chilli – das Freiburger Stadtmagazin

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SZENE DROGEN

LEGALISIERUNG – UND DANN? WAS SICH IN FREIBURG ÄNDERT, WENN THC-KONSUM ERLAUBT WIRD

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Foto: © freepik.com/jomp

ie Ampelregierung möchte Cannabis zum Konsum freigeben. Was würde das für Freiburg bedeuten? Ein Hanfverkäufer und die Drogenhilfe sehen viele Vorteile. Amtsgericht, Polizei und Staatsanwaltschaft halten sich überraschend bedeckt. „Das wird wahnsinnig“, jubelt Tobias Pietsch. Der 38-Jährige betreibt drei Hanfnah-Läden in der Region – und hat sich als Aktivist bundesweit einen Namen gemacht. Für ihn ist die Legalisierung überfällig: „Sie wollen mich ins Gefängnis stecken“, berichtet Pietsch. Für den Verkauf von mutmaßlich legalen CBD-Produkten war er bereits vor Gericht, aktuell läuft eine zweite Klage gegen ihn. Im Raum stand eine Höchststrafe von fünf Jahren Gefängnis. Mit Freiburg geht Pietsch hart ins Gericht. Die Drogenpolitik sei rabiat: Von Null-Toleranz habe eine Richterin in seinem Verfahren gesprochen. Bei Razzien in den drei Hanfnah-Läden seien die Unterschiede deutlich geworden: „In Lahr haben die Polizisten nichts mitgenommen, in Lörrach von jedem CBD-Produkt ein Exemplar – und in Freiburg einfach alles.“

Die Kriminalisierung ärgert den Hanfverkäufer: „Es sind so viele Einzelschicksale.“ Erst sei der Führerschein weg, dann würden sie ihren Job verlieren und am Ende gingen daran auch Beziehung oder Familie in die Brüche. Auch Christoph Weber von der Drogenhilfe Freiburg kennt solche Fälle. „Wir erleben es immer wieder“, sagt der Sozialarbeiter. „Viele junge Handwerker vom Land verlieren wegen Cannabis ihren Führerschein“, berichtet der 61-Jährige. Dann würden sie arbeitslos, die Strafe schlage ins Gegenteil um: „Sie konsumieren dann nur noch mehr.“ Weber fordert eine Reform des Führerscheinrechts: „Man müsste aktives THC messen.“ Ob jemand zwei Stunden oder zwei Tage vor dem Autofahren konsumiert habe, sei relevant. „Da muss man total unterscheiden“, so Weber. Das Verfahren, um den Führerschein wiederzubekommen, sei zudem zu teuer und zu lang. „Die MPU ist undurchschaubar, die Fragen sind so schwammig, da kann man nur lügen.“ Seit 1998 ist Weber bei der Drogenhilfe Freiburg. Er sagt: „Eine Legalisierung ist dringend notwendig, ohne Cannabis zu verharmlosen.“ Die Bestrafung treffe oft Gelegenheitskon-

MEINE SOMMERLOCH SORGEN Das schöne Spiel gibt’s diesen Sommer nur beim schönen Geschlecht. Schließlich hat die gut geschmierte (Maschine) FIFA Sand im Getriebe, den Männer-Fußball in die Wüste geschickt und die WM in den Winter verlegt. Dabei hat sich der südbadische Fußballfan vom Weltuntergang – der Niederlage gegen Rasenballsport Leipzig im Pokalfinale – gerade erst erholt. Wie soll 16 CHILLI JULI/AUGUST 2022

er sich nun von der allgemeinen Apokalypse ablenken? Statt verschwitzten Kickern mit Torriecher in großen Stadien gab’s diesen Sommer bloß Politiker mit Schweißflecken und Torschlusspanik in Garmisch-Partenkirchen. Aber immerhin ging es dort ja irgendwie doch um Fußball: Die Ansage, jeden Zentimeter Bündnisgebiet zu verteidigen, ist klassisches Catenaccio. Zwar ließ sich der Libero aus den Vereinigten Staaten früh auswechseln, dafür landete die Flügelzange Finnland-Schweden einen Ein-

KOLUMNE

wurf. Eine politische Bananenflanke vom Kanzler blieb aus. Finanzhilfen für die Ukraine gehen in die Verlängerung. Und das Beste: Von Matthäus und Schweinsteiger fehlte jede Spur. Aber das Dribbling der G7 kann kein Ersatz für eine Fußballweltmeisterschaft sein. Eine WM im Winter, wenn die Abseitsregel unter Einhaltung der Abstandsregeln erklärt werden muss, ist es auch nicht. Schon gar nicht im Königreich Katar. Das schöne Spiel in derWüste. Es ist eine Fata Morgana. Philip Thomas


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