität des Krankheitserregers ist auch festgelegt; einige sind bekannt dafür, dass sie Varianten haben (wie Pathotypen oder Stämme), die sich in ihrer Fähigkeit unterscheiden, Resistenzquellen zu infizieren.
Resistenz-Durchbruch
Wenn wir davon sprechen, dass eine Resistenz durchbrochen worden ist, dann legt das nahe, dass das Resistenzgen nicht mehr oder nicht gut genug funktioniert. Dennoch hat sich nichts am Gen oder seiner Funktion verändert. Die Population des Erregers kann sich jedoch verändert haben. Ein Krankheitserreger ist kein homogener Faktor, sondern eine Population, die aus Individuen besteht, die sich genetisch voneinander unterscheiden können. Die Einführung einer resistenten Pflanzensorte begünstigt jegliches Individuum mit der Fähigkeit, die Hindernisse der Pflanze zu umgehen. Wenn eine oder mehrere dieser Varianten die Oberhand bekommen, dann stellen wir fest, dass die Pflanzen befallen werden - anfangs sehr lokal, aber später vielleicht in größerem Ausmaß. Der Anbau einer resistenten Sorte in der Nähe einer empfindlichen erleichtert dieses Phänomen besonders.
Die Veränderung in der Population des Erregers ist nicht unbedingt permanent. Die Lebensfähigkeit der lokalen Variante kann so gering sein, dass sie in der nächsten Anbausaison nicht mehr auftreten wird.