chilli – das Freiburger Stadtmagazin

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WIRTSCHAFT KOMMUNEN Ohne neue Schulden geht es nicht: OB Martin Horn (mit Maske), Stefan Breiter (mit Schlips), Stadtkämmerer Bernd Nußbaumer und Elisabeth Schonhard im Ratssaal.

KASSENLAGE KRITISCH IN FREIBURG HAT DAS RINGEN UM DEN NEUEN HAUSHALT BEGONNEN

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er Schuldenberg der Stadt Freiburg wächst wieder: Vor zwei Jahren war er von der bisherigen Gipfelmarke 340 Millionen Euro im Jahr 2006 auf 167 Millionen mühsam abgetragen worden, Ende 2022 könnte er auf 348 Millionen anwachsen. Ein Grund ist die Coronakrise, wie Oberbürgermeister Martin Horn und Finanzbürgermeister Stefan Breiter in ihren Haushaltsreden erklärten. 90 Millionen neue Schulden, das sieht der Haushaltsentwurf für 2021/22 vor. Es hätte noch schlimmer kommen können. Aber den 22. August 2020 werden Horn und Breiter so schnell nicht vergessen: An dem Tag landeten 46,1 Millionen Euro auf dem Rathauskonto. Absender: das Landesfinanzministerium. Verwendungszweck: Kompensation der Gewerbesteuer. „Das hätte ich mir nicht träumen lassen“, sagt Horn. Aber: Für die beiden kommenden beiden Jahre prognostizieren kommunale Spitzenverbände eine zehn Milliarden Euro große Finanzierungslücke bei den Kommunen. Aus den Schlüsselzuweisungen von Bund und Land haben Breiter und Kämmerer Bernd Nußbaumer 56 Millionen Euro weniger als in 2019/20 eingeplant. Und fordern, wie andere Stadtoberhäupter auch, dass die Pro-Kopf-Beiträge weiter erhöht werden. Die Einnahmen in dem jeweils eine knappe Milliarde Euro fassenden Ergebnishaushalt (dort finden Einnahmen und Ausgaben aus der Verwaltungstätigkeit Eingang) sind zu 84 Prozent fremdbestimmt. Unter den 16 Prozent spielt die Gewerbesteuer (sie ist diejenige, die fast komplett bei den Kommunen bleibt) die Hauptrolle. 389 Millionen haben Breiter in den kommenden beiden Jahren angesetzt - 20 Millionen weniger als ursprünglich geplant. Eine erneute Erhöhung der Gewerbe- und auch der Grundsteuer sei bei den Beratungen kein Thema gewesen. Das wäre „ein völlig falsches Signal gewesen“, so Breiter. Nur noch etwa 30 Millionen Euro kann der Ergebnishaushalt in den Finanzhaushalt spülen - in früheren Doppelhaushalten waren es im Schnitt 62 Millionen. Aus dem sollen 228 Millionen Euro vor allem in die vier Schwerpunkte Wohnen, Schulen und Kitas, Digitalisierung sowie Klimaschutz und nachhaltige Mobilität investiert werden. Zu den Opfern des neue Prioritäten setzenden Haushalts zählen das Eisstadion, das Außenbecken beim Westbad oder eine Gym-Camp-Halle - für sie ist gar kein Geld da. 28 CHILLI DEZEMBER 2020/JANUAR 2021

Geschoben werden sollen Sanierungen der Gewerbeschulen, die Erweiterung des Bertold-Gymnasiums, die Umgestaltung des Colombi-Parks. Aussetzen will die Stadtspitze etwa die Dynamisierung von Kulturzuschüssen und den Ausbau der Schulkindbetreuung. Die Zuschüsse fürs Kleine Haus am Theater sollen gekürzt werden. Zudem will die Stadtspitze im kommenden Jahr die Zielvereinbarungen mit dem Theater und der FWTM neu verhandeln, mit dem Ziel, weniger als bisher aus der Rathauskasse zuzuschießen. Der Gemeinderat steht vermutlich erstmals seit seinem Bestehen vor der Frage, ob er 17 bereits gefasste Investitionsbeschlüsse wieder einkassieren soll. „Der Haushalt insgesamt ist aber keine Vollbremsung“, so Horn. Allerdings einer, der auch auf Pump aufgebaut ist. Nach chilli-Informationen war es bei den Dezernenten-Klausuren, nach den Anmeldungen aus den Dezernaten und Ämtern, zunächst um 100 Millionen Euro gegangen, die im jetzt eingebrachten Entwurf noch gestrichen wurden. Auch durch eine Maßnahme mit Seltenheitswert: Die Ämter müssen die Tarifsteigerungen fürs Personal, stolze 26,5 Millionen Euro für beide Jahre, selber an anderer Stelle einsparen. 129 neue Stellen sind eingeplant. Das Personalbudget liegt für beide Jahre bei 515 Millionen Euro. Im vergangenen Doppelhaushalt hatten die Fraktionen nach 458 eigenen Anträgen auf den Entwurf noch 6,3 Millionen Euro draufgepackt. Das Volumen war danach um 8,7 Prozent auf 2,15 Milliarden gestiegen. Nach dem neuen Entwurf steigt er um 3,5 Prozent auf 2,26 Milliarden. Ein erneutes Abfackeln eines solchen „Feuerwerks der Fraktionen“ (so damals ein Stadtrat) verbietet sich solchen Mandatsträgern, die generationengerechtes Handeln für sich reklamieren. Lars Bargmann

BETEILIGUNGSHAUSHALT Unter www.freiburg.de/haushalt lässt sich der Haushaltsentwurf interaktiv einsehen. Unter www.mitmachen. freiburg.de können Bürger vom 4. bis zum 27. Januar 2021 eigene Vorschläge machen oder Vorschläge von anderen unterstützen. Wenn diese im Gemeinderat eine Mehrheit finden, wird Geld dafür im Haushalt bereitgestellt.


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