B io r a m a 67
K ü c h e nm esser
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Feine Klingen Spielzeug für Küchen-Samurai.
Bild Istock.com/ArtistGNDphotography
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er Geruch im Raum ist eine rustikale Mischung aus Kohlenstaub, Schweiß und heißem Eisen. In der Mitte brennt ein Ofen, aus dem die Schmiede hin und wieder glühenden Stahl holen. Dann werden die Hämmer geschwungen. Große, archaische Hämmer, um den Stahl zu falten, und kleine, fast filigrane Werkzeuge, um die Feinheiten in die Klingen zu hämmern. Die Werkstatt befindet sich in einem Hinterhof von Tsukiji, dem alten Fischmarkt in Tokio. Eine Handvoll Messerschmieden hat sich hier niedergelassen und die Meister sind bekannt im ganzen Land. Das bedeutet was, ist Japan doch das Land der scharfen Klingen. Während sich im Mittelalter europäische Ritter mit ihren klobigen Schwertern eher erschlugen, als sich gegenseitig Schnittwunden zuzufügen, glitten die Schwerter der Samurai wie Butter durch die Rüstungen der Gegner. Daraus hat sich eine Tradition entwickelt, die Nippon geradeweg an die Spitze der internationalen Kochmesserliga gebracht hat. Jeder Koch und jede Köchin, der und die auf sich hält, arbeitet mit Messern, die durch japanisches Handwerk zumindest inspiriert sind. Das betrifft die Formen der Klinge wie santoku (als beliebtes Universalmesser) oder das rechteckige usuba (für Gemüse) ebenso wie den fein maserierten Stahl, dessen feine Bogenzeichnungen auf seine Faltungen während des Schmiedens hinweisen.
Der Vorteil dieser Messer – es gibt sie übrigens durchaus auch von heimischen HerstellerInnen – liegt auf der Hand. Oder besser in der Hand, denn wer einmal ein hocho zum Filetieren von Fisch in der Hand hatte, greift zu anderen Messern nur noch im Notfall. Und dann natürlich die Schärfe ihrer Klingen: Rasiermessergleich gleiten sie durch das Schneidgut. Sei es Fisch, Fleisch oder Gemüse. Der Nachteil (geht – je nach Sichtweise – aber auch als Vorteil durch): Die guten Stücke wollen gepflegt sein. Nicht nur hin und wieder. Nach jeder Verwendung. Feucht abwischen, trocken polieren, mit Nussöl einölen, in Papier einschlagen. Keine Frage, Messer aus Sakai, Takefu oder Seki, den Zentren des japanischen Schmiedehandwerks, haben eine steile Karriere hinter sich. Der Erfolg bei KöchInnen ist dabei auf eine Reihe von Eigenschaften zurückzuführen. Aufgrund der jahrhundertelangen Erfahrung mit der Herstellung rasiermesserscharfer Klingen sind japanische Messer Präzisionswerkzeuge. Mit den Messern haben sich auch spezielle Schnitttechniken entwickelt. Für feine Schnitte, wie sie etwa bei Sashimi oder beim Lösen der Haut vom Kugelfisch notwendig sind, verwenden die MeisterInnen das schmale yanagiba. Auf den Punkt gebracht lässt sich die japanische Messerkultur mit folgenden Begriffen charakterisieren: Eleganz, Vielfalt und Präzision. Der
Text Jürgen Schmücking
Die meisten MesserherstellerInnen haben Onlineshops. Eine große Auswahl guter Marken europäischer und japanischer HerstellerInnen hat knivesandtools.at.