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Dehnen macht beweglicher“

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„Dehnen macht beweglicher“

Die Muskulatur besteht aus zwei Arten von Strukturen: solchen, die sich bei Aktivierung zusammenziehen (Aktin und Myosin), und solchen, die eine passiv-elastische Längenänderung verhindern (Titin). Entgegen der Annahme, kehren Muskeln nach Dehnübungen stets in die ursprüngliche Form zurück. Verantwortlich dafür ist das Molekül Titin. Es verbindet Aktin, Myosin und die Z-Scheiben elastisch miteinander. Die Funktion: die Form des Muskels erhalten. Erst bei sehr starker Zugbeanspruchung werden diese Strukturen merklich belastet und ihre welligen Fasern gestreckt. Dieser sogenannte Creep-Effekt hält einige Minuten bis höchstens eine Stunde und benötigt deutlich mehr Kraft, als die meisten beim Dehnen aufbringen. Das ist auch der Grund, warum sich Dehnende kurz nach dem Stretching beweglicher fühlen. Rein strukturell können wir einen Muskel also nicht verlängern. Aber warum werden wir dann durch Dehnen beweglicher?

Die Muskelspindeln geben über eine Verschaltung im Rückenmark Informationen über den Dehnungsgrad an das zentrale Nervensystem weiter. Wird eine bestimmte Reizschwelle überschritten, wird der Muskel reflektorisch angespannt und erhöht seinen Grundtonus, um eine mögliche Verletzung zu verhindern. Durch regelmäßiges Dehnen wird die Reizschwelle dieses Systems geändert und wir spüren später einen Dehnschmerz. Letzteres heißt aber nicht, dass der neue Bewegungsumfang auch kontrolliert werden kann. Durch aktive Muskelarbeit in einem neu gewonnen Bewegungsumfang lernt unser Körper, diese endgradige Gelenkstellung auch zu kontrollieren. Wir müssen dafür nicht einmal bestimmte Dehnübungen machen. Afonso et al. (2021) schreiben in einer Untersuchung dazu: „Krafttraining und Stretching unterscheiden sich nicht dahingehend, wie sehr sie den Bewegungsumfang verbessern, unabhängig vom durchgeführten Protokoll und der Population.“

„Stretching“ wird oft falsch verstanden: Muskel verkürzen nicht bzw. nur nach langer Immobilität. Vielmehr spüren wir in ungewohnten Bewegungsamplituden einen Dehnschmerz. Dieses zentralnervöse Gefühl verringert sich durch regelmäßiges Dehnen. Wer diese Trainingsform mag, kann sie gern fortsetzen. Wer sie nicht mag, erzielt mit Krafttraining ähnlich gute Effekte. W

FELIX KADE

Der Personal Trainer mit dem Schwerpunkt Rückenschmerzen gibt modernes und evidenzbasiertes Wissen in seinem Blog weiter. Weiterhin hilft er, gemeinsam mit Sebastian Schäfer, Trainern und Therapeuten beim „Assess & Correct"-Seminar, selbstbewusster an den Eingangscheck heranzugehen. www.felixkade.de

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