Caritas-Magazin Juni 2022

Page 8

Schweiz

Die Grossfamilie ist im Februar aus der Urkraine geflüchtet und hat in Muhen ein schönes Zuhause gefunden (von links): Viktoria, Irina, Michail, Sergej, Anna, Svetlana und Olga.

Von Flucht, Unsicherheit und Solidarität Eine Grossfamilie flieht – ohne ihre Männer – aus Kyiv* in der Ukraine, um sich in Sicherheit zu bringen. Sie haben 2014 bereits den Krieg in Donetsk in der Ostukraine erlebt und handeln deshalb schnell. In Muhen (AG) finden sie Zuflucht bei einem Gastgeber-Ehepaar, das nicht anders konnte, als zu helfen. Olga (30) arbeitet in einem Hotel in Kyiv, das von vielen internationalen Gästen be­ sucht wird. Nach dem 24.  Februar, als Russland die Ukraine angreift, reisen die Gäste jedoch alle ab. Die Sirenen heulen immer öfter auf, die Menschen rennen in die Keller. Zwei Tage später beschlies­

«Die Gastfreundschaft war von Anfang an sehr gross.» sen Olga und ihr Mann, dass sie mit Toch­ ter Anna (8)** und der Schwiegermutter das Land verlassen sollten. Ihre Schwä­ gerin Viktoria (32), die ebenfalls in Kyiv * ukrainische Schreibweise von Kiew ** Namen geändert

8

wohnt, trifft zusammen mit ihrem Mann ­denselben Entscheid. Sie, die zwei Kin­ der Michail** und Sergej** (2 ½ und 7) so­ wie ihre Schwiegermutter sollen fliehen – zusammen mit Olgas Familie. Die Ehemänner, die das Land nicht verlassen dürfen, bringen ihre Familien zu einem bestimmten Punkt an der Grenze zu Rumänien. Der Abschied ist emotio­ nal, sie wissen nicht, wann sie sich wie­ dersehen werden. Auf der anderen Seite wird die Grossfamilie von tschechischen Freiwilligen abgeholt, die Viktorias Mann durch Freunde organisiert hat. Mit ihnen fahren sie über Ungarn nach Tschechien, wo sie einige Tage bleiben. Die freiwilli­ gen Helfer haben alles organisiert: Betten und Essen. Olgas und Viktorias Familien sind froh über die grosse Solidarität. «Wir

stammen aus Donetsk und sind vor acht Jahren vor dem Krieg nach Kyiv geflohen. Wir wissen, wie es sich anfühlt, immer mit der Angst zu leben», erzählen sie. Tatkräftig etwas beitragen Am 7.  März nehmen sie den Zug über ­Österreich in die Schweiz. In Zürich hilft ihnen ein Bekannter, den Olga von ihrer Arbeit im Hotel kennt. Er bringt sie ins Bundesasylzentrum, wo sie den Schutz­ status «S» beantragen. Eine Gastfamilie wird für sie gesucht. Ihr Wunsch ist es, dass alle zusammenbleiben können – für sieben Personen ein schwieriges Unter­ fangen. Die meisten Privatunterkünfte, die gemeldet werden, verfügen über weniger Platz. Aber das Schicksal meint es gut mit ihnen. Jan (42) und Béatrice (33) in Muhen im Kanton Aargau haben den Wunsch, eine Familie aus der Ukraine aufzuneh­ men. Der aufflammende Krieg bedrückt Jan sehr, er schläft schlecht. Deshalb will er tatkräftig etwas beitragen, um das Leid Bilder: Jürg Waldmeier


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.