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DAS ALTER U N D DE R KL IM AWA N DEL
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Dass Hitze medial meist mit positiven Bildern kommuniziert wird, verstellt den Blick auf das Problem.
Serie von mindestens drei aufeinanderfolgenden Tagen über 30 Grad Celsius, »die höchstens kurz von einem Tag zwischen 25 und 30 Grad unterbrochen wird, wobei die mittlere Maximaltemperatur in der Periode jedoch größer als 30 Grad bleibt«. (Quelle: Gesamtstaatlicher Hitzeschutzplan, Wien 2017
Kerntemperatur Die Temperatur im Körper eines Menschen wird als Körperkerntemperatur bezeichnet. Ideal funktioniert unser Organismus bei 36 bis 37,5 Grad. Unter 35 Grad zittern wir. Schon ab 38,2 (leicht erhöhte Temperatur) agieren wir beeinträchtigt. Spätestens bei 43 Grad denaturieren unsere Proteine.
so nicht erreicht wird«, sagt dazu Willi Haas, der am Sozialökologieinstitut der Wiener Universität für Bodenkultur zum Thema Gesundheit und Nachhaltigkeit forscht. »Es geht daher darum, ÄrztInnen, Pflegedienste und Verwandte gut und maßgeschneidert zu unterstützen, damit diese proaktiv agieren können.« Allein dass der Bevölkerung bewusst ist, dass durch Temperaturstürze Schlaganfälle stark zunehmen, kann Leben retten und Lebensqualität wiederherstellen helfen.
DAS SCHLECHTE GEWISSEN DER BEHÖRDEN In Deutschland habe man das lange verdrängt, bedauert Umweltmedizinerin Traidl-Hoffmann. Die dem Bundesgesundheitsminister unterstellte Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung genügte sich lange damit, auf ihrer Website vor übermäßigem Alkoholkonsum an Hitzetagen zu warnen. Zwar veröffentlichte das Bundesumweltministerium 2017 »Handlungsempfehlungen für die Erstellung von Hitzeaktionsplänen zum Schutz der menschlichen Gesundheit«. Tatsächliche Konsequenzen haben daraus aber nur wenige Kommunen gezogen, etwa Köln oder Erfurt. Auf Bundes- und Länderebene fühlte sich lan-
ge niemand zuständig. »Mittlerweile hat man in den Behörden aber oft ein schlechtes Gewissen«, sagt Traidl-Hoffmann. Ein Problem bleibe: »Auch wenn es ihnen langsam bewusst wird, fällt es Personen, die teilweise seit 20 Jahren in ihrer Position sind, schwer, einzugestehen, dass sie zu lange nichts gemacht haben.« Gleich scheint aber wieder ihr skeptischer Optimismus durch. Am nächsten Tag, erzählt die Umweltmedizinerin, werde sie erneut einen Termin im bayerischen Gesundheitsministerium haben. »In Bayern hat man das jetzt kapiert«, sagt sie. »Dort packt man das jetzt an.« Und auch die »Gesundheitsberufler«, ist sie zuversichtlich, würden endlich aufwachen. Damit diese auch genügend Fakten zur Hand haben, hat sie gerade ein Fachbuch herausgegeben: »Planetary Health« – über Klima, Umwelt und Gesundheit im Anthropozän. Denn nicht nur der nächste Sommer kommt bestimmt. Auch dem Gesundheitssektor müsse bewusst werden, dass er selbst für annähernd fünf Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich ist. Und weil es auch da einprägsame Bilder braucht: Jedes Krankenbett verbraucht in etwa so viel Energie wie ein Einfamilienhaus.
B ILD IST OCK.COM/A NNANAHABED
Hitzewelle