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BGK 2020 als Anstoss zur Weiterentwicklung
Peter Bischofberger Kantonspolizei St. Gallen, Projektkoordinator BGK 2020
Zusammenfassung
Mit der Lancierung des Projekts «Bildungspolitisches Gesamtkonzept (BGK) 2020» gab die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) im Jahr 2016 den Startschuss, um das Berufsbildungssystem der Polizei von Grund auf zu reformieren. Für die Korps sollte in einem ersten Schritt die polizeiliche Grundausbildung auf zwei Jahre erweitert werden. Im Herbst 2019 starteten bereits die ersten zweijährigen Lehrgänge. Während das erste Ausbildungsjahr weiterhin in der Verantwortung der regionalen Ausbildungszentren liegt, sind für das zweite Jahr, das sogenannte Praxisjahr,
Das grosse Ziel der Bildung ist nicht Wissen, sondern Handeln.
(Herbert Spencer, britischer Philosoph, 1820–1903)
1. Einleitung Die Kantonspolizei St. Gallen ist mit rund 900 Mitarbeitenden das grösste Polizeikorps in der Ostschweiz und das siebtgrösste in der Schweiz (Statista GmbH 2019). Sie bildete von 1870 bis im Jahr 2005 ihre Polizistinnen und Polizisten eigenständig aus. Mit der in der Schweiz einheitlichen Berufsprüfung und dem Abschluss mit dem eidgenössischem Fachausweis Polizist/-in wurde der Weg für überregionale Polizeischulen geebnet. Seit Herbst 2006 werden die St. Galler Polizeiaspirantinnen und -aspiranten in der Polizeischule Ostschweiz (PSO) in Amriswil ausgebildet. In den letzten Jahren absolvierten jeweils zwischen 25 und 35 Aspirantinnen und Aspiranten der Kantonspolizei St. Gallen die einjährige Polizeischule. die jeweiligen Korps selbst verantwortlich. Nach dem Schuljahr wird die Prüfung Einsatzfähigkeit (PEF) abgelegt, am Ende des Praxisjahrs erfolgt die Berufsprüfung. BGK 2020 bot der Kantonspolizei St. Gallen die Gelegenheit, Verbesserungen umzusetzen, und ermöglichte die Weiterentwicklung der Strukturen im Bereich der Aus- und Weiterbildung. Der beschwerliche, föderalistische Weg mündete in einem ansehnlichen Erfolg. Die Verwandlung und Neuausrichtung ist gelungen. Die Grundausbildung wurde klar strukturiert, auf einen aktuellen Stand gebracht und in der ganzen Schweiz vereinheitlicht.
Die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) lancierte im Jahr 2016 das Projekt «Bildungspolitisches Gesamtkonzept» (BGK) 2020. Sie hatte die Absicht, die polizeiliche Aus- und Weiterbildung weiterzuentwickeln und den heutigen Anforderungen anzupassen. Wie aus dem Namen hervorgeht, sollte das Projekt bis zum Jahr 2020 umgesetzt sein. In Übereinstimmung mit der KKJPD hat die Konferenz der Kantonalen Polizeikommandanten der Schweiz (KKPKS) verabschiedet, dass die auf zwei Jahre verlängerte Grundausbildung aus einem Jahr Wissensvermittlung an den Polizeischulen und einem Jahr Praxisvermittlung in den Korps bestehen soll. Mit der Ausbildungsverlängerung sollen die Handlungskompetenzen, nicht aber das theoretische Wissen, verstärkt werden. Grundsätzlich soll das Praxisjahr im eigenen Korps absolviert werden. Die Zulassungsbedingungen zum Polizeiberuf bleiben indessen unverändert.
In insgesamt sieben Teilprojekten wurden die Grundlagen der neuen und zeitgemässen Aus- und
Weiterbildung der Polizisten erarbeitet. Das Gesamtprojekt unterteilt sich in folgende Teilprojekte (Abb. 1):
Teilprojekt 1 Kompetenzprofile
Teilprojekt 2 Polizeiliche/-r Sicherheitsassistent/-in
Teilprojekt 3 Praxiskonzept
Teilprojekt 4 Berufsprüfung
Teilprojekt 5 Didaktisches Konzept
Teilprojekt 6 Höhere Fachprüfung 1
Teilprojekt 7 Höhere Fachprüfung 2
Abbildung 1: Übersicht über die Teilprojekte des Projekts «BGK 2020». Die Teilprojekte 6 und 7 wurden Ende 2019 in das Projekt «Entwicklungsschritt SPI 2020» integriert.
Die Leitung der Kantonspolizei St. Gallen erkannte früh, dass neben nationalen Projektstrukturen eine korpsinterne Koordination des Projekts notwendig ist. Insbesondere für die Umsetzung des Praxisjahrs bestanden diverse offene Fragen. Die internen Abläufe und Zuständigkeiten in der Grundausbildung mussten überdacht werden. Im Jahr 2018 durfte der Autor im Rahmen der höheren Fachprüfung zu diesem Thema eine Diplomarbeit (s. Literatur) schreiben und die korpsinterne Projektkoordination übernehmen.
2. Ziele und Methoden Mit der Diplomarbeit sollte einerseits der Ist-Zustand der Praktikumsausbildung erhoben und analysiert werden. Andererseits sollten Problemstellungen, welche bei der Einführung des Praxisjahrs im Rahmen des Projekts «BGK 2020» hätten auftreten können, erkannt und entschärft werden. Zusätzlich sollte die Gelegenheit genutzt werden, Verbesserungspotenzial in der Ausbildung der Praktikantinnen und Praktikanten zu erkennen und im Rahmen einer Neuausrichtung die Erkenntnisse einfliessen zu lassen. Die Empfehlungen, welche aus der Arbeit hervorgingen, sollten für die Entscheidungsträger als Grundlage zur Weiterentwicklung der Aus- und Weiterbildung herangezogen werden können. Zur Erhebung von Daten wurden die bisherigen Praktikumsbetreuerinnen und -betreuer («Gotten» und «Göttis») befragt und diverse interne und externe Fachpersonen interviewt.
format magazine n o 9 3. Erkenntnisse der Erhebungen Aus den gewonnenen Informationen ging hervor, dass bei der Betreuung der Praktikantinnen und Praktikanten Handlungsbedarf bestand. Die Betreuung hing zu einem überwiegenden Teil von der Einsatzfreude und Eigeninitiative der Praktikumsbetreuerinnen und -betreuer ab. Im Umkehrschluss musste erkannt werden, dass die Betreuungspersonen zu sehr auf sich alleine gestellt waren und wenig Unterstützung und Wertschätzung erhielten. Eine gute Betreuung ist jedoch die Grundlage für eine erfolgreiche Ausbildung. Es mussten also für das Praktikum und das Praxisjahr klare Strukturen und Abläufe definiert und für die Aufgabe der Betreuungspersonen Anreize geschaffen werden. Wie soll eine Betreuungsperson ihre Aspirantinnen und Aspiranten auf eine Prüfung vorbereiten, wenn sie deren genaue Inhalte nicht kennt? Wenn sie ausserdem nicht weiss, was in welcher Form an der Polizeischule vermittelt wurde, kommt dies erschwerend hinzu. Wie kann sie sich langfristig für eine Tätigkeit motivieren, für die sie weder eine finanzielle noch kaum eine anderweitige Anerkennung erhält? Es fiel auf, dass die Mehrheit der Praktikumsbetreuerinnen und -betreuer selbst lediglich über wenige Dienstjahre Erfahrung verfügten und sie ihre Funktion oft nach wenigen Jahren wieder abgaben. Der Aufbau von Fachwissen und Erfahrung im Umgang mit Praktikantinnen und Praktikanten konnte deshalb nur beschränkt erfolgen.
Im bisherigen Praktikumssystem wurden während des Praxisjahrs insgesamt sieben Praktikumsorte besucht. Dabei waren die eintägigen Praktika bei der kantonalen Notrufzentrale und der Rettung St. Gallen nicht eingerechnet. Durch die Einsätze in den unterschiedlichen Polizeiregionen entstanden jährliche Kosten für Wegentschädigungen in der Höhe von rund 80 000 Franken (Schätzung der Abteilung «Personalentwicklung» aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre). Die vielen Wechsel der Dienstorte ergaben zudem grosse administrative Aufwände. Hinzu kamen die Einführungsphasen an den neuen Arbeitsplätzen, das Kennenlernen der Betreuungsperson, die Ein- und Austrittsgespräche und die Qualifikationen. Diese Aufwände schmälerten die zur Verfügung stehende Ausbildungszeit Es fiel auf, dass die Mehrheit der Praktikumsbetreuerinnen und -betreuer selbst lediglich über wenige Dienstjahre Erfahrung verfügten und sie ihre Funktion oft nach wenigen Jahren wieder abgaben.
1. Ausbildungsphase 2. Ausbildungsphase
RA Z Kompetenzenaufbau
Fachwissen Handlungstrainings Reexion
Korps
Prüfunge n Praktikum Erwerb / Konsolidierung von Erfahrungswissen
Portfolio - Praxisauftrag - Kompetenzraster - Dispocheck Begleitet durch Mentor/-in und Praxisbegleiter/-in
wird geprüft Ziel: Einsatzfähigkeit sicherstellen
iesst ein Ziel: Ganzheitlicher Kompetenznachweis PT 1 schriftlich Polizeirecht PT 2 mündlich Anzeige PT 3 praktisch Polizeieinsatz PT 1 Portfoliobericht PT 2 Fachgespräch PEF Berufsprüfung
Abbildung 2: Zweijährige Ausbildung Polizei (PaKo,2019)
Qualikationsprol
PEF: Prüfung Einsatzfähigkeit P T: Prüfungstei l Prüfungsordnung/Wegleitung
und die für die Grundversorgung nötigen personellen Ressourcen. Deshalb galt es, die Wechsel der Dienstorte während der Praktika auf ein Minimum zu reduzieren.
Nach dem ersten Ausbildungsjahr besuchten die Auszubildenden in den Praktika bislang während knapp drei Monaten verschiedene Fachdienste der Kriminalpolizei. Sie erhielten dabei Einblicke in die dortigen Tätigkeiten und konnten während mehreren Wochen in den Teams mitarbeiten. Diese Praktika waren zweifellos ein wichtiger Bestandteil der Polizeiausbildung und zudem für die Aspirantinnen und Aspiranten eine interessante Abwechslung. Die Arbeit der kriminalpolizeilichen Fachdienste gehörte aber nicht zur Grundausbildung einer angehenden Polizistin oder eines angehenden Polizisten vor der Berufsprüfung. Die Erfahrungen zeigten, dass die Aspirantinnen und Aspiranten mit der spezialisierten Arbeitsweise überfordert waren. Aufgrund der fehlenden Praxiserfahrung konnten sie die Zusammenhänge oft nicht erkennen. Somit war einerseits der Nutzen für die Fachdienste, aber auch der Lerneffekt für die Lernenden nur bedingt gegeben. Beides könnte markant verbessert werden, wenn der Die Praxisbegleitenden sind das Bindeglied zwischen dem Auszubildenden, den Vorgesetzten und der Mentorin oder dem Mentor. Sie unterstützen die Lernenden beim Erwerb von Kompetenzen.
Zeitpunkt der Fachdienstpraktika ins dritte bis fünfte Dienstjahr verschoben werden könnte.
4. Vorgaben aus dem Projekt «BGK 2020» Das Projekt «BGK 2020» definierte zwei entscheidende Rollen in der zweijährigen Grundausbildungsphase. Deren Bezeichnungen, Stellenprofile und Kernaufgaben sollen schweizweit identisch sein. Betreuungspersonen, die Auszubildende im Praxisjahr begleiten, sollen anhand von Vorgaben des SPI ausgebildet und geprüft werden. Neu sollen Mentorinnen und Mentoren übergeordnet sicherstellen, dass die Lernenden über die gesamte Ausbildung im Polizeikorps begleitet werden. Sie sind die zentralen Ansprechpersonen, welche die Lernenden bei inhaltlichen und organisatorischen Fragen sowie bei Schwierigkeiten im Lernprozess unterstützen. Zudem stehen sie ihnen bei der Vorbereitung auf die Berufsprüfung zur Seite. Die Mentorinnen und Mentoren werden durch Ausbildungsmodule des SPI auf ihre Aufgabe vorbereitet. Es ist vorgesehen, alle fünf Jahre die Ausbildung zu erneuern. Die Praxisbegleitenden sind das Bindeglied zwischen dem Auszubildenden, den Vorgesetzten und der Mentorin oder dem Mentor. Sie unterstützen die Lernenden beim Erwerb von Kompetenzen sowie beim Erarbeiten von Massnahmen und erteilen Instruktionen.
Prüfungsposition 1.1 Prüfungsposition 1.2
Schriftliche Prüfung: Bericht F achgespräch
Überblick über das Erfahrungswissen
Verdichtung der Analyse des Erfahrungswissens
Präsentation des Berichts (10 min)
Werkschau Praxisaufträge (PA)
PA über mind. 2 Handlungskompetenzbereiche
Konkrete Erfahrung Reektierter Beobachter Handlungsalternativen
Kompetenzraster (KR)
Dispositionscheck (DC)
Aktive Anwendung (15 min) Wie habe ich in einer späteren vergleichbaren Situation gehandelt? - Rückfragen zum Bericht - Erfolgskritische Situationen (vergleichbare Situationen) - Mini-Cases (neue Situationen)
Reexion (20 min) Wie zeigen sich meine Einstellungen im Alltag? Welches sind meine Stärken/Schwächen? - Fragen zum Dispositionscheck - Fragen zu den Kompetenzrastern
Abbildung 3: Berufsprüfung Polizist/Polizistin (PaKo, 2019)
Neben den Rollen wurden auch der Ablauf und die Zuständigkeiten während den ersten zwei Ausbildungsjahren definiert.
Die polizeiliche Grundausbildung wird, wie in Abbildung 2 dargestellt, in zwei Phasen unterteilt. Im ersten Jahr werden die theoretischen Grundlagen überprüft. In einem Fachgespräch sollen die Werte der Polizeiarbeit reflektiert und die praktischen Aufgaben in verschiedenen Parcours angewandt werden. Abgeschlossen wird der erste Teil mit der Prüfung der Einsatzfähigkeit (PEF). Diese Zwischenprüfung hat das Ziel, dem Korps einsatzfähige Praktikantinnen und Praktikanten zu garantieren. Obwohl sie aufgrund der noch ausbaufähigen Kompetenzen erst eingeschränkt und unter Anleitung eingesetzt werden können, so verfügen sie doch bereits über das nötige Grundrüstzeug. Es steht den Korps folglich frei, ob sie die Praktikantinnen und Praktikanten schon nach einem Jahr vereidigen oder damit bis zum Abschluss der Berufsprüfung warten möchten. Es besteht auch die Möglichkeit, sie nach einem Jahr zu vereidigen, aber nur befristet bis zur Berufsprüfung anzustellen. Diesbezüglich macht das Projekt keine Vorgaben.
In der zweiten Ausbildungsphase steht die Praxis im Vordergrund. Die Polizistinnen und Polizisten in Ausbildung erarbeiten ihr persönliches Portfolio, stellen dieses den Expertinnen und Experten vor und
format magazine n o 9 beantworten dazu Fragen. Wenn die Anforderungen der Berufsprüfung erfüllt sind, kann der eidgenössische Fachausweis Polizist/-in ausgestellt werden.
Was ist ein persönliches Portfolio im Sinne von BGK 2020? Das Portfolio ist wie eine Dokumentenmappe zu betrachten. Diese enthält vier Berichte zu erlebten Fällen (Praxisaufträge) sowie Kompetenzraster, welches über die Kompetenzen des Lernenden Aufschluss geben. Weiter setzt sich die Aspirantin oder der Aspirant im Dispositionscheck mit der eigenen Werthaltung auseinander. Abgerundet wird das Portfolio mit einem Bericht, der den Verlauf der Ausbildung dokumentiert. Er zeigt den individuellen Entwicklungsprozess, die erreichten Ziele und Kompetenzen und deren Umsetzung im Polizeialltag. Das Portfolio wird gegen Ende des Praxisjahrs eingereicht und von zwei Prüfungsexperten/-innen bewertet.
5. Adaptieren der Vorgaben auf das Korps Die beiden neuen Rollen (Praxisbegleiter/-in und Mentor/-in) mussten in die Strukturen der Kantonspolizei St. Gallen eingebettet werden. Dazu wurden die bestehenden Abläufe und die Struktur der Grundausbildung analysiert. Bald erkannte man, dass die bestehende Abteilung «Aus- und Weiterbildung» Anpassungen erfahren muss. Während der Projektphase kam es in dieser Abteilung zu diversen personellen Veränderungen In einem Fachgespräch sollen die Werte der Polizeiarbeit reflektiert und die praktischen Aufgaben in verschiedenen Parcours angewandt werden.
und mehreren Führungswechseln. Per 1. Januar 2019 wurde die Abteilung in «Personalentwicklung» umbenannt. Sie erfährt nun unter neuer Führung fortlaufend Anpassungen und wird erst im Verlauf der nächsten Jahre der neuen Bezeichnung gerecht werden.
Bezüglich der Eingliederung der Funktion der Praxisbegleitenden gab es verschiedene Varianten. Praxisbegleitende müssen über viel Fachwissen in den Bereichen «erster Angriff», «Führungskompetenz» und «Sozialkompetenz» verfügen. Zudem sollen sie ihre Funktion über möglichst viele Jahre ausüben. Diese Anforderungen führten zum Entscheid, die Funktion der untersten Kaderebene zuzuordnen. Stellvertretende Posten- und Gruppenchefs oder zumindest langjährige Mitarbeitende mit einem Flair für Ausbildung sollten diese Funktion als Zusatzaufgabe übernehmen. Ihr Stellenbeschrieb soll entsprechend ergänzt werden. Sie qualifizieren die Polizistinnen und Polizisten im Praxisjahr und werden selbst für ihre Zusatzaufgabe vom zuständigen Mentor oder der zuständigen Mentorin beurteilt. Die Praxisbegleitenden werden von den regionalen Führungen in Absprache mit den designierten Mentorinnen und Mentoren bestimmt und im Frühjahr 2020 ausgebildet. Ziel ist es, dass diese bereit sind, die ersten Polizistinnen und Polizisten im Praxisjahr, also im zweiten Ausbildungsjahr, ab Oktober 2020 zu begleiten.
Bei den zukünftigen Mentorinnen und Mentoren war es anfangs schwierig, abzuschätzen, wie gross der Aufwand für sie werden würde. Dies erschwerte die Bestimmung der nötigen Ressourcen. Grundsätzlich musste entschieden werden, wem die künftigen Mentorinnen und Mentoren unterstellt, ob sie zentral oder dezentral angesiedelt und ob ihre Tätigkeiten als Zusatzaufgabe oder im Vollzeitpensum festgelegt werden. Die Ergebnisse der Umfrage unter den Praktikumsbetreuenden sowie die Interviews bei diversen Fachpersonen führten letztlich zu einem klaren Entscheid: Die Mentorinnen und Mentoren sollen der Abteilung «Personalentwicklung» unterstellt werden. Ihr Arbeitsplatz soll dezentral in den Polizeiregionen mit enger Anbindung an die regionale Führung liegen. Sie sollen vollamtlich Praxisbegleitende müssen über viel Fachwissen in den Bereichen «erster Angriff», «Führungskompetenz» und «Sozialkompetenz» verfügen. Zudem sollen sie ihre Funktion über möglichst viele Jahre ausüben.
im Bereich der Grund- und Fortbildung tätig sein. Neben der Betreuung der Lernenden in der Grundausbildungsphase sollen sie an der Polizeischule und korpsintern als Instruktorinnen und Instruktoren tätig sein. Zudem sollen sie bei der Prüfung der Einsatzfähigkeit und der Berufsprüfung als Prüfungsexpertinnen und -experten fungieren. Zu guter Letzt wollte man mit der regionalen Ausbildungskoordination und Qualitätssicherung die Polizeiregionen im Bereich der Grund- und Fortbildung nahe an die Abteilung «Personalentwicklung» anbinden.
Abbildung 4: Aufgabenprofil Mentorinnen und Mentoren. PSO: Polizeischule Ostschweiz
Mit diesem Aufgabenprofil wurde ein Personalbedarf von vier Vollzeitstellen ausgewiesen. Dies wurde von allen Entscheidungsträgern anerkannt und als notwendig erachtet. Im Sommer 2019 konnten vier Stellen ausgeschrieben und nach einem Auswahlverfahren die neuen Mentorinnen und Mentoren bestimmt werden. Sie werden ihre neuen Funktionen am 1. März 2020 in den jeweiligen Polizeiregionen antreten.
Neben den beiden neuen Rollen wird es weiterhin die Funktion des «Göttis» und der «Gotte» geben. Diese werden künftig als Praktikumsbetreuer oder Praktikumsbebetreuerin bezeichnet und die Aspirantinnen und Aspiranten im ersten Praktikum von rund zweieinhalb Monaten betreuen. Während dieser Zeit ist eine enge Betreuung und ein hoher Instruktionsanteil notwendig. Anders als im Praxisjahr wird in dieser Zeit angestrebt, dass der Praktikumsbetreuende den Dienst mehrheitlich zusammen mit
dem Auszubildenden verrichtet. Die Funktion des Praktikumsbetreuers wird ebenfalls als Zusatzfunktion definiert und untersteht in diesem Bereich dem regionalen Mentor oder der Mentorin. Die Mentorinnen und Mentoren bilden die Praktikumsbetreuer und -betreuerinnen in ihrem Zuständigkeitsbereich aus und coachen und qualifizieren sie.
6. Anpassungen im zweiten Ausbildungsjahr Im zweiten Ausbildungsjahr musste der Wechsel vom bisherigen System mit neun Monaten Praktika zum zwölfmonatigen Praxisjahr mit begleitendem Erstellen eines Portfolios und einer Berufsprüfung am Ende des Ausbildungsjahres vollzogen werden. Aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse wurde entschieden, dass die Aspirantinnen und Aspiranten im Praxisjahr in der gleichen Polizeiregion verbleiben. Dies hat den Vorteil, dass die Aufwände infolge Dienstortwechsel minimiert und die Zuständigkeit des gleichen Mentors oder der gleichen Mentorin gewährleistet wird. Weiter wurde entschieden, das Praxisjahr, mit Ausnahme eines Monats in der Abteilung «Stadtorganisation-Kriminaldienst» (SO-KD), bei der Regionalpolizei, zu absolvieren. Die Arbeit beim SO-KD umfasst grösstenteils Tätigkeiten der Grundversorgung im Bereich der Entgegennahme einer Anzeige und Tatbestandsaufnahme. Die Lernenden können dort die Stadt St. Gallen und die Partnerbehörden wie Stadtpolizei und Staatsanwaltschaft kennenlernen. Zudem machen sie erste Erfahrungen bei der Ausübung der Polizeitätigkeit in zivil. Die bisherigen mehrwöchigen Fachdienstpraktika in der Kriminalpolizei wurden auf das dritte bis fünfte Dienstjahr verschoben. Dieser Vorschlag stiess anfänglich beim Kader der Kriminalpolizei auf grosse Skepsis. Diese konnte aber durch die fundierte Begründung und die Aussicht auf mehrmonatige Praktika zu einem späteren Zeitpunkt rasch positiv verändert werden. Neu werden alle jungen Berufsleute bei der Kantonspolizei St. Gallen ein Praktikum von ein bis drei Monaten in einem Fachdienst der Kriminalpolizei absolvieren. Dieses wird zwischen dem dritten und fünften Dienstjahr erfolgen. Das hat die Vorteile, dass die Mitarbeitenden viel mehr Fachwissen und Erfahrung mitbringen und ihnen dadurch die Vernetzung leichter fällt. Andererseits kann der Fachdienst die erfahreneren Mitarbeitenden breiter einsetzen und sie für eine allfällige spätere Karriere bei der Kriminalpolizei kennenlernen.
format magazine n o 9 7. Rechtliche Anpassungen Bei den Recherchen in der kantonalen Rechtssammlung wurde festgestellt, dass sich sowohl im Polizeigesetz als auch in der Polizeiverordnung des Kantons St. Gallen einige Artikel mit der polizeilichen Grundausbildung und dem Anstellungsverhältnis während und nach der Berufsprüfung befassen (Kanton St. Gallen Staatskanzlei 2018). Abklärungen beim Stabsjuristen ergaben, dass er bereits im März 2018 einen entsprechenden Auftrag des Kommandanten der Kantonspolizei St. Gallen erhielt. Daraufhin wurde ein Änderungsantrag zuhanden des Sicherheits- und Justizdepartements des Kantons St. Gallen erstellt. Die Anpassungen konnten dank der frühen Feststellung des Kommandanten zeitgerecht vorgenommen werden und traten per 1. Oktober 2019 mit Beginn des zweijährigen Lehrgangs in Kraft. Die bisherigen mehrwöchigen Fachdienstpraktika in der Kriminalpolizei wurden auf das dritte bis fünfte Dienstjahr verschoben.
8. Schlusswort Aufgrund der Vorgaben aus dem Projekt «BGK 2020» waren die Polizeikorps gefordert, ihre Strukturen im Bereich «Aus- und Weiterbildung» anzupassen. Vorgaben, die von der Politik (KKJPD) initialisiert und unter der Leitung der Polizeikommandanten (KKPKS) ausgearbeitet wurden, sind verpflichtend umzusetzen. Dieser Umstand ist einerseits Garant, dass alle Korps auf die Veränderungen reagieren. Andererseits bietet ein solches Projekt die Chance für einen Neuanfang. Grössere Umstrukturierungen, zusätzliche Stellen, Anpassungen von langjährigen Abläufen etc. werden auf einmal möglich. Es gibt zwei Arten, wie man auf Projekte mit solcher Tragweite reagieren kann: Entweder man verhält sich passiv, schont seine Ressourcen und setzt die zwingenden Vorgaben in minimaler Form um. Die andere Möglichkeit ist, im Projekt aktiv mitzuwirken, die eigenen Strukturen und Abläufe grundlegend zu hinterfragen und letztlich nachhaltige Verbesserungen anzustreben. Ein fundiertes Umsetzungskonzept, welches das Korps weiterbringt, hat reelle Chancen, von der Geschäftsleitung und der Regierung genehmigt zu werden. Die Kantonspolizei St. Gallen setzte seit Beginn auf die zweite Variante. Dabei war es wichtig, die Umsetzung dieses Projekts durch einen Mitarbeitenden zu koordinieren. Bei dieser Tätigkeit, für die der Autor ein Pensum von rund
30 Prozent zugesprochen erhielt, war es wichtig, stets die neuesten Informationen aus dem Projektteam zu erhalten. Im Ostschweizer Polizeikonkordat (ostpol.ch) suchte der Autor nach Gleichgesinnten. Sowohl die Schaffhauser Polizei als auch die Kantonspolizei Thurgau bestimmten ebenfalls Projektkoordinatoren. Die Kollegen waren sehr interessiert an einer Zusammenarbeit und leisteten einen grossen Beitrag zum Gelingen. Somit konnte der Umsetzungsprozess in einem engen und unkomplizierten Austausch korpsübergreifend begleitet werden. Bei den regelmässigen Treffen wurden Erkenntnisse
Literatur Bischofberger, Peter: Erweiterte Grundausbildung bei der Kantonspolizei St. Gallen: Analyse der aktuellen Situation und Identifikation von Problemstellungen bei der Umsetzung des Praxisjahres im Rahmen des Projekts Bildungspolitisches Gesamtkonzept 2020 (BGK 2020), Diplomarbeit HFP, Neuchâtel: Schweizerisches Polizei-Institut, 2018.
Résumé Le CGF 2020, une impulsion pour développer les structures de formation internes En lançant le projet de « Concept général de formation (CGF) 2020 » en 2016, la Conférence des directrices et directeurs des départements cantonaux de justice et police (CCDJP) a donné le coup de départ de la modernisation générale du système de formation professionnelle de la police. Dans un premier temps, les corps de police ont vu leur formation de base étendue à deux années. C’est en automne 2019 que les premiers cycles de formation sur deux ans ont commencé. La première année est toujours placée sous la responsabilité des centres régionaux de formation. Les corps de police, quant
Riassunto CGF 2020: continuare sulla strada dello sviluppo della formazione di polizia Con il lancio del progetto «Concetto generale di formazione (CGF) 2020», la Conferenza delle direttrici e dei direttori dei dipartimenti cantonali di giustizia e polizia (CDDGP) ha dato il calcio d’inizio nel 2016 alla riforma totale del sistema di formazione professionale della polizia. In una prima fase, la formazione di base di polizia è stata estesa su due anni e, nell’autunno 2019, sono iniziati i primi cicli di formazione secondo questo nuovo concetto. Il primo anno si svolge sempre sotto la responsabilità dei centri regionali di formazione, mentre i corpi ausgetauscht sowie Erfahrungen und Ideen geteilt. Dies verschaffte den Koordinatoren der beteiligten Korps einen Wissensvorsprung und die Möglichkeit, anstehende Entscheide in den jeweiligen Geschäftsleitungen positiv zu beeinflussen. Dieses informelle Gremium kann rückblickend als Erfolgsfaktor der gelungenen Umsetzung bezeichnet werden. Die Schweizer Polizeikorps sind mit der Umsetzung des Projekts «BGK 2020» nochmals enger zusammengerückt. An dieser Stelle dankt der Autor allen involvierten Personen und Entscheidungsträgern für das Vertrauen und die mutigen Entscheide.
Paritätische Kommission der Schweizer Polizei, Ausbildungsplan Polizei (APP), Neuchâtel: Schweizerisches Polizei-Institut, 2019.
à eux, sont responsables de la deuxième année, dite « année pratique». À l’issue de l’année en école, les aspirantes et aspirants doivent se soumettre à l’Examen de la capacité opérationnelle (ECO); et l’année pratique est quant à elle sanctionnée par l’Examen professionnel. Le CGF 2020 a permis à la Police cantonale de StGall d’introduire des améliorations et a favorisé le développement de structures dans le domaine de la formation de base et continue. Le parcours vers le fédéralisme, certes jalonné de difficultés, a débouché sur un beau succès: la transformation et la réorientation de la formation policière. La formation de base a été clairement structurée, modernisée et harmonisée dans toute la Suisse.
di polizia sono responsabili del secondo anno di formazione, l’anno di pratica. Al termine del primo anno, gli aspiranti sostengono l’Esame della capacità operativa (ECO); l’anno di pratica si conclude invece con l’Esame professionale. Il CGF 2020 ha dato la possibilità alla Polizia cantonale San Gallo di introdurre miglioramenti e le ha permesso di sviluppare le strutture riferite alla formazione di base e continua. Il percorso, non privo di ostacoli, verso il federalismo si è dimostrato un palese successo: la trasformazione e il nuovo orientamento della formazione di polizia. La formazione di base è stata intelligentemente strutturata, modernizzata e armonizzata in tutta la Svizzera.