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Wie wird Menstruation wahrgenommen?

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Danksagungen

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Dass es sich bei der Menstruation auch im Jahr 2017 noch um ein tabuisiertes Thema handelt, wird durch die aktuelle Werbung für Menstruationsprodukte sichtbar. Anhand des Versteckens oder Umschreibens der essenziellen Vorgänge, welche die Menstruation ausmachen, lässt sich eine Reproduktion des Menstruationstabus erkennen. Wird zusätzlich die Menstruation als ein intimer Moment verstanden, der nur äußerst selten geteilt wird, kann man davon ausgehen, dass die Werbung für Intimhygiene-Produkte die einzige, öffentlich akzeptierte Form der Darstellung von Menstruation ist, welche die allgemeine Wahrnehmung der Menstruation maßgeblich beeinflusst.

Den historischen Ausgangspunkt findet die Werbung für Menstruationsprodukte in Deutschland um das Jahr 1950, als erstmals öffentlich Werbung für die „Mulpa“ Binde gemacht wurde. Die Werbung wurde nach amerikanischem Vorbild in Frauenmagazinen mittels kleiner Illustrationen platziert, welche durch ihre dezente Erscheinung und ohne die Menstruation in irgendeiner Weise zu erwähnen um die Menstruierende mit vermutlich notwendigen Vorkenntnissen warben. Dementsprechend ist die Nutzung von Werbeflächen in Printmedien, insbesondere Frauen- und Mädchenzeitschriften, die älteste Werbeform für Menstruationsprodukte.

Das öffentliche Werben für Menstruationsprodukte hat dabei aber wenig mit einer Enttabuisierung der Menstruation zu tun. Das lässt sich anhand dem verwendeten Vokabular seit den 60er Jahren festmachen. Werbetexte betonen nach wie vor den Schutz vor Auslaufen, aber auch die Freiheit und Sicherheit, welche das Produkt bieten kann, wodurch eine Wahrnehmung der Menstruation als etwas Schmutziges, Schambehaftetes oder Einschränkendes unterstützt wird. Kurz, die versteckte Botschaft der Werbung im Hinblick auf die Menstruation ist bis heute die gleiche: Bei der Menstruation handelt es sich um einen als nicht normal wahrgenommenen Vorgang. Damit knüpft die Werbung an die damit verbundenen Unsicherheiten der Frau an, da sie so ihr beworbenes Produkt als rettendes Hilfsmittel in der Not darstellen kann.

Analyse der aktuellen Werbekampagnen für Menstruationsprodukte

Die größten Intimhygiene-Hersteller im deutschsprachigen Raum, „o.b.” und „always”, welche über den größten Marktanteil und damit auch über die meisten Mittel für Werbung verfügen, können sich aufwändige und kostspielige TV-Spots leisten. Anders als andere Kommunikationsmedien erreicht diese auch Nichtmenstruierende, weshalb sie einen maßgeblichen Einfluss auf die Wahrnehmung der Menstruation im gesamtgesellschaftlichen Kontext haben kann.

Das Gesamtkonzept dieser Werbung, also das Layout, Werbetext und farbliche Codierung, unterscheidet sich selten von den anderen Medien wie z.B. dem Print Bereich. Aus diesem Grund werde ich mich auf jeweils einen beispielhaften, aktuellen TV-Spot der beiden Hersteller mit dem größten Marktanteil konzentrieren.

Der TV-Spot 13 der Firma „always“ zeigt bewusst auf, wie aktiv, sportlich und sogar kämpferisch eine Menstruierende sein kann. Zu sehen ist eine typische Trainingssituation der kanadischen Torhüterin Stefanie Labbé. Der Werbetext legt ihr die Worte: „Weil ich eine Frau bin, denkst du, ich kann dem Druck nicht standhalten, und wenn doch?“ in den Mund. Eine weitere, weibliche Erzählerstimme antwortet: „Widersetze dich allen Erwartungen, jeden Tag, mit ‚always Ultra‘. Anders als bei dieser ‚always Maxi‘ Binde verwandelt sie Flüssigkeit in Gel. Und Gel läuft nicht aus.“

Dabei wird im Vergleich auf zwei Binden eine blaue Flüssigkeit aus Reagenzgläsern gekippt. Der Vergleich zeigt deutlich, nachdem die Binden durchgeschnitten und in einer Hand gequetscht wurden, dass im Gegensatz zu der „Maxi“ Binde die beworbene „Ultra“ keine Flüssigkeit verliert. Die Torhüterin rundet den Werbespot mit den Worten ab: „Kann ich die Nerven behalten und cool bleiben? Na klar kann ich!“. Woraufhin die Werbung mit den Worten „Schreib die Regeln neu – ‚always‘ “ endet.

Zu beobachten ist, dass in der Binden Werbung von dem Hersteller „always“ an keiner Stelle die Menstruation als solche benannt wurde. Das Menstruationsblut, welches mit der blauen Flüssigkeit symbolisch dargestellt wurde, und als bloße „Flüssigkeit“ bezeichnet wurde, wird dadurch deutlich entschärft. Fokus der Werbung scheint die ungleiche Behandlung zu sein, der Frauen ausgesetzt sind. Gemäß dem Slogan „Schreib die Regeln neu“ sollen sich Frauen nach dem kämpferischen Vorbild der erfolgreichen Torhüterin richten und eine andere gesellschaftliche Ordnung einfordern, und das obwohl oder gerade weil sie menstruieren und sie mit der beworbenen always Ultra gegen diesen Widerstand ankämpfen können.

Die Binde, welche das nicht erwähnte Blut in „Gel verwandelt“ wird als notwendiges Hilfsmittel dargestellt ohne diese die kämpferische Torhüterin „auslaufen“ würde, was dementsprechend als etwas Negatives dargestellt wird. Insofern ist die Frage, was genau mit „Schreib die Regeln neu“ gemeint ist. Im Hinblick auf den Umgang mit der Menstruation scheint eine Veränderung des Tabus nicht angestrebt worden zu sein.

Aber auch die große Tampon-Firma „o.b.“ wagt sich an die Darstellung von Blut oder dem Erwähnen des korrekten Begriffs „Menstruation“ nicht heran, wie im Beispiel der „o.b. Flexia“ TV Werbung 18 deutlich wird. Die Werbung startet mit einer Frau, deren Alter sich auf ungefähr 30 Jahre schätzen lässt. Sie liegt im Bett und wacht mit den Sätzen der Erzählerstimme auf: „ ‚o.b. Flexia‘ könnte versprechen, dass Sie hier aufwachen. Mit ihm. Hier oben.“

Neben ihr taucht ein normschöner Mann im Bett auf und sie erblickt um sich herum ein märchenhaftes Baumhaus in einer überzeichnet schönen Landschaft. Die weibliche Erzählerstimme setzt mit den Worten fort: „Aber in Wahrheit wachen sie einfach auf, ohne Flecken. Flexia Tag und Nacht mit Flügel schützt bis zu 100% die ganze Nacht. Und das allein ist ziemlich gut. ‚o.b. Flexia‘ “. 20 Um diese Aussage deutlicher zu visualisieren, wird eine Informationsgrafik mit „100%“ eingeblendet. Daneben ist in einer stark abstrahierten Form mittels zweier, geschwungenen Linien der Anwendungsort dargestellt, der den Querschnitt der Vagina vereinfacht zeigen soll.

Die geschwungenen Linien sollen vermutlich die Scheidenwand darstellen. Auch in dieser Werbung wird erneut mit der blauen Flüssigkeit gearbeitet, um das als schmutzig wahrgenommene Blut nicht darstellen zu müssen, und somit nicht mit dem zu bewerbenden Produkt in Verbindung zu setzen. Als Beweis für die Wirksamkeit des Produkts wird kurz die unbefleckte Unterhose der Frau gezeigt, während die Erzählerstimme betont, dass es mit diesem Produkt keine „Flecken“ gibt.

Auf eine ironische Art und Weise versucht sich „o.b.“ über andere Produkte hinwegzusetzen. Die Frau springt am Ende der Werbung zurück zu dem Mann in das Bett, um die durch das Produkt gewonnene Leichtigkeit zu betonen, sodass sie sich vor ihm nicht schämen muss, da keine Flecken zu sehen sind. Indirekt wird also mehr als bloß das pragmatische Flecken vermeidende Produkt beworben, sondern auch wieder die klassischen Begriffe wie Schutz in Form von Hygiene und Freiheit durch den neu gewonnenen sorglosen Umgang mit der Menstruation. Dadurch, dass die Protagonistin des Werbevideos wie in der „always“ Werbung unter keinerlei Menstruationsbeschwerden leidet, wird ebenfalls suggeriert, dass diese im Zusammenhang mit dem beworbenen Produkt nicht existieren.

Die Werbestrategie der Konzerne scheint sich seit einigen Jahren ebenfalls anderen Medien, wie der wichtiger werdenden Bedeutung von Social Media zuzuwenden. So wird nun durch das Einkaufen von Youtuberinnen indirekt Werbung gemacht. Ein Beispiel für dieses Werbeformat ist der deutschlandweit bekannte Youtubechannel „BibisBeautyPalace“ indem die Youtuberin Bianca „Bibi“ Heinicke für „always“ wirbt.

Durch Social Media ist auch der Durchbruch der Menstruationstasse zu erklären, dessen Patentanmeldung bereits 80 Jahre zurückliegt und erst jetzt Erfolge feiern kann. 24 Was nicht zuletzt anhand der gut platzierten Werbung im Internet, als auch durch die mehr oder weniger bezahlte Mundpropaganda eben dieser YoutuberInnen zu erklären ist, welche sich gezielt an alternative Zielgruppen richten, die womöglich eher geneigt sind, ein neues Produkt zu erproben.

Die Intimhygiene-Firmen besitzen auch eigene Kanäle auf Youtube, um die jüngeren Konsumentinnen auch direkt erreichen zu können. Der Inhalt der Videobeiträge sind aktuelle Werbespots, aber auch soziale Initiativen, wie die #likeagirl Kampagne von „always“, 25 sind auf diesen Kommunikationskanälen zu finden. Es ist keine Seltenheit, dass die Produzenten von Menstruationsprodukten mittels sozialem Engagement indirekt für ihr Produkt und ihre Haltung, den Frauen helfen zu wollen, werben. Das Beispiel der always Kampagne macht sich für das Selbstvertrauen von Mädchen stark.

Obwohl der Hersteller des Menstruationsproduktes in der Position wäre mit dem Menstruationstabu aufzuräumen, wird diese einflussnehmende Rolle nicht nutzt. Die Binden-Firma „always“, möchte zwar aufzeigen, dass das Selbstvertrauen der jungen Frauen beim Eintritt der Pubertät und damit - unerwähnterweise - auch beim Beginn der Menstruation meist stark sinkt. Sich bei sozialen Kampagnen auch auf das Problem des Menstruationstabu zu beziehen, findet allerdings gar nicht statt. Stattdessen wird den im Kampagnenvideo zu sehenden Mädchen der Auftrag erteilt weiße Pappboxen mit ihren Ängsten oder Unsicherheiten, wie z.B. „Mädchen sind schwach“ oder „Mädchen sind nicht mutig“ zu beschriften und diese dann vor laufender Kamera umzustoßen.

„o.b.“ besitzt wie „always“ ebenfalls einen Youtube Channel auf welchem der Hersteller seine Werbung platziert. Es finden sich Tampon Tutorials, welche die Anwendung eines Tampons erläutern sollen. Dabei ist eine Darstellung der Vulva zu sehen, womit die Firma „o.b.“ die Körperöffnung, in welche der Tampon geführt werden muss, in Form einer vereinfachten, abstrakten Zeichnung zeigt.

Diese Visualisierung ist vermutlich notwendig, da oftmals eine Unkenntnis über die Verortung der eigenen, weiblichen Geschlechtsteile herrscht, 28 vermutlich weil die eigene Vulva ohne Spiegel nicht oder nur schwer zu sehen ist. Außerdem handelt es sich bei dem Tampon, um ein Produkt dessen Gebrauch erläutert werden muss. Eine Erläuterung der Binde entfällt, da diese sich eher von selbst erklärt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass diese Arten der Darstellung als ein Spiegel der gesellschaftlich akzeptierten Wahrnehmung der Menstruation verstanden werden können.

Das Menstruationstabu wird wiederholt und in der allgemein akzeptierten Darstellung von Menstruation reproduziert, da es nicht im Interesse der Werbung liegt, Ekel oder gar Peinlichkeit bei den potentiellen Konsumentinnen auszulösen, indem sie das „wahre“ Bild der Menstruation zeigt. Zumal der Einfluss der Werbung teilweise entscheidend groß bemessen werden muss, da es sich dabei um die ausschließliche Informationsquelle über den Menstruationsvorgang für junge Frauen handeln kann.

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