B io r a m a 7 2
Zo o no se
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Das Virus, die Tiere, das Fleisch Im Clinch mit der Evolution.
I
n einem Gespräch über die Coronakrise landet man unweigerlich und immer wieder beim Fleisch. Man begegnet dem Aspekt auf unterschiedlichen Ebenen und in verschiedenen Kontexten. Bei der Frage nach der biologischen Herkunft, weil es sich bei der Krankheit höchstwahrscheinlich um eine von Tieren auf den Menschen übertragende handelt, bei der Frage nach der geografischen Herkunft, weil recht schnell ein Markt für Wildfleisch in Südchina identifiziert werden konnte, bei der Frage der Ausbreitung, weil sich die Schlachthöfe der Massentierhaltung als Brutstätten des Erregers erwiesen haben, und schließlich in der Diskussion um die Zukunft. Weil die nur funktionieren kann, wenn wir das System Fleisch radikal verändern. Früher war alles anders. Ganz früher. Also vor dem Neolithikum, der Jungsteinzeit, als unsere VorfahrInnen noch jagten und sammelten.
Das war vor etwa 9000 Jahren. Damals kamen sich der Homo sapiens und seine Beute nur einmal wirklich nahe. Bei der Jagd. Dass dabei ein Virus seinen alten Wirt (das Tier) verlässt und sein Glück in einem neuen Wirt (dem Sapiens) versucht, war höchst unwahrscheinlich. Aber die Zeiten ändern sich, die Menschen wurden sesshaft und begannen, »ihre« Tiere zu domestizieren. Und genau hier beginnt das Drama.
Haus-Tiere Die Ackerbäuerinnen und Ackerbauern der ersten Stunde holten sich die Tiere buchstäblich ins Haus und lebten auf engstem Raum mit ihnen. Ein eigenes Haus für Kühe, Schafe oder Schweine (heute als Stall bekannt)? Undenkbar. Außerdem sorgten Tiere, vor allem die großen Rinder, für warme Stuben. Aber alles hat seinen Preis, und der Preis für die konstante Versorgung mit Milch, Fleisch und Arbeitskraft war
Bild Istock.co m/So mrerk Ko solwit thayana nt
Text Jürgen Schmücking