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Schlanker mit EMS?

Abnehmen gelingt zwar mit einer Reihe verschiedener Methoden wie verringerter Energiezufuhr und erhöhter körperlicher Aktivität. Ein negativer Nebeneffekt dieser Methoden ist jedoch, dass die Gewichtsreduktion oft mit einer Abnahme der Muskelmasse einhergeht. Ob mithilfe von Elektromyostimulation diesem Effekt entgegengewirkt werden kann, wurde in einer aktuellen Studie untersucht.

Das mit Übergewicht einhergehende gesteigerte Risiko für Bluthochdruck, Diabetes Typ 2 oder kardiovaskuläre Erkrankungen ist hinlänglich bekannt. Die direkt und indi rekt damit verbundenen Kosten für das Gesundheitssystem wie die Behandlung von Krankheiten oder Arbeitsausfall sind immens. Aus diesem Grund wurden verschiedene Strategien entwickelt, um Übergewicht entgegenzutreten. Ein Ka loriendefizit, das ausschließlich über eine verringerte Energiezufuhr erreicht wird, hilft zwar dabei, Gewicht zu verlie ren, allerdings geht mit dieser Methode der Gewichtsreduktion häufig eine be trächtliche Abnahme der Muskelmasse einher. Eine effektive Strategie zur Ein dämmung des Verlusts von Muskelmasse ist erwiesenermaßen die erhöhte Zufuhr von Proteinen.

Eine weitere Möglichkeit der Ge wichtsreduktion ist eine erhöhte körperliche Aktivität oder gezieltes Ausdauerund Krafttraining. Gerade durch Kraft training ist der Energieverbrauch nicht nur während eines Trainings und in der Regenerationsphase nach einem Trai ning erhöht, sondern durch Muskelzuwachs auch der Energieumsatz in Ruhe. Die Kombination aus Krafttraining und erhöhter Proteinzufuhr während Phasen reduzierter Energieaufnahme über Er nährung erscheint daher sehr vielversprechend, um eine Reduktion des Körpergewichts überwiegend durch eine verringerte Fettmasse – und eben nicht durch den Rückgang von Muskelmasse – zu erreichen.

EMS zum Abnehmen? Neben einem erhöhten Zeitaufwand und der Ablehnung intensiver Übungen stel len gerade bei übergewichtigen Personen vorhandene orthopädische Probleme Hürden für die gezielte Durchfüh- rung eines Krafttrainings dar. An dieser Stelle kommt mit der Ganzkörper-Elekt romyostimulation (EMS) eine relativ neue Trainingstechnologie ins Spiel. EMS ist zeitsparend, gelenkschonend und stark individualisierbar – aus diesen Gründen erscheint sie für den Einsatz bei sonst schwer zu erreichenden Ziel gruppen ideal. Die Effekte von EMS im Hinblick auf den Muskelzuwachs, die Kraftsteigerung sowie die Fettreduktion fallen dabei ähnlich aus wie bei einem intensiven Krafttraining.

Vor diesem Hintergrund untersuch ten deutsche Wissenschaftler nun den Effekt von EMS auf die Körperzusam mensetzung im Rahmen einer Intervention, bestehend aus verringerter Energiezufuhr und gleichzeitig erhöhter körperlicher Aktivität und Proteineinnahme. Die Ergebnisse der Studie wurden kürz lich in der Fachzeitschrift Frontiers in Physiology veröffentlicht.¹

Die Studie Für die 16-wöchige Interventionsstudie wurden insgesamt 90 übergewichtige Frauen im Alter von 25 bis 50 Jahren re krutiert. Um an der Studie teilnehmen zu können, mussten neben dem erwähnten Übergewicht eine Reihe weiterer Kriteri en erfüllt sein, wie z. B. keine Krankheiten und keine Einnahme von Medikamenten, die die Muskelmasse oder die Fettmasse beeinflussen können, kein Einsatz von Herzschrittmachern und kein zurückliegender Herzinfarkt. Die Teilnehmerinnen wurden gleichmäßig auf drei Gruppen aufgeteilt (d. h. jeweils 30 Personen pro Gruppe):

W Gruppe 1 (Kontrollgruppe): Negative Energiebilanz von 500 kcal pro Tag aus schließlich durch verringerte Energiezufuhr. Einnahme von Proteinpulver (1,2 g pro kg Körpergewicht und Tag). Beibehaltung des Aktivitätslevels.

W Gruppe 2 (Aktivitätsgruppe): Negative Energiebilanz von 500 kcal pro Tag durch verringerte Energiezufuhr sowie durch Steigerung des Aktivitätslevels

W (je 250 kcal). Erhöhte Einnahme von

Proteinpulver (1,7 g pro kg Körperge wicht und Tag).

Gruppe 3 (EMS-Gruppe): Wie Aktivi tätsgruppe, jedoch mit zusätzlichem

EMS- Training 1,5-mal pro Woche für je 20 Minuten.

Die Aktivitätsgruppe erreichte den Mehrverbrauch von 250 kcal pro Tag durch eine erhöhte Schrittzahl (z. B. Spa zierengehen), die mithilfe eines Fitnesstrackers kontrolliert wurde. Das zusätzliche EMS-Training der dritten Gruppe richtete sich an den gesamten Körper und bestand aus bipolaren Impulsen von 85 Hz (Impulsbreite 350 µs) mit Zyk len von jeweils sechs Sekunden Stromapplikation und vier Sekunden Pause. Die Teilnehmerinnen führten während der Applikationsphasen in zwei Sätzen mit je sechs bis acht Wiederholungen einfache Übungen mit kleinem Bewe gungsumfang wie Kniebeuge, Butterfly oder Rumpfextension durch. Die Reizin tensität wurde vom Übungsleiter in Absprache mit der jeweiligen Teilnehmerin individuell auf Basis einer Skala zum subjektiven Belastungsempfinden ange passt. Die Vorgabe für das Belastungsempfinden seitens der Studienleitung war „hart“ bis „sehr hart“.

Wichtig zu erwähnen ist, dass der zu sätzliche Energieverbrauch der Gruppe mit EMS-Training mit der täglichen Energiezufuhr verrechnet wurde, sodass in dieser Hinsicht eine Vergleichbarkeit der drei Gruppen gegeben war.

Was wurde untersucht? Vor und nach Beendigung des 16-wöchigen Interventionszeitraums wurde die Körperzusammensetzung der Teilneh

merinnen erfasst. Die Messung erfolgte mittels einer bioelektrischen Impedanzanalyse (BIA). Hierbei wird ein schwacher Wechselstrom durch den Körper geleitet. Auf Basis der unterschiedlichen Leitfähigkeit von beispielsweise Muskeloder Fettgewebe können unter anderem die Magermasse (als Indikator für die Muskelmasse) und die Fettmasse ermit telt werden. Um eine hohe Vergleichbarkeit der Messungen zu gewährleisten, fanden beide Untersuchungen zur glei chen Tageszeit statt.

Gewinner: EMS-Gruppe Im Anschluss an die Intervention stellten die Forscher eine leichte Abnahme der Magermasse in der Kontrollgruppe (-0,2 Prozent) und der Aktivitätsgruppe (-0,8 Prozent) fest, wohingegen die EMS-Gruppe einen kleinen Anstieg (0,5 Prozent) verzeichnete. Statistisch signi fikant wurde dabei der Unterschied zwischen der Aktivitätsgruppe und der EMS-Gruppe in punkto Magermasse.

Größere Änderungen zeigten sich hingegen hinsichtlich der Fettmasse. Diese sank während der Intervention in der Kontrollgruppe um 6,3 Prozent, in der Aktivitätsgruppe um 10,7 Prozent und in der EMS-Gruppe um 8,3 Prozent (siehe Abbildung). Aus statistischer Sicht reduzierte jedoch keine der drei Gruppen ihre Fettmasse mehr als eine andere Gruppe. Die Forscher schließen aus den Ergebnissen, dass die Kombina tion aus EMS-Training, erhöhter Proteineinnahme und erhöhter körperlicher Aktivität die am besten geeignete Me thode ist, wenn während Phasen reduzierter Energiezufuhr nicht nur Fettmasse verloren, sondern die Muskelmasse möglichst stabil gehalten werden soll.

Bisherige Forschungsliteratur Auch wenn die Studie den Autoren zufolge die erste ihrer Art ist, lassen sich die Ergebnisse gut in die aktuelle For schungslage einbetten. Eine Reihe von Untersuchungen zeigte beispielweise, dass mittels EMS-Training ähnliche Zu wächse in der Muskelmasse erzielt werden können wie mit intensivem Krafttraining. Durch den deutlichen Rückgang der Fettmasse in diesen Studien verloren die Teilnehmer insgesamt an Gewicht. Während Abnehmprogramme, die ausschließlich über eine verringerte Energiezufuhr funktionieren, häufig auf

ÄNDERUNG NACH DER INTERVENTION -12%

-10%

-8%

-6%

-4%

-2%

0%

2%

KÖRPERZUSAMMENSETZUNG

Kontrollgruppe Aktivitätsgruppe EMS-Gruppe - 10,7%

- 6,3% - 8,3%

- 0,2% - 0,8% 0,5%

Magermasse Fettmasse

Die Säulen stellen die prozentuale Veränderung der Magermasse und der Fettmasse in Abhängigkeit der Gruppe nach der Intervention dar

Kosten einer deutlich reduzierten Muskelmasse gehen, zeigen Studien, dass durch eine erhöhte Proteineinnahme diesem negativen Effekt entgegenge wirkt werden kann. Entsprechend kommt eine Übersichtsarbeit auch zu einer Empfehlung von mindestens 1,6 g Pro tein pro kg Körpergewicht und Tag zur Beibehaltung der Muskelmasse im Rah men von Abnehmprogrammen. All diese Erkenntnisse unterstützen und erklären die Effektivität der EMS-basierten Inter vention in der vorliegenden Studie.

Als Limitation der Untersuchung kann die unterschiedliche Proteinzufuhr zwischen den drei Gruppen betrachtet werden, welche die Autoren mit einem erhöhten Proteinbedarf durch das EMS-Training begründen. Weiterhin wurden das allgemeine Ernährungsver halten und die damit verbundene reduzierte Energiezufuhr zwar detailliert von den Studienteilnehmerinnen protokol liert, allerdings berichteten die Autoren von einigen Fällen, in denen unrealisti sche Werte angegeben wurden, die daher bei der Ergebnisinterpretation zu berücksichtigen sind.

Fazit Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass ein EMS-Training in Kom bination mit erhöhter Proteineinnahme und verringerter Kalorienzufuhr eine ef fektive Strategie zur Gewichtsreduktion darstellt. Ein großer Vorteil gegenüber Methoden ohne EMS-Training ist dabei, dass nicht nur die Fettmasse der Teil nehmerinnen reduziert, sondern die Muskelmasse zusätzlich aufrechterhal ten werden konnte. Ähnliche Ergebnisse sind zwar auch mit intensivem Krafttrai ning zu erreichen – aufgrund der gelenkschonenden und zeitsparenden Durchführung stellt ein EMS-Training jedoch gerade in Hinblick auf schwer zu errei chende Zielgruppen wie Übergewichtige eine attraktive Alternative dar.

Dr. Stefan Altmann

Quellen: ¹ Willert, S. J., Weissenfels, A., Kohl, M., Von Stengel, S., Fröhlich, M., Kleinöder, H. & Kemmler, W. (2019). Effects of Whole-Body Electromyostimulation (WB-EMS) on the energy-restriction-induced reduction of muscle mass during intended weight loss. Frontiers in Physiology, 10, 1012.

Dr. Stefan Altmann ist Leiter der Leistungsdiagnostik am Institut für Sport und Sportwissenschaft des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) sowie Koordinator Sportphysiologie & Wissenschaft der TSG ResearchLab gGmbH. Kontakt: stefan.altmann@kit.edu

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