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Vermeidung von Racial und Ethnic Profiling bei Personenkontrollen
Judith Wyttenbach * Jörg Künzli ** Eliane Braun ***
Vom Schweizerischen Kompetenzzentrum für Menschenrechte (SKMR) * Mitglied des Direktoriums, Themenbereichsleitung Polizei und Justiz und Themenbereichsleitung Geschlechterpolitik ** Direktor des SKMR, Themenbereichsleitung Polizei und Justiz *** Hilfsassistenz, Institut für öffentliches Recht, Universität Bern
Zusammenfassung
Der folgende Artikel analysiert das Diskriminierungspotenzial von polizeilichen Personenkontrollen und beschäftigt sich mit der Vermeidung von Racial und Ethnic Profiling. Polizeiliche Massnahmen müssen den verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Grundsätzen wie dem Legalitäts- und Verhältnismässigkeitsprinzip genügen. Insofern sind die Handlungsmöglichkeiten und das Selektionsermessen der Polizei auch bei Personenkontrollen begrenzt. Faktoren wie die Nationalität oder die Hautfarbe dürfen nicht alleiniges Kriterium für polizeiliches Handeln sein; um eine Personenkontrolle zu rechtfertigen, braucht es objektive Anhaltspunkte. Zur Verhinderung von Racial und Ethnic Profiling bieten sich verschiedene Massnahmen an: Essenziell sind zum einen konkret formulierte Dienstanweisungen, zum anderen die sensibilisierende Aus- und Weiterbildung des Polizeipersonals und das Anstreben von Diversität bei der Rekrutierung von Polizeiangehörigen.
Ist es diskriminierend und damit rechtswidrig, wenn Personen mit schwarzer Hautfarbe häufiger und systematischer Personenkontrollen von Sicherheitsorganen unterworfen sind als Personen mit anderen Äusserlichkeiten? Unter dem Schlagwort von Racial Profiling wird diese Frage seit einigen Jahren auch in einer weiteren Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Dienen solche Personenkontrollen einer Seite als Beleg für ein auf äusserlichen Stereotypen beruhendes oder gar offen rassistisches polizeiliches Handeln, wird von der Gegenseite betont, auch eine solche Auswahl der zu kontrollierenden Personen könne basierend auf sachlichen Erkenntnissen erfolgen, sei daher nicht diskriminierend und für eine effektive Polizeiarbeit erforderlich. Vor dem Hintergrund dieses Spannungsfeldes beleuchtet der vorliegende Beitrag die rechtliche Ausgangslage für Personenkontrollen und klärt insbesondere ab, wann die Auswahl der zu kontrollierenden Personen das Diskriminierungsverbot missachtet. Basierend dar
auf sollen Grundsätze nichtdiskriminierender Per
sonenkontrollen und mögliche Massnahmen zur Sicherstellung dieser Vorgaben dargestellt werden.
2016 beauftragte das Sicherheitsdepartement der Stadt Zürich das Schweizerische Kompetenzzentrum für Menschenrechte (SKMR) mit einer juristischen
Studie zu möglichen Massnahmen zur Vermeidung
von Racial und Ethnic Profiling. Der vorliegende Artikel basiert auf den Erkenntnissen dieser Studie, die 2017 publiziert worden ist. 1
1 Künzli Jörg, Wyttenbach Judith, Fernandes-Veerakatty Vijitha, Hofer Nicola (2017), Personenkontrollen durch die Stadtpolizei Zürich – Standards und Good Practices zur Vermeidung von Racial und Ethnic Profiling, Bern, abrufbar unter www.skmr. ch/de/themenbereiche/justiz/publikationen/studie-personenkontrollen.html. Die Autorinnen und der Autor danken Marie Thomet für die sorgfältige Mitarbeit an diesem Text.
Allgemeine verfassungs- und verwaltungsrechtliche Grundsätze für Personenkontrollen Personenkontrollen, d. h. Anhaltung, Identitätskontrolle sowie die Abklärung von allfälligen Fahndungen 2 , tangieren Freiheitsrechte, namentlich die
Bewegungsfreiheit, die informationelle Selbstbestimmung und den Privatsphärenschutz. Eingriffe in diese grund- und menschenrechtlich geschützten Positionen sind nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Sie müssen gesetzlich vorgesehen
sein, ein legitimes öffentliches Interesse verfolgen
und verhältnismässig sein (Art. 36 Bundesverfassung, BV). 3 Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben setzen den Handlungsmöglichkeiten der Polizei allgemeine Grenzen in Bezug auf Personenkontrollen. Solche dürfen demnach nur durchgeführt wer
den, wenn sie im konkreten Einzelfall nach einem
objektiven Massstab ex ante, d. h. aus damaliger Sicht (nach den damaligen Umständen), tatsächlich zur polizeilichen Aufgabenerfüllung (insb. der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, der Verbrechensprävention und der Mitwirkung bei der Strafaufklärung) notwendig und zumutbar erscheinen. 4 Die Gründe für Die Gründe für eine Kontrolle müssen sich stets aus der polizeilichen Aufgabenerfüllung ergeben: Anlassfreie Kontrollen oder solche, die nicht aus überwiegenden öffentlichen Interessen erfolgen, sind daher unzulässig.
eine Kontrolle müssen sich stets aus der polizeilichen Aufgabenerfüllung ergeben: Anlassfreie Kontrollen oder solche, die nicht aus überwiegenden öffentlichen Interessen erfolgen, sind daher unzulässig. Eine Personenkontrolle darf nicht um ihrer selbst
willen, aus persönlicher Neugierde oder schikanös
erfolgen. 5 Personenkontrollen müssen weiter im Einzelfall begründbar sein. So wäre es unzulässig, undifferenzierte und breite Personenkontrollen etwa zur allgemeinen Quartierberuhigung vorzunehmen. Schliesslich ist es mit den oben genannten Grundsät
zen unvereinbar, die Anzahl von Kontrollen einfach deshalb zu erhöhen, um rein quantitativ mehr «Hits» zu erzielen, da man, ausgehend von dieser Logik das Polizeimassnahmensystem von jeglicher sachlicher Objektivität loslösen würde. Polizeiangehörige haben in den Gesprächen im Zusammenhang mit der SKMR-Studie erwähnt, dass ihnen Personenkontrollen «das Gefühl geben, zu arbeiten und etwas Wirksames zu tun», auch wenn die Kontrollen keine «Hits» erzielen. Dies zeigt auf, dass es hier auch um
das Selbstverständnis der Polizei und darüber hinaus um die Frage geht, worin eigentlich gute Polizeiarbeit besteht. Die Klärung dieser Frage und die damit verbundene Einordnung und Bewertung der Personenkontrolle ist Führungsaufgabe. 6
Racial und Ethnic Profiling als eine Form von Diskriminierung Polizeiliches Handeln muss rechtsgleich erfolgen und darf nicht diskriminierend sein. Die Schweiz
hat in ihrer Rückmeldung an den UNO-Ausschuss
gegen Rassendiskriminierung bestätigt, dass Faktoren wie die Nationalität, Hautfarbe oder Religion einer Person zwar Kriterien für ein Polizeihandeln sein können, nicht aber alleiniges Kriterium darstellen dürfen. 7 Als Racial und Ethnic Profiling gilt die
Vornahme oder Durchführung einer polizeilichen
Massnahme und namentlich einer Personenkontrolle, allein oder primär basierend auf Merkmalen wie Hautfarbe oder (zugeschriebener) Ethnie ohne Vorliegen zusätzlicher gewichtiger objektiver Gründe. 8 Es handelt sich demnach um die Anwendung
von Selektionskriterien aufgrund stereotyper Zu
schreibungen, die gestützt auf äusserliche Merkmale erfolgen. Racial und Ethnic Profiling ist verfassungswidrig; es stellt eine Form von Diskriminierung im Sinne der Bundesverfassung und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) dar. 9 Allenfalls
kann Racial und Ethnic Profiling auch strafrechtli
2 Art. 215 Abs. 1 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007, SR 312.0. 3 Art. 36 i.V.m. Art. 10 Abs. 2 BV (Bewegungsfreiheit), Art. 13 Abs. 2 BV (informationelle Selbstbestimmung) und Art. 13 Abs. 1 (Privatsphärenschutz) der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999, SR 101. 4 So u. a. Statthalteramt des Bezirks Zürich, RK.2013.5/TA/TA, Ziff. 10.1. 5 BGE 138 I 87 E. 5.2 S. 102; Weder, N 8. 6 Zur Bedeutung von Führung in der Bekämpfung diskriminierender Personenkontrollen siehe Mohler, RZ. 68. 7 EDA, S. 16. 8 OSJI [Good Practices], S. 17; ähnliche Definition auch von ECRI [GPR Nr. 11], Glossary: «Racial profiling [is] the use by the police, with no objective and reasonable justification, of grounds such as race, colour, language, religion, nationality or national or ethnic origin in control, surveillance or investigation activities» sowie auch von ENAR, S. 2: «Ethnisches Profiling wird dahingehend definiert, dass Polizei-, Sicherheits-, Einwanderungs- und Zollbeamte ihr Handeln, soweit es in ihrem Ermessen steht, auf allgemeine Kriterien wie Rasse, ethnische Zugehörigkeit, Religion und nationale Herkunft einer Person, statt auf ihr Verhalten und objektive Beweise als Verdachtsmomente gründen.» 9 Art. 8 Abs. 2 BV und Art. 14 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, EMRK, SR 0.101. Siehe dazu explizit ECRI [GPR Nr. 11], Rz. 27 ff.; CERD [2014], Ziff. 4; Moeckli, RZ. 9.
che Konsequenzen für Polizeiangehörige nach sich ziehen. In Betracht kommen beispielsweise Ehrverletzungsdelikte oder, wenn diskriminierende Personenkontrollen mit klarer Benachteiligungsabsicht erfolgen, auch Amtsmissbrauch. 10
Grundsätze nichtdiskriminierender Personenkontrollen Zwar dürfen Faktoren wie Hautfarbe, zugeschriebene ethnische Zugehörigkeit oder (mutmassliche)
Religion Kriterien für polizeiliches Handeln darstel
len, jedoch nie alleiniges oder primäres. 11 Zusätzlich muss die Kontrolle an objektive Anhaltspunkte anknüpfen können, wie z. B. die zeitliche und/ oder örtliche Nähe zu einem Tatort, mitgeführte Effekten, grosse Ähnlichkeit mit einer gesuchten
Person (z. B. Farbe der Kleider, Frisur, Grösse und
nicht nur Hautfarbe oder ethnische Zuschreibung), konkrete Ermittlungserkenntnisse, eine verworrene oder unklare Situation, eine Personenbeschreibung nach Angaben von Zeugen (die sich z. B. auf eine anhand von Kleiderbeschreibungen, Grösse oder
mitgeführten Taschen bestimmbare Person richten)
und andere Ermittlungserkenntnisse oder von der Polizei wahrgenommenes rechtswidriges bzw. die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdendes oder verdächtiges Verhalten. 12 Auch Fahndungs- und Personenbeschreibungen dürfen nicht ausschliess
lich auf die Hautfarbe oder die ethnische Zugehörigkeit einer Person abstellen, andernfalls droht eine Einschränkung der Rechte einer Vielzahl von Personen, die rein zufällig ebenfalls diese Merkmale aufweisen. 13
Personenkontrollen, die nicht aufgrund von konkreten Fahndungsbeschreibungen oder Ähnlichem erfolgen, sollten verhaltens- und nicht merkmalszentriert sein. Allerdings ist es unzulässig, bestimmte alltägliche Verhaltensmuster wie das Senken des Kopfes oder Abwenden des Blickes nur deswegen als verdächtig zu beurteilen, weil sie bei «ausländisch aussehenden Personen» wahrgenommen werden – während das gleiche Verhalten bei einer «schweizerischen» oder «hellhäutigen» Person nicht zu einer Personenkontrolle führen würde. Selbst wenn strafbares Verhalten oder eine Störung der öffentlichen Ordnung und somit zweifellos ein objektives, sachliches Kriterium vorliegt, ist die gezielte Auswahl von Personen aufgrund ihres Äusseren unzulässig. So wäre es diskriminierend, wenn von einer Grup
format magazine n o 9 pe von Störern (z. B. Teilnehmer einer unbewilligten Demonstration; Gruppen von Personen im öffentlichen Raum, die nachts laute Musik hören) einzig dunkelhäutige Personen einer Kontrolle unterzogen
würden.
Problematisch ist es ferner, Personen aufgrund des Erscheinungsbildes und ohne weitere Anhaltspunkte einzig deshalb zu kontrollieren, weil ein Generalverdacht des illegalen Aufenthalts gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen besteht. Die Se
lektion erfolgt in solchen Fällen v. a. aufgrund eines
als fremd/ausländisch interpretierten äusseren Erscheinungsbildes. Hier besteht weiter die Gefahr, dass sich Minderheiten, die ohnehin überdurchschnittlich von Ausgrenzung betroffen sind, durch diskriminierende Personenkontrollen noch weiter stigmatisiert fühlen. 14 Der Tatbestand des illegalen Aufenthalts in der Schweiz darf auch nicht als nachträglich legitimierender VorDass Erfahrung einen wichtigen Beitrag zu guter Polizeiarbeit leistet, ist unbestreitbar. Gleichwohl müssen sich auch Erfahrungswerte letztlich objektivieren lassen und dürfen nicht zu Stereotypisierungen führen.
wand für die Kontrolle verwendet werden, wenn ex
ante keine konkreten Verdachtspunkte vorliegen. Weiter stellt sich die Frage, inwiefern Polizeiangehörige ihre Erfahrungswerte aus langjähriger Tätigkeit im entsprechenden Milieu als Grundlage für eine gezielte Kontrolle von Angehörigen ethnischer
Minderheiten heranziehen dürfen. 15 Personenkontrollen werden u. a. damit gerechtfertigt, es sei unbestritten, dass bestimmte Delikte in einer konkreten Gegend nur durch Angehörige einer bestimmten Minderheit ausgeübt werden. Die Bestätigung für
10 Ehrverletzungsdelikte Art. 174 ff. StGB; Rassendiskriminierung Art. 261bis StGB; Amtsmissbrauch Art. 312 StGB. Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937, SR 311.0. 11 EDA, S. 16. 12 Im BGer-Urteil 6B_1174/2017 vom 7. März 2018, E. 5.1, lässt das Bundesgericht das Abwenden des Blicks (Vermeidungsverhalten) in Kombination mit «situativen Faktoren» (spezifische Gegebenheiten am Bahnhof Zürich) allerdings genügen. Die Hautfarbe darf jedoch nicht der ausschlaggebende Grund für die Personenkontrolle sein (E. 5.5 e contrario); siehe auch BGE 136 I 87 E. 5.2 S. 101 f. 13 FRA [Profiling], S. 64 f.; weiterführend U.S. Department of Justice, S. 3; Pap, S. 295. 14 Belina, S. 19. 15 Im BGer-Urteil 6B_383/2008 vom 24.7.2008, E. 1.3, musste sich das Bundesgericht mit einem Verkehrsteilnehmer befassen, der geltend gemacht hatte, dass er in willkürlicher Weise für eine Kontrolle selektioniert worden sei. Das Bundesgericht lässt darin die Frage offen, wie weit auch Erfahrungswerte der Polizei eine Selektion rechtfertigen können, zumal es sich um eine SVG-Kontrolle handelte (dazu oben) und der Lenker im Übrigen durch Verkehrsregelverletzung (und mithin aufgrund seines Verhaltens) aufgefallen war.
die sachliche Begründetheit dieser Praxis wird dabei in der Anzahl «Treffer» gesehen. 16 Dass Erfahrung einen wichtigen Beitrag zu guter Polizeiarbeit leistet, ist unbestreitbar. Gleichwohl müssen sich auch Erfahrungswerte letztlich objektivieren lassen
und dürfen nicht zu Stereotypisierungen führen: Die Selektion von Personen, die angehalten werden sollen, muss sich auf benennbare und nachvollziehbare sachliche Kriterien abstützen, um unzulässige Verallgemeinerungen zu vermeiden. Liegen prinzipiell
derartige objektive Anhaltspunkte vor und knüpfen
die Handlungen nicht vorrangig an Hautfarbe, (vermuteter/zugeschriebener) Ethnie oder Religion an, so bewegt sich die Kontrolle im Rahmen des gesetzlich und verfassungsmässig Zulässigen.
Schliesslich sind Profile, die sich auf stereotype
Annahmen in Bezug auf Rasse, Religion oder Eth
nizität stützen, nicht nur diskriminierend, sondern es fehlt ihnen auch an Effektivität. Durch die Verallgemeinerung verstellen sie den Blick auf differenzierende, gleichzeitig aber wesentliche Faktoren. 17 Dies belegen die Beobachtungen verschiedener ausländischer Polizeibehörden, die sich seit Jahren vertieft mit Racial und Ethnic Profiling befassen. Ihre Erfahrungen zeigen, dass die Frage diskriminierungsfreier Personenkontrollen über weite Strecken deckungsgleich mit den Kriterien guter, d. h. effektiver Personenkontrollen ist. So zeigen Untersuchungen, dass mit konkreteEs ist [...] zentral, dass die Polizeiangehörigen bereits in der Grundausbildung mit den Grundzügen des Diskriminierungsverbots und den Kriterien einer effektiven und diskriminierungsfreien Personenkontrolle vertraut gemacht werden.
ren Auswahlkriterien die Anzahl von Personenkont
rollen deutlich gesenkt, gleichzeitig die Anzahl von Treffern aber erhöht werden konnte. 18
Empfohlene Massnahmen Der Staat ist nicht nur verpflichtet, Racial und Ethnic
Profiling zu unterlassen, sondern diskriminierende
Polizeimassnahmen mittels Schaffung gesetzlicher Bestimmungen und durch andere geeignete Massnahmen zu verhindern und damit verfassungskonforme und effektive Polizeikontrollen sicherzustellen. 19 Um den polizeilichen Ermessensspielraum
einzuschränken und die Verpflichtungen sichtbarer zu machen, empfehlen NGOs und verschiedene internationale Menschenrechtsorgane, die Schaffung expliziter gesetzlicher Grundlagen zur Verhinderung
von Racial und Ethnic Profiling. 20 Für die Schweiz würde dies bedeuten, einerseits den Grundsatz diskriminierungsfreier Personenkontrollen explizit in die kantonale Polizeigesetzgebung aufzunehmen und andererseits gesetzlich zu umschreiben, nach
welchen Selektionskriterien Personenkontrollen zu erfolgen haben.
Für die Praxis ist es ferner hilfreich, die Dienstanweisungen zur Thematik «Personenkontrollen» zu konkretisieren. Dienstanweisungen stellen sicher,
dass sich Polizeiangehörige im Berufsalltag an klaren
und einheitlichen Kriterien orientieren können und grenzen insofern den individuellen Ermessensspielraum ein. Sie können für Polizeiangehörige konkrete und beispielhafte Anweisungen zur Vermeidung von Diskriminierung und Stereotypisierung enthal
ten. Die Stadtpolizei Zürich beispielsweise hat mitt
lerweile eine entsprechende Verdeutlichung ihrer Dienstanweisung vorgenommen; diese umfasst neu konkrete Selektionskriterien für Personenkontrollen und thematisiert das Problem des Racial und Ethnic Profiling explizit. 21 Die Polizeileitung demonstriert
dadurch eine klare Haltung und zeigt, dass sie die Thematik ernst nimmt und gegenüber ihrem Team offen anspricht. Racial und Ethnic Profiling erfolgt meist nicht aufgrund absichtlichen Fehlverhaltens seitens der Polizistinnen und Polizisten, sondern basiert auf stereotypen und unreflektierten Einstellungen, die ein hartnäckiges und gesamtgesellschaftliches Phänomen darstellen und sich nicht nur auf die Polizei beschränken. Die Aus- und Weiterbildung von Polizeiangehörigen stellt einen zusätzlichen wichtigen Präventionsfaktor dar. Auf diesem Weg kann eine Reflexion von
16 Ebenfalls Humanrights.ch, Rassistisches Profiling: Begriff und Problematik, abrufbar unter www.humanrights.ch/de/menschenrechtethemen/rassismus/rassistisches-profiling/begriff/ (19.09.2019). 17 Zu den Erkenntnissen ausländischer Polizeibehörden siehe OSJI [Good Practices], S. 14; weiterführend dazu OSCE/ODIHR, S. 20, 75 ff. An der Erarbeitung dieses Dokuments war auch die Schweiz beteiligt. 18 Vgl. Glaser, S. 205 f. 19 EGMR [Grosse Kammer], Aksu gegen Türkei, Nr. 4149/04, 15.03.2012; ähnlich auch ECRI [GPR Nr. 11], Rz. 5: «[States have] to ensure that legislation prohibiting direct and indirect racial discrimination cover the activities of the police.» 20 Humanrights.ch, Rassistisches Profiling: Empfehlungen und Forderungen, abrufbar unter www.humanrights.ch/de/menschenrechtethemen/rassismus/rassistisches-profiling/schweiz/empfehlungenforderungen (19.09.2019); EU Network of Independent Experts on Fundamental Rights, S. 7; ECRI [2009], Rz. 187; ECRI [2014], S. 10, Rz. 72 und 78; CERD [2014], Ziff. 14. 21 Stadt Zürich [Personenkontrollen], S. 15 f.
Denkstereotypen und unbewussten Verhaltensmustern erreicht werden. Es ist daher zentral, dass die Polizeiangehörigen bereits in der Grundausbildung mit den Grundzügen des Diskriminierungsverbots und den Kriterien einer effektiven und diskriminie
rungsfreien Personenkontrolle vertraut gemacht werden. 22 Weiter kann die Abgabe von Quittungen im Anschluss an eine Polizeikontrolle ein Mittel zur Qualitätskontrolle 23 darstellen, der Selbstevaluation
dienen und die Transparenz polizeilichen Handelns
fördern. 24 In verschiedenen Ländern wurde ein solches Quittungssystem auf nationaler oder regionaler Ebene eingeführt, allerdings gibt es bis anhin kaum gesicherte Daten zu deren tatsächlicher Effizienz. 25 Damit derartigen Quittungen und den damit verbun
denen Datenerhebungen ein Aussagewert in Bezug
auf Racial Profiling zukommt, ist es wichtig, die Selektionskriterien für eine Personenkontrolle nicht zu kombinieren (z. B. «Äusseres Erscheinungsbild und Verhalten»), sondern diese möglichst isoliert zu erfassen («Äusseres Erscheinungsbild»; «Verhalten»;
«Örtlichkeit» etc.). 26
Aufgrund der optischen und akustischen Dokumentation können ferner Bodycams zu einer reflektierteren Selektion der Kontrollierten führen. 27 Schliesslich ist es wichtig, die Diversität bei der Rekrutierung von Polizeiangehörigen zu fördern.
Nach Auffassung von Fachorganisationen kann eine heterogene, namentlich auch Minderheiten entsprechend ihrer Bevölkerungszahl repräsentierende Zusammensetzung des Korps dazu beitragen, Stereotypen zu beseitigen und damit Racial und Ethnic Profiling zu verhindern. 28
Schluss Forderungen nach effektiver und solche nach verfassungskonformer Polizeiarbeit stellen nur vermeintlich einen Widerspruch dar. Beispiele ausländischer Polizeikorps belegen im Gegenteil, dass durch die Beachtung reflektierter, sachlicher Auswahlkriterien und damit unter Befolgung der Vorgaben des Diskriminierungsverbots die Anzahl «Treffer» bei Personenkontrollen signifikant erhöht werden konnte. Umgekehrt heisst das, dass damit vermehrt auf unnötige Eingriffe in die Grundrechte Angehöriger von religiösen und oder ethnischen Minderheiten verzichtet werden kann, ohne dass dadurch das Hauptziel der polizeirechtlichen Aktivitäten, die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit, gefährdet wird. Damit entsprechen diskriminierungsfreie Personenkontrollen letztlich geradezu ideal den Vorgaben guter Polizeiarbeit. Anstrengungen zur Vermeidung des meist auf zähen gesamtgesellschaftlichen Ste
reotypen beruhenden Racial und Ethnic Profilings müssen daher eine stete Aufgabe der Führung aller Polizeikorps sein 29 .
Literaturverzeichnis Belina Bernd (2015), Eine Variante des Generalverdachts: Racial Profiling in urbanen Räumen. Was ist da los – und was ist zu tun?, in: Jan Philipp Albrecht (Hrsg.), 4. Grüner Polizeikongress. Polizeiarbeit ohne Generalverdacht. Die Dokumentation, Berlin, S. 12–22. Cremer Hendrik (2013), «Racial Profiling» – Menschenrechtswidrige Personenkontrollen nach § 22 Abs. 1 a Bundespolizeigesetz. Empfehlungen an den Gesetzgeber, Gerichte und Polizei, Berlin. ENAR (2009), Fact Sheet 40, Ethnisches Profiling, Brüssel.. FRA (2010), Diskriminierendes «Ethnic Profiling» erkennen und vermeiden: ein Handbuch, Luxemburg [zit. Profiling]. EU Network of Independent Experts on Fundamental Rights (2006), Ethnic Profiling, CFR-CDF.Opinion4. Glaser Jack (2015), Suspect Race. Causes and Consequences of Racial Profiling, Oxford. Humanrights.ch (2019), Rassistisches Profiling: Begriff und Problematik, abrufbar unter www.humanrights.ch/de/ menschenrechte-themen/rassismus/rassistisches-profiling/begriff/ (19.09.2019). Humanrights.ch (2019), Rassistisches Profiling: Empfehlungen und Forderungen, abrufbar unter www.humanrights.ch/de/ menschenrechte-themen/rassismus/rassistisches-profiling/schweiz/ empfehlungen-forderungen (19.09.2019). Imhof Lionel (2010), Profilage racial. En avoir conscience ou non, enjeux et défis pour la police, Lausanne.
22 FRA, S. 52; Cremer, S. 33; Imhof, S. 26; Pap, S. 296; OSJI [Good Practices], S. 45, 51; ECRI [2014], Rz. 69. 23 Siehe dazu OSJI [Good Practices], S. 80; siehe auch FRA [Profiling], S. 58, 69. 24 Humanrights.ch fordert in diesem Zusammenhang eine schweizweite Einführung von standardisierten Formularen, die als Kontrollquittungen dienen und den Grund und das Ergebnis der Kontrolle nennen, dazu Humanrights.ch, Rassistisches Profiling: Empfehlungen und Forderungen, abrufbar unter www.humanrights. ch/de/menschenrechte-themen/rassismus/rassistisches-profiling/ schweiz/empfehlungen-forderungen (19.09.2019). 25 Das Vereinigte Königreich ist der einzige EU-Staat, in dem die Aushändigung eines solchen Formulars gemäss Verhaltenskodex im Rahmen des PACE verpflichtend ist, dazu FRA, S. 56 f.; Pap, S. 295. 26 Stadt Zürich [Personenkontrollen], S. 8 ff, S. 16 ff. 27 Siehe allgemein zur Wirkung von Bodycams im Zusammenhang mit Polizeiarbeit Stadt Zürich [Bodycam], S. 4f.; ZHAW, S. 89ff. 28 Siehe dazu auch OSJI [Good practices], S. 138 ff.; ECRI [GPR Nr. 11], S. 19. 29 Künzli Jörg, Wyttenbach Judith, Fernandes-Veerakatty Vijitha, Hofer Nicola (2017), Personenkontrollen durch die Stadtpolizei Zürich – Standards und Good Practices zur Vermeidung von Racial und Ethnic Profiling, Bern, abrufbar unter www.skmr.ch/de/themenbereiche/justiz/publikationen/studiepersonenkontrollen.html.
Künzli Jörg, Wyttenbach Judith, Fernandes-Veerakatty Vijitha, Hofer Nicola (2017), Personenkontrollen durch die Stadtpolizei Zürich – Standards und Good Practices zur Vermeidung von Racial und Ethnic Profiling, Bern. Manzoni, P., Baier, D. (2018). Evaluation des Pilotprojekts zum Einsatz von «Bodycams» bei der Stadtpolizei Zürich und der Transportpolizei. Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften [zit. ZHAW]. Mohler Markus H.F. (2012), Grundzüge des Polizeirechts in der Schweiz, Basel. OSCE/ODIHR (2014), Preventing Terrorism and Countering Violent Extremism and Radicalization that Lead to Terrorism: A CommunityPolicing Approach, Wien. OSJI (2012), Reducing Ethnic Profiling in the European Union. A Handbook of Good Practices, New York 2012 [zit. Good Practices]. Pap András László, Ethno-Racial Profiling in Law Enforcement: Concepts and Recommendations, NWV, S. 285296. Stadt Zürich (2017), Polizeiarbeit in urbanen Spannungsfeldern (PiUS). Bericht Analysephase Teilprojekt 1 Personenkontrollen, Zürich [zit. Personenkontrollen]. Stadt Zürich (2018), Polizeiarbeit in urbanen Spannungsfeldern (PiUS). Schlussberichtt Teilprojekt 4 Bodycams, Zürich [zit. Bodycams]. U.S. Department of Justice, Guidance for Federal Law Enforcement Agencies Regarding the Use of Race, Ethnicity, Gender, National Origin, Religion, Sexual Orientation, or Gender Identity, Washington 2014. Weder Ulrich, Art. 215 StPO, in: Andreas Donatsch/Thomas Hansjakob/Viktor Lieber (Hrsg.), Kommentar zur Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO), 2. Aufl., Zürich 2014, S. 1209–1220.
Materialienverzeichnis CERD, Concluding Observations 2008. Switzerland, UN Doc. CERD/C/CHE/CO/6, 23.09.2008 [zit. 2008]. CERD, Concluding Observations 2014. Switzerland, UN Doc. CERD/C/CHE/CO/7–9, 13.03.2014 [zit. 2014]. ECRI, ECRI-Bericht über die Schweiz (vierte Überwachungsperiode), verabschiedet am 02.04.2009, CRI(2009)32 [zit. 2009]. ECRI, ECRI-Bericht über die Schweiz (fünfte Prüfungsrunde), verabschiedet am 19.06.2014, CRI(2014)39 [zit. 2014]. ECRI, General Policy Recommendation N° 11. Combating racism and racial discrimination in policing, CRI(2007)39 [zit. GPR Nr. 11]. EDA, Replies to the questions by the rapporteur in connection with the consideration of the fourth to sixth periodic reports of Switzerland (CERD C/CHE/6), 29.07.2008.
Résumé Prévenir le « profilage racial et ethnique» lors des contrôles de personnes Cet article analyse le potentiel discriminatoire des contrôles de personnes effectués par la police et traite des mesures à adopter pour éviter le « profilage racial et ethnique». La police étant assujettie, dans son action, aux principes constitutionnels et administratifs, tels que la légalité et la proportionnalité, elle ne dispose pas d’une liberté de manœuvre et de choix illimitée. Les facteurs comme la nationalité ou la couleur de peau ne doivent en aucun cas constituer l’unique critère qui justifie un contrôle policier. En effet, tout contrôle de personnes doit être basé sur des éléments concrets. Afin d’éviter le « profilage racial et ethnique», différentes mesures peuvent être mises en place. Premièrement, il est essentiel que les ordres de service soient définis concrètement; deuxièmement, la formation policière de base et continue doit être davantage axée sur la sensibilisation, et enfin, le recrutement de policières et policiers aux origines diverses doit être encouragé.
Riassunto Prevenzione della «profilazione raziale ed etnica» nei controlli di persone Questo articolo analizza il potenziale discriminatorio dei controlli di persone effettuati dalla polizia e tratta delle misure da attuare per prevenire la «profilazione raziale ed etnica». Durante qualsiasi controllo, gli agenti di polizia devono rispettare i principi costituzionali e amministrativi, quali la legalità e la proporzionalità. Inoltre, non dispongono di una libertà d’azione e di selezione illimitate. I fattori come la nazionalità e il colore della pelle non devono in alcun caso costituire l’unico criterio che giustifica un controllo di polizia. Ogni controllo di polizia dev’essere basato su elementi concreti. Per evitare la «profilazione razziale ed etnica», è possibile attuare diverse misure: innanzitutto, è fondamentale che le istruzioni di servizio siano formulate concretamente; inoltre, la formazione di polizia e continua dev’essere maggiormente orientata alla sensibilizzazione e, infine, occorre incoraggiare un reclutamento degli agenti di polizia improntato alla diversità.
BP − Grundausbildung Praxisbegleiter/-innen Zielgruppe: Die Schulung richtet sich an zukünftige Praxisbegleiterinnen und Praxisbegleiter, die die Lernenden in der zweiten Ausbildungsphase in den Polizeikorps betreuen. Die Rekrutierung der Praxisbegleiter/-innen erfolgt durch die Arbeitgeber (Polizeikorps). Ziele: • Erwerb von Kenntnissen über die Polizeiausbildung in der Schweiz und das entsprechende Qualifikationsverfahren (PEF und BP). • Kenntnis der Aufgaben von Praxisbegleitern/-innen, der Wichtigkeit dieser Funktion und der damit verbundenen Verantwortung. Inhalte: Die gesamte Ausbildung erfolgt online und individuell auf der Lernplattform. Dabei müssen folgende zwei Lerneinheiten (LE) bearbeitet werden: • Mit Rückmelden steuern • Zielgerichtet instruieren Als Abschluss der individuellen Online-Vorbereitung muss ein E-Test bestanden werden, damit das Zertifikat für Praxisbegleiter/-innen ausgestellt werden kann. Anmeldung: www.edupolice.ch/de/kurse/kursangebot
EP − Formation de base pour coaches Public cible: Cette formation de base s’adresse aux futur·e·s coaches qui assurent l’encadrement des apprenant·e·s durant la phase 2 de formation au sein des corps de police. La sélection des coaches est effectuée par l’employeur (corps). Objectifs: • Acquérir les connaissances sur la formation de la police suisse et la procédure de qualification correspondante (ECO et EP). • Connaître les tâches, avoir conscience de l’importance et de la responsabilité de la fonction de coach. Contenus: L’ensemble de la formation s’effectue de manière individuelle sur la plateforme d’apprentissage. Il s’agit d’étudier les deux unités d’apprentissage suivantes : • Savoir donner un feedback • Instructions ciblées À la fin de la préparation individuelle en ligne, un e-test doit être complété et réussi pour l’obtention du certificat de coach. Inscription : www.edupolice.ch/fr/cours/offre-des-cours
EP − Formazione di base per referenti di pratica Pubblico Questa formazione si rivolge ai futuri referenti di pratica che assicurano l’inquadramento degli aspiranti durante la fase 2 di formazione presso i corpi destinatario: di polizia. La selezione dei referenti di pratica compete al datore di lavoro (corpo). Obiettivi: • Acquisire le conoscenze sulla formazione di polizia svizzera e sulla procedura di qualificazione corrispondente (ECO e EP). • Conoscere i compiti, essere consapevoli dell’importanza e della responsabilità della funzione di referente di pratica. Contenuti: Tutta la formazione si svolge in maniera individuale sulla piattaforma di apprendimento. Si tratta di studiare le due unità di apprendimento seguenti: • Saper dare un feedback • Istruzioni mirate Al termine della preparazione individuale online, si deve sostenere e superare un e-test al fine di conseguire il certificato di referente di pratica. Iscrizione: www.edupolice.ch/it/corsi/offerta-corsi