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Was ist die Aufgabe der Designer*in?
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Wie lässt sich aus gestalterischer Perspektive auf diese Unsicherheiten antworten? Ist es überhaupt anzunehmen, dass Design Einfluss auf den Extremfall der zutiefst intime Ebene der Körperscham und des Ekels nehmen kann? Die heutige Darstellung der Menstruation und die damit verbundene Wahrnehmung zu erfassen, ist ein wichtiger Schritt, um eine mögliche Einflussnahme zu erwägen, mit dem langfristigen Ziel, das Erscheinungsbild der Menstruation als einen neutral wahrzunehmenden Vorgang zu etablieren. Ein weiterer wichtiger Ansatz ist die Analyse des historischen Umgangs mit der Menstruation und die Entwicklung von Menstruationsprodukten, da sich an diesen Beispielen eine funktionierende Einflussnahme des Gestalters ablesen lässt.
Designkriterien
In der positiven oder neutralen Wahrnehmung der Menstruation liegt die Chance, das Wohlbefinden und das damit verbundene Selbstwertgefühl der Menstruierenden zu stärken. Wird die Menstruation nicht als schambehaftete Einschränkung, sondern anerkennend betrachtet, könnte es ebenfalls einen schmerzlindernden Effekt beinhalten. Die Ergebnisse einer Untersuchung des „Prämenstruellen Syndrom“, kurz: PMS, aus dem Jahr 1991 lassen sich vermutlich auch auf die Menstruation anwenden, da es in beiden Fällen um einen hormongesteuerten, physischen Vorgang handelt, welcher in einer wechselseitigen Beziehung mit dem psychischen Zustand steht.
Das PMS lässt sich laut Forschungsbericht der Studie durch eine jeweilige psychisch positiv, wie auch negativ wahrgenommene Grundverfassung die Intensität des Unwohlseins abmildern oder steigern. Man kann demzufolge davon ausgehen, dass ein Fortbestehen des Menstruationstabus das Unwohlsein, welches durch PMS aber auch durch die Menstruation hervorgerufen werden kann, begünstigt. Langfristig gilt es, das Unwohlsein, welches sich durch den Körperscham verstärkt, als etwas nicht Notwendiges zu erklären und damit mehr Wohlbefinden durch Akzeptanz der eigenen Körpervorgänge, weniger gesellschaftlichen Erwartungsdruck und damit auch weniger traumatischen Erfahrungen mit der Menstruation zu erreichen. Das Erleben der Menstruation ist also bedingt durch das Zusammenspiel des Körpers, sowie des Geistes.
Einer der Gründe für das Unwohlsein kann die psychische Belastung, hervorgerufen durch die Scham für die eigene Menstruation, sein. Einen Teil zur Existenz der Körperscham in Bezug auf die Menstruation könnte ebenfalls die Differenz der idealisierten, gesellschaftlich akzeptierten Darstellung der Werbung im Verhältnis zu der nicht diesem Ideal entsprechenden Realität beitragen. Einer Realität der Menstruation, welche als etwas Ekliges und Schambehaftetes wahrgenommen wird. Das Gefühl der Scham und des Ekels sind als ein zusammenhängender Prozess zu verstehen, und ein Grund, weshalb sich das Menstruationstabu festigen konnte.
Aus einer phänomenologischen Definition der Scham, sowie des Ekels geht hervor, dass jegliches Körpersekret, wie z.B. das Menstruationsblut, nur im jeweiligen Kontext als ekelhaft verstanden wird. Als Beispiel wird ein verschmutzter Schuh genannt, der auf dem Boden keine Ekelreaktion auslöst. Auf dem Esstisch wird dieser dann doch als störend und ekel erregend angesehen. Dieses Beispiel lässt sich ebenfalls auf Menstruationsartikel, wie beispielsweise benutze Tampons anwenden. Im Mülleimer befindend, oder leider auch häufig die Toilette hinuntergespült, lösen diese selten so starke Ekelgefühle aus, wie beispielsweise auf dem Boden neben dem Mülleimer.
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Ekel ist also immer eine Frage des Kontextes. Wenn es sich nicht an einem vorgeschriebenen routinierten Umgang mit ekelbehafteten Sekreten oder Vergleichbarem gehalten wird, kann das Ekel auslösen. Das Problem bei der Menstruation ist nur, dass es keinen richtigen oder gar „natürlichen“ Umgang mit ihr gibt, außer, dass sie den Eindruck erwecken soll nicht zu existieren, indem sie versteckt und nicht thematisiert wird. An diesen Kodex scheinen sich viele Betroffene zu halten, sonst wären beispielsweise die Reaktionen auf das Mitteilen der Existenz von Menstruationsblut auf Instagram keine Seltenheit, wie es heute der Fall ist.
Ekel geht mit dem Gefühl der Scham einher. Scham- und Ekelgefühle gehören streng genommen immer zusammen, da Scham nicht ohne den Ekel der Anderen existieren kann. Scham ist immer ein Gefühl der Schwäche gegenüber dem Anderen. Das Gefühl der Scham, welches die Betroffene während ihrer Menstruation empfindet, wenn beispielsweise Blut an der Binde vorbeigelaufen ist und sichtbar wurde, kann wiederum ein Ekelgefühl bei anderen, die sich im selben Raum wie die Betroffene aufhalten, auslösen. Aus diesem Grund schämt sich die Betroffene.
Es könnte aber auch der Fall sein, dass niemand anderes sich im Raum befindet. Die Betroffene muss also alleine mit der ausgelaufenen Binde umgehen. In diesem Fall kann es trotzdem sein, dass sich die Betroffene schämt, da Scham auch nicht nur durch den unmittelbar geäußerten Ekel der anderen empfunden werden kann. Allein der Gedanke daran, dass sich jemand anderes ekeln könnte, verursacht Schamgefühle. Sich jeden Monat für sein Menstruationsblut schämen zu müssen, hat einen nicht zu vernachlässigen Einfluss auf das Selbstwertgefühl und kann ein Grund sein, warum Frauen nicht mit dem Menstruationstabu brechen können.
Zusätzlich muss die Menstruation im kulturellen Kontext als ein Prozess verstanden werden, dessen gesellschaftliche Akzeptanz sich in einem stetigen Prozess befindet. Wie sollte also mit dem Menstruationsblut umgegangen werden? Wenn das Blut als die zentrale Ursache für den Scham und den Ekel verstanden wird, ist es nachvollziehbar, dass in den bisherigen Bemühungen zum Thema der Menstruation in erster Linie die Frage nach dem Umgang, oder direkter formuliert, nach der Art geforscht wurde, wie das Blut aufzufangen oder möglichst schnell zu entsorgen ist.
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