Magazin Für Förderer der Bergrettung Tirol

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Helfen lernen mit Schmäh

Bergrettungspraxis im Wissenschafts-Check

Dass Erste Hilfe keine „schwere Kost“ sein muss, zeigen Video-Tutorials, die Bergrettung und Alpenverein gemeinsam produziert haben. Sie vermitteln auf spielerische Weise und mit einem gewissen „Schmäh“, wie die Erstversorgung im Gelände unter Zeitdruck und mit wenig Material möglich ist. Am Projekt beteiligt war auch Markus Isser von der Bergrettung Tirol. Schwerpunkte der Video-Tutorials sind u. a. die Themen „Gefahrenbereich“, „Kreislaufversagen“, „Starke Blutung“, „Wärmeerhalt“, „Bodycheck“ und „Notruf/ Abtransport“. Abgerufen werden können die Videos unter www.sicheramberg. at und über den YouTube-Kanal des Alpenvereins. Auf Facebook sind sie außerdem mit englischen Untertiteln zu sehen, um auch nicht deutschsprachige Gäste, die in den heimischen Bergen unterwegs sind, zu erreichen.

TEXT DANIELA PFENNIG FOTOS MARKUS ISSER

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MEDIZIN

che Untermauerung in internationalen Top-Blättern ist für uns eine eindeutige Qualitätssicherung. Sie steigert den Wert unserer Rettungsorganisation, stärkt unser Auftreten und zeigt, dass wir uns auf professioneller Ebene mit Problemen auseinandersetzen. Damit entwickeln wir uns weiter und gleichzeitig tragen wir zur Weiterentwicklung der Alpin- und Höhenmedizin bei.“ Amerikanische „president page“ 2020 gelang dem Team um Markus Isser und Wolfgang Lederer etwas ganz Besonderes: Sie schafften es auf die „president page“ der American Heart Association (AHA), die für den gesamten amerikanischen Raum die Erste-Hilfe- und Reanimationsregeln festlegt. Eine einmalige Sache mit einem Riesenrenommee für die Tiroler Bergrettung. „Die Amerikaner werden wohl bei der nächsten Erstellung der Reanimationsrichtlinien unsere Idee berücksichtigen und unter Umständen könnte diese sogar Standard in der amerikanischen Versorgung werden“, freut sich der 48-Jährige. Die Idee: Bei der Reanimation wird eine dünne Folie zwischen Patient und Helfer gespannt. Der Hintergrund: Bei der Reanimation mit dem Beutel werden durch den Druck Tröpfchen in Aerosole verdünnt – ähnlich wie Dampf in der Dusche. So können sie länger in der Luft schweben und erhöhen

das Risiko für die Helfenden, sich beispielsweise mit Covid-19 anzustecken, da gerade in Stresssituationen wesentliche Schutzvorkehrungen wie Masken verrutschen können. Rettungsdecke als Universaltalent Die Rettungsdecke, die sich auch im Erste-Hilfe-Paket der Bergrettung Tirol befindet, ist ein Hilfsmittel, das sich die Tiroler Bergrettung genauer angesehen und gemeinsam mit der Abteilung für Anästhesie und Notfallmedizin der Universitätsklinik Innsbruck auf mögliche Anwendungen untersucht hat. Das Ergebnis: In mittlerweile fünf Publikationen, eine davon im Nature Science Journal, einer der weltweit am meisten zitierten interdisziplinären Fachzeitschriften, wurden folgende erstaunliche Erkenntnisse über die Rettungsdecke, die verpackt gerade einmal 7 x 10 Zentimeter groß und etwa 60 Gramm schwer ist, veröffentlicht. • Rettungsdecke als provisorische Sonnenbrille Die dünne Folie mit ihrer charakteristischen silber- und goldfarbenen Oberfläche ist durchsichtig. Sie lässt etwa acht Prozent des sichtbaren Lichts durch, filtert aber die grelle Gletschersonne angenehm für das Auge. Sie bietet also Schutz vor schädlicher ultravioletter Strahlung

und Schneeblindheit, wenn man Sonnencreme oder Gletscherbrille vergessen hat. „Es macht keinen Unterschied, welche Seite der Folie außen getragen wird. Aber: Solche Anwendungen sind nur behelfsmäßig, weil die Hersteller für solche Funktionen keine Garantie übernehmen“, betont Markus Isser. • Rettungsdecke zum Abbinden von Extremitäten Mithilfe einer Rettungsdecke und mit einem Karabiner können stark blutende Extremitäten behelfsmäßig sehr gut und effektiv abgebunden werden. Eine weitere Anwenderstudie zu diesem Thema wird gerade durchgeführt. • Rettungsdecke als Verband Auch für die notfallmäßige Versorgung eines instabilen Beckenbruchs, wie er zum Beispiel bei Spaltenstürzen oder beim Klettern immer wieder vorkommt, oder als Verband bei einem Schlüsselbeinbruch kann die Rettungsdecke eingesetzt werden. Sie verringert Schmerzen wesentlich und steigert die Transportfähigkeit des Verletzten. • Rettungsdecke als Trage Zugtests zeigten, dass die Decken – je nach getestetem Modell – erst bei einer Belastung von 270 bis 480 Kilogramm rissen. Das belegt die Verwendungsmöglichkeit als Tragering bzw. Tragerucksack, um Personen entweder liegend talwärts zu transportieren oder am Rücken. „Wesentlich ist dabei, dass die Decke unbeschädigt ist. Gegenstände mit scharfen Rändern, Steine und Äste, aber auch Reißverschlüsse können die Folie zum Einreißen bringen“, gibt Markus Isser zu bedenken. Fazit: Die Rettungsdecke sollte in keinem Erste-Hilfe-Set fehlen, weil sie viele Möglichkeiten zum Improvisieren bietet, dafür aber klein, handlich und leicht ist.

1 Tiroler Bergrettungsmitglieder bei einer Übung im Vorjahr im Jamtal. Ihr Know-how fließt auch in Forschungsprojekte ein. 2 Patientenversorgung im Schutz des Wärmezelts.

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„Nach der ersten Publikation über die Rettungsdecke als Sonnenbrillenersatz ging es Schlag auf Schlag“, erinnert sich Markus Isser, Ausbildungsleiter Medizin der Bergrettung Tirol. Er ist zusammen mit Hannah Salchner und Wolfgang Lederer, Mediziner an der Innsbrucker Universitätsklinik für Anästhesie und Intensivmedizin, und mit Unterstützung der Bergrettungslandesärzte Sepp Burger und Christian Hilkenmeier federführend bei den wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Die kreativen Ideen stammen meist von Markus Isser. Mittlerweile brennt der ursprüngliche Praktiker für die wissenschaftliche Untermauerung. Der Grund: „Selten setzt sich eine Rettungsorganisation wissenschaftlich mit Problemen auseinander. Meist wird nur das weitergegeben, was bisher funktioniert hat, aber manchmal gar nicht bewiesen ist. Wir haben in der Ausbildung selbst die Erfahrung gemacht, dass das den Teilnehmenden oft zu wenig ist. Das führt zu Diskussionen, weil sie etwas in der Hand haben wollen“, sagt er. Deshalb setzt die Tiroler Bergrettung auf wissenschaftliche Ergebnisse, an denen es nichts mehr zu rütteln gibt, weil diese durch standardisierte Tests belegt und von internationalen Fachleuten kritisch hinterfragt werden. Was die Tiroler Bergrettung davon hat? „Die wissenschaftli-


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