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Fressen und Gefressenwerden Harte Kost: In Agustina Bazterricas schnörkellosem Roman »Wie die Schweine« bekommt Fingerfood eine neue Bedeutung. Überbevölkerung, Armut und Hunger wurden durch Kannibalismus beseitigt.

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as Menschenfressen ist in der von ­ gustina Bazterrica beschriebenen Welt A gängige Praxis, das Darüberreden wird jedoch tabuisiert. Wer dieses Tabu bricht, Dinge benennt oder die zum Verzehr bestimmten »Stücke« schont, wird selbst geschlachtet. Viele hadern mit der barbarischen Praxis, doch alle machen mit, um ihre Familien zu ernähren. Auch Marcos, der Held von »Wie die Schweine«, der sich arrangiert, um seinem dementen Vater einen menschenwürdigen Alltag in einem Pflegeheim zu ermöglichen. Marcos ist gelernter Fleischer, hat sein Handwerk noch mit Rindern und Schweinen im Betrieb seines Vaters gelernt und ist nun in einem großen Schlachthof als rechte Hand des Chefs auch für die Auswahl des Personals verantwortlich. Dabei agiert er durchaus mit Bedacht, man möchte sagen: gewissenhaft. »Marcos denkt, dass dieser Bewerber gefährlich ist. Wer so viel Lust auf Mor-

den hat, ist zu labil, ist nicht imstande, die tägliche Routine des Tötens auf sich zu nehmen, das automatisierte, leidenschaftslose Schlachten von Menschen.«

Text Thomas Weber

Ein Virus macht uns zu MenschenfresserInnen

Agustina Bazterrica, ­Jahrgang 1974, in Buenos Aires geboren, gelang mit ihrem Roman »Cadáver ­Exquisito« ein in ihrer Heimat Argentinien heiß diskutierter Bestseller, der auch mit dem wichtigsten Literaturpreis des Landes, dem Clarín Novel Prize, ausgezeichnet wurde.

Vieles in Bazterricas Roman ist paradox. Etwa wenn einer der Bediensteten des ­Schlachthofs die Geburt seines Kindes feiert, indem für alle KollegInnen ein »Jungtier« auf den Grill kommt. Mit dem Essen von Tieren hat man nach einer mysteriösen Virusinfektion aufgehört, als erst von Vögeln, später auch von Hunden, Katzen und allen möglichen Nutztieren Gefahr für den Menschen ausging. Tiere sind weitestgehend verschwunden, es regiert der Pragmatismus: »Seit es keine Hunde mehr gibt, sind die Gehwege sauberer.« Aus Angst vor Ansteckung durch Vögel wagt man sich nur mit

Nun wurde er von Matthias Strobel unter dem Titel »Wie die Schweine« für Suhrkamp Nova aus dem Spanischen übersetzt.


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