KONTOVERS PLATZ DER ALTEN SYNAGOGE
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KONTROVERS
m den Platz der Alten Synagoge gibt es in Freiburg immer wieder Streit. Zuletzt Mitte Mai nach einer Demo der Gruppe „Palästina spricht“. Irina Katz, Vorsitzende der Israelitischen Gemeinde Freiburg, forderte hernach, den ganzen Platz zur Gedenkstätte zu erklären, womit keinerlei Kundgebungen mehr erlaubt wären. Das geht anderen viel zu weit. In unserer Rubrik „KONTROvers“ argumentieren jeweils Protagonisten für und wider.
»KRITIK MUSS MÖGLICH SEIN« WARUM STADTRAT MICHAEL MOOS GEGEN EINE EINGESCHRÄNKTE NUTZUNG AUF DEM PLATZ DER ALTEN SYNAGOGE IST
Foto: © Felix Groteloh
„Bürgermeister Ulrich von Kirchbach hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Stadt die Möglichkeit, den gesamten Platz als Gedenkstätte zu deklarieren, nicht hat und dass man damit auch nicht auf dem gesamten Platz das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit aushebeln könnte. Das wäre für Freiburg auch nicht wünschenswert: Freiburg feiert auf diesem Platz beispielsweise das Fest der interkulturellen Vielfalt. Dieses könnte dort nicht stattfinden, ebenso wie un
Michael Moos: Stadtrat und Vorsitzender der Fraktion „Eine Stadt für Alle“ im Gemeinderat
16 CHILLI JUNI 2021
zählig viele andere politische, gewerkschaftliche und kulturelle Veranstal tungen unterschiedlichster Art und Positionierung. Eine solche Einschränkung kann niemand wollen. Auch israelkritische Positionen können die Grundrechte der Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Anspruch nehmen. Das bestreitet auch niemand. Die Stadt kann einem Veranstalter auch nicht einfach einen Ort ‚zuweisen‘. Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit beinhaltet auch das Recht des Veranstalters, den Ort für die Versammlung zu bestimmen. Dies ist für viele ganz unterschiedliche Veranstalter der Platz der Alten Synagoge geworden, weil er in Freiburgs Innenstadt gute Möglichkeiten bietet, eine Versammlung durchzuführen und dabei auch von der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden. Auch rechtlich wäre dies nicht durchsetzbar. Das Versammlungsgesetz sieht in § 15 die Möglichkeit vor, dass eine Versammlung verboten werden kann, wenn sie an einem Ort stattfinden soll, der als Gedenkstätte von historisch her-
ausragender, überregionaler Bedeutung an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft erinnern soll (Holocaust Mahnmal Berlin) oder wenn konkrete Umstände vorliegen, die besorgen lassen, dass die Würde der Opfer beeinträchtigt wird. Ohne Frage könnte eine Versammlung in unmittelbarer Nähe zum Gedenkbrunnen verboten werden, weil sie die Würde der Opfer beeinträchtigt – aber eben nicht auf dem ganzen Platz. Möglich und notwendig bleibt, dass alle Veranstalter einen Abstand von mindestens 30 Metern zum Gedenkbrunnen einzuhalten haben. Für antisemitische Hetzparolen darf es kein Pardon geben. Gehen diese von einer Versammlung aus, hat die Polizei Strafverfahren einzuleiten und die Versammlung aufzulösen. Dies gilt für den Platz der Alten Synagoge ebenso wie für jeden anderen Platz. Israelkritische Positionen zu äußern und Partei für die Sache der Palästinenser zu ergreifen, muss aber möglich sein, auch auf dem Platz der Alten Synagoge.“ Michael Moos