Last Lecture Show
Werner Büttner Hamburger Kunsthalle Hochschule für bildende Künste Hamburg
Last Lecture Show
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7 Vorwort Martin Köttering, Alexander Klar 11 Von Haus aus apokryphisch: Werner Büttner und das Theater des freien Willens Jane Ursula Harris 17 Nicht zum Lachen Barry Schwabsky 21 Werner Büttners Dialektik der Wiedergutmachung Wolfgang Ullrich I Von Geworfenheit und Verstrickung 25 II Prägende Verehrung 53 III Unvernunft keimt, wie Unkraut, schon bei Sternenlicht 73 93 »Sich für die Werke anderer zu begeistern …« Bettina Uppenkamp 99 Schmutzige Witze: Über den Humor von Werner Büttner »Mit der Wiederkehr des Drecks kommt die Erlösung« Kate Brown 105 In meinen Gedanken rauchten wir zusammen Larissa Kikol IV Flucht ins Duett 109 V Parallelkreaturen, zum Verbrauch freigegeben (Gen 9, 2–3) 133 165 Von der Ära der Götter bis zu den guten alten Zeiten des Kalten Krieges und darüber hinaus: A Rock Caught Between two Hard Places Sarah Edith James 171 Nicht stolpern beim Mysterium Bild Melanie Ohnemus 175 Werner Büttners Last Lecture Show Alexander Klar VI Aus dem Sanatorium meiner Hände 181 VII Aus dem Leben der Götter | Aus dem Leben der Loser 201 235 Werkliste 245 Biografie & Ausstellungen 251 Veröffentlichungen 253 Sammlungen
Poster, 1985
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Vorwort
Martin Köttering, Alexander Klar
Der vorliegende Katalog erscheint anlässlich der Ausstellung Last Lecture Show von Werner Büttner in der Hamburger Kunsthalle und seiner Verabschiedung in den Ruhestand nach über dreißig Jahren Lehrtätigkeit an der Hochschule für bildende Künste Hamburg (HFBK). Büttner prägte seit 1989 als Professor für Malerei die Lehre und Ausrichtung des Studienschwerpunktes Malerei/Zeichnen an der HFBK. In der Ausstellung Last Lecture Show sind Gemälde und Collagen aus den letzten drei Jahrzehnten zu sehen, die in der Galerie der Gegenwart der Hamburger Kunsthalle präsentiert werden. Büttner konzipierte selbst sieben thematische Kapitel, in die er die ausgestellten Werke einordnete und die im Katalog neben ergänzendem Bildmaterial aus anderen Schaffensphasen abgebildet sind. In den pointiert betitelten Ausstellungskapiteln wie »Von Geworfenheit und Verstrickung« oder »Unvernunft keimt, wie Unkraut, schon bei Sternenlicht«, zu denen Büttner einführende Texte schrieb, die den Katalogbeiträgen vorangestellt sind, wird keiner chronologischen Logik gefolgt. Vielmehr liegt ein Querschnitt wiederkehrender Themen und Motive vor, die Büttner – etwa im Dialog mit prominenten Vorbildern, denen er sich in einer Art »prägender Verehrung« verbunden sieht – erkundet und die er inhaltlich und motivisch seziert, um sie in eigene Bildideen zu überführen und neu zusammenzusetzen. Büttners Perspektive ist dabei nicht der Vergangenheit verhaftet, auch wenn bisweilen biografische Bezüge anklingen, die mit der deutschen Zeitgeschichte verbunden sind, wie Badende Russen II (1984, S. 176) oder Von Geworfenheit und Verstrickung (2017, S. 46/47), oder indem er klassische Motive aus der antiken Mythologie und christlichen Ikonografie aufgreift. Mit der kanonisierten Bildsprache der Malerei jonglierend triumphiert Büttner über sein Publikum, das angesichts greller, schreiender Farben, rätselhafter Motive und anspielungsreicher Bildtitel bisweilen fragend zurückbleibt. Genau diesem Aspekt gebührt Aufmerksamkeit, denn es ist besonders dieses Moment des Überraschtseins und Rätselns bei der Betrachtung der Werke Büttners, dass die Neugierde entfacht und in der Erinnerung nachklingt. Es ist höchste Zeit, Werner Büttner mit einer umfangreichen Einzelausstellung in der Hamburger Kunsthalle zu ehren und ihn in einer »Abtritts-
vorlesung« – wie es in Alexander Klars Beitrag so treffend heißt –, seiner Last Lecture Show, mit allen Facetten seines subtilen und (staub-) trockenen Humors, seiner intellektuellen Fallstricke und provokanten Anspielungen auf gegenwärtige gesellschaftliche Debatten und künstlerische Diskurse zu zeigen und zu Wort kommen zu lassen. Die Ausstellung und der Katalog zu Werner Büttners Last Lecture Show ist ein Kooperationsprojekt zwischen der HFBK und der Hamburger Kunsthalle. Uns als Herausgebern dieser Publikation ist es ein großes Anliegen, den Malerei-Professor Werner Büttner als Gelehrten vorzustellen, der durch sein Auftreten und seinen provokanten Humor in Seminaren und Vorträgen eine moralische Haltung und intellektuelle Schärfe zum Besten gab, die viele Nachwuchskünstler*innen und Kolleg*innen geprägt hat. Es freut uns sehr, dass wir für die vorliegende Publikation Autor*innen gewinnen konnten, die teils zum ersten Mal über Büttners Malerei schreiben und deren Beiträge neue Perspektiven auf seine Bildsprache und Malweise oder sein Selbstverständnis als Künstler eröffnen und zur Diskussion stellen. Innerhalb der letzten etwa zwanzig Jahre haben sich Büttners Malstil und Farbauftrag auffallend stark verändert: Ganz anders als etwa noch in den 1980er Jahren, als er in einem Atemzug mit den Jungen Wilden wie Martin Kippenberger und Albert Oehlen genannt wurde, sind es nicht mehr die dunklen, erdigen Farben, sondern bunte und grelle Töne. Die gestische, mit dicken Farbschlieren versehene Malweise tauschte Büttner gegen einen gesättigten, glatten Farbauftrag ein. Auf den ersten Blick wirkt die Machart seiner Bilder seit den 1990er Jahren klar definiert und smart komponiert, bei näherer Betrachtung zeigen sich Lücken in der Bildoberfläche und es blitzen darunterliegende Farbschichten durch, etwa wie bei Büttner geht von Bord (2020, S. 50/51), Ausgebrannter Hengst (2018, S. 228) oder Rosenscharmützel (2007, S. 121). Dazu von unserer Autorin Larissa Kikol befragt, sprach Büttner in diesem Zusammenhang von »fadenscheiniger Malerei«. Diese Antwort Büttners ist gleichzeitig Wortspiel und Understatement der eigenen künstlerischen Strategie, und somit »typisch Werner Büttner«. Zugleich ist sie ein Verweis auf seinen vordergründigen, dunklen Humor, der, wie Barry Schwabsky in seinem Beitrag konstatiert, nicht witzig ist – und genau das ist eine wohlkalkulierte Strategie. Es sind Bilder wie Quel début! (2003, S. 31), Selbst als Karrierefred (1986, S. 13) oder Selbstbildnis im Kino onanierend (1981, S. 13), bei denen das Lachen im Halse stecken bleibt und die als bewusst angelegte Selbstbildnisse mitunter schonungslos den Blick auf menschliche Makel oder moralische Unzulänglichkeiten offenbaren, wie Jane Ursula Harris in ihrem Beitrag analysiert. Kate Brown spricht in diesem Zusammenhang sogar von einer »gewieften Selbstherabsetzung«, die sich als »wahrer Triumph« entpuppt (S. 101). Auf diese Weise macht Büttner aus der Not eine Tugend, wenn er menschliches Verhalten zwar als fehlbar und lächerlich darstellt, dabei jedoch eine Form des Humors anwendet, durch die sich der Makel als allenfalls belustigende Eigenart verkraften lässt, wie es in den Ausstellungskapiteln »Von Geworfenheit und Verstrickung«, »Aus dem Leben der Loser« oder »Flucht ins Duett« deutlich wird. Büttner schafft folgerichtig auch keine Kunst um der Kunst willen, sondern orientiert sich an dem, was die Realität und der Motivschatz der Kunstgeschichte ihm bieten – darunter fallen das menschliche Subjekt oder die Tiere sowie Literatur, Philosophie und Religion. Alexander Klar bespricht in seinem Beitrag Büttners feinsinnige Bildtitel und zeigt auf, dass die Werke nicht von ihren Titeln zu trennen und dialektisch miteinander verwoben sind: »Es ist Malerei, die der Sprache ebenso verpflichtet ist wie dem ikonischen Bild. In beiden Fällen, Sprache wie Bild, dominiert das Ambivalente, aber auch das Unsagbare, am Ende sogar das Unmalbare.« (S. 179) Büttner gelingt es bravourös, ambivalente Emotionen bildlich zu fassen. Spielend kombiniert er Themen gesellschaftlicher Tabus mit seiner »fadenscheinigen« Malweise. Zugleich wendet sich Büttner Motiven zu, die in der gegenwärtigen Malerei nicht en vogue sind, wie zum Beispiel das Tiermotiv, mithilfe dessen Martin Köttering, Alexander Klar
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er in gleichnishafter Bildsprache die sogenannten animalischen Triebe durchspielt. Dabei ist es das Verhalten des Menschen gegenüber dem Tier, das Büttner in seinen Arbeiten als seltsam herausstellt, und durch welches, wie es Büttner in seinem einführenden Text zum Ausstellungskapitel »Parallelkreaturen« im Falle des Haustieres treffend bemerkt, ein Wunder geschehe: »Ein Tier wird in einen Menschen verwandelt.« (S. 148) Bei der Betrachtung der Tiermotive Büttners mag es einem zweifellos dämmern, dass den Menschen nicht so viel vom Animalischen trennt – so sehr sich der Primat auch anstrengt. So deprimierend diese Feststellung auch sein mag, Büttners Werke laden zur Ablenkung in Form intellektueller Höhenflüge ein. Es sind etwa die Verweise auf künstlerische Genien, mit denen er sich misst und denen sich Büttner wie in einer Art von »Wahlverwandtschaft« verbunden fühlt, wie es Bettina Uppenkamp und Wolfgang Ullrich in ihren Beiträgen zum Ausstellungskapitel »Prägende Verehrung« herleiten. Uppenkamp führt überzeugend und kenntnisreich aus, dass in Büttners Werken auffallende Bezüge zur Kunst von Francisco de Goya zu entdecken sind, wie in Originelle Kopie (Frauenraub nach Goya) (2018, S. 66/67). Büttner ahmt sein Vorbild nicht einfach nach, sondern adaptiert einzelne Bildelemente und die Kernaussage des grafischen Vorlagenmotivs Goyas, um sie mittels einer abstrahierenden Formensprache in das Medium Malerei und in ein großes Format zu übertragen – die Vergrößerung des Maßstabs der bildlichen Darstellung kann bereits als Ehrerbietung gedeutet werden. Ullrich konzentriert sich auf die Auseinandersetzung Büttners mit René Magritte, dessen im Krieg zerstörtes Gemälde Büttner reanimiert, indem er das zitierte Motiv monumentalisiert und transformiert, benannt als Wiedergutmachung (Magrittes »Le Barbare«, 1940 durch deutsche Bomben auf London zerstört, 2021, S. 70 ). Die Reverenz an Vorbilder der Kunstgeschichte ist ein Akt der Verehrung. Ein anderes Verfahren des sich Anverwandelns anderer Bilder ist bei Büttner der Kauf von Gemälden auf Flohmärkten und die anschließende Bearbeitung der Fundstücke. In »Aus dem Sanatorium meiner Hände« beschreibt Büttner, dass er die so erstandenen Bilder »heilen« möchte, um die bisher von der Öffentlichkeit übersehenen Kunstwerke durch »[H]inzufügen und [W]egnehmen, […] würdevoll leben zu lassen« (S. 191). Ullrich konstatiert, dass Büttner die Flohmarktbilder mit seinen Überarbeitungen in einem Akt moralischer »Wiedergutmachung« nobilitiert, so geschehen bei Die Avantgarde von hinten (2009, S. 189) oder Club Niemals (2001, S. 185). Die Frage ist, ob dieses Vorgehen eine Dekonstruktion des Vorgefundenen darstellt, die moralisch und als künstlerische Strategie verstanden vertretbar ist? Melanie Ohnemus geht in ihrem Beitrag diesem Aspekt anhand eines Künstlervergleichs nach, indem sie Büttners Die Avantgarde von hinten (2009) das überarbeitete Gemälde L’avantgarde se rend pas (Die Avantgarde ergibt sich nicht) (1962, S. 172) von Asger Jorn gegenüberstellt. Gegen die Institutionalisierung avantgardistischer – und somit als oppositionell zu verstehende – Kunst rebellierend, habe Jorn seine Übermalungen bewusst als Intervention genutzt, um vorgefundenes Bildmaterial neu zu interpretieren und das Medium Malerei für zeitgenössische künstlerische Strategien zu öffnen. Während Jorn jegliche Kunstwerke als Objekte auffasste, die er im Sinne eines experimentellen Kunstverständnisses uminterpretieren und künstlerisch verändern könne, verfolge Büttner ein anderes Ziel, indem er sich malend mit den Flohmarktbildern »verbinde«, um das »Beste« aus ihnen hervorzubringen. Scheint es bei dieser Strategie vor allem um stilistische und formale Eigenschaften eines Bildes zu gehen, widmet sich Büttner in einem anderen dekonstruktivistischen Verfahren auf inhaltlicher Ebene der Neuinterpretation, indem er antike Mythologien aufruft und ihnen neue Sinnebenen einhaucht. Sarah Edith James argumentiert in ihrem Beitrag, dass Büttners Verwendung von mythologischen Motiven an die offizielle und inoffizielle Malerei in der DDR erinnere. Allerdings nehme Büttner die mythologischen Motive nicht im Sinne einer subversiven Kritik oder als politisch motivierte Metapher in Anspruch, wie es bei Wolfgang Mattheuers Sisyphos-Figur der Fall war. Büttners Sisyphos Vorwort
kämpft nicht als Symbol der Unterdrückten, vielmehr deutet er das tradierte Motiv um und überführt es in dem Holzschnitt Sisyphos vice versa (1989, S. 169) in eine postmoderne Lesart: Der Felsbrocken ist das Symbol künstlerischen Strebens, das bemüht ist, neue Welten zu erschaffen und dabei an den Bedingungen der Realität – im Sinne des sich ihm immer in den Weg stellenden Sisyphos – scheitert (oder scheitern muss). Dass sich in Büttners künstlerischer Strategie, aus dem vorgefundenen Material der Anschauung jegliches Sediment des Absurden herauszukitzeln und in eine bildhafte Form zu bringen, kein Scheitern, sondern immer ein »Vorwärts« ankündigt, wird anhand der im Katalog gesammelten Werke deutlich. Die Themen und Genres seines Schaffens erweisen sich als mannigfach und lassen sich auf Debatten und Diskurse in Politik, Kunst und Gesellschaft beziehen, zugleich erweist sich seine Malweise und Bildsprache als eigenständige und starke Position innerhalb der Gegenwartskunst. Die Ausstellung und der Katalog verorten Büttners Rolle im aktuellen Kunstdiskurs und zeigen auf, dass sein Œuvre ausgesprochen anschlussfähig, kontrovers, provokant und geistreich ist. Werner Büttner nimmt zwar seinen Hut, um die Hochschule zu verlassen, aber wir bleiben gespannt auf weitere Vorstellungen seines tiefsinnigen und bissigen Theaters. Unser ausdrücklicher Dank geht an den zu ehrenden Künstler selbst, denn Werner Büttner komponierte das Konzept seiner Last Lecture Show nebst einführender Künstlertexte als Kunstwerk sui generis. Der vorliegende Katalog gibt Dramaturgie und Inhalt der Ausstellung konsequent wider. Wir danken insbesondere HFBK-Professor Ingo Offermanns für die in enger Zusammenarbeit mit Werner Büttner präzise auf sein künstlerisches Konzept abgestimmte Gestaltung des Katalogs. Dr. Josephine Karg war für das Projektmanagement und die Redaktion des Katalogs verantwortlich, sie hielt das Projekt im Innersten zusammen und sorgte für die Zusammenführung aller losen Enden dieses ambitionierten Ausstellungs- und Katalogprojektes – herzlichen Dank! Wir danken allen Mitarbeiter*innen der Hamburger Kunsthalle und der HFBK, die an der Planung und Realisierung der Ausstellung und des Katalogs beteiligt waren. Insbesondere gilt unser Dank allen Autor*innen des Katalogs, die mit ihren mitreißenden und scharfsinnigen Beiträgen zu einer neuen Sicht auf die Kunst Werner Büttners einladen und seine Bildsprache im gegenwärtigen Kunstdiskurs pointiert und prägnant verorten. Allen beteiligten Übersetzer*innen und den Lektor*innen danken wir für ihre gewissenhafte Arbeit und Expertise. Prof. Martin Köttering Präsident Hochschule für bildende Künste Hamburg Prof. Dr. Alexander Klar Direktor Hamburger Kunsthalle
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Von Haus aus apokryphisch: Werner Büttner und das Theater des freien Willens
1 Zitiert aus: Es begann also mit einem One-Night-Stand. Werner Büttner im Interview mit Hans Ulrich Obrist, hg. von Wigger Bierma für die Hochschule für bildende Künste Hamburg, Hamburg 2018, S. 13.
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Die marktgetriebene Kunstwelt der 1980er Jahre hat das revolutionäre Potenzial der Kunst verhackstückt und Wall-Street-freundliche Trends wie »Neo-Geo« oder »Neo-Pop« hervorgebracht. Im Showdown der Postmoderne, in dem Originalität verächtlich gemacht wurde, war der Neoexpressionismus Teil dieses Zeitgeists – und gleichzeitig eine Ausnahme. Die durch ihn angekündigte Rückkehr zur Malerei war weder dem Wesen nach zynisch noch steril in ihrer Ausführung, sondern erinnerte eher an die geistigen und psychologischen Grundsätze der Romantik. Frühe deutsche Vertreter*innen der Strömung wie Jörg Immendorff, Anselm Kiefer und Georg Baselitz entwickelten beispielsweise eine Nachkriegsversion des Sturm und Drang, und sollten als Neue Wilde in die Kunstgeschichte eingehen. Der 1954 geborene Werner Büttner gehört der zweiten Generation von Künstler*innen an, die den Neuen Wilden zugerechnet werden und und deren ausgesprochen subjektive Malerei eine besonders ironische Weltsicht zum Ausdruck brachte. Ihren expressionistischen Oberflächen, die das Prinzip der »Subversion durch Affirmation« verkörperten, wohnte eine desillusionierte, aufsässige Haltung inne, die über jegliche Vorspiegelung von Tradition oder Technik erhaben war. Die Antiästhetik der »schlechten Malerei« Büttners sowie seiner Kollegen Martin Kippenberger und Albert Oehlen verwehrte sich bewusst jeder Kategorisierung und wurde oft auf schlichte parodistische Kritik reduziert. Büttners Erläuterungen zum Einfluss Goyas auf sein Werk führen eine solche Sichtweise jedoch ad absurdum, indem sie seine Wertschätzung für moralische Integrität ausdrücken: »Unter den Malern ist er fraglos der Erste, der vor den Gesetzen seiner Zeit nicht einknickt und sein Gewissen zum Gesetz macht.« 1 Man könnte es als das Zusammenspiel einer sardonischen Widerspenstigkeit mit einem romantischen Nihilismus betrachten, es bleibt jedoch etwas von dem Ichschmerz und Weltschmerz in Büttners Werk spürbar, das nicht von dessen beißendem Humor zu trennen ist. Wie seiner Bewunderung für Francisco de Goya, Martin Heidegger, François Rabelais und René Magritte wohnt auch seinem unerschütterlichen Glauben an den Wert der philosophischen Befragung eine
unleugbare, wenn auch paradoxe Stärke inne. Sogar in den 1980er Jahren, umgeben von stilistischem Pluralismus und einem Kosmos von Zitaten, den er und seine appropriationistischen Kolleg*innen geprägt haben, ist eine glühende Verachtung für reinen Konzeptualismus spürbar. Vor diesem Hintergrund ist der Vergleich dreier innerhalb eines Jahres entstandenen Arbeiten aufschlussreich: Kippenbergers Modell Interconti (1987, Abb. A), ein Détournement, bei dem ein Monochrom von Gerhard Richter in einen unscheinbaren Couchtisch eingearbeitet wurde; Oehlens Untitled (1988, Abb. B), ein auf regelbasierter Abstraktion beruhendes großformatiges Gemälde; sowie Büttners Überfahrener Hippie im ägyptischen Stil (1988, Abb. S. 55), ein trockener Verweis auf den plattgemachten Idealismus der Vorgängergeneration. Mit der nachtblauen Gitarre zwischen zwei übergroßen Füßen erinnert das Bild in seiner Farbpalette und Bildsprache an Picassos Gemälde Der alte Gitarrenspieler (1903/1904, Abb. C) aus der blauen Periode. Büttners malerischer Kannibalismus ist trotz seines bewusst einfachen und formelhaften Stils im Wesen demütiger und melancholischer als der seiner Mitstreiter*innen. Man könnte anführen, dass die expressionistische Angst des Künstlers nur ein vordergründiges Spiel ist, eine Art Versinnbildlichung des teutonischen Ernstes, und uns auf die falsche Fährte locken soll. Wenn er seine Vorgehensweise jedoch als »erbärmlichen Hund« beschreibt, »der sein erbärmliches Revier markiert« 2, stellt dies die Vorstellung infrage, dass es sich um eine Karikatur von Befindlichkeiten handeln könnte.3 Nun ist Büttner aber ein Widerborst, wie er im Buche steht, und wenn er sich das Credo Satans »non serviam – ich werde nicht dienen« zu eigen macht, erinnert er uns daran, dass eine fatalistische Selbstherabsetzung von Haus aus apokryphisch ist: Der freie Wille mag nur ein schöner Traum sein, aber das Ego A B
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A Martin Kippenberger, Modell Interconti (Peter-Skulptur), 1987, Gerhard Richter Gemälde von 1973, Holz, Metall, 32 × 79,5 x 59 cm, Sammlung Gaby und Wilhelm Schürmann, Herzogenrath B Albert Oehlen, Ohne Titel, 1988, Mischtechnik auf Leinwand, 280 × 380 cm, Privatbesitz/ Standort unbekannt C Pablo Picasso, Der alte Gitarrenspieler, 1903/1904, Öl auf Holz, 122,9 × 82,6 cm, Chicago, The Art Institute of Chicago, Helen Birch Bartlett Memorial Collection D Selbstbildnis im Kino onanierend, 1981, Öl auf Leinwand, 150 × 115 cm E Selbst als Karrierefred, 1986, Öl auf Leinwand, 240 × 190 cm
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2 Gilda Williams: »Werner Büttner’s Collages: From A to T (and Back Again)«, in: Werner Büttner, My Looting Eye, London 2016, S. 8. 3 Werner Büttner: »Von Geworfenheit und Verstrickung«, in: Last Lecture Show, Hamburg 2021, S. 39 – 40.
Von Haus aus apokryphisch
bleibt bestehen – und mit ihm das Streben nach Herrschaft, oder zumindest der Überlebenswille. Mit seiner von jeher unverwechselbaren, mal nachdenklichen, mal sardonischen oder auch gleichnishaften Herangehensweise an Politik und Kunstgeschichte beschwört der in Ostdeutschland Geborene die existenziellen Nöte des Normalsterblichen herauf, indem er das Tragikomische und Banale bemüht. Nirgendwo tritt dies offenkundiger zutage als in seinen Selbstbildnissen, die der unentrinnbaren Weltmüdigkeit angesichts unserer mit Makeln behafteten und erbärmlichen Existenz Ausdruck verleihen. Das berühmt-berüchtigte Selbstbildnis im Kino onanierend (1981, Abb. D) präsentiert diesen Blick auf die Welt mit dem komisch wirkenden Selbstbewusstsein eines durchgedrehten Hofnarren. Hier wird uns wortlos und auf abstoßende Weise ein Gemächt in einer Popcorntüte präsentiert, wobei der Künstler – mit einem Gestus, der zwischen verletzlicher Blöße und furchteinflößender Zurschaustellung oszilliert – zum Zugreifen einlädt. Die weit aufgerissenen Augen, das vor Wollust angespannte Gesicht und die zwischen den Lippen hervortretende Zungenspitze sind jedoch alles andere als einladend. Dieses rohe Motiv, das vor Blasphemie und Einsamkeit nur so strotzt, ist ein Sinnbild des Künstlers als Perversling, ein Sinnbild des einsamen Sex und des Pathos der Lust. Die Wiederauferstehung des Lebens aus dem schlaffen sterblichen Zustand ist in seiner Sinnlosigkeit überwältigend. Selbst als Karrierefred (1986, Abb. E) inszeniert die Sinnlosigkeit des künstlerischen Strebens noch ausdrücklicher; hier erklimmt eine mit groben Pinselstrichen gemalte affenähnliche Gestalt in dem Versuch, Unsterblichkeit zu erlangen, eine blau-weiß gestreifte Mauer. Auf Büttners Gemälden aus dieser Zeit tauchen häufiger Affen auf, die auf den Galgenhumor verweisen – der für ihn als Medium in gewisser Weise ebenso wichtig ist wie die Farbe – und auf die niederen Gründe für den Erfolg in der Kunstwelt des Kapitalismus. Die Mauer könnte auch eine Metapher für die Berliner Mauer sein, die damals noch den Osten vom Westen trennte, und den gescheiterten Sozialismus gegenüber der krassen Konsumorientierung, gleichwohl das Gras auf keiner
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Seite grüner ist. In der im Anschluss an die Serie Die Russische Revolution – vom Hörensagen und in Öl von 1985 (Abb. F–I) entstandenen Arbeit hallt die vom Künstler oft vorgebrachte Sicht auf die eigene Erfahrung als Geflüchteter ebenso nach wie die hierdurch beförderte Distanzierung von beiden Systemen: »Das Vergnügen, zwei gegensätzliche Systeme zu erleben, ließ mich alle Systeme meiden und misstrauisch, zweiflerisch und melancholisch werden.« 4 In einer Wiederholung dieser Aussage offenbart Büttner, wie die bereitwillige Annahme dieser Außenseiterrolle seine Arbeit durchdrungen hat: »Das Schicksal sozialisierte mich zum Systemflüchter und demgemäß bevorzugte ich immer das Fragmentarische, Aphoristische, die Rätselrede, das kleine, poetische Dickicht… die Koffer der Systeme sind mir zu schwer«.5 Selbst als Karrierefred und das 25 Jahre später entstandene Bild Die Avantgarde von hinten (2009, Abb. S. 189), stehen in einem indirekten Verhältnis zueinander. Letzteres ist ein großformatiges Gemälde mit acht kosakisch anmutenden Milizionären auf Pferden, die am Rande eines Waldes beisammenstehen. Die Kosaken – dafür bekannt, autonom, widerspenstig und antibolschewistisch zu sein – waren Grenzbewohner, die das Niemandsland nördlich des Schwarzen und Kaspischen Meeres besetzt hatten. Viele verdingten sich im Zarenreich als Grenzschützer und waren Loyalisten, die ihr kriegerisches Geschick und die Erfahrungen einer jahrhundertelang währenden Revolte gegen ihre Freiheit eintauschten. Für Büttner entspricht diese Bereitschaft, alles zu tun, um seine Unabhängigkeit zu bewahren, auf symbolische Weise seiner eigenen Position gegenüber der Kunstwelt, wie der Titel der Arbeit andeutet. Wie linksgerichtet seine ideologischen und politischen Vorlieben auch sein mögen – sein rebellischer Geist speist sich aus dem existenziellen Unbehagen: »Jeder steht für sich allein, in seiner eigenen Zeit, und hat mit seinem ganz eigenen Mist zu kämpfen und muss dann entscheiden, ob er sich darin suhlt, ihn ignoriert oder herunterwürgt.« 6 Von Geworfenheit und Verstrickung (2017, Abb. S. 46/47), der Titel eines Gemäldes und zugleich eines Textes Büttners, der in diesem Jane Ursula Harris
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4 Zitiert aus: Jo Lawson-Tancred, »Werner Büttner: Humour in Darkness«, in: Port Magazine, 20. Juni 2018; https://www. port-magazine.com/art-photography/wer ner-buttner-humour-in-darkness/ [zuletzt August 2021]. 5 Zitiert aus: Harald Falckenberg, »Theorien von mittlerer Reichweite. Einige Details«, in: Werner Büttner – Verkehrte Welt. Hg. Uta Grosenick, Deichtorhallen Hamburg, Köln 2003, S. 14. 6 Zitiert aus: Jan Verwoert, »Melodic Thinking«, in: Frieze Magazine, 23. Mai 2013; https://www.frieze.com/article/gegendarstel lung-zur-wirklichkeit [zuletzt August 2021]. 7 Zitiert aus: Es begann also mit einem One-Night-Stand. Werner Büttner im Interview mit Hans Ulrich Obrist, Hamburg 2018, S. 1.
F – I Die Russische Revolution – vom Hörensagen und in Öl ,1985, mehrteilig, Öl auf Leinwand, F: Freiheit, 60 × 50 cm, G: Stalin, 75 × 60 cm, H: Revolutionäre Hand, 60 × 50 cm, I: Weggeworfenes Kruzifix, 50 × 60 cm
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Buch abgedruckt ist, gewährt uns Einblicke, wie – und wo – alles begann. In einem weiteren Selbstporträt sehen wir rückblickend den kleinen Werner rittlings auf einem Pony sitzen – einen zukünftigen Kosaken. Locker hält er die Zügel in seinen Händen, sein trauriger Blick korrespondiert mit dem starren Blick des Ponys, von dem wir nur das uns zugewandte Auge sehen. Als schlichte, nahezu schwarz-weiße Formen ragen sie im rechten Vordergrund des Bildes auf, wo sie sich auf einer Anhöhe befinden, hinter der sich in der Ferne Jena erstreckt, die Heimatstadt des Künstlers. Diese in einem warmen Sonnengelb gehaltene Szenerie hat Büttner nicht etwa aus dem Gedächtnis gemalt, sondern nach einer alten Ansichtskarte. Der Künstler macht keinen Hehl aus der Bildquelle, sondern verwandelt sie in eine billig wirkende theatralische Kulisse, bei der die mittelalterlichen Festungsmauern der Stadt einer Schemazeichnung gleichen. Auf der linken Seite, gegenüber von Junge und Pony, ist ein verwachsener, blattloser Baum zu sehen, der vom Bildrand angeschnitten wird. Die collagenhafte, bühnenartige Wirkung der Arbeit wird noch gesteigert durch die Darstellung von Himmel und Erdboden als abgetrennte malerische Felder, die durch den weißen Rand der Postkarte begrenzt werden. Die komplexe Ausführung und Konzeption des Werkes täuscht über das rührselige Sujet hinweg, in dem eine Kindheit wiederhallt, an die sich der Künstler gern erinnert. Büttner ist in einer waldnahen Wohnsiedlung aus den 1930er Jahren am Stadtrand von Jena aufgewachsen, und seine glücklichen Erinnerungen trotzen der Propaganda des »heuchlerischen Westens«,7 die das Leben in der DDR als trist und unfrei definieren würde. Diese vielversprechende Idylle fand ein jähes Ende, als die Mutter des Künstlers plötzlich beschloss, ihrem abtrünnigen Gatten mit ihrem siebenjährigen Sohn im Schlepptau in den Westen zu folgen. Von Geworfenheit und Verstrickung scheint diese Abreise wiederaufleben zu lassen, um sie als Geschichte vom verlorenen Sohn – allerdings ohne Versöhnungsfest – neu zu denken. Die Darstellung eines Jungen, der allein zu einer unvorhergesehenen Reise durch die Erinnerungslandschaft aufbricht, beschwört das idealisierte Künstlerschicksal der Romantik herauf. Von Haus aus apokryphisch
Damit wir nicht auf die Idee kommen, das sei alles gewesen, vermerkt Büttners gleichnamiger Text warnend, »[dass] unsere hymnische Verehrung der Freiheit ein magisches Sedativum ist.« 8 Er untergräbt damit jeden Anschein von Kontrolle über die Situation oder vermeintliche Möglichkeiten, zu entkommen, da die Erbarmungslosigkeit des Schicksals – ob zufällig oder willentlich herbeigeführt – immer wieder dazwischenfunken wird. Das betrifft selbst den Tod und diesbezügliche Pläne, die man dafür hat. So schreibt der Künstler von dem vereitelten Vorhaben, ein Mausoleum für sich selbst zu errichten, um das zu verweigern, »was die Natur von uns will: Sie will […] mit unserem Kadaver ein klein wenig die Krume erhöhen.« 9 In der Stadt Hamburg, in der er nicht mehr lebt, haben die Launen der Bürokratie dafür gesorgt, dass überirdische Grabstätten nicht mehr erlaubt sind. Schon die von ihm gewählte Grabinschrift »Vermutlich wird auch der Tod eine Enttäuschung sein« ist Vorbote dessen, was da noch kommt. Doch wie der namenlose Protagonist aus Samuel Becketts handlungslosem Roman Der Namenlose aus dem Jahr 1953 weiß der Künstler: »Man muss weitermachen, ich kann nicht weitermachen, ich werde weitermachen.« 10 Dies tut Büttner mit zynischer, gerissener und eigenwilliger Entschlossenheit und nimmt auch das Unausweichliche an: »Denn wenn ich Mahood bin, so bin ich auch Worm. Pluff. Und wenn ich noch nicht Worm bin, werde ich es sein, wenn ich nicht mehr Mahood bin. Pluff. Auf, nun zu ernsten Dingen.« 11
8 Werner Büttner: »Von Geworfenheit und Verstrickung«, in: Last Lecture Show, Hamburg, 2021, S. 40. 9 Ebd., S. 39. 10 Samuel Beckett: Drei Romane. Molloy, Malone stirbt, Der Namenlose, Frankfurt am Main 2005, S. 566. 11 Ebd., S. 461.
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Nicht zum Lachen
1 Martin Evans, »Germany officially the world’s least funny country«, in: The Telegraph, 7. Juni 2011; http://www.telegraph.co. uk/culture/8560815/Germany-officiallythe-worlds-least-funny-country.html [zuletzt 17.05.2021]. 2 Andreas Kluth, »Being German is no laughing matter«, in: The Economist, 3. Mai 2016; https://www.1843magazine.com/ideas/ the-daily/being-german-is-no-laughing-matter [zuletzt 17.05.2021].
Barry Schwabsky
Betrachtet man zwei Werkgruppen desselben Künstlers, die drei Jahrzehnte auseinanderliegen, könnte man zunächst die Unterschiede vermerken, das, was sich im Laufe der Jahre verändert hat – oder aber auch die Kontinuitäten im Œuvre. Im Falle von Werner Büttner lassen sich seit den 1980er Jahren, nachdem er als Vertreter einer neuen Generation von deutschen Maler*innen in Erscheinung getreten war, einige offenkundige Entwicklungen beobachten. So ist etwa seine Palette heller und leuchtender und sein Pinselstrich geschmeidiger geworden (vielleicht eher gegen seinen Willen, da er dem Gefälligen und dem Anbiedernden in der Kunst misstraut). Am bemerkenswertesten ist für mich jedoch, dass Büttner seine Haltung beibehält, beziehungsweise das, was man als den Zweck seiner Kunst bezeichnen könnte. Und wenn ich mich nicht irre, gilt das gleichermaßen für alle Werke Büttners, also sowohl für die frühen als auch die jüngsten Arbeiten. Es ist bemerkenswert, dass Büttner in der anglofonen Welt bis zu seiner ersten Ausstellung 2015 in der Marlborough Gallery in London praktisch unsichtbar gewesen ist, obwohl seine Arbeiten bereits 1990 in der Kerlin Gallery in Belfast gezeigt wurden. Im vorangegangenen Jahrzehnt waren seine Arbeiten im Rahmen von zwei Einzelausstellungen in New York zu sehen, außerdem hat er an verschiedenen Wanderausstellungen in den USA sowie an einer wichtigen Gruppenschau in London teilgenommen. Warum also hat die »englischsprachige Welt« – um es mit Winston Churchills Worten auszudrücken – Büttners Werk so lange ignoriert? Ich frage mich, ob nicht auch kulturelle Stereotype hier eine Rolle spielen. Briten und Amerikaner hängen immer noch gerne dem Klischee an, dass Deutsche keinen Humor haben – oder zumindest, dass der deutsche Humor nicht lustig ist. In einer Schlagzeile verkündete der Telegraph im Jahr 2011, dass Deutschland »das am wenigsten lustige Land der Welt« sei; 1 der Economist versicherte seinen Leser*innen fünf Jahre später in dem Artikel »Being German is no laughing matter« (Deutsch sein ist nicht zum Lachen), dass es »vielleicht ein Klischee, aber auch wahr ist, dass Deutsche keinen Sinn für Humor haben.« 2
Winston allein, den Kontinent ’39 beobachtend, 2016, 150 × 120 cm, Öl auf Leinwand
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3 »Werner Büttner’s prosaic biography in tabular prose«, in: Werner Büttner: Coincidence in Splendour, London 2016, S. 246.
Nicht zum Lachen
Umso witziger ist es vielleicht, dass es vor allem der Humor ist, den ich an Büttners Bildern so sehr schätze – allerdings lache ich nicht. Vielleicht erkennen manche Leute diese Art von Humor nicht als Humor. Er verwirrt sie eher. Wie geht man mit einem Humor um, der nicht witzig ist, der einen vielmehr in die dunkelsten Abgründe der menschlichen Erfahrung führt, in denen ein Lachen allzu leichtfertig wäre? In der jüngeren US-amerikanischen und britischen Malerei ist Humor eher ungewöhnlich – das Vergnügliche bei einem Alex Katz oder Brice Marden, bei Bridget Riley oder Lucian Freud hat eine andere Qualität –, aber für die deutsche Malerei seit den 1960er Jahren ist diese Art von schwarzem, unlustigem Humor wesentlich. Es spricht Bände, dass der im Ausland bekannteste deutsche Maler, Gerhard Richter, jemand ist, in dessen Werk Humor kaum eine Rolle spielt, und dass Anselm Kiefer erst zu Ruhm gekommen ist, nachdem er die beißende Ironie seines frühen fotografischen Werks zugunsten der Trauer und der Melancholie seiner großformatigen Gemälde aufgab. Allerdings ist es schlichtweg unmöglich, das Werk von Sigmar Polke, Georg Baselitz oder Martin Kippenberger – um nur einige Namen zu nennen – zu würdigen, ohne sich auf ihre sardonische Darstellung der Gesellschaft, des Einzelnen sowie der Kunst an sich einzulassen. Dasselbe gilt für das Œuvre Büttners. Zweifelsohne hat es seine Gründe, dass insbesondere die in den 1940er und 1950er Jahren geborenen Künstler*innen einen Hang zum schwarzen Humor haben. Sie wissen am besten, dass Deutschsein nicht zum Lachen ist. Sie sind nicht nur im Schatten eines verlorenen Krieges aufgewachsen und wurden mit den Enthüllungen der Verbrechen des Nationalsozialismus konfrontiert; sie haben auch erkennen müssen, dass die Generation ihrer Eltern und Großeltern an diesen Geschehnissen beteiligt gewesen war. Zudem sind sie in einem geteilten Land aufgewachsen. In den unvereinbaren Systemen von Ost und West, der DDR und der BRD, bemühten sich beide Seiten darum, die Schwächen des Gegenübers offenzulegen. Es ist auffallend, wie viele der führenden westdeutschen Künstler*innen aus den Jahrzehnten vor der Wiedervereinigung im Osten geboren sind, darunter (die der älteren Generation angehörenden) Baselitz, Polke und Richter sowie A. R. Penck und Blinky Palermo. Vor diesem Hintergrund überrascht es kaum, dass Polke und Richter (gemeinsam mit dem im Westen geborenen Konrad Fischer alias Konrad Lueg) ihre künstlerische Laufbahn mit der Verkündigung der Pseudobewegung Kapitalistischer Realismus begonnen haben. Sie spielten auf den Sozialistischen Realismus im Ostblock an und schufen eine ironische visuelle Lobeshymne auf die Oberflächlichkeit der westdeutschen Konsumkultur in der Zeit des Wirtschaftswunders – das religiöse Vokabular allein spricht Bände. Auch Büttner verlebte bis zum Alter von sieben Jahren eine »glückliche Kindheit im Paradies der Arbeiter und Bauern« 3. Im Westen sei er, wie er mir erzählt hat, »täglich daran erinnert worden, dass er ein Flüchtling, ein Vertriebener« sei, weshalb er aus diesem Status einen gewissen Stolz gezogen habe. Die Werte des Deutschlands, in das er hineingeworfen worden war, blieben ihm ebenso fremd wie die des Deutschlands, aus dem man ihn herausgerissen hatte. Die zwei deutschen Staaten bezeichneten die Lebensumstände im jeweils anderen Land als falsch und hässlich, und Büttner scheint zu der nicht unerheblichen Anzahl von Leuten zu gehören, die zu dem Schluss gekommen sind, dass zumindest in diesem Punkt beide Seiten recht hatten. Wenn das Leben aber falsch und hässlich ist, welche Rolle spielt dann die Kunst? Soll sie dieses Leben verschönern? In den USA gibt es eine Redewendung dafür: Einem Schwein die Lippen schminken. Nein, aber mit der Kunst kann Hohn und Spott zum Ausdruck gebracht werden, was wenigstens für ein wenig Linderung sorgt. Außerdem hilft die Kunst dabei, herauszufinden, wer eine ähnliche Weltanschauung hat. Das Bild wird zu einer Art Banner, um das sich jene versammeln können, die mit dem Stand der Dinge nicht einverstanden sind. Darum besteht Büttners Ansicht nach das Problem der Abstraktion
darin, dass »man damit weder die Schöpfung noch die Gegenwartskunst verspotten oder beleidigen kann.« 4 Seine Kunst ist spöttisch, oder eigentlich eher sarkastisch. Sie macht sich über das Leben und die Kunst – auch die eigene – gleichermaßen lustig. Aber Büttners Sarkasmus zielt auf etwas Positives ab, und zwar genau in dem Sinne, in dem Antonio Gramsci den Begriff verwendete, als er über den Sarkasmus von Karl Marx schrieb – in einer Textpassage, auf die der Autor und Radioreporter Richard Seymour hingewiesen hat, wofür ich ihm sehr dankbar bin; es handelt sich dabei um eine Form des Sarkasmus, die nicht die menschlichen Hoffnungen angreifen soll, sondern »ihre kontingente Form, die an eine bestimmte vergängliche Welt geknüpft ist, ihren Leichengestank sozusagen, der durch die Schminke dringt.« 5 Büttner malt die Schminke und den Gestank zugleich. Sein Sarkasmus sollte uns aber nicht entmutigen oder resignieren lassen, selbst wenn wir selbst Teil dessen sind, was kritisiert wird, sondern er sollte uns zuversichtlich stimmen, da er an der Vorstellung festhält, dass ein besseres und wahrhaftigeres Leben möglich ist, wenn auch nicht für uns. Die Schöpfung und die Schöpfungen der Künstler*innen verdienen es, verspottet und beleidigt zu werden, da sie die Vorstellung einer möglichen Welt, einer möglichen Kunst vermitteln, die so viel besser ist als das armselige Gemurkse, das wir daraus gemacht haben. Ich nehme nicht an, dass Büttner sich groß mit den Ideen seines Landsmannes befasst, mir kommt es hier auf ihren ähnlichen Umgang mit Humor an. Seymour weist darauf hin, dass diese sarkastische Form des Humors etwas Masochistisches habe; sie setzt nicht nur die Prätention der anderen herab, sondern auch die eigene – und zieht aus dieser Herabsetzung das größtmögliche Vergnügen. Deshalb muss Büttners Kunst die Kunst verspotten und nicht nur die Welt. Es ist eine Methode, um sich das eigene Versagen einzugestehen und sich daran zu vergnügen – anders als bei der Art von »geistreichem« Witz, mit dem man vorgibt, über den Dingen zu stehen. Sarkasmus wird im Allgemeinen als eine niedere Form des Humors angesehen, als etwas für Heranwachsende. Vielleicht ist diese Vorstellung mit dafür verantwortlich, dass wir so lange gebraucht haben, um auf Büttner aufmerksam zu werden. Der Philosoph Karl Rosenkranz, ein Zeitgenosse von Marx und wie dieser Anhänger Hegels, fragte sich 1836 in einem Tagebucheintrag: »Gott sollte nicht Humor haben? Wenn nicht, wie sollte dann wol [sic] die Welt bestehen?« 6 Vorsichtig ausgedrückt ist dies eine doppelbödige Anmerkung. Will Rosenkranz damit sagen, dass Gott die Welt zu seinem eigenen Vergnügen am Laufen hält, als etwas, das ihn zum Lachen bringt, eine Art grausamer Witz? Oder weiß der Allwissende einfach nur, dass am Ende alles gut ausgehen wird? Büttners Bilder suggerieren, dass der Humor Gottes auch eher sarkastisch sein dürfte – dass der Allmächtige sich angesichts der von ihm erschaffenen Welt eingestehen müsste, dass das Erschaffen von Welten eine Kunst ist, die er eigentlich auf elegantere Weise hätte ausführen können. Etwa zwei Jahrzehnte nach seiner Anmerkung über den Humor Gottes hat Rosenkranz seine Ästhetik des Häßlichen geschrieben, in der er zu dem Schluss kommt, dass so, wie das Verstehen der Unwahrheit erhellt, was Wahrheit ist, so wie Ungerechtigkeit erhellt, was Gerechtigkeit ist, auch der wesentliche ästhetische Wert, die Schönheit, nur durch ihr Gegenstück verstanden werden kann. Nachdem er jedoch seine Analyse des Hässlichen abgeschlossen hatte, gelangte Rosenkranz zu der Erkenntnis, dass sie unvollständig war, da eine Versöhnung von Schönheit und Hässlichkeit nur durch den Humor erreicht werden kann: »[…] ich [habe] den ungeheuren Umfang des Häßlichen in der Kunst mit staunendem Blick einigermaaßen [sic] übersehen lernen, aber auch den intimen Zusammenhang des Komischen mit ihm immer deutlicher erkannt. Ich halte daher den Begriff des Humors für das Ultimatum in der Metaphysik des Schönen […].« 7 Rosenkranz hat da wohl wirklich einen großen Gedanken formuliert. Auf alle Fälle würde ich sagen, dass man, wenn man den Humor in Büttners Bildern erkennt, auch ihre Schönheit erkennen kann. Barry Schwabsky
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4 »Reality is a surprisingly cheap stoolpigeon. Werner Büttner and Andrew Renton in Conversation«, in: Werner Büttner: The Marking of the Abyss, London 2015, nicht paginiert. 5 Richard Seymour, »Not: Marxism as ›Organised Sarcasm‹«, in: Salvage 5, 6. Februar 2018; http://salvage.zone/in-print/not-marxism-as-organised-sarcasm/ [zuletzt 17.05.2021], und Zitat aus: Antonio Gramsci: Gefängnishefte, Kritische Gesamtausgabe, hg. vom Deutschen Gramsci-Projekt, Hamburg 1991–1999. 6 Karl Rosenkranz, Aus einem Tagebuch: Königsberg Herbst 1833 bis Frühjahr 1846, Leipzig 1854, S. 5. 7 Karl Rosenkranz, System der Wissenschaft. Ein philosophisches Encheiridion. Königsberg 1850, S. 615.
Werner Büttners Dialektik der Wiedergutmachung
Wolfgang Ullrich
Was für eine Geste! Rund achtzig Jahre nachdem infolge eines deutschen Luftangriffs auf London René Magrittes Gemälde Le Barbare (1927) verbrannte, kommt Werner Büttner und malt das Bild im Jahr 2021 neu. Er nennt das selbst Wiedergutmachung (Magrittes »Le Barbare«, 1940 durch deutsche Bomben auf London zerstört) (2021, Abb. S. 70), und er berücksichtigt dabei auch Zins und Zinseszins: Aus dem Original ist ein flächenmäßig mehr als fünfmal so großes Bild geworden. Ein ganz anderer Fall von Wiedergutmachung ereignete sich 1919, als Paul Klee das Gemälde Tierschicksale (Die Bäume zeigten ihre Ringe, die Tiere ihre Adern) (1913, Abb. A) seines 1916 gefallenen Künstlerfreunds Franz Marc rekonstruiert hat. 1917 war es bei einem Feuer zu rund einem Drittel verbrannt und musste mithilfe einer Vorstudie und einiger Fotografien ergänzt werden. Klee übernahm die Aufgabe, obwohl er und Marc sich in dessen letzten Lebensjahren entfremdet hatten. Marcs Begeisterung für den Krieg konnte Klee nicht nachvollziehen, sah darin keine spirituelle Reinigung, sondern dumme Ideologie. Umso peinvoller war es für ihn, dass er, der Kriegsgegner, sein Überleben im Krieg gerade dem Bellizisten Marc zu verdanken hatte. Nachdem er seinen Einberufungsbefehl am selben Tag erhalten hatte, an dem er von Marcs Tod erfuhr, entschied das Bayerische Königshaus nämlich nicht zuletzt wegen dieses Todes, Künstler fortan von der Front fernzuhalten. Klee durfte seinen Kriegsdienst also bei einer Fliegerersatzabteilung absolvieren. Umso mehr war die Rekonstruktion der Tierschicksale für ihn ein Akt der Wiedergutmachung. Dass er das Gemälde nicht exakt restaurierte, sondern gedecktere, düsterere Farben als Marc verwendete, zeugt von Trauer und Demut. Klee stellte sich bewusst in den Schatten desjenigen, der das Bild ursprünglich geschaffen hatte. Ein dritter Fall von Wiedergutmachung bestand hingegen darin, einem Bild kräftigere Farben zurückzugeben und diese sogar über den originalen Zustand hinaus zu steigern. David Hockney nahm sich 2010 Claude Lorrains Bergpredigt (1656) vor und unterzog das Gemälde einer digitalen Restaurierung, um es, zumindest auf Bildschirmen, wieder zum Leuchten zu bringen und zeitgenössischer erscheinen zu lassen. Sodann malte er eigene Variationen zu Lorrains Bild, begab sich
also in einen Wettstreit mit dem großen Vorfahren. Doch wäre dieser Paragone nicht fair und spannend gewesen, hätte Hockney den Lorrain nicht erst noch aufgepeppt und so stark wie möglich zur Geltung gelangen lassen. So unterschiedlich die drei Fälle sein mögen, so sehr kommen sie darin überein, dass ein Künstler seine Fähigkeiten dem Werk und damit auch dem Ruhm eines Kollegen zugutekommen lässt. Impuls dafür ist jeweils ein Wunsch nach Gerechtigkeit, also das Bedürfnis, einen als nicht richtig empfundenen Zustand zu heilen. Man könnte hier eine spezifische Malersolidarität unterstellen, und wenn Büttner seinen Einsatz für Magritte ausdrücklich als »Wiedergutmachung« bezeichnet, verwendet er sogar einen Begriff mit einer juristischen Geschichte. Dass er selbst einmal Rechtswissenschaft studiert hat, mag dabei nachwirken, vor allem aber geht es um das, was jeder Idee von Recht und Gesetz vorausliegt: eine moralische Haltung. Aber könnte es nicht auch als eitel und vermessen empfunden werden, dass Werner Büttner glaubt, eine Wiedergutmachung überhaupt leisten zu können? Behauptet er damit denn nicht, mindestens so gut und wichtig wie Magritte zu sein? Und wie soll man denn die Zerstörungen der deutschen Luftwaffe, die Barbarei des Krieges der Nazis wiedergutmachen? Wiedergutmachung ist zwar die humanste Form von Vergeltung, da Aggression nicht mit Aggression beantwortet, sondern ein Unrecht gesühnt wird, doch würde sie als solche nie anerkannt, wenn sich darin nicht vor allem anderen eine entwickelte Moral, ein stark ausgeprägter Gerechtigkeitssinn zeigte. Die zu einer Wiedergutmachung nötige Autorität entsteht daher aber nicht durch eine einfache Wiederholung von Verlorenem. Im Fall von Bildern wäre sie sonst auch mit der Tätigkeit von Kopisten zu verwechseln – und die verfügen bekanntlich gerade nicht über Autorität, A B
Wolfgang Ullrich
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A Franz Marc, Tierschicksale (Die Bäume zeigten ihre Ringe, die Tiere ihre Adern), 1913, Öl auf Leinwand, 194,7 × 263,5 cm, Basel, Kunstmuseum Basel B James Ensor, Seltsame Insekten, 1888, Radierung auf Japanpapier, 11,8 × 16,0 cm, Hamburg, Hamburger Kunsthalle
1 Werner Büttner, »Aus dem Sanatorium meiner Hände«, in: Last Lecture Show, Hamburg 2021, S. 191. 2 Ebd.
Dialektik der Wiedergutmachung
gelten nicht als moralische Instanzen, sondern verschwinden ganz hinter dem, was sie kopieren. Tatsächlich überzeugen die Wiedergutmachungsgesten in den geschilderten Fällen also nur, weil sie den Eigensinn und damit zugleich das moralische Empfinden desjenigen zum Ausdruck bringen, der sie leistet. Klee manifestiert seine Scham, indem er auf Marcs Farbigkeit verzichtet, Hockney zeigt Großzügigkeit, wenn er Lorrain einen besseren Startplatz verschafft, und Büttner bekundet Verehrung, weil er Magrittes relativ kleines Gemälde so stark vergrößert, dass er die Figur des Barbaren, ein verdecktes Selbstporträt des Malers in Gestalt des anarchischen Schurken Fantômas, geradezu denkmalshaft überhöht. Doch damit nicht genug. Büttner ignoriert auch Magrittes Malweise und übersetzt sie lieber in seine eigene Faktur. Ebenso modifiziert er die Motive und malt etwa die Ziegel der Mauer im Bildhintergrund in zwei verschiedenen Farben oder macht eine bei Magritte transparente Partie des Zylinders von Fantômas undurchsichtig. Schließlich hat er die Proportionen des Vorbilds leicht geändert, um sie auf sein seit mehr als drei Jahrzehnten beliebtestes Format von 150 mal 120 Zentimeter übertragen zu können. (Da das Original 65 mal 50 Zentimeter misst, hätte er es sonst entweder auf 156 mal 120 oder 150 mal 115,5 Zentimeter vergrößern müssen.) Sosehr die Unterschiede gegenüber dem Vorbild eher von Aneignungswillen als von Verehrung zu zeugen scheinen, so sehr ist Büttner jedoch bewusst, dass Wiedergutmachung ein zutiefst dialektisches Unterfangen ist und nur gelingen kann, wenn er auch sein eigenes künstlerisches Gewicht einsetzt. Das darf nicht so weit gehen, dass das Vorbild besserwisserisch korrigiert oder als bloße Inspirationsquelle für ein neues Bild erscheint, aber ohne markante Veränderungen fehlte dem Versuch der Wiedergutmachung die Ernsthaftigkeit, die Anteilnahme und damit auch die Kraft, als Geste aus moralischem Impetus, ja als Bekenntnis zu überzeugen. Obwohl Büttners Geste gegenüber Magritte singulär in seinem Œuvre sein mag, stößt man dort so häufig auf andere Spielarten von Wiedergutmachung, dass in ihnen ein Grundzug seines künstlerischen Selbstverständnisses erkennbar wird. Und da sich die unterschiedlichen Spielarten ergänzen und gegenseitig bestätigen, kommt Büttners Haltung nur umso klarer zum Vorschein. Im Text »Aus dem Sanatorium meiner Hände« berichtet er etwa davon, dass er sich oft Bildern erbarmt, die auf Flohmärkten verhökert werden.1 Sosehr sie dort als bloßer Ramsch behandelt werden, so stark wecken sie bei ihm das Bedürfnis, »sie zu retten, dem Heil, der Heilung zuzuführen«. Manchmal übermalt er sie, bemüht sich, sie durch »[H]inzufügen und [W]egnehmen« einzelner Partien »würdevoll leben zu lassen«, oder er kopiert Teile daraus, um diese in neuer Umgebung erstmals richtig zur Geltung zu bringen. Während er einige Künstlerkollegen, namentlich Asger Jorn, dafür kritisiert, sie hätten Flohmarktbilder durch Übermalungen »eher gedemütigt«, ist es ihm also wichtig, zu Unrecht Geringgeschätztem endlich Aufmerksamkeit zu schenken.2 Führt Büttners Gerechtigkeitssinn hier dazu, anonyme Kunst zu nobilitieren und ihr eine Wiedergutmachung für entgangene Anerkennung widerfahren zu lassen, so erweist er in anderen Fällen berühmten Vorgängern seine Reverenz. In Titeln wie Danke Frankreich (für Monsieur Monet und Höhle Lascaux) (2017, Abb. S. 62) oder Hommage an James Ensor (2020, Abb. S. 69) bringt er zum Ausdruck, wem er gemäß seiner eigenen Einschätzung etwas zu verdanken hat: wem er daher auch etwas schuldig ist. Diese Schuld wird durch ein Bild beglichen, das gerade dadurch als Dank fungiert, als darauf der Grund für Büttners Dankbarkeit, also der jeweilige Einfluss anderer Kunst und Künstler auf ihn sichtbar wird. Wenn er selbst eine ganze Gruppe seines Werks unter dem Obertitel Prägende Verehrung zusammenfasst, bringt das den Charakter dieser Art von Wiedergutmachung am besten auf den Punkt. In der Hommage an James Ensor hat Büttner ein Motiv aus einer Radierung seines verehrten Kollegen aufgegriffen und in seine
Malerei übersetzt (James Ensor, Seltsame Insekten, 1888, Abb. B). Eingefasst, geradezu gefangen von den in Rot gemalten Initialen James Ensors, sieht man dessen Kopf auf dem Körper eines Mistkäfers. Ensor selbst nahm damit Bezug auf ein Gedicht Heinrich Heines und eine unglückliche Liebesgeschichte, in der die Geliebte als für den Käfer unerreichbar schöne Libelle in Erscheinung tritt. Bei Büttner aber mutet Ensor eher wie eine Figur Kafkas an, und dass der Künstler mit dem Tier eins wird, zudem aber hilflos auf dem Rücken liegt, erinnert zugleich an seinen großen Einsatz gegen Tierquälerei. In seinem Spätwerk stellte Ensor das Leiden der Tiere sogar auf eine Stufe mit der Kreuzigung Christi und sah in grausamen Tierversuchen einen Opfertod zugunsten der Menschen. Seine gemalten Anklagen lassen sich daher ebenfalls als Versuche einer Wiedergutmachung deuten, wollte Ensor doch die Praktiken der Vivisektion sichtbarer machen und den Tieren endlich die ihnen gebührende Wertschätzung zukommen lassen. Büttner verehrt Ensor also gerade wegen dessen Sensibilität und Empathie, fühlt sich ihm offenbar vor allem wegen dieser Eigenschaften, ja in seiner moralischen Haltung nahe und zu Dank verpflichtet. So kann man seinesgleichen selbst über Generationen hinweg finden, den eigenen Sinn für Gerechtigkeit auf diese Weise stärken und erleben, dass es neben den ganz profanen monetären Schuldverhältnissen vor allem auch eine Verbundenheit im Moralischen gibt. Werner Büttners Exerzitien prägender Verehrung, seine aus dem Wunsch nach Wiedergutmachung gespeisten Werke leisten einen herausragenden Beitrag dazu, diese generationenüberschreitende Ökonomie der Dankbarkeit bewusster zu machen und weiterzuentwickeln. Und da er von der Höhlenmalerei bis hin zu Alberto Giacometti und Giorgio de Chirico viele Kapitel aus der Kunstgeschichte eigens würdigt, kann man sich diese auf einmal sogar ganz anders als üblicherweise vorstellen: weniger als Geschichte stilistischer Einflüsse, sondern vor allem als Geschichte eines Bemühens um Gerechtigkeit.
Wolfgang Ullrich
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Von Geworfenheit und Verstrickung
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Factum brutum (Was für Einsamkeiten sind doch alle diese menschlichen Leiber), 2020
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Der Künstler reißt sich als Baby die Windeln vom Leib, 1990
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Der Künstler im Zeitalter der Fernbedienung, 1990
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Vom Krankenbett aus grüße ich alle ehrlichen Menschen, 1988
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Quel début!, 2003
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Bloß keine Illusionen, 1989
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Credo, 2018
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Anpfiff zur Biografie, 1998
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Selbst im NSU, 2004
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Vorstadtszene, 2004
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Die Eisvogelattacke, 2005
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»Der Mensch, vom Weib geboren, lebt kurze Zeit und ist voll Unruhe«. Dieses »Telegramm« der Bibel, in seiner Kürze unübertroffen, hat mich immer aufgrund der konzentrierten, mitleidlosen Lakonie des Inhalts und der poetisch-rhythmischen Rahmung überzeugt. Was gibt es denn sonst noch über unser Schicksal zu sagen? Wir wissen, was die Natur von uns will. Sie will, dass wir uns fortpflanzen, dann absterben und mit unserem Kadaver ein klein wenig die Krume erhöhen. Mehr hat die Natur mit Individuen nicht vor. Dies ist für einen trotzigen, aufsässigen Charakter nicht hinzunehmen. Sich nicht fortzupflanzen, ist eine einfache Übung und gelang mir. Meinen Kadaver vor der Krume zu schützen, war schon schwieriger. Eine Lösung des Problems verhieß das Mausoleum. Zwar würde sich das Wasser in mir verflüchtigen, aber auf keinen Fall die Krume erhöhen. Und der Rest der verbliebenen Feststoffe wäre der Krume und dem Humus entkommen. Ich entwickelte mit zwei Architekten (m/w) Form und Material des Mausoleums und begutachtete Bauplätze auf dem Friedhof Ohlsdorf, dem schönsten Parkfriedhof der Welt. Die Pläne reiften, meine Stimmung stieg, ich würde der Krume entkommen. Eine Inschrift, um das Gebäude zu zieren, war auch gefunden: »Vermutlich wird auch der Tod eine Enttäuschung sein«. Vor etwa zwei Jahren beschloss die Stadt Hamburg in unbegründeter Willkür eine neue Friedhofsordnung. Diese verbot das Ablegen von Leichen in Gebäuden. Das war das Ende der Mausoleumsidee. Andere Bundesländer haben das Ablegen von Leichen in Gebäuden noch nicht verboten. Aber sie haben kein »Ohlsdorf«. Nun war sie also zurück, die Sorge um mich selbst und die Sorge um meinen Kadaver. Pragmatisch vertagte ich die Frage der Krumenflucht und begann wieder über das richtige, gute Leben in »der kurzen Zeit voller Unruhe« nachzudenken. Ich schlug nach bei Martin Heidegger, der von seinem eigenen Bruder, der auch sein Sekretär war, im Karneval so glänzend parodiert wurde. Laut Heidegger sind wir von einer unbekannten Macht ungefragt ins Dasein geworfen, in ein »Sein zum Tode«. Und in einem solchen Dasein bangen wir ununterbrochen, und aus dieser Angst wird ein Sein zum Nichts. Heideggers etwas rührend anmutender Ausweg aus diesem menschlichen Dilemma ist, verkürzt gesagt, der in Freiheit entworfene Lebensplan des Einzelnen.
Er übersieht, dass man gleichzeitig noch in Verstrickungen geworfen wird, die das Sein-zum-Lebensentwurf erheblich erschweren. Man wird in eine Familie geworfen, in ein Geschlecht, in eine Zeit, schlimmer noch, in einen Zeitgeist, in eine Sprache, in Wohlstand oder Armut, in politische und soziale Ordnungen von fragiler Güte und Dauer, und, wenn man richtig Pech hat, in eine Eiszeit oder eine Weltwirtschaftskrise oder einen Krieg. Die Freiheit zum Lebensentwurf ist also wesentlich okkasionalistisch. Und diese Erkenntnis gilt es auszuhalten. Genau und unsentimental genommen, muss es zur Erkenntnis führen, dass unsere hymnische Verehrung der Freiheit ein magisches Sedativum ist. Jean-Jacques Rousseaus Aufschrei »Der Mensch ist frei geboren, und überall liegt er in Ketten« ist richtig im zweiten Halbsatz, im ersten gilt global das Gegenteil. In »Von Geworfenheit und Verstrickung« sind ein Teil meiner biografischen Verstrickungen und einige meiner Empfehlungen, wie man Verstrickungen ausweicht oder entkommt (Scheidung, Stacheln, Credo, Illusionenabstinenz usw.), zu sehen. Der erste Freiheitskampf, von dem die westliche Kultur berichtet, war der Aufstand Satans gegen Gott. Satan führte seine Anhänger mit der Parole »Non serviam« (Ich werde nicht dienen) in die Schlacht. Das war auch das Motto von James Joyce, und, falls man mich als Dritten im Bunde nicht zu anmaßend findet, auch meiner selbst. Es gibt die Theorie, dass Joyce Finnegans Wake schrieb, um den Wahnsinn seiner Tochter, ihre auseinanderfliegende Welt, normal erscheinen zu lassen. Das wiederum wäre Freiheit, aber halt nur die Freiheit der Kunst, den Lebensentwurf seiner Tochter in einem gütigen Licht zu baden. Und es entspräche auch dem schönen, idealistischen Credo von Egon Friedell: »Ein Verderben, dass zum Lied werden kann, ist keines mehr; und eine Welt, die sich schauen lässt, kann nicht schlecht sein.« Egon Friedell sprang aus dem Fenster in den Tod, als ihn die Gestapo verhaften wollte. Nicht ohne vorher nach unten zu rufen: »Könnten Sie bitte beiseite treten!«
Werner Büttner
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Stacheln – ein Vorteil für’s Leben, 2018
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Meine Frau, schlafend, 1985
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Ampel in Jena, 1988
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Neben Kot und Urin wirst Du auf diese Welt gedrückt, 2014
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Von Geworfenheit und Verstrickung, 2017
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Warum nicht aussterben?, 2018
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Heere der Traurigkeit, 2016
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Büttner geht von Bord, 2020
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Es muss also keiner als der enden, der er heute ist, 2007
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Prägende Verehrung
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II Sich für die Werke anderer zu begeistern, ist ein Akt existenzieller Klugheit. Der eigenen Apotheose Vorschub zu leisten, ist ein Akt künstlerischer Weitsicht. Doch lassen Sie uns über René Magritte reden, dem vollendet als Spießer verkleideten Licht aus Brüssel, dem Verfasser dreier engelsgleich in der Zeit schwebenden Flugblätter ... Magritte und seine belgischen Spottgesellen hinterließen uns ein plünderungswürdiges Antiquariat und nachahmenswerte Haltungen dem Leben gegenüber. Auch ich wurde von ihrem Lachen infiziert und habe mich davon kaum je wieder erholt. Ihr Metier war die Herstellung krampflösender Bilder und Worte. Auch lieferten sie nicht einfach Ware für den Kunstmarkt ab, sondern hatten in erster Linie einen virilen Hang, durch exquisite Streiche Teile des Gemeinwesens zu verstören. Mit dem gleichen Eifer und einer fundamentalen Lachgier malträtierten sie auch einander, ein Habitus, den die Situationisten bewundernd übernahmen. Ein durch und durch köstliches Völkchen also. Oder, wie Magritte schrieb: »In den weiten Ebenen Europas, wo das Korn die Sonne reifen lässt, sind wir ein paar Männer und Frauen, die neben ihrer Nahrung hausen.« Er behauptete auch ergreifend, »Das Leben ist eine schnelle Platzrunde, die mit ein wenig Eleganz zu drehen sei«. Der April 1946 war eine eleganzlose Zeit. Magritte schrieb »Der Blödmann«, wenig später mit Mariën »Der Scheißer« und »Der Arschficker«. Die drei Flugblätter erschienen in einer Auflage von weniger als hundert Exemplaren und wurden an Notare, Militärs, Priester, Richter und dergleichen verschickt. Viele wurden von der Post konfisziert, es gab Verhöre durch die Kriminalpolizei. Auch surrealistische Genossen distanzierten sich pikiert von der Aktion. Magritte hatte nur noch wenige Freunde. Werner Büttner
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Überfahrender Hippie im ägyptischen Stil, 1988
II
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Stillleben mit Rochen und Sonderangebot, 1983
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Das leckere Ungeheuer, 1999
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Die Nase – ein Stück stabile Wirklichkeit, 2018
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Kaiser Karl V. hebt den Pinsel von Tizian auf, 2018
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Käfigszene, 2017
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Ziege mit Bewunderer, 2004
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Danke Frankreich (für Monsieur Monet und Höhle Lascaux), 2017
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Nach der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges war die belgische Obrigkeit zu der ihr angenehmen und angemessenen Tagesordnung zurückgekehrt. Das Militär schlug Streiks blutig nieder, Gerichte fütterten die Zuchthäuser mit dissidenten Arbeitern, patriotischversiffte Regierungsappelle wollten der Bevölkerung das Hungern schmackhaft machen, gutbürgerlichen Nazi-Kollaborateuren wurde wieder ein Leben in Würde ermöglicht. Und einem Mann wie Magritte platzten Kragen und Galle. Ein Universum, das solche zuließ, hatte keine Daseinsberechtigung, und die eiskalten Stützen der Gesellschaft, deren Credo nach jeder mitverursachten Katastrophe immer wieder heißt »Weitermachen & Obenbleiben«, solch ein pathologisches Pack konnte nur in glockenreiner Kloakensprache adressiert werden. Es war noch ein viertes Flugblatt geplant mit dem Titel »Der Lump«. Es wurde aus mir unbekannten Gründen nicht gedruckt. Auch »Der Lump« ist von stimmiger Schönheit und brachial-historischer Eleganz. Der Lump Die Greise sind Lumpen. Sie sind zynische Parasiten. In der Tat atmen sie eine Menge Luft – ein reiner Verlust. Die Erwachsenen, Männer und Frauen, sind Lumpen und Feiglinge. Sie sehen dämlich aus und sträuben sich mit aller Kraft gegen den Tod. Die Kinder sind Lumpen. Das sieht man an ihren Visagen. Sie wollen immer irgend etwas erreichen, den ersten Preis in der Schule, den ersten Preis im Bordell, die schönste Mütze usw. Leser, du bist ein Lump. Vergiss das vor allem nicht. Du kotzest nicht oft, du kackest immer. Hier nun: Der Scheißer Die Staatsmänner haben die Welt mit ihren Kriegen beschissen. Jetzt haben sie Pläne für eine Hungersnot. Was macht das schon, wir werden auf diese Weise Gelegenheit haben, feine Speisen zu genießen, in Gedanken an all die Idioten, die dabei sind, vor Hunger zu verrecken. Früher beschissen uns die Wirtschaftspolitiker, indem sie zum Konsum antrieben. Heute verlangen sie von uns, Opfer zu bringen. Merkst Du was? Aber da alles, wie es scheint, von der Kohleschlacht abhängt, geht alles gut. Unsere Sklaven, die Kumpel, schwitzen für uns. Die Soldaten sind dazu geschaffen, angeschissen zu werden. Aber alles hat seine Grenzen, selbst das Heldentum eines Feldgrauen. Das ist schade, denn man könnte sie zwingen, beim Scheißen strammzustehen. Leser, Sie sind ein perfekter Scheißer. Auch sollte man Sie abschaffen.
Und hier: Der Blödmann Die guten Patrioten sind Blödmänner; die guten Patrioten bescheißen das Vaterland. Jeden Tag, jeden Augenblick scheißt zumindest ein Patriot ohne Skrupel auf den geheiligten Boden des Vaterlands. Die Pfaffen sind Blödmänner, sie wissen nichts von der Religion. Wir werden es ihnen beibringen. Die Schergen von Breendonck sind Idioten. Ihnen fehlt jegliche Fantasie. Sie hätten zum Beispiel ihre Opfer sich in Spiegeln betrachten lassen können. Leser, auch Sie sind natürlich ein Blödmann. Die Bullen schützen Sie (schlecht), aber Sie leiden (Schlechtes). Und sonst scheiße. Und nicht zu vergessen: Der Arschficker Der Arschficker ist ein schicker Typ. Er kümmert sich einen Dreck um die Wiederbevölkerung. Dagegen ist er übertrieben ängstlich. In der Tat, riskiert er es, seinen Schwanz in die Harnröhre seiner Freunde zu stecken? Gute Werbung wird von Arschfickern gemacht. So hat sich ein Arschficker, dessen Steckenpferd der Parfümhandel ist, ausgedacht, im Schaufenster seines Ladens inmitten einer ländlichen Dekoration einen prächtigen, aus einem Scheißhaus sprießenden Blumenstrauß zu zeigen. Die guten Katholiken sind Arschficker. In der Tat, wenn sie den Leib Christi beim Abendmahl zu sich nehmen, verschlingen sie zugleich Schwanz und Anus des Herrn. Leser, auch Sie sind ein Arschficker. Wenn Sie scheißen, fickt Ihre Kacke Sie selbst. Dies ist also nicht der Magritte, der uns aus den Kunstkalendern anlächeln soll. Dies ist nicht der mumifizierte Magritte, der jetzt den Mops im Museumsshop machen muss. Dies ist der Magritte, der, solange er lebte, lachend zubiss, intellektuell randalierte und einen liebenswerten Hass auf den »globalen Schmutz« sein Eigen nannte. Einen solchen Hass, der auch angenehme Stimme werden kann, findet man heute nur noch selten. Wir haben auf hochzufriedenem Niveau resigniert und finden viel zu viel zu komplex für Widerworte. Ja, man könnte meinen, die Kunst selber sei Kollaborateur des »globalen Schmutzes« geworden. Werner Büttner
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Selbst in De-Chirico-Pose, 1989
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Originelle Kopie (Frauenraub nach Goya), 2018
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Graue Mädchen vor phallischer Form, 2018
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Hommage an James Ensor, 2020
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Wiedergutmachung (Magrittes »Le Barbare«, 1940 durch deutsche Bomben auf London zerstört), 2021
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Entrücktheit für Fortgeschrittene, 2011
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Der Mann der »Evil« geschrieben hat, 1990
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Unvernunft keimt, wie Unkraut, schon bei Sternenlicht
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Whirling Weltgeist, 2020
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Gebenedeite Scheußlichkeit, 2001 Rätselhaftes Menschenwerk, 2011 Blick zurück durch Form, 2011 Missverständnis, 2011
32 63 57 61
76
Bester Sex aller Zeiten, 2011 Der Tod ist ein Skandal, der zu uns passt …, 2012 Besuch bei Luther …, 2012 Am siebten Tag aber war Ruhe…, 2012
III
56 67 66 65
Eine simpel gestrickte Legende ist kognitiv attraktiver als deren komplexe Widerlegung …, 2012 Die neurotische Perspektive, 2012 Geborgenheit kann einen überall anfallen …, 2012 Fun Fatal, 2012
72 69 76 73
78
Die Poesie ist die Muttersprache des menschlichen Geschlechts, sagt Herder …, 2012 Fundgrube Nachbarschaft, 2012 Der Vorschlag, die Wahrheit zu sagen, ist nicht einmal amüsant …, 2012 Geborgenheit im Geschrei …, 2012
III
70 74 68 75
Verschwörungen sind leichter zu akzeptieren als die Kamikazeangriffe des Zufalls, 2012 Die Botox-Verschwörung, 2013 Frauen, die sich geliebt wähnen, überleben die Statistik …, 2013 Dieses Kind wird sich totsaufen …, 2013
79 80 82 81
80
Die Fähigkeit zu einer halbwegs akkuraten Selbsteinschätzung entscheidet wesentlich, wie ein Leben verläuft …, 2015 Der geduldige Götze …, 2015 Artgerechtes Schicksal …, 2015 Angst – die gekrönte Konstante …, 2015
III
91 90 89 88
Gut verschwendete Zeit, 2013 Die Gnade des Arbeitsplatzes …, 2015 Die Internationale der Leidtragenden kennt keine Nachwuchssorgen …, 2015 Die Wacht am Revier, 2015
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83 92 93 94
Der gute Hegel setzte große Hoffnungen in den von ihm entdeckten Weltgeist. Dieser Weltgeist sollte ein heißes Verlangen nach Vernunft haben und diese Vernunft im Laufe der Zeit zur Weltmacht bringen. Zweihundert Jahre nach Hegel haben wir nun Statistiken, die diese Spekulation Hegels weder stützen, noch Hoffnung für die nächsten zweihundert Jahre machen. Der Weltgeist hat inzwischen ein neues Wirtschaftssystem inthronisiert, das seinem Wesen nach völlig unidealistisch ist und sich Kapitalismus nennt. Dieses System verlangt auch von mir, dessen Berufsbezeichnung »Künstler« lautet, »proaktive« schnödeste Gewinnerzielungsabsicht. Sollte ich mit meiner Tätigkeit fünf Jahre lang keinen Gewinn erzielen (die Zeitspanne variiert von Finanzamt zu Finanzamt), wird, so belehren mich die Steuereintreiber, meine Tätigkeit als Liebhaberei eingestuft. Die Konsequenz ist, dass ich meine Arbeitsräume und Materialien nicht mehr steuerlich absetzen kann und meine Situation prekärer wird. Für einen idealistischen Künstler kommt dies einem Berufsverbot nahe (mich bitte nicht damit verwechseln!). Jeder Lump kann als Waffen-, Drogen- und Geldhändler in diesem System nahezu unbehelligt seine Kreise ziehen, denn er hat die Gebenedeitheit der Gewinnerzielungsabsicht, das Mantra des Kapitalismus. Altruismus ist ihm etwas zutiefst Verdächtiges. Deswegen müssen gemeinnützige Organisationen regelmäßig peinlichste Überprüfungen über sich ergehen lassen, ihre Absichten sind dem Kapitalismus wesensfremd und unverständlich. Die Lumpen dagegen versteht er in Gänze. Auch Geschenke sind etwas, das der Kapitalismus nur schwer in seine Weltsicht integrieren kann. Er macht daraus ein »Schenkungsgeschäft« und verlangt, dass der Empfänger des Geschenks zum Geschäftspartner wird und ebenfalls eine Leistung erbringt. Hier nun wird es schwierig, denn die zu erbringende Leistung ist Dankbarkeit. Für Dankbarkeit gibt es meines Wissens kein Messgerät und keinen Maßstab. Das führt dann zu seltsamen Prozessen. Der überall hinpinkelnde Prügelprinz Ernst August von Hannover (Beschreibung des Boulevards) fordert deshalb von seinem Sohn das geschenkte Schloss zurück. Begründung: Die Gegenleistung sei nicht erfolgt, Dankbarkeit nicht geliefert worden. Die Urteilsbegründung wird auf jeden Fall bemerkenswert.
Man bekommt den Eindruck, dass der Kapitalismus gewisse Todsünden fördert und gewisse Tugenden hemmt und beeinträchtigt. Oder nicht ganz so religiös-ideologisch, er düngt Egoismus und gräbt Altruismen das Wasser ab. In meinen leider sich verschlechternden Augen hat sich der Weltgeist von seinem ursprünglichen Ziel abgewendet und – aus nicht nachvollziehbaren Gründen – auf die Unvernunft gesetzt. In den Collagen in diesem Kapitel gebe ich einen kleinen Einblick in die tobsüchtige Rasanz, mit der die Vernunftwidrigkeit alle Lebensbereiche unserer Zeit malträtiert. Die Bildfragmente sind den zeitgenössischen Periodika entnommen. Ihre Kombinationen gehen auf mein Befremden und meinen Ekel zurück. Ihre Kommentierung entspricht wohl der mephistophelischen Sehnsucht nach dem Nichts. Und dieser letzte, leicht solidarische Kommentar ist eine der schöneren Floskeln des Fatalismus: Wir sind alle vom Stamm der armen Teufel!
Werner Büttner
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Eine Lehre vom Menschen kann nicht wissenschaftlich sein …, 2015 Kein Raum ohne Belästigung …, 2015 Selfie für Mama, 2015 Goethe, seine Rezeption beschmunzelnd …, 2015
III
95 99 101 96
Im Gegensatz zu vielen meiner Kollegen war ich auch eine gute Hausfrau …, 2015 Wenn das Böse siegt, ist dann endlich Ruhe?, 2015 Vom Glück und seinen Glasknochen …, 2015 Zwei Mumien, die Uhr ernst nehmend …, 2015
97 103 102 104
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Das unsterbliche Staunen, 2016 Die existenzielle Banalität ist alternativlos geworden …, 2016 Die Humorlosigkeit der Historiker gebiert weitere Ungeheuer, 2016 Die schöne Scheidung, 2016
III
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Ein Hauch guter alter Zeit, 2016 Fatal orientierte Blechbläser, 2016 Ekelhafte Symbolik, 2016 Porträt einer Tante, 2016
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Chor der Jasager, 2017 Vermutlich wird auch der Tod eine Enttäuschung sein …, 2016 Unser tägliches Detail, 2016 Rochenembryo an Vogerlsalat, 2016
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123 122 121 118
Die beste DNA liegt eh auf den letzten Schlachtfeldern, pflegte meine vorletzte Schwiegermutter immer zu sagen …, 2017 Jede starke Weltanschauung reduziert Angst, 2017 Die Zärtlichkeit der Würgefeige, 2017 Immer in Gedanken – ein sicheres Asyl …, 2017
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Die Traurigkeit mit Grund, 2017 Gleichwohl darf niemand etwas so besitzen, als sei es sein Eigentum, ausser vielleicht die Lüge (Augustinus), 2018 Appetitloses Wesen, 2018 Nur die Wirklichkeit darf es wagen, so zu sein, 2018
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Spätantikes Graffiti (Verhöhnung des Alamenos), 2018 Radikaler Brutpflegeplan, 2018 Zarte Warnung vor den Eskapaden des Fleisches, 2018 Spitzel, 2018
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»Sich für die Werke anderer zu begeistern …«
1 Werner Büttner, »Prägende Verehrung«, in: Last Lecture Show, S. 54. 2 Ebd. 3 Vgl. etwa Irit Rogoff, »Er selbst – Konfigurationen von Männlichkeit und Autorität in der Deutschen Moderne«, in: Blick-Wechsel. Konstruktionen von Männlichkeit und Weiblichkeit in Kunst und Kunstgeschichte, hg. von Ines Lindener, Sigrid Schade, Silke Wenk und Gabriele Werner, Berlin 1989, S. 21–40.
Bettina Uppenkamp
»Sich für die Werke anderer zu begeistern, ist ein Akt existenzieller Klugheit«, schreibt Werner Büttner einleitend zu dem Ausstellungskapitel »Prägende Verehrung«, in dem er seinen künstlerischen Dialogpartnern aus der Vergangenheit Referenz erweist.1 Der zweite, sich anschließende Satz orientiert auf Ruhm, wenn es da heißt: »Der eigenen Apotheose Vorschub zu leisten, ist ein Akt künstlerischer Weitsicht.« 2 Das eine hängt mit dem anderen zusammen, denn bekanntlich stellen Referenzen auf eine anerkannte künstlerische Tradition nicht nur eine Verbeugung vor den Leistungen der, kanonisierten, anderen dar, sondern der gezielte Verweis auf Vorbilder dient auch einer strategischen Positionierung und Autorisierung des eigenen künstlerischen Werkes.3 In Büttners Abteilung der prägenden Verehrung wird etwa ein Dank an Frankreich entrichtet ( Danke Frankreich (für Monsieur Monet und Höhle Lascaux), 2017, Abb. S. 62), wo im Tal der Vézère die Begegnung mit der Frühgeschichte der europäischen Malerei in der Höhle von Lascaux und anderen Grotten möglich ist (Felsmalerei in der Höhle von Lascaux, Abb. A) – die Geschichte der Malerei ist mit der Menschheitsgeschichte tief verbunden. Und dort in Frankreich haben die impressionistischen Maler*innen im 19. Jahrhundert die Gips- und Zeichensäle der Akademien hinter sich gelassen, um sich den Eindrücken der Außenwelt, der Landschaft und der Stadt, dem Licht und dem Wetter, den Heuhaufen, den Kathedralen und dem Qualm aus den Schloten und Lokomotiven zu stellen. James Ensor erhält einen entomologisch maskierten Ehrenerweis, Picassos Ziege wird ein Bewunderer gegönnt (Hommage an James Ensor, 2020, Abb. S. 69, Ziege mit Bewunderer, 2004, Abb. S. 61). Besondere Würdigung erfährt René Magritte, nicht nur für seine Bildfindungen, sondern vor allem auch für seine bitterbösen, unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg gedichteten Flugschriften, die sich einer zynisch-derben, auf »Scheiß-«Verhältnisse gemünzten Sprache bedienen. Skatologisches adressiert Büttner auch zu Ehren von François Rabelais, ein Bild allerdings, welches eine plaisanterie rabelaisienne in einer überraschend disziplinierten, nahezu abstrakten Formensprache dissimuliert (Dr. Rabelais zu Ehren, 1994, Abb. B).
Zu den Verehrten, mit denen sich auseinanderzusetzen und die zu plündern sich lohne, zählt auch Francisco de Goya, und Goya ist einer der toten Künstler, der, wie Büttner in einem Gespräch mit Werner Hofmann bekannt hat,4 neben El Greco in besonderer Weise sein Herz zu berühren vermochte. Das klingt emotional, nicht vordringlich nach Ruhmesvorsorge, sondern nach Wahlverwandtschaft. Die Würdigung Goyas besteht in einer Originellen Kopie (Originelle Kopie (Frauenraub nach Goya), 2018, Abb. S. 66/67). Das Original Goyas gehört zu einer Serie von Grafiken, der Technik nach Radierung und Aquatinta, die unter unterschiedlichen Bezeichnungen firmiert (El caballo raptor: Das Pferd als Frauenräuber, aus dem Zyklus Disparates, um 1810 bis 1815, Abb. C). Erstmals veröffentlicht wurden 18 Radierungen 1864, über dreißig Jahre nach Goyas Tod, von der Real Academia de Bellas Artes de San Fernando unter dem Titel Proverbios (Sprichwörter), vier weitere Blätter erschienen 1877 in Paris.5 Der Versuch, die einzelnen Motive jeweils mit einem bestimmten spanischen Sprichwort in Verbindung und damit dem Sinn nach auf den Punkt zu bringen, hat sich jedoch als unergiebig erwiesen.6 Alternativ lautet die Bezeichnung für die Serie Disparates, was auf Deutsch so viel wie Blödsinniges, Quatsch, Torheiten heißt. Dieser Titel hat den Vorzug der Offenheit, des Mehrsinnigen oder des Unsinns, was der teils verstörenden und düsteren Rätselhaftigkeit der Bilderfindungen angemessener erscheint als deren Festlegung auf sprachlich sedimentierte Lebensweisheiten von in der Regel normativem Charakter. Die Benennung der gesamten Serie als Disparates beruft sich darauf, dass die von Goya selbst überlieferten Titel für einzelne Bilder in der überwiegenden Zahl der Fälle das Wort »Disparate« enthalten. Die Titel lauten zum Beispiel Disparate Feminino (Weibliche Torheit): Sechs junge Frauen haben ein Laken zwischen sich aufgespannt, von dem aus sie
A B
Bettina Uppenkamp
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A Felsmalerei in der Höhle von Lascaux B Dr. Rabelais zu Ehren, 1994, Öl auf Leinwand, 150 × 120 cm
4 »›Hinter jedem Bild versteckt sich ein anderes.‹ Werner Hofmann und Werner Büttner im Gespräch«, in: Werner Büttner. Gemeine Wahrheiten, Ausst.-Kat. ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe und Weserburg Museum für moderne Kunst, Bremen, hg. von Peter Weibel und Andreas Beitin, Ostfildern 2013, S. 325–332. Ensor, Goya, El Greco und Rabelais werden von Werner Büttner auch in einem Interview mit Andrew Renton als jene unter den Toten hervorgehoben, mit denen die Diskussion fruchtbar sei. Vgl. »Fruitful discussions with the dead«, in: Werner Büttner: My Looting Eye, hg. von Andrew Renton und Philip Wright, London 2016, S. 139. 5 Goya arbeitete an dieser Serie vermutlich von 1815 bis 1824, jenem Jahr, in dem er sich zur Übersiedlung nach Bordeaux entschloss, um den restaurativen Verhältnissen in Spanien zu entkommen. Die Kupferplatten hat er offenbar mitgenommen, zurück nach Spanien und in den Besitz der Königlichen Akademie sind sie 1862 gelangt. Ungewiss ist, ob Goya die Arbeit an der Serie für abgeschlossen hielt oder ob über die heute bekannten Blätter hinaus weitere vorgesehen waren; ungewiss ist auch, in welcher Reihenfolge sie einander zugeordnet sein sollten. Goya selbst hat sich offenbar nicht entschließen können, die Blätter zu veröffentlichen. Dies mag mit Furcht vor der Inquisition zu tun gehabt haben, mit der er wegen der Majas bereits in Konflikt geraten war. Zu seinen Lebzeiten wurden ausschließlich Probedrucke angefertigt. Die meisten Blätter, so die Meinung der Goya-Forschung, dürften parallel zu den Pinturas negras, den schwarzen Bildern, entstanden sein, die Goya an die Wände der Quinta del Sordo gemalt hat, seinen ländlichen Rückzugsort, den er 1819 erworben hatte. Vgl. Werner Hofmann: Goya. Vom Himmel durch die Welt zur Hölle, München 2003, S. 246. 6 Versucht hatte dieses etwa Tomás Harris: Goya. Engravings and Lithographs, 2 Bde., Oxford 1964, hier Bd. I, S. 193–194; vgl. auch Werner Hofmann: Goya. Traum, Wahnsinn, Vernunft, München 1981, S. 180 sowie Hofmann (2003), S. 246–247. 7 Hofmann (1981), S. 180. 8 Siehe dazu in diesem Katalog, Larissa Kikol, »In meinen Gedanken rauchten wir zusammen«, S. 106. 9 Die Maße für Goyas Grafik, die denen der anderen Blätter derselben Serie gleichen, beziehen sich auf die bedruckte Fläche, mithin die Größe der Druckplatte, nicht auf das bedruckte Papier, dessen Größe sich je nach Ausgabe voneinander unterscheidet.
… die Werke anderer …
zwei Hampelmänner in die Luft schnellen lassen; irritierenderweise liegt ein toter Esel in dem Tuch. Oder Disparate Pobre (Arme Torheit): Eine junge Frau flüchtet vor zwei furienhaft ihr nachstellenden Verfolgern, um hinter einer Häuserwand von einer Gruppe zwielichtig wirkender Alter erwartet zu werden; die junge Frau hat zwei Köpfe, als sei dies ganz selbstverständlich. Laut Überlieferung durch den Künstler und Sammler Valentín Carderera, einem der besten Kenner der Kunst Goyas im 19. Jahrhundert, habe Goya selbst im Hinblick auf diese Serie auch von sueños, also von Träumen gesprochen, was das Irrationale und Beängstigende, das fast allen Szenen eigentümlich ist, noch einmal unterstreichen würde.7 Und einer Sequenz aus einem Albtraum ähnelt auch das Vorbild der Originellen Kopie Büttners. Es trägt die Unterschrift El caballo raptor (Das Pferd als Frauenräuber), in manchen Ausgaben auch als Disparate Desenfrenado (Ungezügelte Torheit) bezeichnet. Im Zentrum der Darstellung steht ein sich aufbäumendes Pferd, das sich mit seinem Maul eine Frau geschnappt hat. Die starke Torsion des mächtigen Tierkörpers, die aufgerissenen Augen des Pferdes und seine in der Dunkelheit des Himmels verwehende Mähne unterstreichen das Gewaltvolle der Szene, deren Dramatik auch in den hochgeworfenen Armen der geraubten Frau, ihrem nach hinten und wie ins Leere taumelnden Kopf und ihren in der Luft strampelnden Beinen anschaulich wird. Der bestialische Frauenraub scheint sich auf einem schmalen Ufersaum neben einem Gewässer abzuspielen, an dessen Rändern zwei auf eine unheimliche Art träge wirkende Monster hausen, die aussehen, als sei es gelungen, Nilpferde mit Schakalen zu kreuzen. Ganz deutlich hat Goya die räumliche Situation nicht werden lassen. Eines der monströsen Wesen steht im Begriff, eine menschliche Figur zu verschlingen. So wie die örtliche Beschaffenheit uneindeutig bleibt, ist auch die Tageszeit nicht sicher auszumachen. Während über dem tiefen Horizont der Hintergrund weiß geblieben ist, verdunkelt er sich nach oben zunehmend bis hin zu einem tiefen Schwarz. Das von Goya verwendete und seit seiner Arbeit an den Caprichos kultivierte Flächenätzverfahren ermöglicht nuancierte Übergänge und malerische Effekte, die hier eine jähe Verfinsterung suggerieren, als sei ein Unwetter aufgezogen, dessen Spannung den ganzen Bildraum erfasst hat. Die beiden Ungeheuer tauchen in dem von Büttner nach Goya gemalten raptus nicht auf. Er konzentriert sich ganz auf die Hauptszene: das Raubpferd und seine Beute, gefasst in ein quadratisches Format und gemalt mit einer Farbpalette von Braun für das Pferd, einem etwas erdigen Grün für die Bodenzone und einem leicht faden Gelb für den Hintergrund. Von diesen etwas trüben Farben hebt sich die Frauenfigur mit ihrem weißen Gewand und ihrer rosa Haut hell ab. Aus Goyas in ihrer Wirkung auf die Abstufungen zwischen Schwarz und Weiß gegründeten Grafik ist bei Büttner ein farbiges Gemälde geworden. Paradoxerweise wirkt das Gemälde dennoch »grafisch«, die Formen sind mit Konturlinien, die eine holzschnittartige oder auch fast comichafte Attitüde haben, gefasst und spärlich gegliedert; die Malerei in den Flächen ist etwas fleckig, »fadenscheinig«, wie Büttner selbst sich ausdrücken würde.8 Damit einhergehend ist das Bild über jedes gängige Format einer Druckgrafik hinausgewachsen. Misst Goyas Druck 24,4 mal 35,3 cm, hat Büttners Gemälde die Ausmaße von immerhin 190 mal 190 cm.9 Nicht nur Medium und Format sind einer Transformation unterzogen. Wirkt das räuberische Pferd bei Goya ungeheuerlich und mit seinen geweiteten Augen und Nüstern gleichermaßen von Gier wie von Entsetzen und Angst getrieben – es hat seinen Schwanz zwischen den Hinterbacken eingeklemmt –, scheint Büttners Pferd putzmunter wie ein Karussellpferd, sein Schweif beschreibt einen Bilderbuchbogen. Pferde gehören zu den Tieren, deren Domestikation, trotz ihrer dem Menschen überlegenen Schnelligkeit und Kraft, schon in der Frühgeschichte der Menschheit stattgefunden haben muss. Als eines der ältesten Nutztiere hat das Pferd einen entscheidenden Anteil an historischen Prozessen und Entwicklungen. Zunächst eine Jagdbeute,
erlangte es gezähmt vor allem als Transportmittel für Menschen und andere Lasten in der Landwirtschaft und im Krieg Bedeutung. Aus der zentralen Rolle, die Pferde in der Geschichte der Menschheit eingenommen haben, resultiert auch, was Ulrich Raulff als ihr »metaphorische[s] Vermögen« in der symbolischen Ordnung bezeichnet hat. Das Pferd ist wie kaum ein anderes Tier ein »Bilder- und Bedeutungstier«. So ist zum Beispiel die »Verbindung von Pferd und Reiter […] eines der ältesten und stärksten Symbole der Herrschaft«.10 Der fest im Sattel sitzende und die Zügel in der Hand haltende Reiter verkörpert von Marc Aurel über Kaiser Karl V., Philipp IV. und den Sonnenkönig Ludwig XIV. bis zu Napoleon politische Kompetenz zur Macht. Diese Herrschaftssymbolik hat eine ihr notwendige Kehrseite: das wilde, das ungebändigte Pferd als Inkarnation der entfesselten Instinkte und ausbrechenden Leidenschaft, der kreatürlichen Triebnatur. Die Sinnbildlichkeit von Macht und Disziplin auf der einen und zügellosem Chaos auf der anderen Seite ließe sich vom Feld des Politischen auch in den Bereich des Psychologischen übertragen. In diesem Sinne sucht etwa ein blindwütig wirkendes Gespensterpferd das Nachtlager einer schönen Schlafenden in Johann Heinrich Füsslis schwarzromantischem Gemälde Der Nachtmahr von 1781 heim. Zu den scharfsichtigen Beobachtungen Raulffs gehört, dass nicht die »Potenz seiner Physis« das Pferd zu einem machtvollen Symbol werden lässt, sondern die Tatsache, dass es »ein einzigartig expressives Subjekt der Angst war. Das Pferd konnte Schrecken verbreiten, […] weil es, selbst vom Schrecken durchdrungen, diesen wie kein anderes Wesen zum Ausdruck brachte.« 11 Und es ist diese Expressivität als Amalgam von Aggression und Angst, die Goya als »räuberische Torheit« hat anschaulich werden lassen. Dem korrespondiert der zweideutige Gesichtsausdruck der geraubten Frau in seiner Radierung, ein Ausdruck, der verschiedentlich als Angstlust gedeutet worden ist.12 Ihre Gestik, die in das tradierte Repertoire der religiösen wie auch der erotischen Ergriffenheit gehört,13 oszilliert zwischen Entsetzen und Hingabe an das Ungeheuerliche. In der Originellen Kopie Büttners wirken diese von Goya albtraumhaft zugespitzten Spannungen zurückgenommen. In der Abbreviatur einiger Pinselstriche als Chiffren für Augen, Mund und Nase wird die Mimik des Opfers unleserlich im Hinblick auf seine Gemütsverfassung. Der Titel Originelle Kopie ist – selbstredend – eine contradictio in adiecto, spielt mit dem Paradox. Zeichnet die Kopie sich nach landläufiger Meinung ihrem Wesen nach doch gerade dadurch aus, dass sie nicht originell ist. In Opposition zum Original stehend, ist ihr Ruf wenig glänzend, was sich in moralisch und hierarchisch konnotierten Gegensatzpaaren wie tot versus lebendig, abhängig versus frei, gestohlen versus erfunden ausdrückt. Originell kann eigentlich nur das Original sein, mit dem das Wort seine Herkunft aus dem lateinischen origo, Ursprung, teilt. Das Originelle ist also das Ursprüngliche in der Kunst, das in einem einmaligen Gestaltungsvorgang dem eigenen individuellen Geist und den Händen des Künstlers oder der Künstlerin Entsprungene. Ein Bewusstsein von der Originalität künstlerischer Leistung, im modernen Sinn einer auszeichnenden Qualität, entstand in Europa im 16. Jahrhundert und mündete in den Geniekult des späten 18. und des 19. Jahrhunderts, dessen Prägekraft bis in die Moderne reicht.14 Die Klassifizierung eines Werkes als Original ist auf dem Kunstmarkt wie für Museen und das Fach Kunstgeschichte ein zentrales Bewertungskriterium, trotz der Herausforderungen, denen der Begriff durch die technisch basierten Medien Fotografie, Film, Video und die digital erzeugten Bilder ausgesetzt wurde.15 Die Geltung von Originalität als einer auszeichnenden Qualität konnte auch durch die Strategien der kritischen Imitation und Aneignung, wie sie in der sogenannten Appropriation Art seit den späten 1970er Jahren als Angriff auf den Mythos von der »Originalität der Avantgarde« 16 – als Dekonstruktion autoritärer Konzepte von Autorschaft und als Unterhöhlung der Hierarchie zwischen hoher und populärer Kultur inklusive der damit jeweils verknüpften AnerkennungsBettina Uppenkamp
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C Francisco de Goya, El caballo raptor: Das Pferd als Frauenräuber, aus dem Zyklus Disparates, um 1810 bis 1815, Radierung Aquatinta, 24,4 × 35,3 cm, Wien, Albertina D Francisco de Goya, Der Hund, aus dem Zyklus Pinturas negras, um 1820, Mischtechnik, Wandbild auf Leinwand übertragen, 131 × 79 cm, Madrid, Museo Nacional del Prado
C
D
10 Vgl. Ulrich Raulff: Das letzte Jahrhundert der Pferde, München 2015, S. 247–249. 11 Raulff (2015), S. 275. 12 Hofmann (1981), S. 184; Robert Hughes: Goya, London 2003, Bd. I, S. 63. 13 Zur Sprache der Gesten bei Goya vgl. Martin Warnke, »Goyas Gesten«, in: Werner Hofmann, Edith Helmann, Martin Warnke: Goya, Frankfurt am Main 1987, S. 115–177. Warnke zeigt am Beispiel von Goyas Gemälde Die Erschießung der Aufständischen am 5. Mai 1808, dass diese Geste von Goya auch zu einer Geste der Rebellion umgedeutet werden konnte. 14 Vgl. Wolfgang Augustyn und Ulrich Söding, »Original – Kopie – Zitat. Versuch einer begrifflichen Annäherung«, in: Original – Kopie – Zitat. Kunstwerke des Mittelalters und der Frühen Neuzeit: Wege der Aneignung – Formen der Überlieferung, hg. von Wolfgang Augustyn und Ulrich Söding, Passau 2010, S. 1–3. 15 Darauf hat früh und im Hinblick auf das Nachdenken über das Original nachhaltig Walter Benjamin in seinem Aufsatz über »Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit.« hingewiesen. Walter Benjamin: »Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit« (erste deutsche Fassung, 1935), in: Walter Benjamin: Gesammelte Schriften, Bd. I, Werkausgabe Bd. 2, hg. von Rolf Tiedemann und Hermann Schweppenhäuser, Frankfurt am Main 1980. 16 Rosalind Krauss: Die Originalität der Avantgarde und andere Mythen der Moderne, hg. von Herta Wolf, Amsterdam/Dresden 2000. 17 »[…] l’animo si diletta d’ogni copia e varietà« lautet die Formulierung im italienischen Original. Leon Battista Alberti, »Della pittura«, in: Opere volgare, hg. von Cecil Grayson, Bari 1973, S. 68. 18 Zur »treuen Kopie« vgl. Nichts Neues schaffen. Perspektiven auf die treue Kopie 1300–1900, hg. von Antonia Putzger, Marion Heiterberg und Susanne Müller-Bechtel, Berlin/Boston 2018. 19 Asger Jorn, »Zweckentfremdete Malerei« (1959), in: Asger Jorn: Heringe in Acryl. Heftige Gedanken zu Kunst und Gesellschaft, Hamburg 1987, S. 48–49.
… die Werke anderer …
und Marktmechanismen – erfolgte, nicht aus der Welt geschafft werden. Dies gilt auch für das eher schlechte Image der Kopie. Der Begriff Kopie leitet sich aus dem Lateinischen copia ab, was so viel heißt wie Fülle und Reichtum. In diesem Sinne verwendet ihn Leon Battista Alberti in seinem Malereitraktat von 1435, wenn er meint, dass die Seele sich an der Fülle und Vielfalt erfreue.17 Die heutige Vorstellung von Kopie als dem Original nachgeordnete Reproduktion eines Artefakts leitet sich nicht aus dieser Sinndimension ab, sondern aus der Rechtspraxis des Mittelalters, wo juristisch verbindliche Abschriften von Schriftstücken als Kopien bezeichnet wurden. Was im Bereich der Kunst unter den Begriff fallen kann, umfasst jedoch eine Fülle von Möglichkeiten. Die treue Kopie eines Werkes zu seiner Vervielfältigung für den Markt, sei es mit der Absicht des Fälschens verbunden oder auch nicht, ist nur ein Sonderfall.18 Systematiker unterscheiden zwischen exakten und freien Kopien. Das Kopieren nach Musterbüchern oder nach als vorbildlich anerkannten oder individuell bewunderten Werken zur Aneignung von technischen Fertigkeiten und Bildideen war bis weit in das 19. Jahrhundert hinein in Ausbildungssituationen eine Selbstverständlichkeit. Und wenn Asger Jorn formuliert, dass »die Lieblingsnahrung der Malerei die Malerei ist«,19 spricht er aus, dass die imitierende Aneignung fremder Bildlichkeiten und Manieren zu den grundlegenden Verfahren künstlerischer Produktivität gehört, allerdings auch verdaut werden sollte. Die imitierende und anverwandelnde Auseinandersetzung mit fremden Werken ist nicht nur Baustein eines lebendigen kulturellen Bildgedächtnisses über Epochen hinweg, sie kann eine Form des Verstehens, der Kritik, der Parodie, des Wettstreits und des Dialogs sein und damit nicht nur Wiederholung des schon Gewesenen. Gerade in der Inszenierung der Differenz zwischen Vorbild und »Nachbild« kann, wenn aus Ähnlichkeit Trennschärfe wird, etwas Neues, Originelles entstehen. Dass Büttners Originelle Kopie nach Goya keine exakte, keine treue Kopie ist, ist eine triviale Feststellung. Er verkehrt etwa, werden die Größenverhältnisse und das Medium mit in Betracht gezogen, sogar mit einer gewissen Übertreibung, das traditionelle Verhältnis zwischen
Malerei und Grafik als Mittel zur Reproduktion von Gemälden. Wichtiger ist aber vielleicht ein anderer Punkt: die Abstinenz im Hinblick auf das Pathos und die Intensität psychologischer Komplexität, wofür Goya in der Regel bis heute zu Recht bewundert wird. Mit dieser Überlegung soll nicht unterstellt werden, dass Büttner für diese Qualität Goyas unempfindlich wäre. Im Gegenteil, wer sich unter seinen Bildern umschaut, meint immer wieder die mehr oder weniger deutlichen Spuren einer tiefen Auseinandersetzung mit Goya zu sehen. Dies gilt etwa für das vom Krankenbett aus grüßende Selbstbildnis (Vom Krankenbett aus grüße ich alle ehrlichen Menschen (1988, Abb. S. 30)) oder für einige der geplagten Parallelkreaturen – etwa das Bärenwesen in Arktis Negativ (2019, Abb. S. 135) –, deren hoffungsvolle Hilflosigkeit an den kleinen einsamen Hund erinnert, dessen Bild Goyas Zyklus der Pinturas negras abschließt (Der Hund, um 1820, Abb. D) und von dem niemand weiß oder je wissen wird, ob er einem Ziel zustrebt oder tapfer strebend im Treibsand untergehen wird. Auch die überaus sorgfältige, lakonische Diktion, in der Büttner seine Bildtitel verfasst, lässt immer wieder an die ebenso genauen wie zugleich doppelbödigen Texte denken, die Goya seinen Grafiken beigegeben hat. Fast wie ein Motto könnte auch über dieser Ausstellung stehen, was Goya am 6. Februar 1799 in seinem Ankündigungstext für die Caprichos im Diario de Madrid veröffentlicht hat: »Weil der Autor überzeugt ist, dass die Kritik menschlicher Irrtümer und Laster […] auch Gegenstand der Malerei sein kann, hat er als angemessene Themen für seine Arbeit aus der Vielzahl der Extravaganzen und Torheiten […] jene ausgewählt, die er für besonders geeignet hielt […].« 20 Deutlich werden auch in den Schrecken der Demokratie Goyas Schrecken des Krieges aufgerufen.21 Aber natürlich weiß Werner Büttner, dass die Schrecken der Demokratie nicht dieselben sind, und auch nicht so schrecklich, wie die unvorstellbaren Grausamkeiten und das Leid, die Goya in seinen Desastres della Guerra ebenso eindringlich wie auch mit einer gewissen Kälte und Unerschrockenheit schildert. Ganz anders als etwa die Brüder Jake und Dinos Chapman, die gerade die quälendsten Bilder aus Goyas Kriegszyklus in lebensgroße Skulpturen übersetzt und seine Grafikzyklen, sowohl die Desastres als auch die Caprichos, »reworked and improved« haben,22 um sie mit ihrer Bildsprache zu aktualisieren und durch Obszönität zu verstärken, hat sich Büttner mit seiner Originellen Kopie zwar Goyas Motiv angeeignet, es aber gerade nicht ausgeraubt in dem Versuch, Goya zu verbessern oder gar zu verstärken. In seinem Frauenraub nach Goya wird in der Ähnlichkeit zum Original vielmehr eine subtile Distanz artikuliert, die im Vergleich von Original und Kopie ein Licht auf die Intensität bei Goya fallen lässt – vielleicht ein wenig ironisch, eine Distanz, die Raum gibt … zum Nachdenken zum Beispiel. »Goyas großes Verdienst«, so hat Charles Baudelaire gemeint, »liegt darin, das Monströse glaubhaft zu machen. […] Keiner hat sich mehr als er in Richtung des möglichen Absurden gewagt.« 23 Ein Karussellpferd, das sich eine Frau schnappt, ist absurd und monströs. Hier liegt meines Erachtens die Wahlverwandtschaft Büttners und der Grund seiner herzlichen Verehrung für Goya begründet, denn: Der Weg der Weisheit ist schlecht beleuchtet.24
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20 Zit. nach Werner Hofmann, »Goyas negative Morphologie«, in: Hofmann, Helmann, Warnke (1987), S. 17. 21 Werner Büttner: Schrecken der Demokratie, Köln 1983. 22 Vgl. z. B. Remastered. Die Kunst der Aneignung/The Art of Appropriation, Ausst.Kat. Kunsthalle Krems, hg. von Florian Steininger und Verena Camper, Köln 2017, S. 36–41. 23 Charles Baudelaire: »Quelques caricaturistes étrangers« (1868), in: Œuvres complètes de Charles Baudelaire, Bd. II, Paris 1923–1966, S. 430. 24 Siehe dazu: Werner Büttner, Schlecht beleuchteter Weg zur Weisheit (2011), Abb. S. 138.
Schmutzige Witze: Über den Humor von Werner Büttner »Mit der Wiederkehr des Drecks kommt die Erlösung« 1
1 Lewis Hyde: Trickster makes this world: mischief, myth and art, New York 1998, S. 184. 2 Milan Kundera: Das Buch vom Lachen und Vergessen, übersetzt von Susanna Roth, Frankfurt am Main 2014, S. 90.
Kate Brown
In dem 1980 erschienenen experimentellen Roman Das Buch vom Lachen und Vergessen des tschechischen Schriftstellers Milan Kundera gibt es eine Szene während eines Gastmahls, die mir in Erinnerung geblieben ist. Der Teufel und ein Engel sitzen am Tisch und lachen: Der Teufel lacht als erster – darüber, dass die Welt in Unordnung ist –, und der Engel, der nichts zu entgegnen weiß und sich außerdem bewusst ist, dass das Lachen des Teufels gegen Gott gerichtet ist, beginnt ebenfalls zu lachen – darüber, dass die Welt so schön und sinnerfüllt ist. Die beiden geben das gleiche Geräusch von sich, aber der Teufel findet das Lachen des Engels lächerlich, da es nur eine schlechte Imitation ist. Der Teufel lacht also noch lauter. »Wer den Teufel als Vertreter Des Bösen und den Engel als Kämpfer für Das Gute betrachtet, übernimmt die Demagogie der Engel«, schreibt Kundera. »Die Sache ist selbstverständlich komplizierter.« 2 Die Sache ist selbstverständlich komplizierter. An diese Passage musste ich denken, als ich das erste Mal vor Werner Büttners Bildern stand. Der deutsche Maler scheint eine heftige Abneigung gegen allzu starke Vereinfachung zu hegen, ganz zu schweigen von den Regeln, die vorgeben, was ein gutes Gemälde ausmacht. In seinen Bildern ist beides stets fein austariert enthalten. Mit dynamischen Pinselstrichen, die ebenso präzise wie draufgängerisch und dabei so nonchalant und treffend sind wie die Pointen eines gutes Witzes, nimmt Büttner die Höhen und Tiefen der Welt in den Schwitzkasten, als handele es sich um eine Prügelei unter Rauflustigen. Es ist ein prägnanter Malduktus, der im Laufe der jahrzehntelangen künstlerischen Praxis Büttners, das heißt von den 1970er Jahren bis heute, noch anspruchsvoller geworden ist. Büttner vollzieht seine malerischen Entscheidungen mit einer an Hemingway erinnernden Prägnanz – es findet eine starke Verknappung statt und es wird sich nicht im Schönen ergangen, auch wenn dionysische Genüsse durchaus Thema sind. Die Sujets dieser hintersinnigen Lehrstücke heben sich von einem ruhigeren Umfeld ab, Buntglasfenstern nicht unähnlich, aber mit einer Palette von gedämpften Farben: ländlich anmutende Farbtöne, Blau ohne Weiß-
anteile und beunruhigendes Grün. Der Künstler hat seine Methode zu einer einzigartigen Bildsprache verfeinert, bei der die Sujets seiner fast schon ikonoklastischen Gemälde ikonischen Charakter entwickeln. Ein 2019 entstandenes Gemälde zeigt beispielsweise einen Papagei, der an einen kleinen Pflock im Boden gekettet ist (2019, Abb. S. 152/153). Es ist ein eindrückliches Bild, das vielleicht sogar erschüttern würde, wenn es nicht durch seine reine Symbolik (es gibt kein Narrativ, welches das Bild trübt) etwas Mythisches bekommen würde, und es wäre vielleicht weniger komisch, würde das Spruchband mit den roten Lettern darüber nicht unmissverständlich verkünden: ENTERTAINMENT (Unterhaltung). Doch sollte ich lieber am Anfang beginnen und über ein Bild sprechen, das 2003 entstanden ist. Auf dem ungewöhnlichen Selbstporträt stellt sich der Künstler als Baby dar, das recht hilflos in einer dreckigen Spüle sitzt; in einer Art zeitgenössischem Chiaroscuro hebt sich der kleine Cherub in der grünen Seifenlauge deutlich von dem dunklen Hintergrund ab. In Quel début! (2003, Abb. S. 31) (eine weitere Kontinuität bei Büttner ist, dass die Titel Zeichen setzen und wie bei René Magritte untrennbarer Bestandteil der Werke sind) blickt das Baby den Betrachtenden perplex an: Es ist der Welt hilflos ausgeliefert, der Mama und all diesen Umständen, in denen es sich wiederfindet, und vor allem diesem schmutzigen Spülwasser. Vermutlich spielt sich die in Quel début! dargestellte Szene in einer Spüle in Jena ab, der Stadt in Thüringen in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, in der Büttner aufgewachsen ist. Andere Bilder mit biografischem Hintergrund wie die neuere Arbeit Von Geworfenheit und Verstrickung (2017, Abb. S. 46/47) werden noch deutlicher: Der kleine Büttner sitzt hier auf einem Pony und reitet aus seiner Geburtsstadt heraus (auch in diesem Fall schaut der Junge etwas perplex). Der Künstler hat einmal selbst gesagt, dass seine Mutter ihn, A
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A Selbstbildnis im Kino onanierend, 1981, Öl auf Leinwand, 150 × 115 cm
3 »It all began with a one-night stand: An interview with Werner Büttner by Hans Ulrich Obrist.«, in: Plenty of Room for All Sorts of Happiness. Marlborough Gallery, New York 2018; https://issuu.com/marlboroughfineart/ docs/buettner_london_buch_final_middle, [zuletzt April 2021]. 4 Vgl. Sigmund Freud: Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten, 2. Auflage, Frankfurt am Main 2010. 5 Anthony Burgess: A Clockwork Orange, Erstausgabe, London 1962. 6 Werner Büttner: Schrecken der Demokratie, Köln 1983.
Schmutzige Witze
als er sieben Jahre alt war, entführt habe.3 Er sei in den Westen gebracht worden, um dort wieder mit dem Vater vereint zu werden, der bereits geflüchtet war und die Familie zurückgelassen hatte. Ist das lustig? Sicher, Büttner scherzt, doch sein Witz lotet Tiefen jenseits des bloß Absurden aus. Vielmehr wendet er eine Methode der Entlarvung an, also der Offenlegung jenes komisch wirkenden Moments, in dem etwas oder jemand bloßgestellt wird.4 Einem guten Komiker gelingt dies, indem er sich über andere lustig macht und sie bloßstellt. Wohingegen ein besserer Komiker dieselbe Wirkung eher dadurch erreicht, dass er sich selbst entblößt – und dabei zeigt, dass man selbst sich kaum von ihm unterscheidet. Bei Quel début! erzeugt Büttner dieses entlarvende Moment, indem er sich einem unspektakulären Sujet widmet; so gelingt es ihm, uns sein Leben zu offenbaren und uns gleichzeitig dazu anzuregen, über unser eigenes Leben nachzudenken. Ampel in Jena (Abb. S. 44) ist eine 1988, also wesentlich früher entstandene Arbeit, die ebenfalls in seiner alten Heimat verortet ist – hier wird ein fahler Himmel von Stromleitungen durchschnitten, an denen eine Ampel hängt, die zugleich Rot und Grün anzeigt. Diese herrlich banale Szene bringt den Betrachtenden dazu, sich zu fragen: Was denn nun? 5 Die dargestellte paradoxe Situation, die den Fahrer zum Innehalten zwingt, kann einen zum Lachen bringen, ähnlich wie das Baby im Spülwasser und das Kind, das sich in den Westen davonmacht. Die Arbeiten sind gleichermaßen moralisch wie tragikomisch – sie konfrontieren uns mit dem Umstand, dass auch wir in dieser Welt nur wenig Kontrolle über unser Schicksal haben. Dieses Ziel hat Büttner einige Jahrzehnte zuvor, nämlich 1983, in Schrecken der Demokratie mit etwas anderen Worten formuliert: »Und so kann man zufrieden sein, wenn von seinen Bildern wie eine jauchzende Offenbarung der Satz emporsteigt: Ich bin ein Arschloch, aber ihr seid auch Arschlöcher.« 6 Dieser Gedanke wird durch kein anderes Bild sinnfälliger veranschaulicht als in dem zum Schreien komischen Selbstbildnis im Kino onanierend (1981, Abb. A) (der Titel sagt alles), das Büttner in Hamburg in der Blüte seines Lebens mit etwa 27 Jahren gemalt hat. Hier gelingt ihm die Bloßstellung im doppelten Sinn. Wir sehen den Künstler, wie er sich und seine Würde willentlich preisgibt. Aber da ist auch der Betrachtende, der auf hintersinnige Weise zum Hinschauen verleitet wird und den Blick gar nicht mehr von dem vulgären Sujet abzuwenden vermag, bis ihm allmählich dämmert, was hier eigentlich vor sich geht. Eine derartig gewiefte Selbstherabsetzung ist ein wahrer Triumph. Büttner, durch Ostdeutschland geprägt, aber niemals wirklich Teil davon, kam als junger »Schmierer« – als der er sich mir gegenüber einmal beschrieb – in den Westen und traf dort in einer schicksalhaften Begegnung mit Albert Oehlen, Martin Kippenberger, Günther Förg und Georg Herold zusammen. Diese Gruppe, die sogenannten Jungen Wilden, erschlossen eine neue und ehrfurchtslose Form des Kunstmachens. Schwerpunkte ihrer Herangehensweise waren Provokation und die Ablehnung jeglicher künstlerischen Regeln, wie sie die Generationen vor ihnen angewandt hatten. Ihre Haltung war enthusiastisch und respektlos. Sie sangen bei Vernissagen. Sie versuchten, sich gegenseitig mit künstlerischen Heldentaten zu übertrumpfen. Man denke nur an die Samenbank für DDR-Flüchtlinge, die Büttner 1980 gemeinsam mit Albert Oehlen und Georg Herold gründete. Während es auf den ersten Blick wie ein schmuddeliger Witz wirkt (was genau ist hier eigentlich gefordert!?), birgt das absurde Angebot aber auch Untertöne eines schicksalsschweren Kummers. Wenn man jedoch von den Kapriolen der Jungen Wilden absieht und die einzelnen Werke betrachtet, die in dieser Phase entstanden sind, zeichnet sich Büttners künstlerische Praxis durch bestimmte Interessen aus: Fabel, Schicksal, Philosophie, aber auch Mythologie und religiöse Inhalte beeinflussen die sich entspinnende schwarze Komödie, dieses gemalte Theater. Die religiöse Malerei hat schon früh eine wesentliche Rolle bei Büttners Erkundungen der
Realität gespielt. A und E (1985, Abb. S. 44), ein kleines Gemälde von 1985, ist eine ungewöhnliche Darstellung von Adam und Eva – zwei grob ausgeführte, wie aus Lehm geformte Figuren treten nicht etwa vor einem bukolischen Garten in Erscheinung, sondern aus einer grauen Materie hervor. Religiöse Motive wie dieses tauchen im Laufe der Jahrzehnte immer wieder auf. Ein neueres, 2017 entstandenes Bild zeigt eine vollbusige Maria Magdalena, die ihren Kopf, über den ein Pappkarton gestülpt ist, beschämt gesenkt hält. Er erspart ihr die abgedroschene Bestrafung, immer wieder aufs Neue abgebildet zu werden – aber nicht ganz. In Christus versucht Besuch (2019, Abb. S. 209) schwebt ein leuchtender Jesus vor einem modernen Haus. Die Fenster sind geschlossen. Der Witz dieser Bilder besteht in der Demontage der vermeintlichen Unfehlbarkeit des religiösen Experiments – ein zeitloses Vergnügen. Außerdem korrespondieren die Bilder mit der Kunstgeschichte der vergangenen Jahrhunderte – über die letzten hundert Jahre der Kunst der Moderne hinaus. Mit diesen frühen Arbeiten wie Kain und Abel oder A und E kehrt Büttner immer wieder zu den westlichen Kanons zurück, allerdings nur, um ihnen den Nimbus zu nehmen. Der Kunstkritiker Lewis Hyde erörtert die Mythologie des metaphorischen Drecks in seinem Buch über den Archetypus des »Tricksters«, der sich in ebendiesem Dreck wälzt – Trickster schleppen Dreck ein, »Materie, die fehl am Platze ist«.7 Es hat eine destabilisierende Wirkung, diese äußere Welt – welche die Gegebenheiten unterhöhlt und verkompliziert – ins Innere zu bringen. »Kunst um der Kunst willen hat mich nie interessiert«, hat Büttner einmal zu mir gesagt. »Kunst muss etwas mit der Realität zu tun haben, mit dem, was auf diesem Planeten passiert. Tut sie das nicht, ist sie langweilig.« 8 Wo findet man mehr Dreck als in der Realität? Dreck, so schreibt Hyde, ist »immer ein Nebenprodukt des Herstellens einer Ordnung. Wo Dreck ist, gibt es immer irgendein System, das durch Regeln, die den Dreck betreffen, erhalten werden soll.« 9 Täuschungen verändern die Kulturgeschichte, und die Kulturgeschichte der Täuschung entstammt jenem Moment, in dem »das Karnevaleske – mit allen seinen derben Umkehrungen – den Marktplatz verließ und in der Kunst Einzug hielt«.10 Grenzüberschreitung durch das Über-denHaufen-Werfen von Hierarchien und das Aufzeigen von Tabus hat die gesellschaftliche Ordnung destabilisiert. Dies alles fand selbstverständlich auf dem Marktplatz und vor dem Kirchentor statt. Ich sehe in Büttners Humor eine gesellschaftspolitische Tätigkeit inmitten dieses teuflischen Chaos: im Dreck herumstöbern und schauen, was dabei herauskommt. Der folgende Satz Hydes könnte auf den rhetorischen Gehalt von Büttners Bildern gemünzt sein: »Der ungezwungene Umgang mit Dreck ermöglicht es dem Trickster, dort zu wirken, wo die anspruchsvollen hohen Götter es nicht können; so finden Fruchtbarkeit und Fülle des Himmels Eingang in diese Welt.« 11 Welche Bedeutung hat dieses Herumwühlen im alltäglichen Dreck für Künstler*innen beim Erschaffen ihrer Werke? Es gehört zu ihren grundlegenden Aufgaben, und manche können es besser als andere. Büttners Auswahl von Bildinhalten hat etwas Zufälliges; für Vorstudien greift er häufig zur Collage – vielleicht aus dem Bedürfnis heraus, sich selbst zu überraschen. Das entbehrt bei einem Künstler, der auf diese sardonische Weise das Schicksal, die Geworfenheit, eine dem Mensch unterworfene Natur und teilnahmslose Sterne malt, nicht einer gewissen Ironie. Doch es beinhaltet auch den Glauben – oder vielleicht eine Hoffnung – dass etwas Überirdisches und Erlösendes in diesem Leben passieren könnte, und dass somit auch in der Malerei immer wieder Neues möglich ist.
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7 Hyde 1998, S. 176. 8 Werner Büttner, »The Disturbing Paintings of Werner Büttner, Forgotten Bad Boy of German Art, Are Starting to Look Alarmingly Good. The Market Has Noticed«, Interview von Kate Brown, 9. Juni, 2020, Audiodatei 1:10, https://news.artnet.com/ art-world/werner-buttner-1761153 [zuletzt April 2021]. 9 Hyde 1998, S. 176. 10 Ebd., S. 187. 11 Ebd., S. 190.
Desastres de la Democracia – Kleines Missverständnis, häufig …, 1999, 29,6 × 21 cm, Mischtechnik auf Papier
Im Atelier, 1985, 50 × 40 cm, Kiefer, Ahorn, Kabel, Ölfarbe
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In meinen Gedanken rauchten wir zusammen
Larissa Kikol
Wie gerne hätte ich diesen Moment mit ihm gehabt. Das stille Verstehen beim genussvollen Einatmen, die orale Belohnung mit tröstendem Nikotin, das coole Ausatmen, das verbindet. Ich bin einige Wochen zu früh Nichtraucherin geworden. Der Moment der gemeinsamen Rhetorik, der gelassenen Stimulation des Rauchens, es wäre zu schön gewesen. Zigaretten sind Hilfsmittel für die Kunst, für die Literatur, die Musik, den Film. Die treuesten Geburtshelfer für große Werke. Ohne Zigaretten und Alkohol wäre die Kunstgeschichte fast leer geblieben. Werner Büttners Atelier befindet sich in einem ehemaligen Theatersaal. »Hier hat nur linkes Theater stattgefunden«, sagte er beim Auspusten des Zigarillorauchs. Eigentlich sollte mein Essay die Sektionen »Loser« und »Unvernunft« behandeln. Die entsprechenden Gemälde seien aber schon verpackt, er wisse jetzt auch nicht, wo. »Schreiben Sie doch einfach über das, was Sie wollen.« – »Wie soll der Katalog denn werden? Mehr wissenschaftliche Texte oder Freieres?« – »Machen Sie, wie Sie wollen. Darauf habe ich keinen Einfluss, genauso wenig wie auf meine Nachfolge.« Werner Büttner verabschiedet sich als Professor. Er zeigt mir das Gemälde dazu: Büttner geht von Bord (2020, Abb. S. 50/51). Darauf die Stockwerke, die Hallen der Institution, die Aulavorhalle, blutrote Wände, fast wie Zahnbluten, goldartige Architektur und Rosa. Eine schwarze Figur geht langsam die Treppe hinunter. Sie hat einen Bauchansatz, der Rücken ist schon etwas krumm, aber sie blickt gerade ins Vor-Sich, fast friedlich schreitet der Intendant aus seinem Theaterhaus. Über seine Nachfolge wird diskutiert, was macht man, wenn so viel charakterliche Auffälligkeit das Ensemble verlässt? Die Hochschule muss an die Zukunft denken, die Zeiten ändern sich. Frau oder Mann? Migrationshintergrund oder eine Ausländerin ohne westliche Prägung? Werner Büttner ist das egal, Hauptsache, es ginge um richtige Malerei. »Keine Designbilder«, sondern sinnliche, dreckige, echte Malerei. Das wünsche er sich. Seine Nachfolger*in solle sich die Hände schmutzig machen. Wir gehen hoch in den Bühnenraum. Rechts und links lassen sich Gitterwände herausziehen, an denen Gemälde aus seinen früheren Kneipenzeiten hängen. Die Farbe ist dicker, eine matschige Malerei, die
die Farbmasse in Bewegung hält. »Warum eigentlich nie ganz abstrakt?«, frage ich ihn. Es wäre ihm langweilig. »Da kann man doch nichts machen, da gibt es keinen Humor.« Von der Bühne schaue ich hinunter in den Zuschauersaal, wo viele seiner aktuellen Bilder stehen. Meistens tauchen der Gegenstand oder das Tier in der Mitte der Leinwand auf. Ein Hirsch fällt im grellen Mondlicht vom Himmel, eine Currywurst steht in einem gelb erleuchteten Raum, Bienen fliegen in Flecken, ein fleischiger Pitbull bewacht hässlich ein Bier. »Sind Sie politisch? Oder waren Sie in den 1980ern politisch?« – »Frau Kikol, ich bin eigentlich ein Höhlenmaler.« Wir setzen uns vorne auf die Bühne, die dichte Materie der 1980er im Rücken, die neuen Tiere vor uns. »Die abstrakten Maler, die wünschen sich doch alle, auch mal endlich wieder eine Titte oder eine Primel zu malen.« – »Das braucht man wohl manchmal«, antworte ich und meine es auch so, »oder Pimmel und Tulpen.« Der Gegenstand wird weder romantisiert noch politisiert. Er wird nicht dekonstruiert, nicht überwunden, nicht philosophisch konzeptualisiert, nicht erweitert. Das waren alles Strategien des 20. Jahrhunderts. Bei Werner Büttner kann der Hirsch gleich hirntot sein, die Titte den Totenkopf besuchen, kann sich der Hund selbst am Hintern riechen. Kunstreligion und Kunstpolitik finden hier nicht statt. Seine Narration ist keine Geste von Macht über die Welt. Er impliziert keine Deutung, die Hoheit sucht. Ein alter weißer Mann könnte Werner Büttner nie werden, dafür ist er zu eigensinnig, dafür langweilt er sich zu schnell. Konventionen liegen ihm nicht. Das Geweih des Hirsches wird feierlich aufplatzen – der Nachthimmel glitzert entzückt. Ich spreche ihn auf die Farbräume an, die großen Hintergrundflächen: »Da blitzen überall Lücken und darunterliegende Flecken durch.« – »Das nenne ich fadenscheinige Malerei.« – »In einem Interview in Kunstforum International 1 sagten Sie, dass Sie nie lange an einem Bild malen würden, das wäre Ihnen nicht männlich genug.« Werner Büttner schaut mich an. Die Karten bleiben auf der Hand. »Das hatte ich mir extra dick unterstrichen«, streng ziehe ich mit Nachdruck die Augenbrauen hoch. Er versteht und lacht. Ich schaue mir die fadenscheinige Malerei näher an. Die Gesten sind bauschiger und kürzer als früher, leichter. Geflockte Flächen übermalen sich, nicht deckend, sondern als wattiges Gewebe. Viel mehr Farben spielen mit, die Palette wirkt merkwürdig, oft unpassend, oder sie ist dreckig passend gemacht. Auf jeden Fall kein Design. Das Gelb ist unangenehm. Alles bleibt Malerei, auch die Werktitel, die Wortspiele und die Ironie können die Malerei nicht aushebeln, nicht übertrumpfen. Flecken, überall. Manchmal kommen zeichnerische, expressivere Pinsellinien hinzu. Einige Partien sind gänzlich abstrakt. In anderen schlängelt sich eine Konturlinie launisch dazwischen. »Und diese vereinzelten weißen Spritzer?« – »Das ist mein Schutz gegen Fälschungen!« Kurze Pause, er reicht mir Cola. Im Nebenraum hält Martin Köttering ein Nickerchen, die Zeitung liegt auf seinem Bauch. Köttering ist Präsident der Hochschule für bildende Künste Hamburg und Fußballfreund von Büttner. Heute hat er Buttercremetorte mitgebracht, für jeden drei Stücke. Neun Stücke insgesamt. »Das geht alles auf die Plauze«, beschwert Büttner sich. Trotzdem löffeln wir die Torte und reden über Feinde. »Zu Beginn jeder Kunst steht doch ein Feindbild«, sagt Werner Büttner. »Wir hatten damals ja viel, um dagegen zu rebellieren. Eine gewalttätige Elterngeneration, die Nazis in der Gesellschaft, die rechten Winkel in der Kunst. Wogegen sollen die Studenten heute ankämpfen?« Ich überlege, wogegen Werner Büttner heute ankämpft. Gegen saubere Designkunst? Gegen Botschaften, die für massentauglich und relevant befunden wurden? Gegen Künstler*innenpersönlichkeiten, die sich ständig absichern wollen? Wir sprechen über Banden. Über damalige Banden, denn heute sei Werner Büttner ein vergleichsloser Einzelgänger, erklärt Martin Köttering. »Warum hat das alles so geklappt?«, frage ich. »Man muss schamlos sein, als Künstlerin und Künstler muss man schamlos Larissa Kikol
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sein.« Ich trinke Cola, Büttner raucht, ich trinke noch mehr Cola. Scham ist in der Tat ein aktuelles Thema des 21. Jahrhunderts. Es ist zurückgekehrt. Die Angst vor Scham, vor sozialem Schmerz, vor dem Ausgeschlossenwerden, davor (gesellschaftliche und künstlerische) Fehler zu machen. Wer zu viel Scham empfindet, verfügt über wenig Resilienz. Die Gesellschaft setzt heute wieder hohe Schamgrenzen voraus, die sich auch an Künstler*innen richten. Zurück im Theatersaal findet Büttner noch ein paar Bilder von Losern. Kleinformate von Ausgebrannter Hengst (2018, Abb. S. 228) und Vom Leben Defavorisiertes (2017, Abb. S. 226) Letztere ist eine rabenähnliche Figur, die aufrecht geht. Da der Name nicht auf »-er«, sondern auf »-es« endet, ist von einem »Es« auszugehen. Einem Tier. Einem Viech. Einem Wesen. Der ausgebrannte Hengst hat einen Bauch, der sich fast nach innen wölbt. Zu schlank für einen Hengst. Der Kopf hängt, der Penis hängt. Bestraft steht er in der Ecke und schaut gegen die Wand. Woanders taucht ein kahles, nicht gerade optisch bevorteiltes Kind auf einer Straße auf, hinter ihm ein Stillleben aus Steinspuren: Nach der Straßenschlacht (2014, Abb. S. 232). Die Gemälde handeln von Sachen und Sachbeschädigungen. Zwar sind Tiere volkstümlich keine Sachen, aber für sie gelten dieselben Umgangsregeln. Das macht aus ihnen großzügigerweise doch Sachen, so wie aus den anderen Gegenständen, Kindern und Figuren auch. Jesus hängt wie ein wabbeliger Embryo in der Farbe. Ist das wirklich göttlich? Auch Kinder und Hunde sind Loser. Ein Kind wird später alkoholkrank. Loser. Büttners Malerei hilft. Sie beruhigt. Eigentlich ist alles in Ordnung. Es sind Freunde.
1 Vgl. Werner Büttner, »Nur wer sich fremd fühlt in der Welt, kann produktiv staunen.«, ein Gespräch mit Oliver Zybok, in: Kunstforum International 213 (2012), S. 174–183. 2 Vgl. Robert Fleck: Die Ablösung vom 20. Jahrhundert. Malerei der Gegenwart, Wien 2013.
In meinen Gedanken …
Er lässt mich dann alleine im Atelier, damit ich in Ruhe gucken könne. Aus dem Wohnzimmer höre ich, wie er und Martin Köttering sich über die neuesten Fußballgerüchte aufregen. Währenddessen fasse ich die Bilder an, immer mit dem Finger darauf. Werner Büttners Geschichte ist weitestgehend deckend geschrieben. In den 1980ern malte er mit abdeckenden Farben. Dickes Weiß, Schwarz, Brauntöne. Die Farben waren matschig, cremig, haptisch greifbar. In der Gegenwart ist das anders. Das Gewebe trägt sich ab. Fadenscheinig heißt dünn, faul und fragwürdig. Überall sind da diese Risse, die sich aus der Nähe als Lücken herausstellen. Faulenzerische Übermalung. Farbschichten existieren zwar, aber auch diese sind leichter, gröber, hingepinselt. Robert Fleck schrieb in Die Ablösung vom 20. Jahrhundert. Malerei der Gegenwart 2 über ein Erkennungsmerkmal des 21. Jahrhunderts: das »Floaten«. Der aktuelle Georg Baselitz, Peter Doig und Cecily Brown seien Beispiele für das nasse, fließende Malen und die schwimmenden Kompositionen, die die Materialschwere der vorherigen Jahrzehnte abwerfen. Klar ist, dass Werner Büttner nicht floatet. Aber eine Schwere hat auch er abgelegt. Die Formen sind klarer geworden, grob, aber deutlicher. Im Kontrast dazu steht die Struktur, das lässig Durchgepinselte, das Gewetzte, der mitteldicke Strich, der sich nicht korrigiert, der nicht versucht zu illusionieren und der sich keine Mühe gibt. Das braucht er nicht, denn er kommt überall damit durch. Die Leinwand runterpinseln, von oben bis unten, locker, zügig, von der freien Fläche bis zur Sache. Alibiflächen, ebenso viel Farbe, damit eine Fläche entsteht, aber oft auch nicht mehr. Der Fläche wird nichts geschenkt. Der Sache übrigens auch nicht. Mit seinem Strich hebt sich Büttner von den Floater*innen ab, sowie von den Hyperrealist*innen, von den neuen Comic-Surrealisten*innen, von fast allen seiner zeitgenössischen Kolleg*innen, die es schafften, dass ihre Malerei im 21. Jahrhundert nicht oldschool erscheint. Büttner gehört zu ihnen, aber mit einem anderen Ansatz. Eben dem Fadenscheinigen, das noch einmal mehr unterstreicht, dass die Gesten sich keine Mühe geben müssen, das heißt, dass der Strich sich nicht anstrengt. Angestrengte Striche sind deswegen angestrengt, weil sie ihre Grenzen kennen. Man sieht es immer
sofort. Zwar sind die Striche von Baselitz, Doig und Brown ebenfalls nicht angestrengt, doch ist dieser Charakterzug bei Büttner Strategie. Sein malerisch-flapsiger Strich hat keine Grenzen. Auch seine Hand stößt an keine. Alles ist möglich – in einem durch. Und dabei bleibt jede Bildpartie unseriös und faulenzerisch. Im Wohnzimmer werden Immobilienanzeigen studiert. Ein altes Hotel, fast gegenüber, steht zum Verkauf. Werner Büttner wohnt bereits in einem. Als einziger Gast. Ein zweites fände er angebracht. Oder wolle Martin Köttering vielleicht kaufen? Nein, momentan nicht. Auch ich möchte gerade kein Hotel. Bleibt also nur Büttner. Wir essen weiter Kuchen und raten über den Zweck von Höhlenmalereien. Eigentumsmarkierungen, Unterhaltungsprogramm, Wissensvermittlung, Riten, Kunst oder Spiritualität. Wir wissen es nicht. Oder sprechen wir eigentlich über seine Malerei? Dann gluckst ein Meerschweinchen. Es war Werner Büttner. Darauf hatte ich gehofft. Ansonsten wäre ich bereit gewesen, ihn direkt aufzufordern. Er tat es von selbst. Früher gluckste er in eine Kamera, als Kostprobe seines Könnens.3 »Wann machen Sie denn heute sonst das Meerschweinchen?« – »Wenn die Studenten zu still sind.« Es ist ein authentischer Abschied. Alle neun Stücke Buttercremetorte sind aufgegessen. Martin Köttering und ich verlassen das Hotel.
3 Vgl. Werner Büttner, in: Jörg Kobel, Kippenberger. Der Film, DVD, absolut Medien, 2007, ab 00:05:13 Min.
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Flucht ins Duett
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Maternité, 1983
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Dasein will Paarsein, 2019
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Ehepaar von außen, 1984
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Tanz mit Klammern, 2019
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Klonen in der Familie (Vater und Sohn), 2018
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A und E, 1985
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Sumpfruf, 2007
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Der Mensch, in dem Bestreben, sich sein Schicksal kommod und alternativlos zu denken, verteufelt seit jeher die ungeschlechtliche Vermehrung als untüchtig, krankheitsanfällig und verblödend. Neuere Forschungen zeigen nun, dass die evolutionäre Bedeutung der Neukombination des Erbmaterials durch Verschmelzen von Ei und Samenzelle grotesk überschätzt wird. Evolution ist auch bei ungeschlechtlich entstandenen Wesen möglich – im Rahmen einer Selektion aus natürlicher Mutation und dem Wettbewerb zwischen den jeweiligen Klonen. Ungeschlechtliche Populationen bestehen häufig aus einer Vielzahl verschiedener Klone und unterscheiden sich in ökologisch wichtigen Merkmalen, wie Wachstumsraten oder ihrer Anfälligkeit gegenüber Krankheitserregern und natürlichen Feinden. Aus Sicht der Evolutionsbiologie ist dies erstaunlich und kränkend, hatte sie doch erwartet, dass sich die jeweils fittesten Klone durchsetzen würden. Ein formschönes Beispiel der ungeschlechtlichen Vermehrung ist der Amazonenkärpfling, der seit etwa 100.000 Jahren existiert, heute in den Gewässern zwischen Texas und Mexiko. Ein harter Schlag für die Fanatiker der geschlechtlichen Vermehrung. Doch die Natur hat entschieden und der Mehrzahl ihrer Geschöpfe die geschlechtliche Vermehrung aufgezwungen. Die Kosten dieser Entscheidung sind immens. Die Suche nach einem Sexualpartner ist zeitintensiv und verschwenderisch ressourcenverbrauchend. Und aus männlicher Sicht besteht die Gefahr, bei Beschädigungskämpfen ums Weibchen zerbeult oder final aus dem Spiel genommen zu werden. Schopenhauer sagte, »Der Genius der Gattung sorgt dafür, dass jeder Hans seine Grete findet«. Dies ist, mit Verlaub, so vorsichtig gesagt, dass es falsch ist. Der Genius der Gattung zwingt dazu, dass jeder Hans seine Grete finden muss! Die Macht des Instinkts, des Triebes, plus rudimentäre Verhaltenssplitter aus der Affenhorde, sorgen für Spannungen zwischen den Geschlechtern, evozieren den sogenannten Geschlechterantagonismus. Ein harter Schlag für die Harmonie unter dem Himmel.
Doch trotzdem strebt alles in die Zweisamkeit, flüchtet ins Duett. Es scheint die einzig mögliche Antwort auf die Frage: »Was zum Teufel macht man hier bloß?« Neben der ungeschlechtlichen Vermehrung wird auch das Alleinsein von jeher verteufelt und dämonisiert. Es bringt den Tod, mindestens, dazu Krankheit und Gemütszerrüttung und Zipperlein ohne Zahl. Es ist schon der Definition nach asozial und auch die Bibel hat es nicht gern. Als »Lonesome George« starb (siehe Abteilung Parallelkreaturen), hatte er von hundertzwanzig Jahren siebzig allein auf seiner Galapagosinsel gelebt. Es ist unklar, ob das weltweite Medienecho Bedauern oder Bewunderung über die erstaunliche Zeitspanne seines Alleinseins ausdrückte. Ich tippe auf einen allgemeinen wohligen Schauer, einem solchen Schicksal entronnen zu sein. Der Genius der Gattung, machen wir uns nichts vor, zwingt seine Angehörigen, nicht allein zu sein und nicht Nein zu sagen. Denn dies kettet sie an den Status quo, mit dem so ein Genius symbiotisch jubiliert. Nur noch eine kurze Vision. Würden wir uns ungeschlechtlich vermehren, wäre uns die ganze vermaledeite Minneliteratur erspart geblieben, die uns seit achthundert Jahren heimsucht. Uns wäre auch erspart geblieben, seit hundert Jahren im Radio zehnmal in der Stunde einen Song mit der stumpfen Botschaft »Liebe« zu hören. Wir könnten uns mit einer literarischen Form wie dem Haiku begnügen, drei Zeilen, siebzehn Silben. In dieser Form würden wir nur unsere Befindlichkeiten und die Erhabenheit des uns Umgebenden beschreiben. So wie hier: Ein Gähnen hat sich in mir eingerichtet, ein prachtvolles Gähnen.
Werner Büttner
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Rosenscharmützel, 2007
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Im Reich der Sinne, 2018
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Hormonhektik in Maigrün, 2020
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Antagonismushaken, 1997
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Diesmal »Made in Germany«, 2016
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Mann und Frau in expressiver Manier, 2020
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Nestbauenthusiasten, 2016
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Russische Hochzeit, 1986
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Ein Stammbaum zum Barmen, 2011
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Parallelkreaturen, zum Verbrauch freigegeben (Gen 9, 2–3)
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Arktis Negativ, 2019
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Der Bluff des Bäckers, 2005
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Schlecht beleuchteter Weg der Weisheit, 2011
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Ein Leben für die Dauer (In Memoriam Lonesome George), 2019
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Alpharüde, 2007
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Väterliche Ansprache, 2021
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Die erstaunlich schlichte Balz des Blaufußtölpels, 2020
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Alles so herrlich zu sehn, und so schrecklich zu sein …, 2011
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Die Belagerung der Sardine, 2020
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( Gen 9, 2 – 3 ) 2
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Furcht und Schrecken vor euch sei über alle Tiere auf Erden und über alle Vögel unter dem Himmel, über alles, was auf dem Erdboden kriecht, und über alle Fische im Meer; in eure Hände seien sie gegeben. Alles, was sich regt und lebt, das sei eure Speise; wie das grüne Kraut habe ich’s euch alles gegeben.
Diese Stelle aus der Genesis ist der größtmögliche göttliche Blankoscheck, der vorstellbar ist. Alles, was auf diesem Planeten kreucht und fleucht, ist in unsere Hände gegeben, kann in Furcht und Schrecken versetzt und vertilgt werden. Dito das grüne Kraut. Es ist inzwischen eine Binse, dass der Blankoscheck exzessiv bezogen wurde und Arten erfolgreich vertilgt – die Kreucher, die Fleucher und auch das grüne Kraut. Die neolithische Katastrophe, die Einführung von Ackerbau und Viehzucht, euphemisiert als Ausgangspunkt gebenedeiter Zivilisation, brachte all das in die Welt, was uns heute noch plagt: Krankheiten, Parasiten, Mangelernährung, Eigentum, Eliten, Sklaverei, Diskriminierung der Frau, Steuern, stehende Heere, Geld, Schuldtürme und vieles mehr. Von unseren Parallelkreaturen in Raum und Zeit ließen sich dummerweise einige domestizieren und von vorn bis hinten verwerten. Sie wurden kleiner als ihre Wildformen, ihr Gehirn schrumpfte, da Aggressivität, Fluchtverhalten und Ähnliches herausgezüchtet wurden, die Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Individuen wurden kleiner, sie wurden früher geschlechtsreifer, sie behielten Teile juveniler Morphologie und juvenilen Verhaltens auch im Erwachsenenalter, mit anderen Worten, das Viehzeug wurde kindisch. Teile dieser Beschreibung treffen auch auf den »verhäuslichten«, domestizierten Menschen zu. Am erstaunlichsten ist aber die erhöhte Fruchtbarkeit bei den Domestizierten, als könnten sie gar nicht genug Nachkommen in die Gefangenschaft werfen. Erzwungene Wohngemeinschaften haben ihren Preis – Neurosen und Zoonosen (Krankheiten, die zwischen Mensch und Tier vagabundieren). James C. Scott schreibt in Die Mühlen der Zivilisation: »Nach einer veralteten, nicht mehr zuverlässigen Aufstellung, die heute gewiss noch länger wäre, teilen wir Menschen 26 Krankheiten mit Geflügel, 32 mit Ratten und Mäusen, 35 mit Pferden, 42 mit Schweinen, 46 mit Schafen und Ziegen, 50 mit Rindern und 65 mit […] dem Hund.« Der Mensch, der begnadete Sklavenhalter, wird von seinem Eigentum durchseucht.
Seit etwa hundert Jahren teilen immer mehr Menschen mit ausgewählten Parallelkreaturen Tisch und Bett. Die Günstlinge sollten stubenrein und treuherzig sein und in den Kanon der Niedlichkeit passen. Da der Günstling das einzige Wesen ist, zu dem der »Tierhalter«, (ein kaltes Wort, muss ersetzt werden!) eine emotionale Beziehung hat, geschieht millionenfach ein Wunder: Ein Tier wird in einen Menschen verwandelt. Es wird geküsst, gestreichelt, eingekleidet, mit Delikatessen verwöhnt, man telefoniert mit ihm, setzt Apanagen aus (Lagerfelds Mieze ist kein Einzelfall!), bemüht beste Ärzte und Therapeuten, es gibt lebensverlängernde Maßnahmen bei finaler Bettlägerigkeit und sollte alles nichts fruchten, eine pompöse Begräbnisstätte. Man kann es auch klonen. Dann folgt auf das Wunder der Menschwerdung das Wunder der Wiederauferstehung. Der Sexualwissenschaftler Volkmar Sigusch prognostiziert in seinem Buch Neosexualitäten im Kapitel »Kultursodomie als Neoallianz« Staunenswertes: »Und es ist keine kühne Prophezeiung, wenn wir annehmen, dass diese Neoallianz [also die Liebesbeziehung zwischen Mensch und Tier] in zwei bis drei Generationen als sodomitische Lebenspartnerschaft öffentlich und rechtlich anerkannt werden wird«. Was für ein Schauspiel! Im ersten Akt sind Mensch und Tier einander Fressfeinde. Im zweiten wird das Tier »Vorrat auf Hufen« und Arbeitssklave. Und im dritten wird quasi geheiratet. O tempora, o mores! In Anlehnung an einen Text von Polke stellt sich die Frage: Wie kam das ganze Viehzeug in mein Schaffen? Es war eine unbesetzte Nische, brachte Alleinstellungsmerkmal. Meine Kolleginnen und Kollegen fassten das nicht an. Tiere zu malen war irgendwie uncool, unavantgardistisch. Was für eine verschwenderische Unterlassung. In der Fauna sind Legionen von Formen und Farben gespeichert, die der Nachahmung, der Verfremdung und des Missbrauchs harren. Plus das darin schlummernde Potenzial zur Metapher und Allegorie. Ich bin froh, dass Gen 9, 2 – 3 auch mir alles, was kreucht und fleucht, in die Hände gegeben hat.
Werner Büttner
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Zarte Darstellung des Serienkillers, 2017
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Großer erlegter Kranich nach Oudry, 1999
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Glühende Heide, 1998
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Entertainment, 2019
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Irrender Wurm, 2015
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Keiler, 1989
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Stillleben mit fünf abgelaufenen Füßchen, 2016
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Megastrenge Komposition, 2015
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Zarte Tötung, 2019
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Schlachtreife Gefangene, 2020
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So brutpflegt das Kamel, 2020
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Blühender Rammler, 2011
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Ein weites Feld des Weinens, 2005
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Von der Ära der Götter bis zu den guten alten Zeiten des Kalten Krieges und darüber hinaus: A Rock Caught Between two Hard Places
1 Diese Haltung kommt in vielen seiner Werke zum Ausdruck, wie in seiner in einem Zeitraum von 20 Jahren entstandenen Serie Schrecken der Demokratie (1979–1999).
Sarah Edith James
Eine der selbstreflektierenden und selbstmythologisierenden Äußerungen von Werner Büttner findet in Katalogtexten und Interviews immer wieder Erwähnung – und zwar die Geschichte, dass der Künstler 1961, also kurz vor dem Bau der Berliner Mauer, von seiner Mutter aus der sozialistischen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) nach Westdeutschland »verschleppt« worden sei. Warum bezeichnet Büttner diese Republikflucht, einen Schritt, zu dem sich so viele Familien oder Einzelpersonen entschlossen hatten, als Verschleppung? Auch unter Berücksichtigung seines Faibles für das Geschichtenerzählen – er ist ein großer Freund der literarischen Satire und der Farce – und seiner Schwäche dafür zu schockieren, offenbart dieses oft wiederholte Detail in Büttners Biografie doch mehr über die psychologischen Abgründe seines malerischen Werks, als man zunächst annehmen würde. Es sorgt nicht nur dafür, dass Büttners Ausreise etwas Skandalöses und Aufsehenerregendes bekommt, sondern trägt wesentlich zur Entschuldigung seines Weggangs bei, indem es diesen mit dem zarten Alter begründet, also damit, dass der damals siebenjährige Büttner bei der Entscheidung, das Land zu verlassen, kein Mitspracherecht hatte. Durch diese oft wiederholte Geschichte unterscheidet sich Büttner von den Künstler*innen einer älteren Generation – Gerhard Richter, Georg Baselitz und später A. R. Penck –, die ihre künstlerische Ausbildung in der DDR erhielten, diese aber aus ideologischen Gründen verließen und den provinziellen Sozialistischen Realismus kritisierten. Stattdessen wird der Ursprung von Büttners ambivalenter Haltung gegenüber dem kapitalistischen Westen, der sein Zuhause wurde, mit dem gegen seinen Willen auf die andere Seite des Eisernen Vorhangs geschmuggelten Kindes in Zusammenhang gebracht.1 Die Subjekte und Objekte eines im Kapitalismus gelebten Lebens, das mit der ethnografischen Distanz eines Außenseiters betrachtet wird, durchziehen Büttners Werk, von den Mischtechniken Erste Versuche (1980, Abb. A) – Zeichnungen auf Lohnsteuerkarten – bis hin zu den gern aus der Werbung übernommenen Motiven. Seine frühere Positionierung in Bezug auf das kommunistische Gegenüber beibehaltend spricht Büttner nicht wie Richter oder Baselitz höhnisch
oder gar beschämt von Ostdeutschland, sondern eher liebevoll, wenn er es als den »kurzlebigen Staat« in »jenen guten alten Zeiten des Kalten Krieges« bezeichnet.2 Sein Verhältnis zum Osten hat dabei aber häufig etwas Parodistisches oder Ironisches – eine gemeinsame Ausstellung mit seinen engen Freunden und Kollegen Martin Kippenberger und Albert Oehlen im Jahr 1984 hieß in Anlehnung an die ideologisierte Sprache der DDR Wahrheit ist Arbeit. In Erinnerung an seine Kindheit dort bekennt Büttner mit jenem Humor und jener Fantasie, die es mit den historischen Gegebenheiten manchmal nicht zu genau nimmt, und die seinen Kunstwerken einen ganz besonderen Glanz verleihen: »Ich war ein hervorragender Jungpionier […]. Manchmal denke ich, wenn wir in der DDR geblieben wären, […] dann wäre ich 1989 Egon Krenz und etwas zickiger beim Verkauf der DDR gewesen.« 3 Diese Haltung Büttners, obschon er sie hier überspitzt und ins Absurde überzeichnet, wurde von vielen radikalen Künstler*innen und Kulturschaffenden im Ostdeutschland des Jahres 1989 geteilt. So wie sich Büttner vorstellt, dass der sozialistische Staat in einem Paralleluniversum mit ihm als letztem Regierungsoberhaupt vielleicht ein besseres Ende genommen hätte, finden sich in Büttners Œuvre von den Anfängen bis zu den neuesten Werken zahlreiche Verweise auf den Kommunismus. Die russische Revolution – vom Hörensagen und in Öl (1985, Abb. B–C) interpretiert den berühmten Sturm auf das Winterpalais und andere nach der Revolution entstandene Historienbilder neu. Opus Magma (2007, Abb. D) zeigt Wladimir I. Lenin auf seinem Totenbett, von psychedelischen Schlieren in leuchtend rotem und blauem Acryl umgeben und das Wort »LOVE« auf die Fingerknöchel tätowiert – ein Motiv, das in Der geduldige Götze (2015, Abb. S. 81) wieder auftaucht. Bei Whirling Weltgeist (2020, Abb. S. 75) scheint Büttner die Ästhetik der sowjetischen Plakatkunst aufzugreifen. Das
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A Erste Versuche, 1980, Mischtechnik auf Lohnsteuerkarte, je 21 × 14,8 cm B – C Die russische Revolution – vom Hörensagen und in Öl, 1985, mehrteilig, Öl auf Leinwand, B: Der Sturm auf das Winterpalais, 190 × 240 cm, C: Sippenhinrichtung, 50 × 60 cm D Opus Magma, 2007, Öl auf Leinwand, 150 × 120 cm E Wolfgang Mattheuer, Die Flucht des Sisyphos, 1972, Öl auf Hartfaserplatte, 96,8 × 118 cm, Dresden, Galerie Neue Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden
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2 Werner Büttner, »The tiny New York Statement«, in: Werner Büttner: Poor Souls, New York 2016, S. 81. 3 Zitiert aus: Es begann also mit einem One-Night-Stand. Werner Büttner im Interview mit Hans Ulrich Olbrist, hg. von Wigger Bierma für die Hochschule für bildende Künste Hamburg, Hamburg 2018, S. 1 f.
Von der Ära der Götter
Bild zeigt eine wie ein Derwisch tanzende Gestalt in einem langen Gewand, die einen roten Fes wie einen Eimer auf dem Kopf trägt, sodass er ihm die Sicht nimmt. Der Titel ist eine Anspielung auf den philosophischen Begriff – und zwar insbesondere auf Hegels dialektische Verwendung desselben – einer unsichtbaren Kraft, welcher die Weltgeschichte bestimmt – und der später als gedanklicher Rahmen der kommunistischen Revolution aufgegriffen werden sollte. Bei Die Internationale der Leidtragenden kennt keine Nachwuchssorgen (2015, Abb. S. 82) wird die Idee einer sozialistischen Internationale von einer länderübergreifenden Qual abgelöst, oder vielleicht eher durch eine hohle Form der Selbsthilfe und des Selbstbekenntnisses; einmal mehr scheint Büttner hier dem Verlust utopischer Politikentwürfe in der postkommunistischen Zeit hinterherzutrauern. Auch wenn viele Kommentator*innen angemerkt haben, dass er bei der Entstehung seiner Bilder aus den 1980ern die beiden Lager des Kalten Krieges vor Augen gehabt habe, hat Büttner immer wieder betont, dass seine kritische Aneignung der Historienmalerei und kommunistischer Sujets wenig mit seiner Vergangenheit in Ostdeutschland zu tun habe. Er kehre vielmehr zu den Grundlagen der Malerei zurück, zu ihren Traditionen und großen Themen, um sie umzukrempeln und zu erneuern. Auch Kippenberger hat gern auf die ideologische Welt des Sozialistischen Realismus verwiesen – in seinen Gemälden der 1980er Jahre tauchen immer wieder revolutionäre Bauern, Traktoren und Angehörige des Proletariats auf. Doch Büttners Arbeiten aus dieser Zeit und danach weisen eine Besonderheit auf, welche die Verbindung zwischen dem »verschleppten Kind« und der Malerei des »Staatssozialismus« wiederherstellt, und die seltsamerweise bislang übersehen wurde. Es ist dies die beständige Verwendung der Symbolik der antiken Mythologie – eine Strategie, welche auch bei den subversiveren Werken der offiziellen und inoffiziellen Malerei der DDR zum Einsatz kam. Diese Gemeinsamkeit Büttners mit einer Malerei der DDR, die nicht mit dem Sozialistischen Realismus konform ging, auf den Kippenberger anspielt, führt an jene Spielart der Postmoderne heran, die Büttners Werk innewohnt, und die sich deutlich von der
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Postmoderne unterscheidet, die im gleichen Zeitraum in den USA gang und gebe wurde. In Ostdeutschland wurde die Verwendung von mythologischen Motiven und Symbolen der christlichen Ikonografie in der Malerei zum beliebtesten Mittel bei der Beschäftigung mit gesellschaftlichen Problemen der Gegenwart und fortschreitender Kritik am Staat, getarnt durch die Bildsprache der klassischen Antike. In den 1970ern wurde die Mehrdeutigkeit der Mythologie von bekannten und auch offiziell wohlgelittenen Malern wie Wolfgang Mattheuer und Bernhard Heisig breit eingesetzt, um Sujets so wenig greifbar darzustellen, dass sie auf gegensätzliche Weise – also sowohl als Huldigung an die Obrigkeit wie auch als Kritik am Regime – verstanden werden konnten. So wurde zum Beispiel Ikarus zu einem beliebten Sinnbild für die Fortschrittlichkeit des Kommunismus, bei dem eine deutliche Kritik mitschwang, und Sisyphos – der mythische König, der für seine Selbstherrlichkeit bestraft wurde, indem er gezwungen wurde, bis in alle Ewigkeit einen Felsblock einen Berg hinaufzurollen, der, kaum, dass er oben ist, wieder hinunterrollt – wurde zu einem Symbol für die Bevölkerung der DDR und den absurden Umstand, dass diese Menschen sich für eine nie verwirklichte Revolution abmühten. Viele Kunsthistoriker*innen haben darauf hingewiesen, dass Wolfgang Mattheuer mit der Selbstbefreiung der mythologischen Gestalt in Werken wie Die Flucht des Sisyphos (1972, Abb. E) oder Sisyphos behaut den Stein (1974, Abb. F) den Mythos neu erfunden und so ein Sinnbild für den Widerstand geliefert habe. Büttner widmet sich denselben Mythen und definiert sie neu. In seiner Arbeit Der blöde Ikarus von 1987 (Abb. G) wird die Figur ins Lächerliche gezogen – sie hat riesige Insektenflügel anstelle von Armen und balanciert unsicher auf einem Fass. In Sisyphos vice versa (Abb. H), einem Linolschnitt von 1989, stellt sich der Künstler nicht etwa als der König, sondern als Fels dar – also als jenes leblose Objekt, das durch einen im wahrsten Sinne des Wortes verdammten Despoten dazu gezwungen wird, sein einsames Scheitern fortwährend zu wiederholen. Wenn sich Büttner immer wieder der Mythologie bedient, dann weniger auf die Art und Weise der Künstler*innen der ehemaligen DDR, sondern eher, um Sarah Edith James
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F Wolfgang Mattheuer, Sisyphos behaut den Stein, 1974, Öl auf Hartfaserplatte, 96 × 119,5 cm, Dresden, Galerie Neue Meister, Staatliche Kunstsammlungen Dresden G Der blöde Ikarus, 1987, Öl auf Leinwand, 150 × 190 cm H Sisyphos vice versa, 1989, Linolschnitt, 62 × 62 cm I Räudiges, freudig streunend …, 2002, Öl auf Leinwand, 150 × 120 cm J Niemandsland, 2011, Öl auf Leinwand, 190 × 190 cm
die allgemein anerkannten Grenzen der Symbole zu überschreiten, um eine Art extreme »Ekelhafte Symbolik« (2016, Abb. S. 88) – so auch der Titel einer seiner Arbeiten – zu erzeugen. In seinen Gemälden tauchen nicht nur Gestalten der klassischen Mythologie von Leda und dem Schwan bis hin zu Arachne und Pan auf, sondern auch die Themen moderner Mythen – Verschwörungstheorien, hormonelle Fluchten (Hormonhektik in Maigrün, 2020, Abb. S. 124), Klonexperimente. Büttner distanziert sich bei seiner postmodernen Aneignung der Mythologie sowohl von der traditionellen Lesart als auch von der politischen Verwendung mythologischer Motive in der DDR. Gleichzeitig lässt der gestelzte und bewusst melodramatische Einsatz autobiografischer Elemente die heroisierende und moralisierende Überhöhung von in der damaligen BRD prominenten Protagonisten wie Joseph Beuys absurd wirken. Wenn Büttners durchgehende Einbringung der eigenen Biografie – er zögert nicht, uns zu erzählen, dass er sich der Collage nur zugewandt habe, weil er zufällig auf die Zeitschriftensammlung seiner Ex-Frau gestoßen sei, und dass er Oehlen und Kippenberger durch einen One-Night-Stand mit der Mitbewohnerin des Ersteren begegnet sei – die Vorstellung vom Künstler als heterosexuelles, weißes männliches Genie in sich zusammenfallen lässt, dann untergräbt dies auch das Bild vom Künstler als utopischem Mittler des sozialen Wandels. Wie in so vielen seiner Selbstporträts offenkundig wird, hinterfragt Büttner den Mythos des Künstlers – er stellt sich selbst als theatralische und lachhafte Figur dar, ob masturbierend im Kino oder mit verschiedenen Fernbedienungen ausgestattet. Auch Tiere durchziehen Büttners Werk – von Räudiges, freudig streunend … (2002, Abb. I) bis zu Alpharüde (2007, Abb. S. 140/141) wollen sie nach ihren ganz eigenen Kriterien betrachtet werden, und es ist das menschliche Verhältnis zum Tier (egal, ob dieses verkitscht, personifiziert, domestiziert oder gegessen wird), das Büttner
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Von der Ära der Götter
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hierbei als etwas Seltsames präsentiert. Auch dies faszinierte ihn: dass der Mensch im Grunde ein Tier ist, aber nur die Negierung unserer Tierhaftigkeit uns die Selbstdefinition ermöglicht. Büttners Werk ist sowohl in seiner Ironie als auch in der sich durchziehenden Zerlegung der Malerei in ihre Einzelteile postmodern, aber es ist nicht pessimistisch oder destruktiv und weit davon entfernt, das große Medium der Moderne, welches es fortwährend auf lustvolle Weise wiederbeleben möchte, zu demontieren. Nirgendwo wird dies deutlicher als bei Niemandsland (2011, Abb. J), auf dem der riesige, senffarbene Kopf Friedrich Nietzsches über den Rand einer grünen Badewanne ragt, um die Berliner Mauer und die in Violett- und Magentatöne getauchte Landschaft in Augenschein zu nehmen. Hier wird der Antiheld der Moderne, der Urheber des »Übermenschen« und Pate des nihilistischen Spiels der Postmoderne, zu einem Badenden – jenem bedeutenden Sujet der Bildwelt der Moderne seit Paul Cézanne. An die Stelle der für das Genre typischen idyllischen Landschaft tritt der Todesstreifen, der Deutschland zweiteilte. Mit diesem auf den ersten Blick lustigen Ansatz schafft Büttner verschiedene komplexe Verweise sowohl auf der symbolischen als auch auf der historischen Ebene und versetzt das Sujet des Gemäldes in die Psychogeografie einer Vergangenheit, in der man die Avantgarde, die Nazis und das geteilte Deutschland unter einen Hut bringen und damit zurechtkommen musste. Ein weiteres schönes Beispiel für die sardonische, mythologische und oft autobiografische Sprache Büttners ist das neuere Gemälde Symbol mit Brillenhämatom (2018, Abb. S. 214/215). Vor einem grauen Hintergrund schwebt eine dreieckige Form über einer zerklüfteten goldenen Landschaft, aus der ein Auge hervorblickt, das von violett unterlaufener Haut umgeben ist: Horus mit einem blauen Auge, seine allsehende Herrlichkeit durch einen beschämenden Bluterguss getrübt. Während dieses Auge früher Schutz gewährte und seinem ehemaligen Besitzer noch im Jenseits Gesundheit verlieh, stößt Büttner die glückbringende Hieroglyphe vom Sockel und entzaubert sie; er lädiert sie sprichwörtlich durch eine belanglose Prügelei und zieht sie damit auf die Ebene von Klatsch und Körperflüssigkeiten herunter. Doch er räumt das Horusauge und seine labyrinthische Symbolik nicht komplett aus dem Weg; es bleibt als nun wesentlich hoffnungsloseres Menschenauge bestehen und schwebt weiterhin im Himmel. Doch kaum, dass wir einen abgedroschenen Witz in dem Werk zu erkennen meinen, klärt Büttner uns darüber auf, dass es in Erinnerung an seine verstorbene Frau Julia entstanden sei – und an die unerklärliche Zerstörung innerer Schönheit, die mit einem plötzlichen Tod einhergeht – das Bild handelt von dem körperlichen Schmerz, der einem die Trauer zufügt. Wenn Büttner in die Sprache der Malerei eindringen will – um ihr eine bestimmte Struktur zu verleihen oder um die Erwartungen bezüglich ihrer Symbolik und Ästhetik zu unterlaufen –, tut er dies auf eine Weise, die wohl mehr der eines Romanautors als der eines Malers entspricht. In seinen Bildern wimmelt es von Aphorismen und Neologismen: eine Hommage an eine besondere Art von Humor, wie sie in den Figuren der Werke des Wiener Sängers, Schauspielers und Dramatikers Johann Nepomuk Nestroy aus dem 19. Jahrhundert zum Ausdruck kommt, der das Wortspiel, die Farce und die Gesellschaftssatire kultivierte. Es fließen aber auch andere Erzähltraditionen in Büttners Ästhetik ein – darunter die eines Nathanael West, US-amerikanischer Erzähler und Verfasser von Satiren wie Miss Lonelyhearts und Der Tag der Heuschrecke, die durch einen ausgeprägten schwarzen Humor gekennzeichnet sind, sowie eines Paul Bowles, Schriftsteller, Komponist und Freund von Tristan Tzara. Wie der Verfasser einer existenzialistischen Erzählung frönt Büttner der Ästhetik der Ich-Erzählung, wobei seine beständige Rückbesinnung und Neuorientierung in der Malerei – wie beim zwanghaften Drehen an einem Zauberwürfel – immer mit einem Sezieren der konkreten tagtäglichen Erfahrungen einhergeht, was es heißt, Künstler zu bleiben und weiterhin Bilder zu malen. Sarah Edith James
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Nicht stolpern beim Mysterium Bild
1 Zwischen 1957 und 1962 stellte Asger Jorn Modifications (Übermalungen) her, indem er gefundene Gemälde von Amateur*innen mit graffitihaften Übermalungen versah, die einerseits die Institution Malerei selbst parodieren und sie zugleich relativieren und erneuern sollten. 2 Détournement bezeichnet eine Technik, die subversive Taktiken einsetzt, um eine mögliche Einvernahme künstlerischer Produktion durch kapitalistische Waren- und Medienzusammenhänge abzuwenden und zu bekämpfen. Mit der ungefähren Übersetzung des Begriffs als »Umlenkung« oder »Kapern« lässt sich Détournement als Umdeutungsstrategie verstehen, die anhand eines bestehenden kulturellen Artefakts eine Variation dessen entwirft und es damit oppositionell markiert und als unethisch vorführt. – Siehe Karen Kurczynski, »Expression as vandalism: Asger Jorn’s ›Modifications‹«, in: Res: Anthropology and Aesthetics 53/54 (2008), S. 293–313. 3 Siehe beispielsweise »La frontière situationniste«, in: Internationale situationniste 5 (1960), S. 7 und »L’avant-garde de la présence«, in: Internationale situationniste 8 (1963), S. 20. 4 Rekuperation bezeichnet durch den Mainstream bereits appropriierte Werke, die vormals als subversive und radikale Werke und Ideen galten. 5 Die S.I. urteilte alle Künstler*innen ab, die nicht anerkannten, dass ihre Werke durch die Mächte der Kulturindustrie neutralisiert würden oder dies nur ungenügend in ihrer Arbeit thematisierten. Ab 1961 schloss die S.I. sogar kategorisch alle Künstler*innen aus ihrer Bewegung aus und deklarierte jegliche Kunst als antisituationistisch. 6 Siehe hierzu den retrospektiv kontrovers geführten Diskurs zur Ausdeutung des nordamerikanischen Abstrakten Expressionismus und europäischen Informel der Nachkriegszeit, etwa in Serge Guilbaut: Wie New York die Idee der modernen Kunst gestohlen hat. Abstrakter Expressionismus, Freiheit und Kalter Krieg, Dresden 1997; Nancy Jachec: The Philosophy and Politics of Abstract Expressionism, Cambridge 2000; Roger M. Buergel, Stefanie-Vera Kockot (Hg.), Abstrakter Expressionismus: Konstruktionen ästhetischer
Melanie Ohnemus
Bei Werner Büttners Bild Die Avantgarde von hinten (2009, Abb. A) kann man nicht umhin, sich an Asger Jorns L’avantgarde se rend pas (Die Avantgarde ergibt sich nicht, 1962, Abb. B) zu erinnern. Zum einen, weil in beiden Titeln die Avantgarde als diskursive Figur aufgerufen wird, als auch zum anderen, weil Jorn, so wie Büttner, für Übermalungen auf gefundenen Gemälden bekannt ist.1 Jorns Modifications werden in der Literatur als Teil der situationistischen Strategie des Détournement 2 besprochen, einer Taktik, die sich spezifisch als Gegenentwurf zur Institutionalisierung der Avantgarden ausrichtete. Die Situationistische Internationale (S.I.) machte ab den späten 1950er Jahren klar, dass jede Form avantgardistischer Opposition rekuperiert werden würde, sobald sie mit institutioneller Dokumentation in Berührung käme.3 Détournement und Rekuperation 4 sollen im Sinne der S.I. in dieser spezifischen Relation zueinander als Gelenk zwischen Subversion und Autorität verstanden werden. Macht (verstanden als Unabhängigkeit von der Einvernahme durch institutionelle Strukturen) sei demnach als dialektisch, niemals als statisch zu betrachten, und nur durch unaufhörliches Ringen zu erlangen und zu halten. Während sich die S.I. im Verlauf ihrer ideologischen Entwicklung mehr und mehr von der Kunst als Handlungsfeld löste,5 fand Jorn neben anderen Konzepten auch in den Modifications Lösungen, die nicht ausschließlich auf Negation setzten, sondern im Gegenteil Möglichkeiten der Reinterpretation und Aneignungstaktiken von Malerei als populäres Medium eröffneten. Seine Übermalungen sind demnach nicht als Angriff auf die Malerei selbst zu lesen, sondern vielmehr als Kommentar zu einer Idee von moderner Malerei, die sich als »neue Avantgarde« stilisierte und zudem »neue« Diskurse ins Spiel brachte.6 Jorn schlug, seiner Taktik der Modifications folgend, den Museen sogar vor, alle Gemälde ihrer Sammlungen für sie gerne zu »überarbeiten«.7 Er hielt sein Betätigungsfeld sehr offen und beweglich, misstraute niemals der Praxis des Kunstmachens, verfasste ästhetische Theorien, produzierte Künstlerbücher 8 und war (Mit-) Gründer diverser Vereinigungen.9 Selbst nach seinem Austritt 1961 aus der S.I. unterstütze Jorn weiterhin finanziell vereinzelt deren Projekte, während die S.I. eine immer rigider formulierte Ideologie des Misstrau-
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ens gegen jegliche künstlerische Praxis entwickelte, da sie ihrer Auffassung nach unweigerlich mit den Mechanismen des Marktes, des »Spektakels«, verschmelzen müsse, sobald man sie berühre. Künstler*innen wurden regelmäßig beschuldigt, Warenfetische schlicht in Kunstweltfetische zu transformieren und so die Autonomie der Kunst mit Füßen zu treten.10 Dem Begriff und Sinn der künstlerischen Avantgarde wurde eine Absage erteilt, sie wurde als unwiederbringlich deklariert. Auch Jorn verwendete den Begriff fortan nicht mehr und ersetzte ihn durch »Experimentelle Kunst«.11 Seine Modifications begriff er jedoch weiterhin als Taktik, die sich in den strategischen Anfängen der Bewegung begründete. Er führte sie im heiter vandalisierenden Stil weiter und unterschied sich grundsätzlich von der S.I.-Ideologie insofern, als dass er jeglichen künstlerischen Prozess als zyklisch und temporär begriff, wenn er die Flohmarktkunstwerke aus der Mitte der Gesellschaft, also die Themen und Motive der anonymen »Amateure« mit graffitihaften Übermalungen und Schriftzügen »weiterarbeitete«. So wird bei Jorns L’avantgarde se rend pas ironisch und wahrscheinlich doppeldeutig über beide Enden der Theoriediskurse geschmunzelt,12 wenn er die Malerei an sich umarmt und für sich nutzbar machen kann. Denn Indifferenz gegenüber kreativen Prozessen und die Rede von einem »bedeutungslosen und vergessenen Original«,13 wie es in den Texten der S.I. über Détournement vorgeschlagen wurde, war für Jorn keine Option. 1959 schrieb er: »Sämtliche Werke der Kunst sind Objekte und sollten zwangsläufig als solche behandelt werden, aber diese Objekte sind nicht Selbstzweck an sich: Sie sind Instrumente, mit denen man auf die Betrachtenden einwirken kann. Das künstlerische Objekt, trotz seines offensichtlich objektiven Charakters, tritt demnach wie eine Verknüpfung zwischen zwei Subjekten auf, dem Schöpfer-Subjekt und Provokateur, und dem Betrachter-Subjekt. Der Letztere nimmt das Kunstwerk nicht als bloßes Objekt wahr, sondern als Zeichen einer menschlichen Präsenz. Es ist nicht das Problem des Künstlers, zu wissen, ob das Kunstwerk als Subjekt oder Objekt beurteilt werden sollte, da die beiden in eins fallen. Sein Problem zeigt sich darin, die erwünschte Spannung im Werk zwischen der Erscheinung und dem Zeichen zu Melanie Ohnemus
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Erfahrung, Dresden 2000; Peter Johannes Schneemann: Von der Apologie zur Theorienbildung: Die Geschichtsschreibung des Abstrakten Expressionismus, Berlin 2003. 7 »Seien Sie modern, Sammler, Museen. Wenn Sie alte Gemälde besitzen, verzweifeln Sie nicht. Bewahren Sie ihre Erinnerungen, aber lenken Sie sie um, sodass sie mit der Ihrigen Zeit korrespondieren. Warum das Alte verwerfen, wenn man es mit ein paar Pinselstrichen modernisieren kann? Das wirft etwas Aktualität auf Ihre alte Kultur. Gehen Sie mit der Zeit, und seien Sie distinguiert zugleich. Die Malerei ist am Ende. Man kann ihr ebenso gleich den Gnadenstoß geben. Lenken Sie sie um. Hoch lebe die Malerei!« [Übers. d. Verf.] In: Asger Jorn, Peinture détournée, Ausst.-Kat. Galerie Rive Gauche, Paris 1959, o. S. 8 Siehe beispielsweise Asger Jorn: Held & hasard – dolk & guitar, Kopenhagen 1952; Asger Jorn, Guy Debord: Fin de Copenhague, Villars-sur-Ollon 1957; Asger Jorn, Guy Debord: Mémoires, Paris 1958; Asger Jorn: Pour la forme. Ebauche d’une méthodologie des arts, Paris 1958; Asger Jorn: Naturens orden. De divisione naturae, Kopenhagen 1962; Asger Jorn: Værdi og økonomi. Kritik af den økonomiske politik og udbytningen af det enestående, Kopenhagen 1962. Siehe für eine vollständige Liste der schriftlichen Produktion Asger Jorns: Per Hoffman Hansen: A Bibliography of Asger Jorn’s Writings, Silkeborg 1988. 9 COBRA (1948–1951); Mouvement Internationale pour un Bauhaus Imaginiste (1955–1957); L’Internationale Situationniste (1957–1972); Skandinavisk institut for sammenlignende vandalisme (gegr. 1962). 10 Siehe Kurczynski (2008), S. 305. 11 Vgl. Asger Jorn: Alfa og Omega. Second to None, Kopenhagen 1963, S. 151. 12 Die Referenz zu Marcel Duchamps L.H.O.O.Q. Elle es chaud au cul (1919), einer Ikone des Dadaismus, der letzten »echten« Avantgarde, scheint unabwendbar. Ebenso zu sehen sind Pére Ubu von Alfred Jarry als Skelett, Asger Jorns Le Canard inquiétant (1959), sowie, wenn man schon so ins informierte Betrachten übergegangen ist, könnte man noch zusätzlich in den dezenten bunten Flecken auf dem Hintergrund Bezüge zu Jackson Pollock erkennen.
A Die Avantgarde von hinten, 2009, Öl auf Leinwand, 62,5 × 75,5 cm B Asger Jorn, L’avantgarde se rend pas (Die Avantgarde ergibt sich nicht), 1962, Öl auf Leinwand, 73 × 60 cm, Paris, Centre Pompidou
13 Vgl. »Définitions«, in: Internationale situationniste 1 (1958), S. 13 und »Le détournement comme négation et prélude«, in: Internationale situationniste 3 (1959), S. 78–79. 14 [Übers. d. Verf.] Vgl. Asger Jorn, Peinture détournée, in: Ausst.-Kat. Galerie Rive Gauche (1959), o. S. 15 Vgl. »Ein Interview mit Werner Büttner von Roberto Ohrt«, in: Texte zur Kunst 4 (1991), S. 93–94. 16 Siehe Werner Büttner, »Aus dem Sanatorium meiner Hände«, in: Last Lecture Show, Hamburg 2021, S. 191. Jedoch sollte man nicht den Fehler begehen, diese Beschreibungen als reine Ironie einzuordnen. Hierzu Werner Büttner 1986: »Es gibt keine Scherze in unserer Arbeit. Es gibt keine Ironie oder Satire in unserer Arbeit. Das hassen wir. Das bekämpfen wir in unserer Arbeit. Das ist eine unangemessene Art, den Leuten etwas mitzuteilen. Das ist eine schäbige Sicht auf die Welt. Wenn Du Ironie in unserer Arbeit zu erkennen glaubst, so ist das falsch. Sie soll wahr sein.« [Übers. d. Verf.] Vgl. Werner Büttner/Georg Herold/Albert Oehlen, »Können wir vielleicht mal unsere Mutter wiederhaben!«, Ausst.-Kat. Kunstverein in Hamburg, Institute for Contemporary Arts London, Hamburg/London, 1986/87, S. 11. 17 Vgl. »Ein Interview mit Werner Büttner von Roberto Ohrt«, in: Texte zur Kunst 4 (1991), S. 96. 18 Auch zu sehen in Club Niemals (2001), wenn Büttner aus dem über die Tribüne hängenden Transparent, auf dem ursprünglich Club Nîmois (einen Stierkampf-Verein bezeichnend) stand, Club Niemals macht. Oder wenn er wie »nebenbei« die Menge auf den oberen Rängen der Tribüne mit braunen Tupfern und Schlieren »ausradiert«. Siehe Werner Büttner, Club Niemals (2001), Abb. S. 185. 19 Vgl. »Ein Interview mit Werner Büttner von Roberto Ohrt«, in: Texte zur Kunst 4 (1991), S. 101. 20 Vgl. Helmut Draxler, »Grundmythos mit Kausalzusammenhang«, in: Malen ist Wahlen. Büttner. Kippenberger. Oehlen, Ausst.-Kat. Kunstverein München, München 1992, S. 7. 21 Siehe »Ein Interview mit Werner Büttner von Roberto Ohrt«, in: Texte zur Kunst 4 (1991), S. 97. 22 Siehe Kurczynski (2008), S. 296.
Nicht stolpern
erfassen und zu formulieren.« 14 Daraus lässt sich schließen, dass es für Jorn in der Kunst eher darum ginge, eine Art Aufruhr oder zumindest eine Verschiebung zu vollziehen, als ihre »Autonomie« zu bewahren. Die Übermalungen spekulierten vielmehr mit den Sehgewohnheiten der Betrachtenden, die entweder Sympathie oder Antipathie, eine Vorstellung oder Unverständnis entwickelten. Jorn war egal, welches von beiden – das Spiel wurde mit jedem aufgenommen. In einem Interview angesprochen auf die S.I. und deren Einfluss auf ihn, sagt Werner Büttner, dass es ihn ob der simplen Drastik, deren Pathos und der Hilflosigkeit am Herzen rühren würde. Und weiter, schärfer: »Vorbehalte sind abzulehnen, sind feige und arschlöchig, da behält sich jemand vor, im Rechthaben zu sein, statt seine Rechthaberei ins Feuer anständiger, kognitiver Prügeleien zu führen. Damals [gemeint ist die S.I.] war man nicht anti-künstlerisch, man nahm Kunst gar nicht zur Kenntnis.« 15 Seine Avantgarde von hinten ist also zum Abschuss in den Rücken freigegeben. Oder warte, haben wir Mitleid mit ihnen, so ahnungslos, wie sie davonreiten? Jedenfalls bezeichnet er seine Übermalungen gefundener Amateurmalereien als »Verbesserungen«, »Heilungen«.16 Hier verbindet ihn mit Jorn die Hinwendung zu den Menschen, die sich malend mit einer jahrhundertelangen Wiederholung klischeehafter Malereigenres und der »gedankenlosen« Abbildung des Anblicks der Welt beschäftigen. Er sieht in ihnen etwas »als wahr [an], weil dem angemessen, was ich beim Waten durch den Phänomenbrei des Planeten erfahren habe«.17 Beide schöpfen hieraus recht froh von einem Standpunkt professioneller Repräsentanz aus Anlässe für Verschiebungen und Erweiterungen, die alles – die Kunst, die Welt und ihre Entfremdungszusammenhänge – mitnehmen. Anders als bei Jorn, dessen Einsätze eine viel deutlichere metaphorische oder symbolische Zeichenqualität besitzen, bringen Büttners Übermalungen diese »wahren Momente« durch deckende Übermalungen großer Bereiche eher aus dem Bild selbst hervor, er »verbindet« sich malend mit ihnen. Das ist irgendwie liebevoll.18 Andererseits wieder auch verhöhnend, wenn er sie mit scharfer Sprache, die sich über alles stellt, kontextualisiert. Die Bilder in Widersprüche verwickelnd, mit spermaartigen Flecken überspritzend, verunreinigt er die Szenerie, bringt aber auch, malerisch gesehen, das »Beste« aus ihr hervor. Landläufig würde das wahrscheinlich als Provokation eingeordnet werden, und überfliegt man die Literatur der 1980er Jahre, war dies auch so. Büttner weiter: »Eine Gesellschaft mit dieser Menge Widersprüche produziert eine Kunst mit dergleichen Menge Widersprüche. Ich kann da beim besten Willen keinen Widerspruch entdecken, und das dreckige Grinsen des Künstlers beim Signieren ist ewig irrelevant.« 19 Büttner scheint mit den Ideologien über Autonomieverlust der Kunst nicht mehr allzu sehr beschäftigt zu sein, auch nicht mit dem Kunstmarkt oder den internen Problemen der Kunstdiskurse. Zumindest werden die »Ganzheits- und Perfektionsphantasten« mit Verachtung bedacht,20 man will sich lieber inmitten der Kodes aufhalten. Theoretische Diskurse über Kunst werden jedoch teilweise schlecht akzeptiert oder abgeschmettert,21 vergleichbar mit der S.I., die mehr und mehr dazu überging, sich von jeglicher akademischen Diskussion über Kunst abzuwenden und sie ihrem Konzept der Rekuperation unterzuordnen.22 Es scheint aber gerade jedoch bei den Übermalungen Büttners deutlich zu werden, dass es kein Insistieren auf eine vollkommene Negation der vorzuführenden »Wahrheiten« über die Welt und ihre Systeme gibt. Vielmehr scheint hier einer Art doppelten Wegführung Vorschub geleistet zu werden, wenn in einer positiv belegten Auffassung davon, die Welt könne die Malerei verbessern, aber in einem gleichzeitig geführten Umkehrschluss, dass die Malerei nicht die Welt verbessern könne, festgehalten wird, dass die Welt sich an sich nicht schließt, und alle irgendwie damit ringen.23 Die kunsthistorischen Konzepte und Taktiken, die natürlich trotz alledem in dieser Malerei aufscheinen, werden schön zurück unter den Tisch gedrückt und verschleiert, obwohl nicht von der Hand zu weisen ist, dass sie von anderen künstlerischen Diskursen und Konzepten
informiert ist. Auch das mit einem doppelten Grinsen im Gesicht, sodass der Eindruck entsteht, es würde zur Malerei und besonders zur Sprache, die in und mit ihr verwoben in den Titeln angeführt ist, ein besonders intrinsisches Verhältnis gepflegt werden. Dort, so scheint es, ist in gewisser Weise die »Restwürde«,24 von der Werner Büttner spricht, gelagert, und in diesem Raum wird sichergestellt, dass man sich nicht zu sehr am Spektakel beteiligt. Im Kultivieren von Indifferenz der künstlerischen Inszenierung von Ironie liegt jedoch ein bestimmtes traditionelles kritisches Potenzial, an der sich Strategien künstlerischen Handelns, auch historisch, beschreiben lassen, denn »sie potenziert […] die Uneindeutigkeitsfunktion des Ästhetischen. Das kann zweifellos kritisch gemeint sein, hebt aber gleichzeitig die Aussagefunktion und Selbstbehauptung des Kritischen, ihre ›Tugend‹ angesichts widriger Umstände, auf.« 25 Für eine auf solche Weise negierte Negation ist die Abgrenzung von einer formalistischen Avantgarde konstitutiv. So sind Übermalungen eine künstlerische Strategie, die »das Zeichen einer menschlicher Präsenz«, von dem Jorn spricht,26 sowie das Spannungsverhältnis von der inneren und äußeren Bestimmung von Kunst gleichermaßen verhandelt. Die Avantgarde von hinten zu sehen bedeutet, ständige Überschreitungen zu vollziehen, die sich immerwährend von Bezugnahmen im Zaum halten lassen. Denn die Welt ist außerhalb nicht rein, sie ist aber auch nicht rein innerhalb.
23 Eine schöne Geschichte erzählt hierzu Fritz W. Kramer, der als Ethnologe zwischen 1989 und 2007 Kunsttheorie an der Hochschule für bildende Künste Hamburg lehrte: »Meine erste Lektion über das Wirkungspotenzial von Büttners Bildern lernte ich an unserem Stammtisch im Vienna, neben dem ein kleines Bild Büttners hing; es zeigt einen so trostlosen wie unheilvollen Adler, der eine angewelkte Pfefferoni gekrallt hat. Als ›moderne Kunst‹ erkennbar, weder gewöhnlich wie Wandmalereien in Pizzerien noch gediegen wie Gemälde in Edelrestaurants, wird es dort das Anspruchsvolle der Küche wie das noch Unetablierte der Klientel signalisiert haben. Die Einsicht, dass der Adler nicht (nur) Spott auf ein Hoheitszeichen des Staats war, das traurige Gemüse nicht (nur) ein ironisches Understatement, verdanke ich einer jungen Floristin, die eines Tages an den Stammtisch trat, um das Bild zu kaufen; sie kannte den Preis, gehörte aber offensichtlich weder zu den Begüterten noch zu den Fans der Kunstwelt; sie sei lange arbeitslos und niedergeschlagen gewesen und in dieser Zeit oft ins Vienna gegangen, allein um Büttners Bild anzuschauen; schließlich habe sie Tritt gefasst, einen Blumenladen eröffnet und so viel gespart, dass sie es nun kaufen könne. Was sie in dem Bild gesehen hatte, bleibt ihr Geheimnis; ich vermute aber, dass es für sie ein Spiegel ihrer scheinbaren Ausweglosigkeit war, ein taugliches Medium der Selbstreflexion und eine Mahnung, Distanz zu ihrer Misere und zu sich selbst zu nehmen (ohne Titel).« Vgl. Fritz W. Kramer: Unter Künstlern. Erkundungen im Lerchenfeld, Hamburg 2020, S. 84/85. 24 »Entschlüsseln heißt ja, den Schlüssel wegnehmen, heißt entsorgen und entwaffnen und ist Teil des Jobs, […]. Form, Titel und Kontext ergeben Inhalt und einen kleinen, nicht rationalisierbaren Rest, das ist das ganze Geheimnis. Und vermutlich steckt nur in diesem kleinen, nicht rationalisierbaren Rest die Würde des Künstlers.« Vgl. »Ein Interview mit Werner Büttner von Roberto Ohrt«, in: Texte zur Kunst 4 (1991), S. 96. 25 Vgl. Helmut Draxler: Gefährliche Substanzen. Zum Verhältnis von Kritik und Kunst, Berlin 2007, S. 147. 26 Siehe Anmerkung 12.
Melanie Ohnemus
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Werner Büttners Last Lecture Show
Alexander Klar
Werner Büttners »Letzte Vorlesungsausstellung« in der Hamburger Kunsthalle »überfällig« zu nennen, ist eine sicherlich nachvollziehbare Bestandsaufnahme. Nicht dass Hamburg den Künstler nicht für sich erkannt hätte: 1979 schenkte Büttner der Stadt den ersten Büttner’ schen Ausstellungstitel von Rang, der da lautete Enthemmungsprozesse äußern sich am Anfang immer als gute Laune, gezeigt in seinem Atelier in der Fettstraße 7a, vier Jahre später gefolgt von Jenseits konstanter Bemühungen um braven Erfolg in der Produzentengalerie. Der Hamburger Kunstverein zog 1995 nach mit einer Einzelausstellung, die betrüblicherweise keinen herausragenden Titel zu verzeichnen hat, gefolgt von den Deichtorhallen mit dem etwas lahmen Werner Büttner – Verkehrte Welt im Jahr 2003. Nun also die Kunsthalle, und auf den ersten Blick könnte man nächst des späten Zeitpunktes der Retrospektive auch vom Titel Last Lecture Show ein wenig enttäuscht sein. Das allerdings sollte man doch erst einmal hintenanstellen und sich vergegenwärtigen, dass man als Publikum nahezu immer von »letzten« Ausstellungen enttäuscht sein muss, man bekommt ja selten, was man erwartet. Bleiben wir daher erst einmal sachlich: Das Timing von Künstler und Kunsthalle ist eigentlich nichts weniger als perfekt und wir wissen von Groucho Marx, Woody Allen, Harald Schmidt, Sarah Silverman und Carolin Kebekus, dass Timing alles ist. Werner Büttners Last Lecture Show eröffnet in der Hamburger Kunsthalle am Tage der Verabschiedung des Malers aus seiner Lehrtätigkeit als Professor an der Hochschule für bildende Künste Hamburg – hence the title, hence the timing. Seine letzte Vorlesung findet damit in Bildern und vor der Allgemeinheit statt. Hat die akademische Tradition der vergangenen Jahrhunderte das venerable Genre der Antrittsvorlesung zu höchster Blüte geführt, nimmt sich Werner Büttner in der Hamburger Kunsthalle nichts weniger als ein völlig neu zu schaffendes akademisches Format vor: Die Abtrittsvorlesung. Die Ankündigung einer »letzten« Ausstellung ist dabei in ihrer Fallhöhe lediglich mit den letzten Touren großer Bühnenkünstler* innen zu vergleichen, in ihr klingt das lasciate omni speranza ebenso mit wie die knalligen Beklebungen an den Schaufenstern sich auflösender
A
B
Ladengeschäfte. Dem Maler, der die deutsche Sprache in wortmächtigster Weise für sein Werk nutzt, muss übrigens die doppelte Bedeutungsebene des »Abtritts« höchstes Vergnügen bereiten. Dass es durchaus angemessen ist, diesen Text über Werner Büttner mit einer kleinen Improvisation über den Abtritt zu beginnen, sei mit dem Verweis auf das relativ neue Bild Büttner geht von Bord (2020, Abb. S. 50/51) legitimiert, das den Künstler als Scherenschnitt am unteren Treppenlauf der markanten Treppenanlage der HFBK wiedergibt. Die genaue Position des sich selbst ins Bild gemalt habenden Malers ist der sogenannte »Treppenan-« oder auch »-auftritt«. Es ist ein schonungsloser Blick auf den Weg nach unten: Aus der Perspektive der einsamen Figur des Bildes ist diese nahezu am unteren Ende der Treppe angekommen, mithin an dem Ort, an dem man von einem Treppenabtritt sprechen könnte, wenn die architektonische Formenlehre dieses Wort für uns bereithalten würde. Es sind derartige Schonungslosigkeiten, auch gegen sich selbst, die Werner Büttners Werk charakterisieren und auszeichnen. Dem Großmeister der beziehungsreichen Bildtitel, die im Übrigen immer ganz harmlos von schräg unten (da wo das Schildchen üblicherweise hängt) daherkommen, ist also auch hier der Ausstellungstitel zu verdanken, weswegen es sich lohnt, mit der kunsthistorischen Exegese bereits bei diesem Titel zu beginnen. Last Lecture Show lässt sich ableiten aus dem Titel eines amerikanischen Films aus den frühen 1970er Jahren, The Last Picture Show, ein noch (beziehungsweise absichtsvoll) in Schwarz-Weiß gedrehter Film. Seine Erzählung wird zusammengehalten durch das disparate Beziehungsgeflecht einiger Gymnasiast*innen untereinander, aber auch mit den sie umgebenden Erwachsenen. Sexhunger und Verklemmtheit, die Konventionen der amerikanischen Gesellschaft in den flyover countries und der Versuch, diese Konventionen zu durchbrechen, verleihen dem Film Tragik und Vergeblichkeit. Es mag auch das Disparate sein, das Werner Büttner an diesem Film anziehend findet, in jedem Fall sind Tragik und Vergeblichkeit zwei Schlüssel zu den Bildern Büttners. Die Bilder: Komponiert aus dem, was man im Film found footage nennt, entstehen sie aus »gefunAlexander Klar
176
1 Alle Zitate Werner Büttners entstammen einem Gespräch des Autors mit Werner Büttner am 8.5.2021 in seinem Atelier in Geesthacht.
A Badende Russen II, 1984, Öl auf Leinwand, 150 × 190 cm B Studie Schismator, 2020, Öl auf Spanplatte, 39 × 26,5 cm
Last Lecture Show
denen«, vorhandenen Bildern oder Bildfragmenten, die von Büttner in eine Szene oder Szenerie überführt werden. Dem Bild zur Seite gestellt wird ein Text, der gerne auch als Schrift im Bild erscheint, dem Bild aber immer als Titel beigegeben wird. In der Regel ist das Bild da, der Titel kommt hinzu. Werner Büttner: »Es ist eine Form von Freigiebigkeit, der Kunde kriegt ein gutes Bild und eine schöne Formulierung dazu. Der Titel kann einfach nur deskriptiv sein, manchmal ist er eine Deutung, manchmal führt er in die Irre.« 1 Zu ergänzen wäre der Rang seiner Titel als eigenständiger kompositorischer Bestandteil des Bildes, halt nicht im Bild, sondern »schräg unten« (siehe oben). So zu erleben bei dem Bild Badende Russen II (1984, Abb. A): Das Bild war geboren aus einem Foto, auf diesem: Stiefel am Strand, mit Uniform, allerdings keine »Russen«. Diese komponiert der Maler im Bildtitel dazu und platziert sie »schräg unten«. Schrift und Text treiben also sowohl die Komposition als auch die Bildaussage voran, wobei, Halt!, wie steht es mit der Bild»aussage«? Werner Büttners Bilder gehören zu der raren Sorte von Gemälden, vor denen man sich mit Fug und Recht fragen kann: »Was will uns der Künstler hier sagen?« Denn Werner Büttner »sagt« tatsächlich etwas, er sagt es in Bild und Wort und – bitte – in dieser Reihenfolge, denn er ist Maler und nicht Sager. Und doch ist das »Oratorische« seiner Kunst eines der herausragenden Charaktermerkmale seiner Werke. Dies wird nachvollziehbar in der kleinen Arbeit Schismator (2020, Abb. B): Dargestellt ist der tote Martin Luther, wie ihn Lukas Furtenagel (oder ein namentlich nicht bekannter Maler) 1546 auf dem Totenbett wiedergegeben hat. Das von Werner Büttner gefundene Bild wurde von ihm malerisch überarbeitet und deutlich verbessert: So strahlt das ehemals weiße Totengewand nun in leuchtendem Blau, dessen radial aufgetragene Pinselspuren dem Kopf einen inversen, also unter dem Kopf befindlichen, Nimbus hinzufügen. Unter diesem wiederum befindet sich auf einem als Gold lesbaren Grund das Wort SCHISMATOR . Dem ikonischen Bild des toten Luther ist nun das Wort beigegeben und das Wort klagt an. Der Reformator ist hier zum Schismator geworden, zum »Spalter«, zur Ursache der protestantischen Abspaltung vom einzig wahren katholischen Glauben. Es ist dies eine typische Büttner’sche Wortschöpfung, die nicht von ungefähr zwischen »Reformator« und »Terminator« oszilliert. Eine weitere große Arbeit, die ebenfalls Luther und das Wort SCHISMATOR zum Inhalt hat (2020, Abb. C), greift das Cranach-Porträt Luthers von 1530 auf. Dem milde blickenden Luther gegenübergestellt, nimmt der Begriff noch einmal eine andere Nuance an: Liest sich beim toten Luther das Wort als Anklage (nicht umsonst wurde es kraftvoll unterstrichen), so steht es in diesem Bild fast beiläufig, in Versalien zwar, aber in der Tradition einer Renaissancebeschriftung mit Stifternamen. Der Schismator als Stifter der protestantischen Methode sozusagen. Im Begriff Schisma klingt der der Glaubensspaltung inhärente Begriff des Glaubens mit, aber auch der Abfall von jeglicher reinen Lehre, ein Aspekt, der im Leben Werner Büttners nicht zu vernachlässigen ist: In Jena gebürtig, wäre Büttner nach eigener Aussage »in der DDR sicher kein Maler geworden, sondern hätte Parteikarriere gemacht. Wären wir in der DDR geblieben, wäre ich 1989 Egon Krenz gewesen.« Der Wechsel »in den Westen« stimmte den jungen Werner Büttner allerdings nicht milder: »Liebevoll stehe ich dieser Gesellschaft bestimmt nicht gegenüber, das kann man mir nicht nachsagen. Ich beobachte alle Systeme mit Skepsis und Misstrauen. Dieses Urunvertrauen ist wohl das Resultat der Heimatlosigkeit.« Seine Nähe zu den Professoren der HFBK und der private Austausch mit eminenten Professoren wie Sigmar Polke, Ulrich Rückriem, Franz Erhard Walther und ebenso eminenten Studenten wie Martin Kippenberger, Albert Oehlen, Hubert Kiecol und Georg Herold, die dort seit beziehungsweise um 1979 studierten, garantierte seine Mittäterschaft am damals abrollenden Diskurs der Gegenwartskunst, ganz besonders dem der Malerei. Einerseits stolzer Autodidakt, andererseits frühzeitig Beteiligter an der gegenseitigen
Erziehung zur Auseinandersetzung mit den Härten des Genres: »Gute Studenten erziehen sich gegenseitig, das darf ruhig hart sein. Das war das Gute an Oehlen und Kippenberger, die konnten einstecken. Wir haben kübelweise Spott übereinander ausgeschüttet.« Daneben arbeiteten Büttner und Oehlen bei Springer in der Stereotypie und machten ihre Erfahrungen mit der Gewerkschaft. Das Widersprüchliche, Inkongruente und Absurde fand sich im Hamburg der Achtzigerjahre mühelos eingefangen: »Als wir herkamen, war das eine große, fette, saubere sozialdemokratische Stadt. Die Musikszene war lebendig, die Kunstszene kaum existent. Idealer Boden also. Ich hätte in jeder anderen großen Stadt leben können, aber München und Berlin kannte ich, da blieb nur noch Hamburg über.« Hamburg, die Stadt, in der Schanze und Hafenstraße koexistieren mit den Villenvierteln am Elbhang und Harvestehuder Weg, Hamburg, die Hansestadt, die immer eine Kaufmannsrepublik war, in der weder Fürsten noch der gemeine Bürger viel zu sagen hatten, Hamburg also war in seiner eklatanten Widersprüchlichkeit der beste Nährboden, den die rebellisch gesonnene, humorbegabte und malerisch avancierte Gruppe um Büttner, Oehlen und Kippenberger für ihre Arbeit finden konnten. Folgerichtig ging es auch technisch um Disparates: »In den Achtzigern und Neunzigern bereitete ich die Bilder mit klassischen Skizzen vor. Danach gingen die Bildideen auf Collagen zurück. In der Collage kommen Sachen zusammen, die nicht zusammengehören, trotzdem bella figura machen und vielleicht mit Sinn infiziert sind.« Gut heißt für Werner Büttner: absurd, überraschend, nicht ausdenkbar. Noch nie gesehen, macht aber Sinn. Die tiefer bohrende Frage, was ein gutes Bild ausmacht, beantwortet Werner Büttner heute, wie er sie damals beantwortet hätte, mit: »Ach herrjeh. Da muss ich auf den Kollegen Magritte zurückgreifen, der sagt, wenn ich schreibe, will ich etwas schreiben, das ich noch nicht gelesen habe, wenn ich etwas male, dann male ich, was ich noch nicht gesehen habe.« C
Alexander Klar
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C Schismator, 2020, Öl auf Leinwand, 150 × 120 cm D Gefangener, leicht angefoltert, 2017, Öl auf Leinwand, 150 × 120 cm E Die beiden Schurken links und rechts, 2019, Öl auf Leinwand, 80 × 80 cm F Posaunenengel nach Dürer, 2019, Öl auf Leinwand, 190 × 150 cm
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Die Suche nach Bildern und die Suche nach der diese Bilder beschreibenden Sprache ist der wesentliche Antrieb der jungen, wilden Hamburger Malerschaft. Begleitet (oder angestachelt?) von den HFBK-Professoren Sigmar Polke, Ulrich Rückriem und Franz Erhard Walther treiben die drei die Malerei in eine bissige, schmissige Bilderorgie, die sich der Farbe wie der Sprache bedient, in beiden Fällen mit dem Hang zum kontrastreichen Knaller. Dieses bis in die Gegenwart getrieben zu haben, ist eines der Verdienste Werner Büttners: Gefangener, leicht angefoltert (2017, Abb. D) legt davon Zeugnis ab. Da sitzt der Schmerzensmann im Lendenschurz und mit Dornenkrone in der rechten Bildecke und wartet auf den Fortgang der Folterung. »Behind the scenes of the crucification« möchte man im Neusprech der Zeit anmerken und feststellen, dass Werner Büttner regelmäßig die Abteilung Glauben und Zweifeln besucht, um pointierte Bildfindungen präsentieren zu können. In der Chronologie schließen sich dem Gefangenen dann auch gleich Die beiden Schurken links und rechts (2019, Abb. E) an. Fehlt nur noch die Apokalypse und die hat Büttner auch im Köcher, in Form des Posaunenengel der Apokalypse nach Dürer (2019, Abb. F). Es sind – nächst dem (Un-)Glauben – die Kunstgeschichte, die Philosophie und die Literatur die liebsten Sujets Werner Büttners. Wo kommen dabei all die Bilder her? Kommen sie eher aus Lektüre (Zeitung, Literatur, Belletristik, Poetik, Drama) oder entstammen sie der Rezeption anderer Bilder (eigener wie fremder)? »Das kann alles sein. Bilder kommen von Bildern, deswegen sollte man Milliarden abgespeichert haben, um zu sehen, ob das eigene Bild etwas taugt. Der Bildfindungsblitz kann einschlagen, wenn ich das Bild eines Kollegen sehe, bei der SPIEGEL-Lektüre und beim Blick aus dem Fenster.« Werner Büttners Kunst changiert, fast möchte man sagen: oszilliert zwischen Bild und Wort. Es ist Malerei, die der Sprache ebenso verpflichtet ist wie dem ikonischen Bild. In beiden Fällen, Sprache wie Bild, dominiert das Ambivalente, aber auch das Unsagbare, am Ende sogar das Unmalbare. Dies ist, während sich vor unseren Augen regelmäßig neue Tabus und Unsagbarkeiten auftun, eine eminente Leistung. Last Lecture Show
Jedes Leben ist auch ein verpfuschtes Leben, 1990, 62 × 62 cm, farbiger Linolschnitt
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Aus dem Sanatorium meiner Hände
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Die Tücke der Subjekte, 2008
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Die Tage rennen davon wie edle Rösser über den Hügel …, 2003
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Club Niemals, 2001
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Fischmörder, 2001 Gnostische Hortensien, 1996
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Das leidende Patriarchat, 1996
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Menschlicher Nebel, 1997
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Die Avantgarde von hinten, 2009
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Ex Voto, 2005 Am »Der Königsee«, 1989
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Seit Langem schon barmen mich gewisse Bilder, die auf Flohmärkten herumlungern, diesen schlimmen Orten, nach denen nur noch die Müllkippe und die damnatio memoriae kommt. Ich versuche, sie zu retten, dem Heil, der Heilung zuzuführen. Gewisse Kollegen von mir waren in diesem Bereich ebenfalls tätig. Asger Jorn hat in seinen Übermalungen von anderen eher gedemütigt, sie als Resonanzboden benutzt, um die eigene malerische Manier umso lauter hörbar zu machen. Jim Shaw hat sie einfach nur gesammelt und in dem Buch Thrift Store Paintings in guter Pop-Art-Tradition unkommentiert abgedruckt. Ein hübsches Buch und auch folgerichtig finanziert von Ed Ruscha. Das ist nicht meine Art. Mit Liebe heilen, also arg a-avantgardistisch, hinzufügen und wegnehmen, um würdevoll leben zu lassen, ist mein Ansatz. Die rettungsfähigen Bilder der Laien, denn nicht alles aus schlimmen Orten ist zu retten, da muss schon der Keim eines möglichen Heils enthalten sein, diese speziellen Bilder lasse ich durch das Sanatorium meiner Hände gehen. Der Laie (laicus – dem Volk zugehörig) ist das Gegenüber des Priesters, des Eingeweihten, des Wächters des Dogmas. Der Laie ist der Nichteingeweihte, er weiß nicht um die Geheimnisse des Dogmas, er stolpert in souveräner Unwissenheit in das Mysterium Bild und kann, als fruchtbringende Sau, durchaus beachtenswerte Flurschäden anrichten. Der Laie, so er sich hinsetzt und malt, legt meist alles, was er über die Welt weiß, in das Bild und oft muss man nur wegnehmen und ein gutes Bild tritt hervor. Auch sein Unbewusstes spielt ihm manch drolligen malerischen Streich. Oder er verunglückt auf der Leinwand so katastrophal glücklich, dass man Unglück und Innovation nicht mehr unterscheiden kann. So in etwa und keineswegs abschließend stehen die Dinge, wenn die Hefe des Volkes malt und mit gehörigem Respekt um das geahnte Dogma schleicht. Ich aber gucke, kaufe und schleppe sie zur Behandlung in mein Atelier.
Dort stehen sie manchmal Jahre, bis ich sehe, wo operiert und eingegriffen werden muss. Nach gelungener Operation bin ich oftmals selbst überrascht, was diese doch etwas an Dr. Frankenstein erinnernde Vorgehensweise für seltsame Bilder hervorbringen kann. Manche überraschen mich motivierend so sehr, dass ich ihnen, sie in meiner eigenen Manier noch einmal größer malend, Respekt erwies, vulgo, ich kopierte sie. So Die Avantgarde von hinten, Die Tage rennen davon wie edle Rösser über den Hügel oder Wolfsnachkomme mit Ersatzknochen. Die Bilderfindungen der unbekannten Laien zusammen mit der Heilkraft meiner Hände hatten meine eigene Vorstellungskraft beschämt und mussten durch Wiederholungen im eigenen Stil überwunden und appropriiert werden. Damit die Welt wieder mein wird. Die Qualität der Flohmärkte nimmt ab. Dies mag damit zu tun haben, dass es kaum noch ein Produkt gibt, dem der Wert »Dauer« innewohnt. Ein Dachstuhl soll noch dreißig Jahre halten. Ich könnte darunter nicht dauern. Die darin aufscheinende Unterwerfung unter die Kürze des individuellen Daseins würde mich verstimmen.
Werner Büttner
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Der Ursprung des Landlebens, 2007
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Die Toteninsel, 2007
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Killed by Death, 2007 Das arme Arachne, 1997
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Mümmelmann, 2012
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Studie Faktischer Imperativ (Beute!), 2019
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Studie Size Matters, 2019 Genderneutrale Kaminszene (Knaben mit Mädchenfrisuren aus der präkorrekten Ära), 2019
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Viecher, 1989
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Studie Wolfsnachkomme mit Ersatzknochen, 2019
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Aus dem Leben der Götter Aus dem Leben der Loser
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Großer Auftritt, 2021
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Ein ganz, ganz lieber Gott, 2012
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Johannes, der angenehm Beutelose, 2014
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Kulturszene, 2014
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Schmerzensmann, 2005
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Ein Gott grüßt aus großer Ferne, 2021
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Christus versucht Besuch, 2019
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153
Moral bereichert die kleinen Hütten, 2011
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Laika, sowjetische Straßenhündin, versetzt unter die Sterne, 2020
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Deponie, 2004
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Spätantikes Graffiti (Verhöhnung des Alamenos), 2018
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Symbol mit Brillenhämatom, 2016
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VII
Die Witwe des Drogenbarons, 2016
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Pan, Penetrator der Obstdiebe, und Spielkameradin, 2019
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For Lovers of Executions, 2020
168
218
Also sprach der Aphoristiker Friedrich Nietzsche: »Wissenschaft entsteht, wenn die Götter nicht gut gedacht werden.« Der Umkehrschluss ist, Götter gedeihen auf schlechtem Wissen. Was sich mit unseren Vorurteilen über alle vergangenen Zeiten deckt. Doch Götter entstehen, wenn in einer Gemeinschaft jemand eine Hierarchie als übernatürlich legitimiert erscheinen lassen möchte. Zunächst im Familienverband, wenn Papa oder Mama das Sagen und die Gewalt haben wollen (Patriarchat, Matriarchat). Dann in den ersten Siedlungsverbänden, den antiken Stadtstaaten, den Imperien bis hin zu den modernen Nationalstaaten. Immer ging es darum, die üppige Ernährung von nichtproduzierenden Eliten dem Rest der produzierenden Bevölkerung als gottgewollt schmackhaft zu machen. Die Aufgabe der Götter war es immer und überall, Hierarchie, altgriechisch »Heilige Herrschaft«, zu beglaubigen und zu verstetigen. Wir können davon ausgehen, dass im Laufe der Menschheitsgeschichte die mythengestützten Eliten ein relativ angenehmes Leben hatten, während der große Rest zu allen Zeiten ein elendes Dasein fristete. Es erschien mir stimmig, das Kapitel »Aus dem Leben der Götter« nahtlos in »Aus dem Leben der Loser« übergehen zu lassen, die Spitze und den Bodensatz der Hierarchie zu verschmelzen. »Loser« ist ein Begriff neueren Datums, mit dem sich gern Jugendliche bewerfen. Auch in Popsongs und Hollywoodfilmen taucht er auf. Er meint heute in erster Linie »Versager« und betont damit die persönliche Verantwortung für die eigene Misere, während frühere Begriffe wie Sklave, Elender, Paria, Plebejer oder Verlierer doch eher die schicksalhafte Komponente des »Ganz-unten-Seins« aufriefen. »Loser« ist ein Begriff des Spätkapitalismus und Leistung ist sein »Heiliger Geist«. Kommt es zu einer gesellschaftlichen Krise, so sind sich fast alle einig, dass die Kosten der Krise von denen ganz unten getragen werden müssen. Eine Lösung, die zum rauen Ton der Schöpfung passt. Auch mein Vater, wahrlich kein Angehöriger der Gewinnerschicht, hatte den Tenor verinnerlicht: »Selber fressen macht fett«, war eine seiner Lieblingsbotschaften.
Wie ist nun »Laika«, die sowjetische Straßenhündin, in meine Götterabteilung geraten? Die Hündin »Laika«, zu Deutsch »Kläffer«, vermutlich wie ich 1954 geboren – doch auf Moskaus Straßen –, wurde 1957 als erstes Lebewesen mit »Sputnik 2« in den Weltraum geschossen. »Laika« ist von den Sowjets unter die Sterne versetzt worden. Und unter die Sterne versetzt zu werden, ist ein antiker Ausweis der Gottwerdung, in diesem Falle Göttinwerdung. Der Flug des Kläffers versetzte die Amerikaner in Panik. Der Flug der Straßenhündin bereitete auch den erfolgreichen Flug von Juri Gagarin vor, der erste Mensch, der zu den Sternen flog, allerdings zurückkam, weswegen er kein Gott, sondern nur ein Star ist. Es gab einmal Menschen, deren staunenswerte Aura sie zum Ziel von Verehrung werden ließ. In der Antike waren es die »Weisen«, später die »Heiligen«, dann kurz »Genies«, seit kurzen »Stars« und seit ganz Kurzem »Celebrities«. Diese Reihe stützt eindrücklich Max Webers Beobachtung, dass das charismatische Potenzial der Menschheit rapide abnimmt. Eine zeitgenössische Initiative versucht, durch emphatischere Begriffe die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Da wird dann das »Unkraut« zum »unerwünschten Beikraut« und der »Elende« zum »vom Leben Defavorisierten«. Im letzteren Fall muss ich Einspruch erheben. Hier wurde nicht vom Leben defavorisiert, sondern von der Hierarchie, der Heiligen Herrschaft.
Werner Büttner
220
Angeschlagene Figur, 2004
VII
35
Hooligans, 1990
19
222
Triumph des Parasiten, 1998
VII
27
Machtwechsel, 2006
224
45
VII
Vom Leben Defavorisiertes, 2017
131
226
Nach der Saalschlacht mit Stuhlbeinen, ihretwegen …, 2016
VII
115
Ausgebrannter Hengst, 2018
135
228
Hello Cruel World, 2012
VII
77
Drei Landser auf dem Heimweg, 1988
230
8
VII
Nach der Straßenschlacht, 2014
86
232
Werkliste
234
1 1983 IV → Seite 111 Maternité 190 × 150 cm Öl auf Leinwand 2 1983 II → 56/57 Stillleben mit Rochen und Sonderangebot 150 × 190 cm Öl auf Leinwand [nur Katalog] 3 1984 IV → 114 Ehepaar von außen 190 × 150 cm Öl auf Leinwand [nur Katalog] 4 1985 IV → 117 A und E 150 × 120 cm Öl auf Leinwand 5 1985 I → 42/43 Meine Frau, schlafend 150 × 190 cm Öl auf Leinwand 6 1986 IV → 130/131 Russische Hochzeit 190 × 240 cm Öl auf Leinwand 7 1988 I → 44 Ampel in Jena 190 × 150 cm Öl auf Leinwand 8 1988 VII → 230/231 Drei Landser auf dem Heimweg 190 × 190 cm Öl auf Leinwand 9 1988 II → 55 Überfahrender Hippie im ägyptischen Stil 150 × 120 cm Öl auf Leinwand [nur Katalog] 10 1988 I → 30 Vom Krankenbett aus grüße ich alle ehrlichen Menschen 190 × 150 cm Öl auf Leinwand [nur Katalog] 11 1989 VI → 190 Am »Der Königsee« 39 × 33 cm Öl auf Leinwand 12 1989 I → 32/33 Bloß keine Illusionen 190 × 190 cm Öl auf Leinwand 13 1989 V → 155 Keiler 150 × 150 cm Öl auf Leinwand 14 1989 II → 65 Selbst in De-Chirico-Pose 150 × 120 cm Öl auf Leinwand [nur Katalog] 15 1989 VI → 199 Viecher 31 × 59 cm Öl auf Leinwand
Werkliste
16 1990 I → 29 Der Künstler im Zeitalter der Fernbedienung 150 × 150 cm Öl auf Leinwand 17 1990 I → 28 Der Künstler reißt sich als Baby die Windeln vom Leib 150 × 150 cm Öl auf Leinwand [nur Katalog] 18 1990 II → 72 Der Mann der »Evil« geschrieben hat 240 × 190 cm Öl auf Leinwand [nur Katalog] 19 1990 VII → 222 Hooligans 150 × 150 cm Öl auf Leinwand 20 1996 VI → 187 Das leidende Patriarchat 65 × 94 cm Öl auf Leinwand 21 1996 VI → 186 Gnostische Hortensien 40 × 38,5 cm Öl auf Leinwand [nur Katalog] 22 1997 IV → 125 Antagonismushaken 65 × 54 cm Öl auf Leinwand 23 1997 VI → 195 Das arme Arachne 30 × 20 cm Öl auf Leinwand [nur Katalog] 24 1997 VI → 188 Menschlicher Nebel 36 × 48 cm Öl auf Leinwand 25 1998 I → 35 Anpfiff zur Biografie 50 × 50 cm Öl auf Leinwand 26 1998 V → 151 Glühende Heide 50 × 50 cm Öl auf Leinwand 27 1998 VII → 223 Triumph des Parasiten 190 × 150 cm Öl auf Leinwand 28 1999 II → 57 Das leckere Ungeheuer 50 × 50 cm Öl auf Leinwand 29 1999 V → 150 Großer erlegter Kranich nach Oudry 190 × 150 cm Öl auf Leinwand 30 2001 VI → 185 Club Niemals 52 × 60 cm Öl auf Leinwand 31 2001 VI → 186 Fischmörder 64 × 47 cm Öl auf Leinwand 32 2001 III → 76 Gebenedeite Scheußlichkeit 32 × 24 cm Collage
1 – 32
33 2003 VI → 184 Die Tage rennen davon wie edle Rösser über den Hügel … 80 × 120 cm Öl auf Leinwand 34 2003 I → 31 Quel début! 80 × 120 cm Öl auf Leinwand [nur Katalog] 35 2004 VII → 221 Angeschlagene Figur 240 × 190 cm Öl auf Leinwand 36 2004 VII → 212 Deponie 120 × 980 cm Öl auf Leinwand [nur Katalog] 37 2004 I → 36 Selbst im NSU 80 × 120 cm Öl auf Leinwand 38 2004 I → 37 Vorstadtszene 80 × 120 cm Öl auf Leinwand 39 2004 II → 61 Ziege mit Bewunderer 120 × 80 cm Öl auf Leinwand [nur Katalog] 40 2005 V → 136/137 Der Bluff des Bäckers 150 × 190 cm Öl auf Leinwand 41 2005 I → 38 Die Eisvogelattacke 190 × 150 cm Öl auf Leinwand 42 2005 V → 164 Ein weites Feld des Weinens 190 × 150 cm Öl auf Leinwand [nur Katalog] 43 2005 VI → 190 Ex Voto 40 × 50 cm Öl auf Leinwand 44 2005 VII → 207 Schmerzensmann 190 × 150 cm Öl auf Leinwand 45 2006 VII → 224/225 Machtwechsel 190 × 190 cm Öl auf Leinwand 46 2007 V → 140/141 Alpharüde 190 × 190 cm Öl auf Leinwand [nur Katalog] 47 2007 VI → 193 Der Ursprung des Landlebens 70 × 100 cm Öl auf Leinwand 48 2007 VI → 194 Die Toteninsel 69 × 48 cm Öl auf Leinwand 49 2007 I → 52 Es muss also keiner als der enden, der er heute ist 190 × 150 cm Öl auf Leinwand [nur Katalog]
50 2007 VI → 195 Killed by Death 55 × 44 cm Öl auf Leinwand 51 2007 IV → 121 Rosenscharmützel 190 × 150 cm Öl auf Leinwand 52 2007 IV → 118 Sumpfruf 240 × 190 cm Öl auf Leinwand [nur Katalog] 53 2008 VI → 183 Die Tücke der Subjekte 230 × 160 cm Öl auf Leinwand 54 2009 VI → 189 Die Avantgarde von hinten 62,5 × 75,5 cm Öl auf Leinwand 55 2011 V → 144/145 Alles so herrlich zu sehn, und so schrecklich zu sein … 190 × 190 cm Öl auf Leinwand [nur Katalog] 56 2011 III → 77 Bester Sex aller Zeiten 32 × 24 cm Collage 57 2011 III → 76 Blick zurück durch Form 32 × 24 cm Collage 58 2011 V → 162/163 Blühender Rammler 190 × 190 cm Öl auf Leinwand [nur Katalog] 59 2011 IV → 132 Ein Stammbaum zum Barmen 150 × 120 cm Öl auf Leinwand 60 2011 II → 71 Entrücktheit für Fortgeschrittene 150 × 120 cm Öl auf Leinwand 61 2011 III → 76 Missverständnis 32 × 24 cm Collage 62 2011 VII → 210 Moral bereichert die kleinen Hütten 190 × 150 cm Öl auf Leinwand [nur Katalog] 63 2011 III → 76 Rätselhaftes Menschenwerk 32 × 24 cm Collage 64 2011 V → 138 Schlecht beleuchteter Weg der Weisheit 150 × 120 cm Öl auf Leinwand [nur Katalog]
236
Werkereignisort I
Werkliste
33 – 64
65 2012 III → 77 Am siebten Tag aber war Ruhe … 32 × 24 cm Collage 66 2012 III → 77 Besuch bei Luther … 32 × 24 cm Collage 67 2012 III → 77 Der Tod ist ein Skandal, der zu uns passt … 32 × 24 cm Collage 68 2012 III → 79 Der Vorschlag, die Wahrheit zu sagen, ist nicht einmal amüsant … 32 × 24 cm Collage 69 2012 III → 78 Die neurotische Perspektive 32 × 24 cm Collage 70 2012 III → 79 Die Poesie ist die Muttersprache des menschlichen Geschlechts, sagt Herder … 32 × 24 cm Collage 71 2012 VII → 204 Ein ganz, ganz lieber Gott 150 × 120 cm Öl auf Leinwand 72 2012 III → 78 Eine simpel gestrickte Legende ist kognitiv attraktiver als deren komplexe Widerlegung … 32 × 24 cm Collage 73 2012 III → 78 Fun Fatal 32 × 24 cm Collage 74 2012 III → 79 Fundgrube Nachbarschaft 32 × 24 cm Collage 75 2012 III → 79 Geborgenheit im Geschrei … 32 × 24 cm Collage 76 2012 III → 78 Geborgenheit kann einen überall anfallen … 32 × 24 cm Collage 77 2012 VII → 229 Hello Cruel World 150 × 120 cm Öl auf Leinwand 78 2012 VI → 196 Mümmelmann 37 × 45 cm Öl auf Leinwand 79 2012 III → 80 Verschwörungen sind leichter zu akzeptieren als die Kamikazeangriffe des Zufalls 32 × 24 cm Collage 80 2013 III → 80 Die Botox-Verschwörung 32 × 24 cm Collage
81 2013 III → 80 Dieses Kind wird sich totsaufen … 32 × 24 cm Collage 82 2013 III → 80 Frauen, die sich geliebt wähnen, überleben die Statistik … 32 × 24 cm Collage 83 2013 III → 82 Gut verschwendete Zeit 32 × 24 cm Collage 84 2014 VII → 205 Johannes, der angenehm Beutelose 150 × 120 cm Öl auf Leinwand 85 2014 VII → 206 Kulturszene 190 × 150 cm Öl auf Leinwand [nur Katalog] 86 2014 VII → 232 Nach der Straßenschlacht 190 × 150 cm Öl auf Leinwand 87 2014 I → 45 Neben Kot und Urin wirst Du auf diese Welt gedrückt 150 × 120 cm Öl auf Leinwand 88 2015 III → 81 Angst – die gekrönte Konstante … 32 × 24 cm Collage 89 2015 III → 81 Artgerechtes Schicksal … 32 × 24 cm Collage 90 2015 III → 81 Der geduldige Götze … 32 × 24 cm Collage 91 2015 III → 81 Die Fähigkeit zu einer halbwegs akkuraten Selbsteinschätzung entscheidet wesentlich, wie ein Leben verläuft … 32 × 24 cm Collage 92 2015 III → 82 Die Gnade des Arbeitsplatzes … 32 × 24 cm Collage 93 2015 III → 82 Die Internationale der Leidtragenden kennt keine Nachwuchssorgen … 32 × 24 cm Collage 94 2015 III → 82 Die Wacht am Revier 32 × 24 cm Collage
238
95 2015 III → 85 Eine Lehre vom Menschen kann nicht wissenschaftlich sein … 32 × 24 cm Collage 96 2015 III → 85 Goethe, seine Rezeption beschmunzelnd … 32 × 24 cm Collage 97 2015 III → 86 Im Gegensatz zu vielen meiner Kollegen war ich auch eine gute Hausfrau … 32 × 24 cm Collage 98 2015 V → 154 Irrender Wurm 60 × 50 cm Öl auf Leinwand 99 2015 III → 85 Kein Raum ohne Belästigung … 32 × 24 cm Collage 100 2015 V → 158/159 Megastrenge Komposition 150 × 190 cm Öl auf Leinwand [nur Katalog] 101 2015 III → 85 Selfie für Mama 32 × 24 cm Collage 102 2015 III → 86 Vom Glück und seinen Glasknochen … 32 × 24 cm Collage 103 2015 III → 86 Wenn das Böse siegt, ist dann endlich Ruhe? 32 × 24 cm Collage 104 2015 III → 86 Zwei Mumien, die Uhr ernst nehmend … 32 × 24 cm Collage 105 2016 III → 87 Das unsterbliche Staunen 32 × 24 cm Collage 106 2016 III → 87 Die existenzielle Banalität ist alternativlos geworden … 32 × 24 cm Collage 107 2016 III → 87 Die Humorlosigkeit der Historiker gebiert weitere Ungeheuer 32 × 24 cm Collage 108 2016 III → 87 Die schöne Scheidung 32 × 24 cm Collage 109 2016 VII → 216 Die Witwe des Drogenbarons 150 × 120 cm Öl auf Leinwand 110 2016 IV → 126/127 Diesmal »Made in Germany« 150 × 190 cm Öl auf Leinwand
Werkliste
111 2016 III → 88 Ein Hauch guter alter Zeit 32 × 24 cm Collage 112 2016 III → 88 Ekelhafte Symbolik 32 × 24 cm Collage 113 2016 III → 88 Fatal orientierte Blechbläser 32 × 24 cm Collage 114 2016 I → 49 Heere der Traurigkeit 150 × 120 cm Öl auf Leinwand 115 2016 VII → 227 Nach der Saalschlacht mit Stuhlbeinen, ihretwegen … 150 × 120 cm Öl auf Leinwand 116 2016 IV → 129 Nestbauenthusiasten 150 × 120 cm Öl auf Leinwand 117 2016 III → 88 Porträt einer Tante 32 × 24 cm Collage 118 2016 III → 89 Rochenembryo an Vogerlsalat 32 × 24 cm Collage 119 2016 V → 156/157 Stillleben mit fünf abgelaufenen Füßchen 150 × 190 cm Öl auf Leinwand 120 2016 VII → 214/215 Symbol mit Brillenhämatom 190 × 190 cm Öl auf Leinwand 121 2016 III → 89 Unser tägliches Detail 32 × 24 cm Collage 122 2016 III → 89 Vermutlich wird auch der Tod eine Enttäuschung sein … 32 × 24 cm Collage 123 2017 III → 89 Chor der Jasager 32 × 24 cm Collage 124 2017 II → 62 Danke Frankreich (für Monsieur Monet und Höhle Lascaux) 150 × 120 cm Öl auf Leinwand 125 2017 III → 90 Die beste DNA liegt eh auf den letzten Schlachtfeldern, pflegte meine vorletzte Schwiegermutter immer zu sagen … 32 × 24 cm Collage
65 – 125
Werkereignisort II
240
126 2017 III → 91 Die Traurigkeit mit Grund 32 × 24 cm Collage 127 2017 III → 90 Die Zärtlichkeit der Würgefeige 32 × 24 cm Collage 128 2017 III → 90 Immer in Gedanken – ein sicheres Asyl … 32 × 24 cm Collage 129 2017 III → 90 Jede starke Weltanschauung reduziert Angst 32 × 24 cm Collage 130 2017 II → 60 Käfigszene 150 × 120 cm Öl auf Leinwand 131 2017 VII → 226 Vom Leben Defavorisiertes 150 × 120 cm Öl auf Leinwand 132 2017 I → 46/47 Von Geworfenheit und Verstrickung 190 × 240 cm Öl auf Leinwand 133 2017 V → 149 Zarte Darstellung des Serienkillers 150 × 120 cm Öl auf Leinwand [nur Katalog] 134 2018 III → 91 Appetitloses Wesen 32 × 24 cm Collage 135 2018 VII → 228 Ausgebrannter Hengst 190 × 150 cm Öl auf Leinwand 136 2018 I → 34 Credo 190 × 150 cm Öl auf Leinwand 137 2018 II → 58 Die Nase – ein Stück stabile Wirklichkeit 150 × 120 cm Öl auf Leinwand 138 2018 III → 91 Gleichwohl darf niemand etwas so besitzen, als sei es sein Eigentum, außer vielleicht die Lüge (Augustinus) 32 × 24 cm Collage 139 2018 II → 68 Graue Mädchen vor phallischer Form 150 × 120 cm Öl auf Leinwand
Werkliste
140 2018 IV → 122/123 Im Reich der Sinne 190 × 190 cm Öl auf Leinwand 141 2018 II → 59 Kaiser Karl V. hebt den Pinsel von Tizian auf 150 × 120 cm Öl auf Leinwand 142 2018 IV → 116 Klonen in der Familie (Vater und Sohn) 150 × 120 cm Öl auf Leinwand 143 2018 III → 91 Nur die Wirklichkeit darf es wagen, so zu sein 32 × 24 cm Collage 144 2018 II → 66/67 Originelle Kopie (Frauenraub nach Goya) 190 × 190 cm Öl auf Leinwand 145 2018 III → 92 Radikaler Brutpflegeplan 32 × 24 cm Collage 146 2018 III → 92 Spätantikes Graffiti (Verhöhnung des Alamenos) 32 × 24 cm Collage 147 2018 VII → 213 Spätantikes Graffiti (Verhöhnung des Alamenos) 150 × 120 cm Öl auf Leinwand [nur Katalog] 148 2018 III → 92 Spitzel 32 × 24 cm Collage 149 2018 I → 41 Stacheln – ein Vorteil für’s Leben 190 × 150 cm Öl auf Leinwand 150 2018 I → 48 Warum nicht aussterben? 240 × 190 cm Öl auf Leinwand 151 2018 III → 92 Zarte Warnung vor den Eskapaden des Fleisches 32 × 24 cm Collage 152 2019 V → 135 Arktis Negativ 190 × 150 cm Öl auf Leinwand 153 2019 VII → 209 Christus versucht Besuch 150 × 120 cm Öl auf Leinwand 154 2019 IV → 112/113 Dasein will Paarsein 150 × 190 cm Öl auf Leinwand 155 2019 V → 139 Ein Leben für die Dauer (In Memoriam Lonesome George) 150 × 120 cm Öl auf Leinwand
126 – 155
156 2019 V → 152/153 Entertainment 150 × 190 cm Öl auf Leinwand [nur Katalog] 157 2019 VI → 198 Genderneutrale Kaminszene (Knaben mit Mädchenfrisuren aus der präkorrekten Ära) 36 × 25,5 cm Öl auf Spanplatte 158 2019 VII → 217 Pan, Penetrator der Obstdiebe, und Spielkameradin 150 × 120 cm Öl auf Leinwand 159 2019 VI → 197 Studie Faktischer Imperativ (Beute!) 45 × 70 cm Öl auf Spanplatte 160 2019 VI → 198 Studie Size Matters 56,5 × 47,5 cm Öl auf Holz 161 2019 VI → 200 Studie Wolfsnachkomme mit Ersatzknochen 38 × 48 cm Öl auf Spanplatte 162 2019 IV → 115 Tanz mit Klammern 190 × 150 cm Öl auf Leinwand 163 2019 V → 160 Zarte Tötung 150 × 120 cm Öl auf Leinwand [nur Katalog] 164 2020 I → 50/51 Büttner geht von Bord 190 × 190 cm Öl auf Leinwand 165 2020 V → 146 Die Belagerung der Sardine 150 × 120 cm Öl auf Leinwand [nur Katalog] 166 2020 V → 143 Die erstaunlich schlichte Balz des Blaufußtölpels 150 × 120 cm Öl auf Leinwand 167 2020 I → 27 Factum brutum (Was für Einsamkeiten sind doch alle diese menschlichen Leiber) 190 × 150 cm Öl auf Leinwand 168 2020 VII → 218 For Lovers of Executions 190 × 150 cm Öl auf Leinwand [nur Katalog] 169 2020 II → 69 Hommage an James Ensor 150 × 120 cm Öl auf Leinwand 170 2020 IV → 124 Hormonhektik in Maigrün 190 × 150 cm Öl auf Leinwand 171 2020 VII → 211 Laika, sowjetische Straßenhündin, versetzt unter die Sterne 60 × 50 cm Öl auf Leinwand
172 2020 IV → 128 Mann und Frau in expressiver Manier 150 × 120 cm Öl auf Leinwand 173 2020 V → 161 Schlachtreife Gefangene 150 × 120 cm Öl auf Leinwand 174 2020 V → 162 So brutpflegt das Kamel 60 × 50 cm Öl auf Leinwand 175 2020 III → 75 Whirling Weltgeist 190 × 150 cm Öl auf Leinwand 176 2021 VII → 208 Ein Gott grüßt aus großer Ferne 150 × 120 cm Öl auf Leinwand 177 2021 VII → 203 Großer Auftritt 190 × 150 cm Öl auf Leinwand 178 2021 V → 142 Väterliche Ansprache 150 × 120 cm Öl auf Leinwand 179 2021 II → 70 Wiedergutmachung (Magrittes »Le Barbare«, 1940 durch deutsche Bomben auf London zerstört) 150 × 120 cm Öl auf Leinwand
242
156 – 179
Anhang
244
Biografie 1954 Geboren in Jena 1973 Jurastudium an der Freien Universität Berlin 1977 Umzug nach Hamburg 1977 – 1985 Zusammenarbeit mit Georg Herold, Albert Oehlen und Martin Kippenberger 1989 – 2021 Professur für Malerei an der Hochschule für bildende Künste Hamburg Werner Büttner lebt und arbeitet in Geesthacht bei Hamburg.
Einzelausstellungen (Auswahl)
2021 No Scene from My Studio Simon Lee Gallery, London 2020 Bilder 1979–2019 Contemporary Fine Arts, Berlin Undichte Schlüssellöcher Contemporary Fine Arts, Berlin 2019 Something very blond comes to town Marlborough Contemporary, New York Works from the Eighties (In Collaboration with Gallery Max Hetzler) Nino Mier Gallery, Los Angeles, Californien 2018 Independent Art Fair, New York Plenty of Room for all Sorts of Happiness Marlborough Fine Art, London 2016 Boucle d’attente dans le néant (Warteschleife am Nichts) Galerie Eva Meyer, Paris Poor Souls Marlborough Contemporary, New York 2015 The Marking of the Abyss Marlborough Contemporary, London 2014 Die Zeit versklavt uns mit Hoffnung Figge von Rosen Galerie, Berlin 2013 Gemeine Wahrheiten Weserburg Museum für moderne Kunst, Bremen / ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe, Karlsruhe 2012 Die Avantgarde von Hinten Marion Meyer Contemporain, Paris 2008 Bilanzpromenade Galerie Hans Mayer, Düsseldorf / Marion Meyer Contemporain, Paris Wetterfester Schmetterling Galerie Bärbel Grässlin, Frankfurt am Main 2007 El baile de los parásitos Galería Heinrich Ehrhardt, Madrid Gerocktes Haus Galerie Hohenlohe, Wien 2006 KOMPROMAT (Kompromittierendes Material) Kunsthalle Osnabrück 2005 Hello cruel world Kunstverein Bremerhaven, Bremerhaven Polizeichef Hegel Galerie Bärbel Grässlin, Frankfurt am Main 2004 Les diables de chacun L’Espace Sainte-Croix, Loudun Welcome to accès interdit FRAC Poitou-Charentes, Angoulême
Anhang
2003 Gemälde und Zeichnungen aus den 80er Jahren Galerie Max Hetzler, Berlin Verkehrte Welt Deichtorhallen Hamburg, Hamburg 2001 Das Fleisch organisiert sich selbst Galerie Christine König, Wien 2000 Galerie Bärbel Grässlin, Frankfurt am Main Globuli Maximilian Verlag Sabine Knust, München 1998 Neue Arbeiten Galerie Ascan Crone, Hamburg 1997 Galerie Michael Janssen, Köln Literaturmuseum Romantikerhaus / Städtische Museen Jena, Jena 1996 »Brot!« und Bilder Portfolio Kunst AG, Wien Einseitig gedeckter Tisch Galerie Helga Maria Klosterfelde, Hamburg 1995 Heimspiel, Arbeiten aus der Sammlung Grässlin 1980–1995 Kunstraum Grässlin, St. Georgen Heute scheint die Sonne in Strömen Galerie Bärbel Grässlin, Frankfurt am Main Kunstverein Hamburg, Hamburg 1993 Miserere (mit Georg Herold) Kunsthalle Ritter, Klagenfurt Vom Raufhandel der Seelen um dero Frieden K-Raum Daxer, München 1992 Malen ist Wahlen (mit Martin Kippenberger, Albert Oehlen) Kunstverein München, München 1991 Hubert Kiecol Galerie Peter Pakesch, Wien Galerie Grässlin-Ehrhardt, Frankfurt am Main Galerie Max Hetzler, Köln 1990 Jedes Leben ist auch ein verpfuschtes Leben Galerie Ascan Crone, Hamburg Kampf dem Verderb Jänner Galerie, Wien Points in Time Galerie Paul Andriesse, Amsterdam Recent Reasonable Stuff of Our Century Kerlin Gallery, Belfast 1989 Das wichtige Schwarzweiß Kunstmuseum Reutlingen, Spendhaus, Reutlingen Galerie Max Hetzler, Köln Neue Arbeiten Galleri Brandt, Fredensborg (Dänemark) Zeichnungen Galerie Gisela Capitain, Köln 1988 Deutsche Städte vor dem Wiederaufbau (mit Hubert Kiecol) Galerie Gisela Capitain, Köln / PPS Galerie F. C. Gundlach, Hamburg Galerie Ascan Crone, Hamburg Stilleben Galerie Grässlin-Ehrhardt, Frankfurt am Main 1987 Bilder und einige Skulpturen Kunstverein München im Museum Villa Stuck, München / Museum Folkwang, Essen Die Menschen können so nett zueinander sein, müssen aber nicht Galerie Schurr, Stuttgart Druckgraphik und Arbeiten auf Papier Maximilian Verlag Sabine Knust, München Galerie Peter Pakesch, Wien Q.U.I, Le radius Kronenbourg (mit Martin Kippenberger, A. & M. Oehlen) Galerie de la Villa Arson, Nizza Und das Meer lag da wie Nudeln aus Gold und Silber Palais Liechtenstein, Wien Und immer rascheln die Bakterien … Galerie Susan Wyss, Zürich Viva Büttner Galerie Max Hetzler, Köln Wir haben Grund zu der Annahme, daß ALLE Avantgardisten im Kopfrechnen schwach, in Religion dagegen sehr gut hatten Oldenburger Kunstverein, Oldenburg 1986 Halbe Stunde moderne Kunst und andere versammelte Werke (alles Papier) Galerie Borgmann-Capitain, Köln Half an Hour of Modern Art Metro Pictures, New York Peintures Recentes (Neue Gemälde) Galerie Crousel-Hussenot, Paris
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Wie aber enden solche Geschichten Galerie Grässlin-Ehrhardt, Frankfurt am Main 1985 55 Thesen (Qualität ist der Schatten der Intelligenz) und 1 Skulptur (und verhüte auch, daß ich überheblich werde) Galerie Thomas Borgmann, Köln Das Auge auf’s Kleine und die Großen auf’s Auge Galerie Max Hetzler, Köln Forum Kunst, Rottweil Kosmoprolet Galerie Peter Pakesch, Wien Metro Pictures, New York Mit der Harley nach Genezareth – die gesamte Druckgrafik (mit Albert Oehlen) Evangelische Akademie, Hamburg Schmuck – die optimale Dimensionierung des Menschen mit mineralischen Mitteln CADA, München Von Händen und Eiern Galerie Paul Andriesse, Amsterdam Werner Büttner und Luigi Ontani Galerie Ascan Crone, Hamburg Zwei Häuser (mit Albert Oehlen) Galerie Wanda Reiff, Maastricht 1984 Galería Heinrich Ehrhardt, Madrid La Luta Continua, Drei Beispiele Galerie Max Hetzler, Köln Maximilian Verlag Sabine Knust, München Wahrheit ist Arbeit (mit Martin Kippenberger, Albert Oehlen) Museum Folkwang, Essen 1983 Das blaue Männchen von Schnelsen – ein Kranker Galerie Ascan Crone, Hamburg Die Probleme des Minigolfs in der europäischen Malerei Galerie Max Hetzler, Köln Galerie Helen von der Meij, Amsterdam Jenseits konstanter Bemühungen um braven Erfolg Produzentengalerie Hamburg Neue Bilder Galerie Max Hetzler, Köln Zeichnungen und Linolschnitte Maximilian Verlag Sabine Knust, München 1982 Rechts blinken – links abbiegen (mit Albert Oehlen) nGbK – neue Gesellschaft für bildende Kunst, Berlin Wiederholung der Information kompensiert den darüberliegenden Lärm Galerie Max Hetzler, Stuttgart 1981 Galerie Max Hetzler, Stuttgart 1980 Enthemmungsprozesse äußern sich am Anfang immer als gute Laune Fettstraße 7a, Hamburg
Gruppenausstellungen (Auswahl)
2020 Büttner, Kippenberger & Oehlen: Trio Infernal Thomas Ammann Fine Art AG, Zürich Der Goldene Reiter in Faustrecht der Freiheit aka Fox and His Friends Contemporary Fine Arts, Berlin Früher war schon immer jetzt. Malerei seit 1947 neu präsentiert Hamburger Kunsthalle, Hamburg Papierarbeiten IV Galerie MaxWeberSixFriedrich, München Room Enough for Former Teasers Galerie Gisela Capitain, Köln Summer Exhibition Marlborough Gallery, London Works from the 1980s / Conceptual Photography Marlborough Gallery, New York 2019 Papierarbeiten III Galerie Max Weber, München Two Ages: Young Galerie Ascan Crone, Berlin 2018 Becoming Animal Den Frie Centre of Contemporary Art, Kopenhagen / The Museum of Religious Art, Lemvig Invention of the New Wild Ludwig Forum für internationale Kunst, Aachen TRUE STORIES A SHOW RELATED TO AN ERA – THE EIGHTIES: PART I Galerie Max Hetzler, Berlin TRUE STORIES A SHOW RELATED TO AN ERA – THE EIGHTIES: PART II Galerie Max Hetzler, Berlin 2017 The History Show Kunstverein Hamburg, Hamburg
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Zeitgeist Mamco, Genf 2016 Colliding Alien Cargo Marlborough Chelsea, New York Elective Affinities Ausstellungshalle, Arsenals, Riga Nieuwe Wilden Groninger Museum, Groningen Portraits of Professions Manifesta 11, Zürich 2015 Die 80er. Figurative Malerei in der BRD Städel Museum, Frankfurt am Main duh Art & Stupidity Focal Point Gallery, Southend on Sea, Vereinigtes Königreich The Funnies MOT International, Brüssel 2014 Kunstepidemie – Büttner und Scolari Galerie Feinkunst Krüger, Hamburg Zeichen gegen den Krieg Lehmbruck Museum, Duisburg 2013 Collage ou l’âge de la colle (Collage oder das Zeitalter des Leims) Galerie Eva Meyer, Paris 2012 Man Ray – Dialog mit zeitgenössischer Kunst Marion Meyer Contemporain, Frankfurt am Main 2011 Le Paris Bar à Paris (Die Paris Bar in Paris) Suzanne Tarasieve, Paris 2010 Jeder Künstler ist ein Mensch! — Positionen des Selbstportraits Staatliche Kunsthalle Baden-Baden, Baden-Baden Wahrheit ist Arbeit. Büttner, Kippenberger, Oehlen. Arbeiten aus der Sammlung Falckenberg in der Villa Schöningen Potsdam Weißer Schimmel. You Can Observe a Lot by Watching Sammlung Falckenberg, Phönix-Hallen, Hamburg-Harburg 2009 Büttner, Kippenberger, Albert et Markus Oehlen Galerie Marion Meyer, Paris Männer Frauen Kunstraum Grässlin, St. Georgen Miniaturen, Galerie Bärbel Grässlin Frankfurt am Main 2008 Bad Painting – good art mumok – Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig, Wien MMKK Länderspiel – Kunst im Spiel Museum Moderner Kunst Kärnten, Klagenfurt Vertrautes Terrain – Collectors’ Choice Museum für Neue Kunst, ZKM, Karlsruhe 2006 Flashback. Eine Revision der Kunst der 80er Jahre Kunstmuseum Basel / Museum für Gegenwartskunst, Basel Goetz meets Falckenberg Sammlung Falckenberg, Phönix-Hallen, Hamburg-Harburg 2005 La nouvelle peinture allemande (Die neue deutsche Malerei) Carré d’Art Musée d’art contemporain, Nîmes Rundlederwelten Martin-Gropius-Bau, Berlin Vida de una leyenda – Marilyn Monroe (Leben einer Legende – Marilyn Monroe) Espace Paul Ricard, Paris 2004 Obsessive Malerei – Ein Rückblick auf die »Neuen Wilden« Museum für Neue Kunst, ZKM, Karlsruhe 2003 Der Augenblick ist Ewigkeit Kunsthalle Villa Kobe, Halle Lieber zu viel als zu wenig nGbK – neue Gesellschaft für bildende Kunst, Berlin Sand in der Vaseline, Künstlerbücher II Kunstmuseen Krefeld, Krefeld / Neues Museum, Staatliches Museum für Kunst und Design, Nürnberg 2002 Klopfzeichen – Kunst und Kultur der 80er Jahre in Deutschland Museum der bildenden Künste, Leipzig / Museum Folkwang, Essen 2001 Sammlung Falckenberg-Pumphaus Phönix-Hallen, Hamburg-Harburg Vom Eindruck zum Ausdruck – Grässlin Collection Deichtorhallen Hamburg, Hamburg Ziviler Ungehorsam Kestner Gesellschaft, Hannover 2000 Artistenmetaphysik – Friedrich Nietzsche in der Kunst der Nachmoderne Haus am Waldsee, Berlin 1999 Zoom – Ansichten zur deutschen Gegenwartskunst Sammlung Landesbank, Baden-Württemberg, Kunsthalle Kiel 1998 Die Macht des Alters Deutsches Historisches Museum, Kronprinzenpalais, Berlin / Kunstmuseum Bonn, Bonn / Galerie der Stadt, Stuttgart fast forward: image Kunstverein Hamburg, Hamburg 1997 Deutschlandbilder Martin-Gropius-Bau, Berlin
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Hamburg Leuchtfeuer Deichtorhallen Hamburg, Hamburg Home Sweet Home Deichtorhallen Hamburg, Hamburg 1995 ArmutsZeugnisse – Darstellung der Armut in der Kunst des 20. Jahrhunderts FritzHüser-Institut, Museum am Ostwall, Dortmund 1994 Galerie Klemens Gasser (mit Günther Förg, Georg Herold, Albert Oehlen, Markus Oehlen), Bolzano-Bozen, Bolzano 1991 Berlin Paris Bar Galerie Artcurial, Paris Gullivers Reisen Galerie Sophia Ungers, Köln Metropolis Martin-Gropius-Bau, Berlin 1990 Ausgewählte Graphik (mit Jörg Immendorff, A. R. Penck) Galerie Schurr, Stuttgart Zeichnungen 1 Grazer Kunstverein, Graz 1989 Aschenbach Galerie, Amsterdam Natura Naturata Josh Baer Gallery, New York Neue Figuration – Deutsche Malerei 1960–88 Kunstmuseum Düsseldorf / Schirn Kunsthalle, Frankfurt am Main The BiNational – German Art of the late Eighties The Minneapolis Institute of the Arts, Minneapolis, Minnesota 1988 A la surface de la peinture les années 80 Centre d’Art Contemporain, Abbayé St. André, Meymac, Corrèze BiNationale/The BiNational, Deutsche/Amerikanische Kunst der späten achtziger Jahre Kunsthalle Düsseldorf, Düsseldorf / Museum of Fine Arts, Boston, Massachusetts Broken Neon Galerie Sylvana Lorenz, Paris Büttner/Kiecol: Gemeinsame Arbeiten Galerie Gisela Capitain, Köln Der Hang zur Architektur in der Malerei der Gegenwart Deutsches Architekturmuseum, Frankfurt am Main Exchange: Ireland–Deutschland Guinness Hop Store, Dublin M. Oehlen, A. Oehlen, M. Kippenberger, W. Büttner Galerie Susan Wyss, Zürich Multiples Galerie Daniel Buchholz, Köln New Prints from Germany Saint Louis Art Museum, Saint Louis, Missouri Skulpturenprojekte Dürr – Broken Neon Galerie Christoph Dürr, München 1987 Broken Neon Steirischer Herbst 87, Forum Stadtpark, Graz Q.U.I (mit Albert Oehlen, Markus Oehlen, Martin Kippenberger) Villa Arson, Nizza 1986 Deutsche Malerei der Gegenwart Galeria Comicos, Lissabon Können wir vielleicht mal unsere Mutter wiederhaben! (mit Georg Herold, Albert Oehlen) Kunstverein Hamburg, Hamburg / Institute of Contemporary Arts, London Macht und Ohnmacht der Beziehungen Museum am Ostwall, Dortmund Neue deutsche Kunst aus der Sammlung Ludwig Ludwig Forum für internationale Kunst, Aachen / Haus Metternich, Koblenz New Visions in Contemporary Art: The RSM Company Collection Cincinnati Art Museum, Cincinnati, Ohio 1985 Annemarie-und-Will-Grohmann-Stipendium Staatliche Kunsthalle Baden-Baden, Baden-Baden Anni ottanta Galeria comunale d’Arte Moderna, Bologna La nouvelle Biennale de Paris, Paris studio d (mit Albert Oehlen, Markus Oehlen, Martin Kippenberger), Tübingen Treppen Galerie Kammer, Hamburg 1984 Deutsch-sprechende Galeristinnen Galerie Six Friedrich, München Metro Pictures (mit Albert Oehlen, Markus Oehlen, Martin Kippenberger), New York Origen y Visión: Nueva Pintura Alemana (Herkunft und Vision: Neue deutsche Malerei) Centre Cultural de la Caixa des Pensions, Barcelona / Palacio de Velázquez, Madrid / Museo de Arte Moderno, Mexico Sammlung Metzger Kunsthalle Budapest, Budapest / Sara Hilden Art Museum, Tampere / Kunstnernes Hus, Oslo
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Tiefe Blicke Hessisches Landesmuseum, Darmstadt Treppen Galerie Gugu Ernesto, Köln von hier aus Messegelände, Düsseldorf Wahrheit ist Arbeit (mit Albert Oehlen, Martin Kippenberger) Museum Folkwang, Essen Wer überlebt winkt Bonner Kunstverein, Bonn / nGbK – neue Gesellschaft für bildende Kunst, Berlin Zwischenbilanz Neue Galerie am Joanneum, Graz / Museum Villa Stuck, München / Forum für aktuelle Kunst – Galerie Krinzinger, Innsbruck / Rheinisches Landesmuseum, Bonn 1983 Galerie Max Hetzler, Stuttgart Kunst ist nichts, wenn sie nicht neu ist Galerie Rolf Ricke, Köln Schwerter zu Zapfhähnen Galerie Peter Pakesch, Wien 1982 12 Künstler aus Deutschland Kunsthalle Basel / Museum Boijmans van Beuningen, Rotterdam Die junge Malerei in Deutschland Galleria d’Arte Moderna, Bologna Über sieben Brücken mußt Du gehen Kutscherhaus, Berlin 1981 Bildwechsel Akademie der Künste, Berlin Junge Kunst aus Westdeutschland ’81 Galerie Max Hetzler, Stuttgart 1980 Finger für Deutschland Studio Jörg Immendorff, Düsseldorf Mühlheimer Freiheit und interessante Bilder aus Deutschland Galerie Paul Maenz, Köln 2. außerordentliche Veranstaltung in Bild und Klang zum Thema der Zeit: Aktion Pisskrücke (Geheimdienst am Nächsten) Künstlerhaus Hamburg, Hamburg 1979 1. außerordentliche Veranstaltung in Bild und Klang zum Thema der Zeit: Elend Kippenberger’s Office, Berlin
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Schallplatten 1987 Werner Büttner, Ferdinand Fux, Lousy Days Are Here to Stay, LP. 1986 Werner Büttner, Albert Oehlen, Mayo Thompson, Disco Doubt, LP. 1984 Werner Büttner, Jörg Immendorff, Martin Kippenberger, Albert Oehlen, Markus Oehlen, A. R. Penck, Die Rache der Erinnerung, LP. 1982 Werner Büttner, Diedrich Diederichsen, Albert Oehlen, Markus Oehlen, Kirche der Ununterschiedlichkeit, Doppel-LP.
Ausstellungskataloge, Monografien
2020 Werner Büttner, Undichte Schlüssellöcher, Contemporary Fine Arts, Berlin. 2019 Werner Büttner, Something very blond comes to town, Marlborough Contemporary, New York. 2018 Werner Büttner, Plenty of Room for all Sorts of Happiness, Marlborough, London. 2016 Werner Büttner, Poor Souls, Marlborough Contemporary, New York. 2015 Werner Büttner, Coincidence in Splendour, Black Dog Publishing, London. Werner Büttner, My Looting Eye, Black Dog Publishing, London. 2012 Werner Büttner, Die Avantgarde von hinten, Marion Meyer Contemporain, Paris. 2011 Harald Falckenberg (Hg.), Wahrheit ist Arbeit, Büttner, Kippenberger, Oehlen und ein Werk von Herold, Villa Schöningen, Potsdam, 2010, Textem, Hamburg. 2009 Werner Büttner, Lohn des Schweigens, Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln. 2008 Werner Büttner, »Wetterfester Schmetterling«, Galerie Bärbel Grässlin, Frankfurt am Main. Werner Büttner, El baile de los parásitos, Galerie Heinrich Ehrhardt, Madrid. 2006 Stadt Osnabrück, Kunsthalle Dominikanerkirche Osnabrück (Hg.), Werner Büttner, Kompromat, Kunsthalle Dominikanerkirche Osnabrück, Rash, Bramsche. 2005 Polizeichef Hegel, Galerie Bärbel Grässlin, Frankfurt am Main. 2003 Thomas Groetz (Hg.), Werner Büttner, Gemälde und Skulpturen aus den 80er Jahren, Galerie Max Hetzler, Holzwarth Publications, Berlin. Uta Grosenick (Hg.), Werner Büttner, Verkehrte Welt, Taschen, Köln. 2002 Werner Büttner, Ratiopharmaka, aber auch Herzmittel, und für die Augen eine bekömmliche Tinktur, Peter Pakesch, Johannes Schlebrügge (Hg.), Fama & Fortune Bulletin, Nr. 28, Wien. 1995 Werner Büttner, Heimspiel, Arbeiten aus der Sammlung Grässlin 1980–1995, Sammlung Grässlin, St. Georgen. 1994 Werner Büttner, Daniel Richter, Toll, Museum Boijmans van Beuningen, Rotterdam.
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1993 Werner Büttner, Georg Herold, Miserere, Kunsthalle und Galerie Ritter, Klagenfurt. Werner Büttner, Vom Raufhandel der Seelen um dero Frieden, Kunstraum Daxer, München. 1992 Werner Büttner, Friedrich Wolfram Heubach, Zwei Reden … ins Gebohnerte gehalten an der HFBK zu Hamburg, Peter Pakesch, Johannes Schlebrügge (Hg.), Fama & Fortune Bulletin, Nr. 10, Wien. Helmut Draxler, Hedwig Saxenhuber, Renate Kern, Dietmar Stegemann (Hg.), Malen ist Wahlen. Büttner, Kippenberger, Oehlen, Kunstverein München, Edition Cantz, Ostfildern-Ruit. 1990 Werner Büttner, Kampf dem Verderb, Jänner Galerie, Wien. 1989 Städtisches Kunstmuseum Spendhaus Reutlingen (Hg.), Werner Büttner. Das wichtige Schwarzweiß, Reutlingen. 1988 Werner Büttner, Hubert Kiecol, Deutsche Städte vor dem Wiederaufbau, Ahrons, Hamburg. Werner Büttner – Stilleben, Galerie Grässlin-Ehrhardt, Frankfurt am Main. 1987 Werner Büttner, Viva Büttner, Galerie Max Hetzler, Köln. Werner Büttner, Ein Happen für die Wissenden, Meterverlag, Hamburg. Werner Büttner, Und das Meer lag da wie Nudeln aus Gold und Silber, Ritter, Klagenfurt. Kunstverein München, Museum Folkwang Essen (Hg.), Werner Büttner. Bilder und einige Skulpturen, Kunstverein München als Gast im Museum Villa Stuck, München, Museum Folkwang, Essen. Le Radius Kronenbourg. Werner Büttner, Martin Kippenberger, Albert Oehlen, Markus Oehlen, Galerie de la Villa Arson, Nizza. 1986 Werner Büttner, Georg Herold, Albert Oehlen, Können wir vielleicht mal unsere Mutter wiederhaben! [engl.: What about having our mother back!], Kunstverein Hamburg, Institute of Contemporary Arts, London, Kellner, Hamburg. Werner Büttner, Havana Moon, Maximilian-Verlag, München. Werner Büttner, In Praise of Tools and Women, Meterverlag, Hamburg. 1985 Werner Büttner, Schmuck, Cada, München. Werner Büttner, Albert Oehlen, Angst vor Nice. Ludwig’s Law, Meterverlag, Hamburg. 1984 Werner Büttner, Martin Kippenberger, Albert Oehlen, Einführung ins Denken, Hamburg. Werner Büttner, Martin Kippenberger, Albert Oehlen, Wahrheit ist Arbeit, Museum Folkwang, Essen. Werner Büttner, La luta continua. Drei Beispiele, Galerie Max Hetzler, Köln. 1983 Werner Büttner, Albert Oehlen, Jenseits konstanter Bemühungen um braven Erfolg, Produzentengalerie, Hamburg. Werner Büttner, Das blaue Männchen von Schnelsen – ein Kranker, Galerie Ascan Crone, Hamburg. Werner Büttner, Die Probleme des Minigolfs in der europäischen Malerei, Galerie Max Hetzler, Köln. Werner Büttner, Schrecken der Demokratie, Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln. Galerie Max Hetzler (Hg.), Wer diesen Katalog nicht gut findet muß sofort zum Arzt. Werner Büttner, Martin Kippenberger, Albert Oehlen, Markus Oehlen, Galerie Max Hetzler, Stuttgart. 1982 Werner Büttner, Georg Herold, Albert Oehlen, Facharbeiterficken. Werner Büttner, Georg Herold, Albert Oehlen: Gemeinsame Arbeiten, 79/80/81, Hamburg. Galerie Max Hetzler (Hg.), Über sieben Brücken mußt Du gehen, Mußten wir auch. Markus Oehlen, Ina Barfuß, Werner Büttner, Georg Herold, Albert Oehlen, Thomas Wachweger, Martin Kippenberger, Galerie Max Hetzler, Stuttgart. Rechts blinken – links abbiegen. Werner Büttner, Albert Oehlen, neue Gesellschaft für bildende Kunst, Berlin. 1979 Werner Büttner, Albert Oehlen, Dum Dum – Nr. 1, 2, 3. Zentralorgan zur Bekämpfung des widersprüchlichen Verhaltens, Hamburg, 1977–1979.
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Öffentliche Sammlungen (Auswahl)
A Ludwig Forum für internationale Kunst, Aachen FRAC Poitou-Charentes, Angoulême-Linazay, Frankreich Kunstmuseum Walter, Augsburg B Ulster Museum, Belfast, Irland Neue Gesellschaft für bildende Kunst, Berlin Bonner Kunstverein, Bonn C Harvard Art Museums, Cambridge, Massachusetts/USA Cincinnati Art Museum, Cincinnati, Ohio/USA Cleveland Museum of Art, Cleveland, Ohio/USA F Museum für Kommunikation Frankfurt, Frankfurt am Main H Deichtorhallen Hamburg – Sammlung Falckenberg, Hamburg Hamburger Kunsthalle, Hamburg J Städtische Museen Jena, Jena K Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Karlsruhe ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe, Karlsruhe L FRAC Limoges, Limoges, Frankreich M Museum Brandhorst, München Kunstraum Grässlin, München Pinakothek der Moderne, München N Solomon R. Guggenheim Museum, New York/USA P Fonds national d’Art contemporain, Paris, Frankreich S Staatliche Kunsthalle Stuttgart, Stuttgart W mumok – Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien, Wien, Österreich
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Misshandelte Frau vor Dolmen (Detail), 1999, 39 × 21 cm, Linoldruck
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Autorinnenbiografien Kate Brown Kate Brown (* 1988) ist eine in Berlin ansässige Kuratorin, Kunstjournalistin und Redakteurin. Für Artnet News betreut sie als Redakteurin den Bereich Europa, sie schreibt und beauftragt Beiträge zu zeitgenössischer Kunst und Kultur mit Fokus auf die Themen Gesellschaft und Politik in Deutschland und Europa. Daneben ist sie Co-Direktorin von Ashley Berlin, einer Non-Profit-Galerie, die 2013 gegründet wurde und vor allem junge und aufstrebende künstlerische Positionen vertritt. Zuletzt erschienen ihre Texte im Elephant Magazine, Kaleidoscope Magazine, Spike Art Magazine und Canadian Art Magazine sowie in weiteren Publikationen und Künstlerkatalogen. Jane Ursula Harris Jane Ursula Harris (* 1965) ist eine in New York ansässige Autorin, die unter anderem Beiträge für Artforum, Art in America, The Believer, Bookforum, BOMB, Cultured Magazine, Frieze, Flash Art und The Paris Review verfasst hat. Ihre Essays sind in zahlreichen Katalogen erschienen, darunter Jacolby Satterwhite: Spirits Roaming on the Earth (2021); NegroGothic: M. Lamar (2019); Examples to Follow: Expeditions in Aesthetics and Sustainability (2011); Marc Lüders: The East Side Gallery (2005); Vitamin P: New Perspectives in Painting (2005); Curve: The Female Nude Now und Anthony Goicolea (2003). Sie lehrt Kunstgeschichte an einer Kunsthochschule in New York. Sarah Edith James Sarah Edith James (* 1978) ist Kunsthistorikerin und Autorin, sie lebt in Frankfurt am Main. Nach einem Studium der Sozial- und Politikwissenschaften an der University of Cambridge erwarb sie ihren Masterabschluss an der University of London und wurde promoviert. James lehrte von 2010 bis 2018 als Privatdozentin am University College London. Zuvor war sie als Dozentin an der University of Oxford tätig. Sie hat zahlreiche Beiträge und Essays über zeitgenössische Kunst veröffentlicht und ist Autorin von Common Ground: German Photographic Cultures Across the Iron Curtain (2013) und Paper Revolutions: An Invisible Avant-Garde (erscheint 2022). Zurzeit ist sie Stipendiatin der Gerda Henkel Stiftung und wird in diesem Rahmen ihr Buchprojekt The Militant & the Mainstream: The Remaking of British Photographic Culture abschließen. Larissa Kikol Larissa Kikol (* 1986) ist freie Kunstkritikerin und Kunstwissenschaftlerin. Sie studierte an der Weißensee Kunsthochschule Berlin Theaterdramaturgie und wurde an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe im Fach Kunstwissenschaft promoviert. In ihrer Dissertation mit dem Titel Tollste Kunst untersuchte sie das Kindliche und Spielerische in der zeitgenössischen Kunst. 2016 gewann sie Talents, den internationalen Wettbewerb für Kunstkritik von C/O Berlin. Kikols Texte erschienen unter anderem in der Zeit, bei art – Das Kunstmagazin, in der Kunstzeitung oder auf Monopol Online. Hauptsächlich schreibt sie für das Kunstforum International, wo sie Themenbände zu politischer Kunst, Graffiti und zur Gegenwartsbefreiung Malerei (2020) herausgegeben hat.
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Alexander Klar Alexander Klar (* 1968) hat Kunstgeschichte, Geschichte und Archäologie an der FriedrichAlexander-Universität in Erlangen studiert. Erste Stationen seiner Museumslaufbahn waren das Solomon R. Guggenheim Museum in New York (1997), die Peggy Guggenheim Collection in Venedig (2001) und die Kunsthalle in Emden (2002–2004). 2004 wechselte er als Ausstellungskurator an das Research Department des Victoria and Albert Museum in London. Von 2008 bis 2010 war er Gründungsdirektor des Emil Schumacher Museums in Hagen, danach leitete er das Museum Wiesbaden. Seit August 2019 ist er Direktor der Hamburger Kunsthalle. Zu Alexander Klars zahlreichen Publikationen gehören Veröffentlichungen über Fluxus, Surrealismus und Informel, als Kurator organisierte er Ausstellungen zu Albert Oehlen, Wols, Eduardo Chillida, Richard Serra und Fritz Erler. Melanie Ohnemus Melanie Ohnemus (* 1973) ist Kulturwissenschaftlerin und Kunsthistorikerin. Sie arbeitete als Kuratorin für zeitgenössische Kunst an der Wiener Secession und am Portikus Frankfurt und ist seit 2021 Direktorin des Kunsthauses Glarus in der Schweiz. Eine Auswahl bisheriger Ausstellungen: Julie Ault & Martin Beck: Installation, Wien, 2006; Paola Pivi: It’s a Cocktail Party, Frankfurt am Main, 2008; Wade Guyton, Frankfurt am Main, 2008; Nina Könnemann: Free Mumia, Frankfurt am Main, 2009, Mathias Poledna: Double Old Fashion, Frankfurt am Main, 2010; Stefan Thater: Hello Beach Girls, Wien, 2013; Mathis Altmann, Bonnie Camplin, Salvo, Lucie Stahl, Amelie von Wulffen, Wien, 2018. Sie veröffentlichte zahlreiche Publikationen und ist Autorin diverser Texte zur zeitgenössischen Kunst. Barry Schwabsky Barry Schwabsky (* 1957) ist Kunstkritiker für The Nation und Mitherausgeber der internationalen Rezensionen für Artforum. Zu seinen Büchern zählen The Perpetual Guest: Art in the Unfinished Present (2016) und The Observer Effect: On Contemporary Painting (2020) sowie verschiedene Lyrikbände, unter anderem Trembling Hand Equilibrium (2015). Schwabsky lebt in New York. Wolfgang Ullrich Wolfgang Ullrich (* 1967) lebt als freier Autor und Kulturwissenschaftler in Leipzig. Er forscht und publiziert zur Geschichte und Kritik des Kunstbegriffs, zu bildsoziologischen Themen, digitalen Bildkulturen und Konsumtheorie. Letzte Buchveröffentlichungen: Siegerkunst. Neuer Adel, teure Lust (2016); Wahre Meisterwerte. Stilkritik einer neuen Bekenntniskultur (2017); Selfies. Die Rückkehr des öffentlichen Lebens (2019); Feindbild werden. Ein Bericht (2020). Bettina Uppenkamp Bettina Uppenkamp (* 1960) wurde nach dem Studium der Kunstgeschichte, Romanistik und Philosophie in Heidelberg und Hamburg 1997 mit einer Arbeit zur italienischen Barockmalerei (2004) promoviert und 2009 an der Humboldt-Universität zu Berlin mit einer Studie zu italienischen Hochzeitstruhen im 15. Jahrhundert habilitiert. Von 2013 bis 2017 lehrte sie an der Hochschule für Bildende Künste Dresden. Seit 2017 hat sie eine Professur für Kunst- und Bildgeschichte an der Hochschule für bildende Künste Hamburg inne und ist seit 2019 deren Vizepräsidentin für Forschung und Lehre. Sie forscht und publiziert zur italienischen Malerei in der Frühen Neuzeit sowie zu künstlerischen Verfahren und Strategien zeitgenössischer Kunst und zur Geschichte und Theorie der Geschlechterordnungen in historischer und aktueller Perspektive.
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Rhaptus Melancholicus (Detail), 1999, 39 × 21 cm, Linoldruck
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Copyright / Fotonachweis Für alle Abbildungen der Werke von Werner Büttner gilt © VG Bild-Kunst, Bonn 2021, Foto: Egbert Haneke, Matthias Kolb, Harro Wollter, außer für folgende: © Estate of Martin Kippenberger, Galerie Gisela Capitain, Cologne; Foto: Ulrike Baumgart/Lutz Schmidt, S. 12 © VG Bild-Kunst, Bonn 2021, © Albert Oehlen. Foto: Robert McKeever. Courtesy Gagosian, S. 12 © Succession Picasso/ VG Bild-Kunst, Bonn 2021, © bpk / The Art Institute of Chicago / Art Resource, NY, S. 12 © Kunstmuseum Basel, Bild gemeinfrei, S. 22 © Hamburger Kunsthalle / bpk; Foto: Christoph Irrgang, S. 22 © bpk / Alinari Archives / Alinari, S. 94 © Photographic Archive Museo Nacional del Prado, S. 97 © Albertina Wien, 2021, S. 97 © VG Bild-Kunst, Bonn 2021, © bpk | Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Elke Estel | Hans-Peter Klut, S. 167 © VG Bild-Kunst, Bonn 2021, © bpk | Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Jürgen Karpinski, S. 168 © Donation Jorn, Silkeborg / VG Bild-Kunst, Bonn 2021, © bpk / CNAC-MNAM, Foto: Georges Meguerditchian, S. 172
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Impressum Diese Publikation erscheint anlässlich der Ausstellung Werner Büttner. Last Lecture Show in der Hamburger Kunsthalle in Kooperation mit der Hochschule für bildende Künste Hamburg (HFBK). Hamburger Kunsthalle, 15. Oktober 2021 – 16. Januar 2022 Ausstellung / Hamburger Kunsthalle Direktor: Alexander Klar | Geschäftsführer: Norbert Kölle | Assistenz Direktor: Olga Fallmeier | Kurator: Alexander Klar in Zusammenarbeit mit Werner Büttner | Ausstellungskoordination/Registrar: Meike Wenck, Shannon Ort | Konservatorische Betreuung: Julia Langenbacher (Gemälde), Sabine Zorn (Grafik, Collagen) | Ausstellungsinstallation: Jochen Möhle, Ulugbek Ahmedov, Sebastian Conrad, Peter Hochkamer, Oliver Meier, Holger Schumacher | Licht: Heinrich Meyer | Gebäude/Technik: Ralf Suerbaum und Team | Sekretariat: Elisabeth Lutz-Bachmann, Ursula Trieloff | Bildung & Vermittlung: Andrea Weniger und Team | Engagement & Partnerschaften: Gesa-Thorid Huget und Team | Presse- & Öffentlichkeitsarbeit: Mira Forte, Petra Bassen | Kommunikation & Marketing: Jan Metzler | Digitale Kommunikation: Martina Gschwilm | Veranstaltungsmanagement: Christian Auffahrt, Sina Fuhrmann | Besucherservice: Malgorzata Tonak-Renka und Team Publikation Herausgeber: Alexander Klar, Direktor der Hamburger Kunsthalle, Martin Köttering, Präsident der Hochschule für bildende Künste Hamburg | Konzeption: Werner Büttner und Martin Köttering | Redaktion, Lektorat und Projektmanagement: Josephine Karg (HFBK) | Lektorat: Greg Bond (Dt.-Engl.), Jeremy Gaines (gaines translations.de), Cordelia Marten und Christiane Weidemann/ Hello Text (Dt.), Roberta Schneider (Engl.-Dt.) | Übersetzung aus dem Englischen: Petra Gaines (gaines translations.de), Roberta Schneider | Übersetzung aus dem Deutschen: Jeremy Gaines (gainestranslations.de), Nicholas Grindell | Bildredaktion: Bettina und Egbert Haneke, Josephine Karg, Ingo Offermanns | Grafische Gestaltung: Ingo Offermanns | Satz: Ingo Offermanns in Zusammenarbeit mit Tim Albrecht und GiHong »Kiki« Park | Druck: Druckerei Kettler, Bönen Erschienen im Materialverlag der HFBK . ISBN 978-3-944954-60-8