business im Breisgau

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Wir t scha f t

Mai 2021 Ausgabe Nr. 28

chilli

Ext ra Freizeit & Kultur

Experten erwarten E-Auto-Explosion Mobilität ist bei der Energiewende das Sorgenkind Nummer eins Kommunen

Klimaschutz

Home-Office

Warum Bötzingen um 13,2 Millionen Euro bangt

Über neue Wärmenetze und Windkrafträder

Wie die Krise die Arbeitswelt verändert



Editorial

Machen und Lachen Von vergnüglichen und wenig vergnügungssteuerpflichtigen Angelegenheiten

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nen ersten Gute-Laune-Gipfel, bei dem die Geschäftsführer namhafter Unternehmen dem Auditorium erzählten, wie sie die Krise gemeistert haben. „Machen und Lachen“ ist das Motto von Rainer Hundsdörfer, Vorstandsvorsitzender der Heidelberger Druckmaschinen AG mit mehr als 11.000 Beschäftigten. Hoffentlich haben diese hin und wieder auch was zu lachen.

Weniger vergnüglich ist derzeit die Stimmung in den Rathäusern in Freiburg und Bötzingen. In der Großstadt, weil sich im Gemeinderat ein neuer tiefer Graben auftut, am Kaiserstuhl, weil die Kommune 13,2 Millionen Euro bei der Pleitebank Greensill angelegt hat und diese nun im schlimmsten Fall komplett weg sind. Eher Sorgen- als Lachfalten haben aktuell auch Bauträger, Projektentwickler und Häuslebauer: Die Baustoffpreise explodieren, die Lieferzeiten ziehen sich – wohl dem, der noch Holz vor der Hütte hat – und so drohen einerseits Stillstände auf den Baustellen und andererseits wirkt sich das auch massiv kontraproduktiv auf das Ziel aus, bezahlbares Wohnen zu ermöglichen.

In unserer Titelgeschichte haben wir uns intensiv mit der Gegenwart und Zukunft der Elektromobilität auseinandergesetzt. Wussten Sie übrigens, dass ums Jahr 1900 E-Autos auf dem amerikanischen Markt rund 40 Prozent Marktanteil hatten und Verbrenner nur 20? Richtig, da fehlen noch 40 Prozent – die fuhren mit Dampfkraft. Erstmals haben wir im business im Breisgau auch eine längere Strecke mit eher wirtschaftsfernen Themen gemacht. Da gibt es übrigens auch was zum Lachen. Wir wünschen anregende Lektüre. Bleiben Sie zuversichtlich. Foto: ©ns

ie Stimmung hellt sich auf. Wenn es nach Christoph Münzer geht, Hauptgeschäftsführer der Schwarzwald AG, ist die „Krise in der Breite vorbei“. Der Mann hat sich offenbar ein halb volles Glas auf seinen Zuhause-Büro-Schreibtisch gestellt. Passend dazu veranstaltete der Wirtschaftsverband Industrieller Unternehmen Baden (wvib) unlängst ei-

Herzlichst Ihr Lars Bargmann | Chefredakteur

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Inhalt Menschen & Meldungen

Titel

Biomarkt im Bankgebäude: Alnatura zieht in den Volksbank-Neubau | Das war der Immobilienmarkt 2020 | Erster Digitaltag in Freiburg | Zoll stellt 1,3 Millionen Euro Bargeld sicher | Intrexx gewinnt Community Award | JobRad ausgezeichnet | Streit und Sick beste Arbeitgeber im Ländle 36-39

E-Mobilität: Laut Kraftfahrt-Bundesamt wurden in Deutschland 2020 fast 400.000 Autos mit Hybrid- oder E-Antrieb zugelassen. Fast 300.000 mehr als 2019. Südbadens Politiker, Netz­ betreiber und Wissenschaftler über die Mobilitätswende. 6 -8

Elektroautos im Test

Volvos XC40 Recharge Pure Electric, Skodas Enyaq iV 80 10-11

Bauwirtschaft

Wie explodierende Materialpreise Baustellen und bezahlbares Wohnen attackieren

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Warum regionalen Olympioniken das bisschen Geld nicht so wichtig ist 14-15

Politik

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Verbände

chilli goes bib

Schwarzwaldshirts: Wie aus einer Kinderfrage ein Klamottenlabel wurde

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Klimaschutz

Ausgabe 05/2021

Herausgeber:

chilli Freiburg GmbH Paul-Ehrlich-Straße 13 79106 Freiburg fon: 0761-76 99 83-0 fax: 0761-76 99 83-99 bargmann@chilli-freiburg.de www.business-im-breisgau.de

Geschäftsführung: Michaela Moser (V.i.S.d.P.)

Warum Günter Birnbaum auch als 82-Jähriger noch Lust auf Wettkämpfe hat

44-45

Was vom Stadtjubiläum in Freiburg noch zu retten ist

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Neue Windräder auf Taubenkopf und Illenberg umkämpft

Rate mal: Redaktion mit roter Laterne beim Pub-Quiz

27

Die neue MünsterbauhüttenChefin Anne-Christine Brehm

48-49

Reise: Das perfekte Wochenende in Weimar

50-52

Wie der Musiker Aaron Wolf mit Retro-Maschinen modernen Nerd-Sound kreiert

54-55

Die Script Bakery: Kann man mit KI Bestseller finden?

56-57

Seltsame Jobs

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Materialwirtschaft

Zu Besuch bei drei UpcyclingManufakturen

Bilanzen

business im Breisgau

42-43

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So war der 1. Gute-LauneGipfel des wvib

IMPRESSUM

Wie die spanische Grippe in Freiburg wütete

36 Millionen Euro für ein Wärmenetz 4.0 in Freiburg

Home-Office

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40

22-23

24

Der wvib wird 75 Jahre: Christoph Münzer über die Krisen-Performance des Bundes und die neue alte grün-schwarze Landesregierung 20-21

Chefredaktion: Lars Bargmann

Leichte Frühjahrsbelebung, große Zukunftsaufgaben

3 Jahre Kreativpark: Konrad Pfitzer über Co-Working in Corona-Zeiten

Leichen präparieren am Freiburger Uniklinikum

Finanzwelt

Greensill-Pleite: Warum die Gemeinde Bötzingen um 13,2 Millionen Euro bangt

Warum der Doppelhaushalt einen Graben zwischen die Freiburger Fraktionen gezogen hat

Start-ups

Sport & Geld

Rahmenabkommen: Deutsche und Schweizer über die Zukunft der Zusammenarbeit

Arbeitsmarkt

Kommunen

So gehen regionale Unternehmen mit der neuen Arbeitswelt um

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Rezensionen: Business Bullshit & Zukunftsrepublik 32-33

Wie die Sick AG der Krise trotzt Redaktion: Till Neumann, Philip Thomas, Erika Weisser, Liliane Herzberg, Tanja Senn Autoren: Christian Engel, Pascal Lienhard, Johanna Reich Titelkollage: Miriam Hinze; © iStock.com/ seamartini, apfDesign, petovarga Fotos: pixabay, dpa, freepik, iStock Fotograf: Neithard Schleier Grafik: Sven Weis (kombinat79) Lektorat: Beate Vogt Anzeigen: Christoph Winter (Leitung), Giuliano Siegel, Jennifer Patrias, Maria Schuchardt

Druck: Hofmann Druck, Emmendingen

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Fakten bitte

Die Welt, die Wirtschaft in Zahlen Ein Unternehmen der

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Titel

Einmal aufladen, bitte! Kurzfristig sehen Experten Südbaden für explodierende E-Mobilität gewappnet

Illustration: © iStock.com/lemono, freepik

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ie Zahlen sind elektrisierend. Laut KraftfahrtBundesamt wurden in Deutschland 2020 fast 400.000 Autos mit Hybrid- oder Elektroantrieb zugelassen. Im Jahr davor waren es zusammen knapp 108.000. Auch in Südbaden rüsten sich Politiker, Netzbetreiber und Wissenschaftler für die Mobilitätswende. Obwohl der Strom nicht grün genug ist, sind sich die Experten einig: Der Siegeszug elektrischer Pkw ist nicht mehr zu bremsen.

Der Verkehrssektor ist nach Energiewirtschaft und Industrie mit rund 20 Prozent der drittgrößte Verursacher von Treibhausgas in Deutschland. Laut dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Nukleare Sicherheit verantwortet 94 Prozent davon der Straßenverkehr. Wiederum 59 Prozent davon verfahren Benzin- und Diesel-Pkw. Welche Rolle der Verkehr auf Freiburgs Klima-Bilanz hat, verdeutlicht eine aktuelle IFEU-Studie. Zwar lagen die CO2-Emissionen der Green City im Jahr 2018 dank Erneuerbarer Ener-

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gien sowie nachhaltiger Strom- und Wärmeversorgung bei 7,41 Tonnen pro Kopf und damit 37 Prozent niedriger als 1992. Beim Verkehr stiegen die Emissionen im selben Zeitraum allerdings jährlich um 1,1 Prozent von 0,461 auf 0,466 Millionen Tonnen. „Mobilität ist das Sorgenkind“, kommentiert Baubürgermeister Martin Haag. Unterm Strich ist Verkehr in Freiburg für 28 Prozent der ausgestoßenen Treibhausgase verantwortlich. Ein von der Stadtspitze vorgelegtes Strategiepapier „Klimaschutz und Mobilität“ soll gegensteuern, Radverkehr fördern, ÖPNV


Titel

Sorgenkind Ökostrom: Für nachhaltige Mobilität ist der Anteil erneuerbarer Energien zu gering.

emissionsarme Antriebsarten nimmt zwar Fahrt auf, ökologisch überholt das Elektroauto den Verbrenner nach einer Untersuchung der Stiftung Agora Verkehrswende allerdings erst nach 150.000 Kilometern. „Jede Produktion hat einen ökologischen Rucksack“, kommentiert Krossing. Und der werde immer kleiner – auch sozial: In Norwegen, Finnland und Katalonien werde gegenwärtig nachhaltiger und sozial gerechter Bergbau für Batterien hochgezogen. „Europäische Hersteller schießen gerade wie Pilze aus dem Boden“, so der 52-Jährige. Es könnte ein neuer Goldrausch bevorstehen: Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und die Energie Baden-Württemberg (ENBW) waschen bereits Lithium aus dem Oberrheingraben. „Getrieben durch den Markthochlauf der E-Mobilität wird sich die Nachfrage nach Batterierohstoffen in den kommenden Jahren hochdynamisch entwickeln“, erklärt Michael Schmidt, Lithium-Experte der Deutschen Rohstoffagentur (DERA). Die European Battery Alliance schätzt das Marktpotenzial für in Europa produzierte automobile Batterien bis Mitte der 2020er auf bis zu 250 Milliarden Euro. Die Boston Consulting Group prognostiziert, dass Elektrofahrzeuge ab 2030 die Hälfte des weltweiten Automobilmarktes ausmachen. Geht es nach der Bundesregierung, werden allein in Deutschland bis zum Jahr 2030 sieben bis zehn Millionen Elektrofahrzeuge zugelassen sowie zehn Millionen Ladepunkte gebaut. Laut Krossing würde das jährlich einen Strom-Mehrverbrauch von bis zu 31 Terrawattstunden bedeuten. Ein gewöhnliches Elektroauto verbraucht bei durchschnittlich 13.000 Kilometern im Jahr immerhin rund 2000 Kilowattstunden Strom und damit laut Statistischem Bundesamt annähernd so viel wie ein Ein-PersonenHaushalt. Krossing rechnet einen

Schritt weiter: Würden hierzulande alle mehr als 46 Millionen zugelassenen Pkw über Nacht elektrifiziert, müsste die Stromproduktion immerhin um knapp ein Drittel erhöht werden. „Wir brauchen 28 Prozent mehr als wir derzeit haben. Das ist machbar“, findet der Chemiker. Brennen in Südbaden deswegen bald die Sicherungen durch? „In unseren Stromnetzgebieten liegen grundsätzlich ausreichend Leistungsreserven vor“, sagt Susanne Baumgartner, Leiterin Elektromobilität bei der BadenovaTochter bnNETZE. Der Ausbau von Normalladepunkten mit einer Leistung von elf bis 22 Kilowattstunden stelle für die Hausanschlusskapazität in aller Regel kein Problem dar. Bei Schnellladestationen mit Leistungsvolumina von 50 bis 150 Kilowattstunden auf Autobahnen sehe es anders aus: „Bei hohen Ladeleistungen kann mitunter der Aufbau eines neuen Trafos notwendig werden.“ Wie genau sich deswegen der Strompreis entwickeln wird, lässt sich laut Baumgartner nur schwer vorhersagen: „Der Strompreis wird durch die Kosten für die Strom­ beschaffung beeinf lusst.“ Da der Stromeinkauf bei hoher Nachfrage teuer sei, könnten Spitzenlasten zu höheren Strompreisen führen. „Der zweite Faktor, der den HaushaltsStrompreis beeinflusst, sind Netzentgelte, die mitunter abhängig von der Auslastung des Stromnetzes sind und bei einer besseren Auslastung geringer ausfallen“, erklärt Baumgartner. Weitere Unbekannte in der Gleichung seien Steuern und Umlagen. Eine entsprechende ISE-Studie aus dem Jahr 2018 kommt aber zu dem Schluss, dass Strom für Haushalte wegen Elektroautos bis 2030 um vier Prozent teurer werden könnte. „Im aktuellen Markthochlauf ist die zusätzliche Auslastung der Netzinfrastruktur in der Regel noch kein

Ökologisch überholt ein E-Auto einen Verbrenner erst nach 150.000 Kilometern

für Pendler ausbauen und Strecken bei der Siedlungsentwicklung möglichst kurz halten. Ganz allein kann die Kommune eine Mobilitätwende und die damit verbundenen Klimaziele aber nicht stemmen. Freiburgs neue Umweltbürgermeisterin Christine Buchheit betont: „Wir brauchen Richtlinien von EU, Bund und Land.“ Neben Richtlinien braucht es auch neue Technik. „Auf den Straßen wird es elektrisch“, prophezeit Ingo Krossing, Professor für Molekül- und Koordinationschemie an der Freiburger AlbertLudwigs-Universität. Der Umstieg auf

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Titel

Foto: © badenova

dass Deutschland das 65-ProzentZiel im Jahr 2030 verfehlen wird.“ Vergangenes Jahr lag der ÖkostromAnteil im Bundesgebiet laut Zentrum für Sonnenenergie- und WasserstoffForschung Baden-Württemberg (ZSW) bei 46 Prozent. Das Problem: „Man sieht Strom leider nicht an, ob er grün

„Ausreichend Reserven“: Susanne Baumgartner von bnNetze Foto: © Sandra Meyndt

Problem“, sagt Baumgartner. Damit Ladespitzen das Netz nach Feierabend nicht zu sehr belasten, brauche es intelligentes Lastenmanagement. Der südbadische Netzbetreiber ED Netze hat daher begonnen, 250 Ortsnetzstationen mit Messtechnik auszustatten. „Die gewonnenen Daten können zu Netzsteuerung und zur Netzausbauplanung genutzt werden“, erklärt Sprecher Axel Langer. Schließlich will morgens niemand ein ungeladenes Auto in der Garage finden. „Wenn Elektromobilität massentauglich werden soll, muss das Laden funktionieren“, bestätigt Robert Kohrs, Abteilungsleiter Intelligente Netze am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg. Auf ein Elektroauto in jedem Vorgarten seien deutsche Netze derzeit nicht ausgelegt. „In den nächsten drei Jahren wird Laden kein Problem, deutsche Innenstadt-Netze sind gut bemessen. Aber für die Zukunft muss man sich Gedanken machen“, sagt der 45-Jährige. Private Ladepunkte, sogenannte Wallboxen, müssen deswegen seit März 2019 in Deutschland beim Netzbetreiber angemeldet werden. Immerhin haben Elektroautos zum Laden viel Zeit: Laut Andreas Müller, Abteilungsleiter Verkehr, Technik und Umwelt beim ADAC Südbaden, fahren Pkw in Deutschland statistisch täglich nur eine Stunde lang und 37 Kilometer weit. Kohrs arbeitet bereits daran, Kapazitäten gezielt auf Lade-Boxen zu verteilen. Wenn die ökologischen Vorteile ausgeschöpft werden sollen, müsse Strom daraus möglichst nachhaltig sein. Bis 2030 soll der Anteil erneuerbarer Energien laut Bundesregierung auf 65 Prozent erhöht werden. Ob diese Marke geknackt wird, ist laut Max Gierkink vom Energiewissenschaftlichen Institut an der Universität Köln allerdings fraglich: „Die Berechnungen für den Ausbau Erneuerbarer Energien und die Entwicklung der Stromnachfrage deuten darauf hin,

Setzt auf elektrischen Antrieb: Batterie-Experte Ingo Krossing

ist oder nicht“, so Kohrs. Entsprechende Systeme, die gezielt E-Fahrzeuge laden, befinden sich aber bereits in der Testphase. Die Zeit läuft, das 2015 in Paris ausgerufene Wettrennen zur 1,5-Grad-Marke befindet sich auf der Zielgeraden.

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„Das wird eine enorme Anstrengung, aber bis 2050 bin ich zuversichtlich. Wir haben die Lösungen in der Schublade“, so Krossing. Entscheidend sei, bereits vorhandene Technologien rechtzeitig marktreif zu machen. „Das Problem ist die Skalierung“, sagt Krossing, der im Labor aus Kohlenstoffdioxid grammweise synthetische Kraftstoffe erzeugen kann. Allein das Upscaling um Faktor Hundert habe ihn zwei Jahre gekostet: „Zwischen Gramm und den benötigten Tonnen liegt eine Welt von Entwicklungsarbeit.“ Die ist noch notwendig: Betankt mit deutschem Strom aus dem Jahr 2020 setzt ein Elektroauto pro Kilometer noch 69 Gramm CO2 frei. Krossing geht aber davon aus, dass der Kilometer-Ausstoß in Zukunft weiter sinkt: 2030 auf 34 Gramm und 2050 auf bis zu 1,2 Gramm. „Das wäre praktisch klimaneutral“, so Krossing. Ein vergleichbarer Benziner bläst pro Kilometer aktuell knapp 200 Gramm CO2 in die Luft. Mit einer vergleichbaren Effizienzsteigerung ist beim Verbrenner nicht mehr zu rechnen. Ein weiterer Vorteil von E-Autos: Sie geben ihre Energie aus der Steckdose direkt auf die Achse, Fahrzeuge mit Brennstoffzellen oder Verbrenner müssen ihre Kraftstoffe erst umwandeln. Während ein batteriebetriebener Pkw zwischen Freiburg und Baden-Baden also rund 23 Kilowattstunden verfährt, benötigt ein Brennstoffzellen-Fahrzeug Krossing zufolge dreieinhalb- und ein Verbrenner sechsmal so viel Energie. Doch die Rechnung, wie grün Elek­ trofahrzeuge sind, beginnt nicht beim Tritt aufs Gaspedal. Laut Krossing beträgt der komplette Wirkungsgrad vom Bohrloch bis zum Rad bei Elektrofahrzeugen 69 Prozent. Bei Benzinern liegt dieser Wert von der Bohrinsel bis zum Rad bei 23 Prozent. „Der Wirkungsgrad beim Elektrofahrzeug ist optimal. Und die Kapazitäten werden sich noch verbessern.“

Philip Thomas



Elektroautos im Test

Ein kantiger Stromer ICH UND MEIN Enyaq iV 80

E

Foto: © bar

in durchaus hübscher Bursche ist er, der nagelneue Enyaq aus dem Hause Skoda. Und einer, der Flüssignahrung verschmäht. Seine Power holt er sich aus einem 82 kWh-Akku. Es ist Skodas erstes vollelektrisches Auto. Er läutet eine neue Zeit ein.

Sobald sich der Fahrer auf seinen Sitz setzt, startet der Neuling seine Programme. Ohne irgendeine Aktion des Piloten. Nur den Startknopf drückt er dann selbst. Es ist eher ein taktiler denn ein auditiver Vorgang. Von der Tullastraße geht es rauf auf den Kandel, der Enyaq gibt sich agil, im Sportmodus auch ein bisschen bissig. Wir segeln vorbei an einem Kastenwagen, der mit einem Bein noch auf der Straße, mit dem anderen schon in der abschüssigen Wiese steht. „Nein, wir haben schon Hilfe geholt“, sagt der Fahrer. Okay. Also weiter rauf, durch enge Kurven, lange Waldstücke, beide Fenster offen, man hört die Vögel – und ein bisschen die Reifen. Oben angekommen, zieht der Quell des Lebens (das ist die gälische Bedeutung von Enya, das Q haben die Tschechen hinten drangehängt, weil sie alle Crossovers so finalisieren), sofort neugierige Blicke an. „Sieht gut aus, das Teil“, sagt ein Wandersmann. Dem ist nicht zu widersprechen, der Enyaq ist tatsächlich sehr gut gelungen, das Elektrische sieht man ihm sofort an, aber er hat auch Ecken und Kanten, eine lebendige Linienführung und eine schnittige Schnauze. An der Tullastraße hatte ich 99 Prozent Ladung und mehr als 422 Kilometer Reichweite, oben auf dem Kandel dann 10 | chilli | business im Breisgau | 05.2021

noch 321. Hm. Unten aber wieder 379 und im Büro in der Lokhalle, rund 20 Kilometer später, 375. Die Rekuperation hat zwei Stufen, in der höheren bremst der Wagen stärker, wenn man den Fuß vom Gas nimmt. Auf dem cockpitähnlichen Tacho lässt sich das Anzapfen und das Wiederaufladen beobachten: Wenn man die beiden gegenläufigen Striche in der Balance hält, fährt man, verbraucht aber so gut wie keine Energie. Durchaus erstaunlich. An einer Schnellladesäule soll sich der Stromer in 40 Minuten von 10 auf 80 Prozent Akku bringen lassen. Der kleinste Energiespeicher mit 55 kWh wird mit rund 350 Kilometern Reichweite angegeben, der mittlere mit 62 kWh mit gut 400, der Testwagen sogar mit 500. Dann darf man aber nur segeln und nicht auf Bergen herumcruisen. Das wertig anmutende Interieur mit 13-Zoll-Bildschirm gibt es in fünf Varianten (Eco Suite, Suite, Lounge, Lodge, Loft) und die wirken auch so, wie sie heißen. Wer im Eco-Modus fährt, bekommt im Display auch gleich eine pittoreske Waldstraße angezeigt. Wenn es im Wald regnen würde: In der Fahrertür gibt es ein Regenschirmfach. Auch cool: In den Vordersitzen sind Klapptische für die Passagiere im Fond versteckt – mit Getränkehalter. Wer mit einem kleinen Griff die Rücksitze umlegt, hat stolze 1700 Liter Volumen vor sich. Unterm Strich ein smarter Stromer, bei dem das Preis-Leistungs-Verhältnis für hohe Verkaufszahlen sorgen wird. Flüssignahrung wird es bar dann nur bei den Autohändlern geben.

SKODA ENYAQ iV 80 Motor: Elektro Getriebe: 1-Gang-Automatik Leistung: 150 kWh/204 PS Max. Drehmoment: 310 Nm durchgängig Höchstgeschwindigkeit: 160 km/h Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 8,5 Sekunden Reichweite: 536 km (WLTP) Verbrauch: 16 kWh auf 100 km Effizienzklasse: A+ CO2-Emissionen: 0 Basispreise: IV 50: 33.800 Euro / IV 60: 38.850 Euro / IV 80: 43.950 Euro Preis des Testfahrzeugs: 58.150 Euro Leasingangebot: 458 Euro, 48 Monate, 10.000 km Laufleistung/Jahr Mehr Infos: suetterlin.de


Elektroautos im Test

Blitz, aber kein Donner ICH UND MEIN Volvo XC40 Recharge Pure Electric

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Foto: © pt

olvo geht in die Vollen: Bis 2040 wollen die Schweden klimaneutral sein, ab 2025 soll jedes zweite Fahrzeug elektrisch angetrieben werden. Den Anfang macht der XC40 Recharge Pure Electric, das erste strombetriebene SUV der Skandinavier – mit Charakter, gleich zwei Motoren und mehr als 400 PS. Der Mitbewohner möchte ein Möbelstück abholen. Der dafür prädestinierte 4,4 Meter lange und 1,8 Meter breite Kompakt-SUV ist dem Waldwirtschaftsstudenten aber erst mal zuwider. Natürlich ist ein Fahrrad nachhaltiger. Damit lässt sich nur leider keine Couch transportieren: Mit zwei Handgriffen ist die Rückbank umgeklappt und das Kofferraumvolumen auf 1280 Liter erweitert. Beim lautlosen Losrollen fällt dann der Groschen: „Ist der elektrisch? Das ist was anderes!“ In den Akkus stecken Volvo zufolge bis zu 418 Kilometer Reichweite. Allerdings nur bei entsprechender Fahrweise: Nach 45 rasanten Autobahn-Kilometern messen die Batterien 69 Prozent, nach einem weiteren Tag Stadtverkehr liegt die Leistung bei 43 Prozent. Per Sprachkommando empfiehlt der smarte Schwede eine öffentliche Ladesäule direkt vor der Haustür. 39 Cent kostet eine Kilowattstunde dort. Eine komplett leere XC 40-Batterie vollzuladen, kann je nach Netz bis zu 72 Stunden in Anspruch nehmen. In die-

sem Fall ist der Speicher aber bereits nach fünf Stunden wieder komplett gefüllt. Und auch längere Trips sind drin: An Schnellladestationen können die Akkus in rund 40 Minuten knapp 80 Prozent Ladung ziehen. Die 500 Kilogramm schwere und 79 Kilowattstunden starke Batterie ist gut verbaut: Dank straffer Karosserie und Allradantrieb liegt das BEV wie ein Brett in den Kurven des Kaiserstuhls – die 2,2 Tonnen auf den stromlinienförmigen Hüften sind dem Schweden nicht anzumerken. An Ampeln ist davon erst recht nichts zu spüren: Zwei elektrische Motoren spulen jeweils 204 Pferdestärken auf die Achsen und katapultieren den Volvo bei Bedarf in unter fünf Sekunden auf 100 Stundenkilometer. Das Bremspedal verkommt bei dem Fanal fast zur Fußablage. Der Volvo rekuperiert, wo er kann, und verleibt sich Bremsenergie wieder ein. Auf der abendlichen Eschholzstraße geht es gemächlicher zu. Aus Lärmschutzgründen herrscht dort schließlich Tempo 30. Gilt das eigentlich auch für Elektroautos? Der Schwede stromert immerhin still dahin. „Sollte ich mich hier an die Geschwindigkeitsbegrenzung halten?“, frage ich das Fahrzeug. „Halten Sie sich nicht an das durch das Schild angegebene Tempo, müssen Sie mit einem Bußgeldbescheid rechnen.“ Ich dachte ja, wir wären mittlerweile per Du. Philip Thomas

VOLVO

XC40 RECHARGE PURE ELECTRIC Motoren: 2x Elektro Getriebe: Automatik, AWD Leistung: insgesamt 408 PS, 660 Nm Höchstgeschwindigkeit: 180 km/h Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 4,9 Sekunden Reichweite laut Hersteller: 418 km Basispreis: 59.900 Euro Preis Ausstattungslinie Pro: 64.900 Euro Leasingangebot: ab 699 Euro, 36 Monate, 10.000 km/Jahr Mehr Infos: kollinger-gruppe.de chilli | business im Breisgau | 05.2021 | 11


Bauwirtschaft

Dramatische Entwicklung Warum Baustoffe aktuell so kostspielig sind

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Foto: © Patrick Seeger

aumaterialien sind in Deutschland derzeit knapp. Das beutelt die eigentlich boomende Branche. Denn die Lieferzeiten sind lang, die Preise hoch und sicheres Planen erschwert. Freiburger Bauunternehmen und -stoffhändler halten dennoch zusammen und hoffen auf bessere Zeiten.

„Eigentlich machen wir wöchentlich unsere Montageeinsatzplanung. Aktuell ist sie aber täglich notwendig, manchmal sogar zwei Mal pro Tag“, erklärt Jakob Gerber, geschäftsführender Gesellschafter der Dachdeckerei Peter Gerber GmbH. Hintergrund für die Planungsunsicherheit ist die Pandemie, zu der sich bei den einzelnen Stoffen weitere Faktoren gesellen. So wurden im vergangenen Jahr die Produktionskapazitäten vieler Baustoffhersteller heruntergefahren. Als die Konjunktur wieder Fahrt aufnahm, wuchs die Nachfrage schneller, als die Werke hochgefahren werden konnten. Daraus resultieren heute lange Lieferzeiten sowie hohe Kosten. Das betrifft vor allem mineralölbasierte Dämmstoffe, Stahl, Kupfer und allen voran: Holz. Laut statistischem Bundesamt war das forstliche Gut im gesägten oder gehobelten Zustand im März rund 14

Prozent teurer als im Vorjahresmonat und kostet rund fünf Prozent mehr als noch im Februar. Drastischer sind die regionalen Zahlen: „Rückmeldungen unserer Mitgliedsbetriebe haben bei Holz Preissteigerungen um bis zu 100 Prozent im Vergleich zum vergangenen Winterquartal ergeben“, weiß Johannes Ullrich, Präsident der Handwerkskammer Freiburg. Gründe dafür seien der starke Export von deutschen Hölzern in die USA, erklärt Thomas Möller, Hauptgeschäftsführer der Bauwirtschaft Baden-Württemberg e.V. Denn das Land führt vermehrt Holz aus der Bundesre-

Baupreisexplosion attackiert auch bezahlbares Wohnen publik ein, da der Import aus Kanada derzeit wegen Handelsstreitigkeiten eingeschränkt sei. „Zudem kam es in den Vereinigten Staaten aufgrund von Borkenkäferbefall sowie einem heftigen Wintereinbruch, der den Frischholzeinschlag gestoppt hat, zu einer Holzverknappung.“ Außerdem ist auch hierzulande die Nachfrage hoch, da seit Beginn der Pandemie viele Privatleute ihr

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Zuhause renovieren. „Rundholz wird unserem heimischen Markt darüber hinaus durch langfristige Lieferverträge mit China entzogen“, sagt Möller. Handwerkliche Betriebe oder Großhändler müssen deshalb häufig auf Sicht fahren oder präventiv einkaufen: Für ein Projekt benötige Jakob Gerber beispielsweise 800 Quadratmeter Grobspanplatten. „Ich habe meine Hauptlieferanten angefragt, einer sagte, er könne im August liefern, wisse aber nicht, zu welchem Preis. Der andere sagte, er könne von Mai bis Juli monatlich nur 300 Quadratmeter liefern, zu einem Preis jenseits von Gut und Böse.“ Auch beim Stahl ist die Lage angespannt. So schildert etwa Timo Fritza, Prokurist des Veeser Bauzentrums Freiburg GmbH & Co. KG: „Der Preis hat sich seit dem letzten Quartal 2020 mehr als verdoppelt, weitere erhebliche Preissteigerungen sind angekündigt.“ Auch die Lieferzeiten seien dramatisch: „Sonst waren die Produkte innerhalb von drei Tagen da, jetzt dauert es bis zu zwei Monate.“ Grund für den teuren Stahlpreis sei vor allem die hohe Nachfrage aus China sowie der Bedarf der Automobilbranche und des Maschinenbaus, so Möller. Auch die Amerikaner kauften viel, erklärt Fritza, da diese die Leichtbauweise – also mit Metall-Trockenbauprofilen – bevorzugen.


Bei Dämmstoffen sieht es kaum besser aus: „Styropor und Styrodur haben aktuell Lieferzeiten von sechs Wochen, statt keine oder längstens drei bis vier Tage. Und das ist verbunden mit einer Preiserhöhung von zehn Prozent“, klagt Fritza. Der Grund sei unter anderem der Ausfall mehrerer Werke in den USA wegen des Wintereinbruchs im Februar, so Möller. Kupfer lässt ebenso klagen: „Das Edelmetall unterliegt immer großen Schwankungen. Jetzt sind die aber außerordentlich hoch“, so Carmen Kopfmann-Gerwig, Geschäftsführerin des Elektrotechnikunternehmens Kopfmann. Auch auf Seiten der Auftraggeber hinterlässt der Mangel an Materialien Spuren. Die Dauer der Problematik ließe sich schwer abschätzen, so Marc Ullrich, Vorstandsvorsitzender des Bauvereins Breisgau: „Wir gehen fest davon aus, dass die Baukosten weiter steigen und dadurch den Neubau von Wohnungen verteuern werden.“ Nach einer Umfrage des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) unter 1600 Mitgliedern schlagen Bauträger und Projektentwickler Alarm: Wegen des Materialmangels drohten Verzögerungen oder gar Stillstand auf den Baustellen. Auch BFW-Präsident Andreas Ibel sieht darin eine weitere Gefahr für bezahlbares Wohnen. Mehrere Unternehmen wollen sich zur Anfrage des business im Breisgau nicht äußern: etwa aus Angst, Kunden zu verlieren. Zumindest bei Kies, Sand, Zement und Beton gibt es positive Nachrichten: Laut Möller weisen die regional erzeugten Produkte keine außergewöhnliche Preissteigerung auf. Außerdem hält die Branche zusammen, faire Preise werden ausgehandelt, Margen fallen weg: „Wir wägen zwischen der Kundschaft ab“, so Gerber. „Wir gehen transparent mit unseren Zahlen um und finden gemeinsam eine Lösung.“ Ähnlich handhabt es auch Fritza: „Wir reden mit unseren Kunden. Es kommen auch wieder andere Zeiten, dafür müssen wir sie uns halten.“ Liliane Herzberg chilli | business im Breisgau | 05.2021 | 13


Sport

»Olympia ist nicht lukrativ«

In Tokio am Start: Carl Dohmann und Aline Rotter-Focken

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Illustration: © Frrepik.com

m 23. Juli starten in Tokio die Olympischen Spiele. Sicher dabei aus Freiburg sind Ringerin Aline RotterFocken und Geher Carl Dohmann. Wie geht es den beiden in Corona-Zeiten finanziell? Kann Olympia einen Geldsegen bringen? Dem bib erzählen sie von überschaubaren Prämien und der schwierigen Vermarktung ihrer Randsportarten.

Gerade ist Aline Rotter-Focken bei der EM in Polen Dritte geworden. Für Bronze gab es nicht einen Cent Prämie vom Verband. Die 29-Jährige sagt das ohne Groll. Sie kennt es nicht anders. „Prämien bei Wettkämpfen sind unüblich“, erzählt sie am Telefon. „Deutschlands stärkste Frau“ (FAZ) lebt in Triberg und trainiert am Olympiastützpunkt in Freiburg. Sie war 2014 Weltmeisterin und will nach Tokio ihre Karriere beenden. Was bedeuten die Spiele finanziell? „Das ist gar nicht wichtig, wir Ringer wissen von klein auf: Du wirst mit dem Sport nicht reich.“ Rotter-Focken denkt ideell, nicht materialistisch: „Selbst wenn ich eine

Million Euro bekommen würde, wäre das nicht die Motivation für Olympia.“ Allein die Teilnahme sei „Traumziel“, höher könne der Ansporn nicht sein. Medaillen-Prämien sind dennoch ein kontroverses Thema: Die Deutsche Sporthilfe (DSH) zahlt für olympisches Gold 20.000 Euro. Im Vergleich zu manch anderem Land ist das wenig: In Italien gab’s 2018 fast das Achtfache (150.000 Euro), in Lettland waren es 140.000 Euro. Ob das nicht verlockend sei? „Klar wäre das toll“, sagt Rotter-Focken. Sie lobt die DSH dennoch: „Das ist mein wichtigster Förderer.“ Der Verband zahle aus, was er könne. Sie sei dankbar. Statt hoher Prämien bekommt die Ringerin eine feste Unterstützung: Für sie als Topathletin sind das 2200 Euro im Monat. Aufgeschlüsselt in 1000 Euro als Medaillenanwärterin, 800 Euro für den Olympiakader, 400 Euro für ihr WM-Gold. „Für mich ist das super“, sagt Rotter-Focken. Zu Beginn ihrer Karriere seien es gerade mal 100 Euro gewesen. Andere in ihrer Mannschaft müssten mit 400 Euro monatlich zurechtkommen. Auch Geher Carl Dohmann setzt keine finanziellen Hoffnungen auf die Spiele. „Olympia ist nicht lukrativ“, sagt der

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Foto: © www.isi-blitzlicht.de

Foto: © Miriam Stewartová

Wie Freiburger Weltklasse-Athleten ihr Geld verdienen

30-Jährige. Die Ausgaben für Reise, Unterkunft und Co. seien zwar über den Verein gedeckt. Als Einnahmequelle sieht er Tokio aber nicht. Erst ein Mal hat Dohmann eine Prämie bekommen: 5000 Dollar gab es für den siebten Platz bei der WM in Doha. Sind 20.000 Euro für Gold angemessen? „Das ist nicht viel für das Größte, das man im Sport erreichen kann“, sagt Dohmann. Unter Kollegen im Trainingslager sei das hin und wieder Thema. Wirklich relevant findet er es aber nicht. Viel wichtiger sei die regelmäßige Förderung: Von der DSH bekommt er monatlich 800 Euro als Teil des Olympiakaders. Auch Sponsoren unterstützen ihn. Das bringe kein Geld, versorge ihn aber mit Schuhen, Trainingskleidung oder Wettkampfnahrung. „Um richtig Werbeträger zu werden, ist das Gehen in Deutschland zu unpopulär“, sagt Dohmann. Rotter-Focken geht es da ein wenig besser: Sponsoren stellen ihr Trainingsausrüstung, Nahrungsergänzungsmittel und ein E-Auto für den Weg von Triberg nach Freiburg. Zudem hat sie Medaillenprämien ausgehandelt. In welcher Höhe bleibt ihr Geheimnis.


Politik

Preis gibt sie nur so viel: „Für solche Miniprämien würden sich Tennis- oder Fußballspieler nicht mal die Schuhe anziehen.“ Der Unterschied ist tatsächlich enorm: Allein für die WM in Russland hätten Manuel Neuer und Co. im Falle einer Titelverteidigung pro Mann 350.000 Euro bekommen. Also mehr als die Prämien für 17 olympische Goldmedaillen. Neben dem Sport arbeitet Dohmann als Journalist. Rotter-Focken ist im Gesundheitsmanagement tätig. Die Stellen sind auch eine Absicherung für die Zeiten nach dem Leistungssport. Finanziell beschweren wollen sich beide nicht. Als Spitzensportler seien sie privilegiert. Rotter-Focken weiß aber auch: Wenn sie mit all ihren Medaillen in der Türkei oder in Russland erfolgreich wäre, hätte sie längst ausgesorgt. Till Neumann

Medaillen-Prämien: Die Deutsche Sporthilfe (DSH) zahlt den Olympionik·innen feste Prämien für ihre Medaillen: Für Gold gibt es 20.000 Euro, für Silber 15.000 Euro, für Bronze 10.000. Athlet·innen der Paralympics erhalten den gleichen Satz, informiert Florian Dubbel von der DSH-Geschäftsleitung. Nach Olympia 2016 in Rio de Janeiro seien 1,5 Millionen Euro an Prämien ausgeschüttet worden. Rund 4000 Spitzensportler·innen erhalten von der DSH zudem regelmäßige Förderungen. Jährlich fließen rund 22 Millionen Euro. Dubbel betont: „Das Förderkonzept ist nicht auf eine maximale Incentivierung eines einzelnen Erfolgs ausgerichtet, sondern zielt auf die Ermöglichung des Weges zum Erfolg sowie auf die Unterstützung für den Einstieg in ein potentialgerechtes Berufsleben nach der Spitzensportkarriere ab.“ Eine Anhebung der Olympiaprämien würde zu einer Reduzierung der monatlichen Förderung führen. Das widerspreche der Philosophie der DSH.

Erfolge, Streitigkeiten, offene Fragen Wirtschaftsrat mit bilateraler Offensive

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ie Zukunft der deutschschweizerischenWirtschaftsbeziehungen standen unlängst im Mittelpunkt einer Webkonferenz des Landesverbands Baden-Württemberg des Wirtschaftsrates der CDU. Es ging um bisherige Erfolge, aber auch Streitthemen und ungeklärte Fragen – nicht zuletzt das aktuell heiß diskutierte Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU. Neben Vertretern aus Wirtschaft und Politik, etwa dem Schweizer Botschafter in Deutschland, Paul Seger, lieferten vor allem Nationalrätin Céline Widmer (SP) und CDU-Bundestagsmitglied Felix Schreiner Hintergründe zum politischen Tagesgeschäft. Widmer fungiert als Präsidentin der Delegation für die Beziehung zum deutschen Bundestag, Schreiner als Vorsitzender der Deutsch-Schweizerischen Parlamentariergruppe im Bundestag. Für einen Erfolg der Zusammenarbeit hält Schreiner etwa die Elektrifizierung der Hochrheinbahn, ein offener Streitpunkt sei aber beispielsweise die Lärmbelastung durch den Züricher Flughafen. Ungeklärt ist immer noch der eigentlich schon ausgehandelte Rahmenvertrag, der aktuell von verschiede-

nen Kräften in der Schweiz angegriffen wird. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Christoph Hoffmann setzt sich für den Vertrag ein: „Wir brauchen uns.“ Auch Widmer zeigte sich als Kämpferin für das Abkommen: „Wir müssen versuchen, unsere gegenseitigen Bedürfnisse besser zu verstehen.“ Eine Absage des Vertrages möchte sie nicht erleben, eine Isolation sei für die Schweiz fatal. Gerade in der Pandemie brauche es die grenzübergreifende Zusammenarbeit. Die Grenzschließungen zu Beginn der Krise werden von Widmer und Schreiner kritisch gesehen. Beide wollen sich künftig gegen solche Maßnahmen einsetzen. Schließlich sei die deutsch-schweizerische Grenze, so Schreiner, eine besondere. Die Menschen auf beiden Seiten verbinde eine gemeinsame Lebenswirklichkeit, es bestünden mannigfaltige, längst nicht nur wirtschaftliche Verbindungen. Wie wichtig die Handelsbeziehungen zwischen den beiden Ländern sind, zeigt ein Blick auf die Statistik. Deutschland ist für die Schweiz der wichtigste Wirtschaftspartner. Doch auch für Deutschland ist die Schweiz ein wichtiger Partner, beispielsweise in der Pharma- oder der Automotive-Industrie. Pascal Lienhard

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Finanzwelt

Gebrannte Gemeinde

Nach der Greensill-Pleite bangt Bötzingen um Millionen

Der beschauliche Schein trügt: „Die Verantwortlichen haben das Gemeinwesen auf die schrecklichste Art und Weise betrogen“, sagt Kämmerer Gervas Dufner.

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Foto: © Gemeinde Bötzingen, Schwarzwald Tourismus

n Bötzingen fehlen knapp 40 Prozent Kohle in der Kasse. Ob die KaiserstuhlGemeinde ihr Geld, das sie bei der Pleitebank Greensill angelegt hat, jemals wiedersehen wird, ist offen. Sicher ist nur: Noch einmal wollen die Verantwortlichen solch eine Situation nicht erleben. 13,2 Millionen Euro. Das sind für eine rund 5300 Einwohner zählende Gemeinde wahrlich keine Peanuts. Dass dieses Geld – eventuell für immer – weg ist, schmerzt. Wie sehr, sieht man Kämmerer Gervas Dufner an, als er mit hängenden Schultern bei einer Einwohnerversammlung beklagt: „Die Verantwortlichen der Greensill Bank haben das Gemeinwesen, also uns, auf die schrecklichste Art und Weise betrogen.“ Da hilft es auch nicht, dass Bötzingen mit seinem Schicksal nicht alleine dasteht. Allein in Baden-Württemberg haben neun Kommunen Geld bei der Pleitebank angelegt. Meist waren die Beträge deutlich niedriger als in Böt-

zingen. So sind in Neckarsulm fünf Millionen Euro weg, Friedrichshafen, Hüfingen, Mengen und Heidenheim haben jeweils drei Millionen Euro verloren, Bad Dürrheim zwei Millionen. Nur die Gemeinde Weissach im Landkreis Böblingen hatte mit 16 Millionen Euro ebenfalls eine zweistellige Millionensumme investiert. Damit kommt das Ländle noch vergleichsweise gut weg. Deutschlandweit sollen mindestens 343 Millionen Euro aus 38 Kommunen und dem Bundesland Thüringen geflossen sein. Glück im Unglück hatten dabei die Gemeinden, die ihr Geld schon vor 2017 angelegt haben. Bis dahin gab es noch einen Einlagensicherungsfonds des Bundes, der nun für die Verluste aufkommt. Den anderen Kommunen bleibt nichts anderes übrig, als auf das Insolvenzverfahren zu warten, das sich aber über die nächsten vier bis fünf Jahre strecken könnte. Zudem bleibt der Rechtsweg. Dabei scheint es, als würden die meisten Gemeinden verzweifelt in alle Richtungen schlagen. Bötzingen hat sich dafür mit den anderen betroffenen Kommunen des Landes zusam-

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mengetan und zusätzlich den Freiburger Rechtsanwalt Thomas Dehlfing, Spezialist für Bank- und Kapitalmarktrecht, beauftragt. Die Anwälte prüfen nun, wer haftbar gemacht werden kann: die Verantwortlichen bei der Bank? Der Wirtschaftsprüfer? Die Finanzaufsicht Bafin, die bereits Anfang 2020 von Unregelmäßigkeiten bei der Bank gewusst haben soll? Oder die Finanzvermittler, die Bötzingen zu der Anlage geraten haben? Noch gibt es dabei keine Ergebnisse: „Wir fordern das Geld zurück, aber ob das gelingt, ist noch offen“, so Dehlfing. Bleibt die Frage, inwiefern die Gemeinden selbst für ihre Misere verantwortlich sind. Deren Kämmerer und Bürgermeister müssen sich aktuell ein dickes Fell wachsen lassen. PresseÜberschriften wie „Die Zocker-Kommunen waren gewarnt“ tragen nicht dazu bei, den Unmut der Bürger zu dämpfen. In der Gemeinde sei die Stimmung „unterschiedlich“, berichtet Bürgermeister Dieter Schneckenburger (CDU). Die meisten Bötzinger hätten Verständnis für die Lage.


Finanzwelt

Sie bekommen das Loch in der Gemeindekasse – betroffen sind 37 Prozent der Finanzmittel – aktuell noch nicht zu spüren. Für 2021 seien alle Projekte gesichert. Ob aber mittelfristig alle angedachten Planungen durchgeführt werden können, wolle man Ende des Jahres im Gemeinderat besprechen, so Schneckenburger. Das hänge auch davon ab, wie sich die wirtschaftliche Lage und dadurch die Einnahmen im weiteren Lauf der Corona-Krise entwickeln.

»Keine Zinsjagd veranstaltet« Für Bötzingen war schnell klar, dass unabhängig geprüft werden muss, ob die Verwaltung alle rechtlichen Vorgaben eingehalten hat. Damit befasst sich nun die Kommunalaufsicht des Landkreises Breisgau-Hochschwarzwald. Hier will man noch nicht über erste Ergebnisse sprechen, doch Schneckenburger ist zuversichtlich, dass die Prüfung für seine Gemeinde positiv ausfällt. „Wir haben keine Zinsjagd veranstaltet“, beteuert er. Bei der Greensill habe es Zinsen zwischen 0,02 und 0,75 Prozent je nach Laufzeit und Anlagezeitpunkt gegeben, erläutert Dufner. Auch andere Privatbanken hätten ähnliche Zinsen geboten – dabei aber kein oder ein schlechteres Rating gehabt. Er zeigt sich zuversichtlich, dass er trotz der „täglichen Arbeitslast“ nichts übersehen hat. „Vor der kriminellen Energie der Bankakteure ist weder ein ordentlich arbeitender Kämmerer noch ein Geschäftsmann geschützt.“ Was Bötzingen nun schmerzlich lernen musste, haben andere Städte schon hinter sich. So hatte etwa Freiburg vor dem Crash der US-Investmentbank Lehman Brothers dort 47 Millionen Euro angelegt. Sie hatte Glück: Damals war die Anlage noch durch den Einlagensicherungsfonds abgesichert. Ohne diesen, betont der heutige Finanzbürgermeister Stefan Breiter, „geht die Sicherheit vor.“ Die Greensill-Pleite hätte ihm nicht passieren können. Freiburg passt die städtischen Anlagerichtlinien regelmäßig an, heute fließt das Geld nur noch zu Sparkassen, Volksbanken und Genossenschaftsbanken. Auch Bötzingen hat diese Lektion gelernt: Der Gemeinderat hat nun beschlossen, nur noch bei Banken anzulegen, die von der Einlagensicherung gedeckt sind. Entsprechende Richtlinien arbeitet die Verwaltung nun aus. Schneckenburger ist froh über diesen Schritt: „Nach diesen Erfahrungen ist unser Vertrauen in Privatbanken weg.“ Tanja Senn Im vergangenen März hat die Bafin die Bremer Tochter des britisch-australischen Konglomerats Greensill wegen drohender Überschuldung geschlossen. Gleichzeitig hat die Behörde Strafanzeige gestellt, die Staatsanwaltschaft ermittelt. Vorgeworfen wird dem Kreditinstitut Bilanzfälschung. Zudem soll die Bank Kreditversicherungen gefälscht haben, auf denen das ehemalige A-Rating der Agentur Scope maßgeblich gefußt hat. Beim Amtsgericht Bremen wurde nun das Insolvenzverfahren eröffnet. chilli | business im Breisgau | 05.2021 | 19


Verbände

»Die Krise in der Breite ist vorbei« Der wvib wurde schon 75 Jahre alt, mischt sich aber sehr agil ins Geschehen ein

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Foto: © wvib

er neue Koalitionsvertrag der grün-schwarzen Landesregierung, das Pande­miemanagement der Bundesregierung, das umstrittene Rahmenabkommen der EU mit der Schweiz – es gibt viele aktuelle Themen, die Christoph Münzer, den Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbands Industrieller Unternehmen Baden (wvib), aktuell beschäftigen. Das eigene Jubiläum indes nur am Rande.

Es war der 9. Mai 1946, ein Donnerstag, als sich in Freiburg erstmals der Gründungsbeirat der Fachvereinigungen Maschinenbau und Gießereien, Drahtziehereien und Kaltwalzwerke, Metallverarbeitung und Metallgießereien traf. Der erste Meilenstein in der Geschichte des wvib, der am 9. Mai sein 75-jähriges Bestehen „feierte“. Galt es 1946, unter französischer Regie, überhaupt an Material zu kommen – bis zur Einführung der D-Mark war übrigens Schwarzwälder Kirschwasser eine beliebte Ersatzwährung –, ist die Schwarzwald AG, wie sich der wvib gerne nennt, heute vor allem ein Instrument für Wissenstransformation und ein politischer Stellvertreter für mehr als 1000 Mitgliedsbetriebe mit mehr als 380.000 Beschäftigten und 74 Milliarden Euro Umsatz. Münzer ist gerade beim Einparken, als er das Telefon abnimmt. „Wir können loslegen“, sagt er, während sein Auto lautstark beweist, dass es mit Assistenzsystemen ausgestattet ist. In Stuttgart hat der alte und neue Ministerpräsident Winfried Kretschmann gerade den

Die große wvib-Party zum Jubiläum steht noch auf der Corona-Kippe: Christoph Münzer (m.), Thomas Burger (r.) und Jörn Rickert (Geschäftsführer CorTec GmbH) bei der Vorstellung der jüngsten Konjunkturumfrage. neuen Koalitionsvertrag vorgelegt. Ambitionierte Klimaziele seien sicher richtig, „aber wir haben ein bisschen Angst, dass die Marktwirtschaft vor lauter Klimarettungswillen über Bord geht“, sagt Münzer. Nicht zig Einzelverordnungen, sondern eine „kraftvolle Ausweitung des Zertifikathandels“ mit deutlich höheren CO2-Abgaben sei besser. Denn darauf könnten sich die Marktteilnehmer einstellen.

„Zu viel Plan, zu wenig Wirtschaft“ Verbandspräsident Thomas Burger kritisierte „viel visionäre Rhetorik“, „zu viel Plan, zu wenig Wirtschaft“. Die Koalitionspartner hätten einen „grünen Formulierungs-Luftballon steigen“ lassen, der womöglich bald „am Kleingedruckten des Finanzierungsvorbehalts“ platzen werde. Als die Grünen 2011 an die Macht kamen, waren viele Unternehmer sehr skeptisch. Wie Münzer die vergangenen zehn Jahre grün-schwarz bewertet? Viele Zweifel hätten sich nicht

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bewahrheitet, das habe aber auch an der „brummenden Konjunktur“ gelegen: „Wenn man 10 Prozent mehr Rendite hat, lösen sich 100 Prozent der Probleme.“ Zudem sei Kretschmann ein Ministerpräsident, der „schwarze Politik grün lackiert“ macht. Über die Performance der Bundesregierung hat er zwei Meinungen: „Der Bund hat auf eine neuartige Krise ganz schnell reagiert, der Teil Sozialstaat hat gut funktioniert. Vom Management-Teil haben wir aber mehr erwartet, da sind wir schon enttäuscht.“ Während sich die Politik von Gipfel zu Gipfel hangelte, sei die Industrie „schneller und weiter“ gewesen. Wenn in Berlin vorgeschrieben wurde, dass Schichten getrennt werden müssen, hätten die Unternehmer das schon lange umgesetzt. Oder jetzt die Betriebsärzte: „Die hätte man ja wirklich auch im November schon einbinden können.“ Zudem sei es, wie bei den kostenlosen Tests, „sehr irritierend, dass der Staat die Unternehmen zunehmend wie eine Behörde behandelt. Diese sei-


Verbände

en aber kein Teil des Staatsapparates. Gerade die Industrie habe in der Krise die Wertschöpfung geleistet, auch für die anderen Branchen. Sie brauche nicht noch mehr Staat. Sie, die Unternehmer, bräuchten vielmehr „so viel Freiheit, dass sie für ihr Handeln verantwortlich gemacht werden können“. Der Bund müsse bei all den CoronaHilfen nun mal „weg von der Gießkanne“. Es sei „Quatsch“, wenn Daimler Beschäftigte in Kurzarbeit schicken kann und gleichzeitig monströse Gewinne mache. Es brauche vielmehr kräftige Investitionen in die Infrastruktur. Zum Glück sei die Automobilbranche nach dem ersten Lockdown schneller als erwartet wieder stark gewesen, vor allem wegen der Nachfrage aus China, dann aber auch aus USA mit seinem „Monsterkonjunkturprogramm“. Zum aktuellen Streit um das Rahmenabkommen zwischen der EU und der Schweiz, da geht es wie mit Großbritannien auch um Handelsbarrieren und Zölle, hat Münzer eine grundsätzliche Haltung: Wie intelligent es sei, dass ein so kleines Land sich den Luxus leistet, jede Dienstleistungsrichtlinie anders als die es umgebende EU zu regeln, wisse er nicht. Auf der anderen Seite gebe es dann wieder „Trittbrettfahrerelemente“. Der wvib wünsche sich auf lange Sicht jedenfalls „weniger Grenzen und stärkere Angleichungen“. Insgesamt seien die Mitgliedsbetriebe der Schwarzwald AG stark durch die Pandemie gekommen, hätten Resilienz bewiesen. „Die Krise in der Breite“, sagt Münzer, „ist vorbei.“

Lars Bargmann

Der wvib vertritt aktuell 1028 Unternehmen mit 237.000 Beschäftigten im In- und 125.000 Beschäftigten im Ausland. 1950 waren es 260 Betriebe, 1980 rund 630, 2000 etwa 900, vor zehn Jahren 990. Während die Wirtschaftsleistung im ersten Quartal 2021 bundesweit um 1,7 Prozent zurückging, wuchs der Umsatz der wvib-Betriebe um 4,3 Prozent, die Auftragseingänge um 17,4 Prozent. bar

Humor, Frühsport und Kaminabende Unternehmer berichten, wie sie die Krise gemeistert haben

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ie deutsche Industrie hat ihre Exportprognose für 2021 angehoben. Statt um sechs Prozent, sollen die Ausfuhren laut Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) um 8,5 Prozent zulegen. Vor dem Hintergrund trafen sich unter dem Dach des Wirtschaftsverbands Industrieller Unternehmen Baden unlängst 120 Unternehmer auf ein virtuelles Stelldichein. Der Vorstandsvorsitzende von Testo ist mit seinen Mitarbeitern – unter Einhaltung der Hygieneregeln – in der Pandemie zusammengerückt: Seit März 2020 hat Burkart Knospe mit Führungskräften mehr als 50 Kamin­abende veranstaltet. Gesprächsthema beim Marktführer für Messtechnik mit weltweit 3200 Mitarbeitern dürfte dabei auch der um 12 auf insgesamt 352 Millionen Euro gestiegene Jahresumsatz gewesen sein. „Die Welt will Messtechnik“, sagt der Volkswirt. Auch Patrick Zimmermann hat gut lachen. Der Mitgründer von Fruitcore robotics und Vater von Industrieroboter Horst erinnert sich an die Firmengründung im Jahr 2017: „Wir waren fünf Kumpels, die Roboter neu gedacht haben.“ Seitdem ist Fruitcore auf 75 Mitarbeiter gewachsen. Der Jahresumsatz von 2020 sei jetzt schon übertroffen. In der Krise habe sich der Wirtschaftsingenieur mit Frühsport den Kopf freigehalten: „Es ist wichtig, positiv zu bleiben.“

Für Miriam Häring, Mitglied der Geschäftsleitung der Anton Häring KG, kam das Erliegen der Weltwirtschaft wenig überraschend. „Dank unseres Standorts in China haben wir früh gewusst, was auf uns zukommt“, berichtet sie vor einem von weltweit vier Ausbildungszentren des Automobilzulieferers. In ihrer Branche war schon vor der Krise ein hohes Maß an Flexibilität gefordert: „Wir haben diese Herausforderung angenommen.“ Auch Rainer Hundsdörfer hat die Pandemie bei den Hörnern gepackt. Der Vorstandsvorsitzende der Heidelberger Druckmaschinen AG hat nach eigener Aussage schon ein paar Krisen durchgestanden. Trotz Umsatzeinbußen in Höhe von rund 500 Millionen Euro habe der 63-Jährige die Zuversicht nicht verloren: „Machen und Lachen ist mein Motto.“ Das 170 Jahre alte Unternehmen habe sich breiter aufgestellt, sei neue Wege gegangen, drucke nun nicht nur Flyer und Prospekte, sondern auch Sensoren und LEDs, habe eine Plattform aufgebaut, die Kunden mit Lieferanten verbindet und Geschäftsbeziehungen automatisiert. Vor der Krise habe es der Unternehmer nie länger als zwei Tage an seinem Schreibtisch ausgehalten. „Dieses Jahr war ich länger im Büro als die letzten zehn Jahre zusammen.“ Nun gelte es, das Momentum zu nutzen und die gelernten Fähigkeiten nicht wieder zu verlieren: „Wir dürfen nicht zurückfallen.“

Philip Thomas

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Kommunen

Ein Parlament im Streitmodus Die einen wettern, die anderen schütteln den Kopf: So beschließt Freiburg den Haushalt

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Illustrationen: © freepik

er Freiburger Gemeinderat hat am 27. April den gut zwei Milliarden Euro schweren Doppelhaushalt 2021/2022 beschlossen. Einen mit 245 Millionen Euro Investitionen. Einen auf Pump. Einen, dem sich erstmals überhaupt die CDU-Fraktion und die Freien Wähler verweigerten. Zudem die Fraktionsgemeinschaft FDP/BfF, die AfD und Freiburg Lebenswert. Unabhängige Frauen und die Grüne Alternative enthielten sich. 20 von 48 Volksvertretern im Gremium tragen den Haushalt der Stadtspitze nicht mit. Vor zwei Jahren hatte es zwei Gegenstimmen gegeben. Um den Haushalt überhaupt genehmigungsfähig aufzustellen, kassierte der Gemeinderat ein gutes Dutzend alter Investitionsbeschlüsse wieder ein: etwa das Außenbecken Westbad, die Erweiterung des Berthold-Gymnasiums oder die Sanierung der Max-Weber-Schule. Carolin Jenkner, Fraktionsvorsitzende der CDU (6 Sitze), kritisierte in ihrer Rede, dass Oberbürgermeister Martin Horn und eine Mehrheit im Gremium im Kampf für mehr bezahlbaren Wohnraum der Freiburger Stadtbau (FSB), statt sie für Neubauprojekte finanziell möglichst krisenfest aufzustellen, mit dem FSB-2030-Konzept eigene Einnahmequellen verunmöglicht und sie so „an

den städtischen Tropf“ hänge – ohne dass am Ende auch „nur eine einzige Wohnung mehr gebaut“ werde. Würde man die FSB stattdessen zur Querfinanzierung des sozialen Mietwohnungsbaus weiter mehr als nur 25 Prozent Eigentumswohnungen bauen lassen, würde das unterm Strich genauso viel Wohnraum schaffen, zusätzlich aber Menschen in Eigentum bringen. Zudem beschließe die Mehrheit, „selbst in den bizarrsten Situationen kein einziges städtisches Grundstück mehr zu verkaufen, auch wenn es für die Stadt überhaupt keinen Nutzen hat“. Seit dem Amtsantritt von Horn 2018 haben sich die Schulden im Kernhaushalt von knapp 190 auf geplante 347,5 Millionen Ende 2022 fast verdoppelt: „Das ist fatal. Wir finden uns in diesem Haushalt nicht mehr wieder.“ Das gelingt auch den Freien Wählern (3 Sitze) nicht. „Der von OB Horn und Finanzbürgermeister Stefan Breiter eingebrachte Doppelhaushalt hat unsere seit Jahren bestehenden schlimmsten Befürchtungen noch bei weitem übertroffen“, so Fraktionschef Johannes Gröger. 90 Millionen Neuverschuldung, 60 Millionen zusätzliche Kassenkredite und mehr als 20 Millionen ins Haushaltsjahr 2020 geschobene Ausgaben würden die „nicht anders als dramatisch zu bezeichnende“ finanzielle Situation aufzeigen. Es sei der Milde des Regie-

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rungspräsidiums und dem niedrigen Zinsniveau zu verdanken, „dass in dieser Stadt nicht bereits der Insolvenzverwalter das Sagen hat“. Auch Gröger kritisiert, dass die Stadtspitze der FSB „die wirtschaftliche Selbstständigkeit entzieht und auf Jahre an den städtischen Subventionstropf hängt“. Untermalt werde dies mit der Grundeinstellung des OB und einer Mehrheit des Gemeinderates, dass Wohneigentum offenbar nicht wünschenswert sei, trotz ständig steigender Mieten und einer massiven Zunahme der Altersarmut. Was an einer solchen Politik nachhaltig und sozial sein soll, „kann nicht nur unsere Fraktion nicht erkennen“. Welcher fiskalische Sachverstand es rechtfertige, auf den Verkauf von einzelnen städtischen Grundstücken zu verzichten oder anzunehmen, dass das Baugebiet Kleineschholz oder der städtische Anteil im Dietenbach über die sogenannte Erbbaurechtslösung realisierbar ist, bleibe völlig offen: „Wir reden hier über Hunderte von Millionen zusätzlicher Schulden.“ In dieselbe Kerbe schlägt Sascha Fiek, Fraktionsvorsitzender der FDP/BfF (4 Sitze): „Die Mehrheit dieses linken Hauses behandelt den Haushalt weiterhin wie einen Pott Spielgeld am MonopolyTisch.“ Sorgen bereite der Fraktion vor allem der Bausektor: „Wir verheddern uns inzwischen in einem dichten Ge-


Kommunen

flecht aus Milieuschutzsatzungen, Gestaltungssatzungen, Veränderungssperren und Anpassungen von Bebauungsplänen, nur um ja auch den letzten Rest an privater Initiative im Keim zu ersticken.“ Mit „großer Spannung“ erwarte man die Vorschläge der Verwaltung, wie Dietenbach angesichts wegbrechender Finanzen ausschließlich im Erbbau realisiert werden soll, denn das sei „illusorisch“. Die Grünen indes, mit 13 Sitzen die mit Abstand größte Fraktion, tragen den Haushalt mit. Nicht aber die Vorschläge, erneut Grundstücksvermögen zu verkaufen: „Schuldenmachen ist keine gute Sache. Aber wie ausgerechnet die CDU darauf kommt, in einer Niedrigzinsphase Schulden zu vermeiden, indem man Grundstücke verkauft, das einzige Wirtschaftsgut, das nicht vermehrbar ist und deshalb langfristig im Wert steigt, lässt einen doch den Kopf schütteln.“ Gleiches gelte für die Versuche, das Bekenntnis dieses Gemeinderats zur Stärkung der Stadtbau infrage zu stellen. Zur Schieflage in der Stadtkasse sei es nicht nur wegen sich abflachender Einnahmen aus Steuern und Zuweisungen gekommen oder den Minder-Erträgen aus der Beteiligung an der Badenova, sondern vor allem durch steigende Aufwendungen „für all die guten Dinge, die wir beschlossen haben“: Straßenbahnlinien, Betreuung in Kitas, Schulsozialarbeit an den Schulen. Es sei gelungen, dem Haushalt eine „grüne Handschrift“ zu geben und unabdingbar, auf dem Weg zur Klimaneutralität und zu einer echten Verkehrswende entschieden voranzugehen. Der grün-schwarze Masterplan zur Entschuldung des städtischen Haushalts wirkt auf den Betrachter heute wie ein Relikt aus einer anderen Zeit. Die Hand gehoben hat „mit großen Bauchschmerzen“ mehrheitlich auch die Fraktionsgemeinschaft Eine Stadt für alle (ESfA, 7 Sitze). „Für uns ist dieser Haushalt ein schlechter Kompromiss auf Kosten einer sozial gerechteren Stadt“, so der Co-Vorsitzende Michael Moos. Für Alarmismus bei den Schulden bestehe indes kein Anlass. Es sei auch keine Alternative, das Haushaltsde-

fizit auf Kosten des sozialen Wohnungsbaus auszugleichen, es sei vielmehr der „eigentliche Skandal“ der Anträge, den eingeschlagenen Kurs einer Forcierung des Mietwohnungsbaus, insbesondere des öffentlich geförderten, zu torpedieren. Und es sei „eigentlich unfassbar“, dass städtische Grundstücke „jahrzehntelang auf den Markt geworfen wurden“ – mit dem Ergebnis, dass die Stadt selbst spekulative Preise bei Grundstücken und Mieten angeheizt habe. Auch die SPD-Kulturliste (7 Sitze) gibt dem Werk aufgrund der Kernthemen Soziales, Wohnen, Klima ihr Ja-Wort und begründet die vielen Millionen, die das Thema Wohnen kostet: „Es liegt in unserer Verantwortung, dass jene Menschen, denen wir für ihre Arbeit in der Krankenpflege, im Einzelhandel, bei der Müllabfuhr und in der Kita so dankbar sind, auch zukünftig in Freiburg wohnen können“, so die Fraktionsvorsitzen-

„Ein Fiasko für die Einrichtungen“ de Julia Söhne. Genau deswegen stehe die Liste zum FSB-Sozialbonus, zum Investitionsprogramm und zur Wohnbauoffensive. „Es ärgert mich maßlos, dass es zahlreiche Fraktionen und Stadträt∙innen gibt, die Wohnungen und Boden verkaufen wollen, um den Haushalt zu sanieren. Das ist maximal kurzfristig gedacht, wenig sozial und damit auch nicht nachhaltig“, sagt Söhne: „Wohnen ist ein Menschenrecht. Wir setzen gemeinsam einen 60 Millionen Euro teuren und längst überfälligen Schwerpunkt.“ Kult-Stadtrat Atai Keller kritisiert die Folgen der Aussetzung der „mühsam erkämpften jährlichen Dynamisierung“ im Kulturbereich: „Ein Fiasko für alle Einrichtungen.“ Der Vorsitzende der fünfköpfigen JUPI-Fraktion, Simon Sumbert, erklärt, dass die Entscheidungen gegen die Tariferhöhung für die Rathaus-Bediensteten (diese 19 Millionen Euro müssen die Ämter einsparen, d. Red.), gegen die Dynamisierung der Zuschüsse für die Kul-

turschaffenden, gegen das Außenbecken im Westbad oder die Sanierung der MaxWeber-Schule in ihren Auswirkungen wohl nicht nur ihm Angst machen würden. Aber die Spielräume seien eben nicht da. Auf der anderen Seite stünden etwa der Innovationsfonds für die Kultur, ein Nachtbürgermeister∙in, viele wichtige soziale sowie Klimaschutz- und Verkehrswende-Projekte. Detlef Huber von der AfD (2 Sitze) sieht im Haushalt „eine Kapitulation vor dem linksgrünen Zeitgeist“. Der OB habe „in erster Linie Verantwortung für die Bürger dieser Stadt und eben nicht für das Weltklima“. Ein Verzicht auf das „unnötige Vergangenheitsbewältigungsprojekt“ NS-Dokuzentrum würde mehr als neun Millionen Euro sparen. Völlig unverständlich sei auch die beharrliche Weigerung dieses Gemeinderats, kleinste Erbpachtgrundstücke zu verkaufen, wo ein Potenzial von über 46 Millionen Euro liege: „Ein Eisstadion sozusagen.“ Einzelstadtrat Wolf Dieter Winkler wiederholt seine Kritik am Dietenbach: „Allein in diesen beiden Haushaltsjahren sollen dafür 65 Millionen Euro ausgegeben werden.“ Und auf der anderen Seite lasse die Verwaltung das Lycée Turenne seit 28 Jahren leer stehen. Wegen der einseitigen Ausrichtung der Ausgaben hin auf den zerstörerischen Wohnungsbau lehnt er den Haushalt ab. Die Haushaltsberatungen legen einen Graben quer durch den Gemeinderat frei. Die „bürgerlichen“ Fraktionen sind in der Opposition, Horn kann mit Grünen, ESfA und JUPI (25 Sitze) Mehrheiten links der Mitte finden. Es liegt an ihm, diese verantwortungsvoll zu nutzen. Aktuell ist das Schuldenmachen für mehr Ökologie, Kultur und Soziales in Freiburg Regierungspolitik. Das Regierungspräsidium muss den neuen Haushalt aber noch genehmigen. Das ist eigentlich eine Formsache. Allerdings hatten die Aufseher schon vor zwei Jahren „erhebliche Risiken“ in der Gesamtverschuldung des Konzerns Stadt Freiburg gesehen. Und die steigt weiter. Auf 1,6 Milliarden Euro bis Ende 2024.

Lars Bargmann

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Start-ups

Dämpfer und Durchstarter Wie der Freiburger Kreativpark durch die Krise kommt

chilli: Herr Pfitzer, den Kreativpark gibt’s seit drei Jahren. Wie steht der Coworking-Space da? Pfitzer: Das Konzept Kreativpark, wie wir es uns gedacht hatten, funktioniert. Er ist quirlig, innovativ, kreativ. Wir erleben hier täglich eine wachsende Community aus Kreativen, etablierten Unternehmen, der Start-up- und Nachhaltigkeitsszene. chilli: Auch finanziell ist das ein Großprojekt. Ist das Ganze kostendeckend? Pfitzer: Wir sind 2018 mit dem Kreativpark finanziell erheblich ins Risiko gegangen. Es war nicht klar, ob die Lokhalle und unser Konzept in dieser Größenordnung in Freiburg funktionieren. Um den Kreativpark nachhaltig betreiben zu können, müssen wir damit Geld verdienen. Und das tun wir. Die Freiburg Wirtschaft Touristik und Messe GmbH (FWTM) arbeitet sehr eng mit uns zusammen und unterstützt uns mit einem Zuschuss für Start-up-Förderung und Community Management. chilli: Wer tummelt sich alles im Park? Pfitzer: Der Grünhof hat heute über 300 Mitglieder. Die Fixdesks, dauerhafte Arbeitsplätze, und Teamspaces sind seit Beginn ausgebucht. Wachstum haben wir bei den Flexdesks, den Teilzeitarbeitsplätzen. Durch eine Vielzahl an Veranstaltungen haben wir auch eine wachsende Zahl externer Gäste. Mit über 100 Unternehmen vor Ort ist die Lokhalle der Freiburger Kristallisations-

ort für die Kreativ- und Start-up-Szene geworden! chilli: Und er wächst: Am 1. Juni eröffnen Sie einen Pop-up-Coworking-Space am Rotteckring. Was ist da geplant? Pfitzer: Im Pop-up am Rotteck fahren wir ein neues Konzept, das „Cluboffice" heißt. Cluboffice ist ein Hybrid von Flexdesks und Teambüros. Mehrere, ganz unterschiedliche Teams teilen sich einen geschlossenen Shared Space, der viele sehr unterschiedliche Formen zu arbeiten ermöglicht – ohne feste Zuteilung. Der Space ist mittlerweile ausgebucht. chilli: Start-ups sind immer auch Risiko. Wie viele Ideen im Park sind gefloppt?

Foto: © Kreativpark Freiburg

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eit drei Jahren gibt es den Kreativpark in der Lokhalle. Wie hart trifft ihn die Krise? Konrad Pfitzer (42) ist Teil der Geschäftsführung des Grünhofs, die den Park betreibt. Er erzählt im Interview mit Redakteur Till Neumann von Durchstartern, einem Dämpfer und dem einzigen Ort, wo es mal Ärger gibt.

Koordinator: Konrad Pfitzer Pfitzer: Es liegt in der Natur der Sache, dass Start-ups und junge Unternehmen auch floppen. Wir führen darüber nicht Buch. Von den Start-ups, die wir in unseren Programmen betreuen, verschwinden immer wieder welche von der Bildfläche. Manche haben auch jetzt in der Pandemie arg zu kämpfen. Ein Aus kann an Defiziten im Team liegen, an Problemen bei der Finanzierung oder eben an unerwarteten Ereignissen wie der Pandemie. Ein gutes Produkt ist auf jeden Fall nur die halbe Miete. chilli: Was sind die bisher erfolgreichsten Ideen? Pfitzer: Durchstarter sind Start-ups wie WeTell (nachhaltiger Mobilfunk) aus der Lokhalle, aber auch Smart-Green-

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Teams aus Freiburg wie das von uns unterstütze Space-Start-up ConstellR. Der Designer Elmar von „Done By People“ hat in den letzten Jahren einige große Design Awards abgeräumt. chilli: Wie sehr schlägt die Pandemie ein für Sie und Ihre Mieter·innen? Pfitzer: Die Pandemie hat unser Veranstaltungsgeschäft seit über einem Jahr fast auf null gedrückt. Wir sind unglaublich dankbar, dass unsere Coworking-Mitglieder an unserer Seite stehen und wir uns gegenseitig durch die Pandemie begleiten. Das hat uns vor existenzbedrohenden Verlusten gerettet. Viele Teams aus der Kreativwirtschaft spüren die Zurückhaltung aus der Wirtschaft, Marketingausgaben zu tätigen. Die Pandemie ist ein Dämpfer für die gesamte Community, ganz klar. chilli: So viele Kreative auf einem Haufen – bei was gibt’s da auch mal dicke Luft im Park? Pfitzer: Eigentlich geht es bei uns recht friedlich zu. Ärger gibt es höchstens mal, wenn die Küche nicht sauber gehalten wird. Probleme wie in jeder anderen guten WG halt auch. chilli: Wo müssen Sie nachbessern? Pfitzer: Die Büros in der Lokhalle sind beheizt, die Halle selbst nicht. Das war eine der Unbekannten, mit der wir ins Rennen gegangen sind. Wir haben kreative Lösungen gefunden und arbeiten weiter daran, die Lokhalle auch im Winter zu einem noch gemütlichen Ort zu machen. chilli: Um die Location weht ein Hauch Silicon Valley. Gefällt Ihnen der Vergleich? Pfitzer: Wir teilen den Glauben an Innovation, Technologie und Fortschritt. Für uns ist jedoch im Gegensatz zum Silicon Valley nicht nur digitaler Fortschritt wertvoll, sondern auch gesellschaftlicher und sozialer Wandel ein echtes Anliegen.


Start-ups

Farbige Vielfalt: Stolz trägt Peggy Abel ihre Kreation selbst.

»Der Schwarzwald ist bunt« Pullover- und T-Shirt-Start-up will Vielfalt der Region zeigen

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it ihrem Label „Schwarzwaldshirts“ kombiniert Peggy Abel lehrreiche Aufdrucke, faire BioQualität und Heimatgefühl. Für den Sommer kreiert sie luftige T-Shirts, für den Winter wärmende Hoodies. Wegen der Pandemie herrscht in ihrem Unternehmen weitestgehend Eiszeit. Aufgeben will sie trotzdem nicht. „Mama, warum heißt der Schwarzwald eigentlich schwarz? Der ist doch total bunt“, wollten die Kinder der Denzlinger Unternehmerin Peggy Abel vor knapp vier Jahren wissen. Aus der simplen Frage sollte ein halbes Jahr später das Klamottenlabel der Mutter werden: „Das hat nachgehallt. Mir kam die Idee, lehrreiche T-Shirts zu gestalten.“ Die ersten Schwarzwald-Oberteile trugen die Kinder der 49-Jährigen also stolz selbst. Es dauerte nicht lange, ehe auch ihre Freunde welche wollten. Und schließlich die Mütter der Kinder. Dann wurde es Herbst und die Nachfrage nach kuschligen Kapuzenpullis wuchs – der Ein-Frau-Betrieb „Schwarzwaldshirts“ war geboren. Kurzerhand baute sich die gelernte Mediengestalterin ihre Website selbst, „die Models sind unsere Nachbarskinder“, erzählt Abel. 4000 Euro nahm sie in die Hand, das Geld sei längst wieder erwirtschaftet. Fünf Tiere zieren heute ihre Kleidungsstücke: Eichhörnchen, Gartenschläfer, Rothirsch, Luchs und Uhu – sowie ihre Pfotenabdrücke. Die Vielfalt der Schwarzwälder Heimat soll so vermittelt werden, denn der ist „bunter, als du denkst“. In Kanada, Mexiko oder Schweden und quer über die ganze Bundesrepublik verteilt werden ihre Stücke mittlerweile getragen, erzählt die Unternehmerin.

Auch die Qualität der Shirts ist ihr wichtig: „Ich wollte ein gutes Gewissen meinen Kindern und ihrer Zukunft gegenüber haben.“ Deshalb habe sie einen Lieferanten herausgesucht, der biologisch und solidarisch produzierte Ware bezieht. Die Kleidung wird in Bangladesch hergestellt, „aber die Produzierenden kriegen mehr Lohn, sind gewerkschaftlich organisiert, haben feste Arbeitszeiten und es wird darauf geachtet, dass keine Kinderarbeit stattfindet.“ Die Baumwolle hat Bio-Qualität – die Kleidungsstücke tragen das GOTS (Global Organic Textile Standard) Textilsiegel. Um nicht nur internationale Unternehmen zu unterstützen, lässt Abel die Druckvorlage ihrer auf meist 50 Stück limitierten Shirts und Hoodies in Berlin herstellen und in einem Unternehmen in Denzlingen schließlich bedrucken. Ihr Motto: „Aus der Regio für die Regio.“ 20 Euro bis 30 Euro kosten ihre Stücke im Schnitt. Es sei ihr wichtig zu zeigen, dass fair zu produzieren auch zu fairem Preis geht. Vor der Pandemie verkaufte sie vor allem auf Kunsthandwerkermärkten in der Region. „Auf einem guten Markt habe ich 40 bis 50 Shirts an zwei Tagen verkauft, das ging stetig bergauf.“ Heute vermisst sie vor allem den Kundenkontakt, und seit Beginn der Pandemie verkaufe sie auch nur noch etwa zehn Produkte pro Monat auf ihrer Website. „Ich bin aber finanziell nicht auf den Verkauf angewiesen, habe noch einen anderen Job, und die Kleidungsstücke haben kein Verfallsdatum, deshalb ist es ertragbar.“ Dennoch sehne sie sich nach den Märkten. „Die Kinder und Erwachsenen, die meine Sachen tragen, sind stolz drauf. Dafür lebe ich.“ Liliane Herzberg

Fotos: © Peggy Abel

»Aus der Regio für die Regio«

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Klimaschutz

Milch macht Energie

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Freiburg bekommt Millionenförderung für intelligentes Wärmenetz

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Foto: © Badenova

ehr als die Hälfte des Energieverbrauchs in Deutschland macht die Wärme aus. Lösungen sind gefragt. Die Stadt Freiburg hat gerade eine präsentiert: „Wärmenetz 4.0“ heißt das 36,5 Millionen Euro schwere „Vorzeigeprojekt“. Mit 11,6 Millionen Euro fördert der Bund. Damit soll Abwärme der Schwarzwaldmilch ins Netz eingespeist werden.

Tagtäglich leitet die Schwarzwaldmilch an der Haslacher Straße Indus­ triewärme in die Luft. Sie entsteht beim Kühlen in der Produktion und bei Reinigungsprozessen. Was bisher mit rund 30 Grad entweicht, soll ab 2024 in Freiburg mehr als 5000 Personen Wärme liefern. Das haben Vertreter von Badenova, Schwarzwaldmilch und Oberbürgermeister Martin Horn Anfang Mai bei einer digitalen Pressekonferenz durchaus stolz verkündet. „Ein Leuchtturmprojekt“, schwärmte Thorsten Herdan vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Seine

Behörde hat die üppige Vergabe von 11,6 Millionen Euro Fördergeldern zugesagt. Horn nahm das gerne an: „Man spricht viel über die Energiewende, zu wenig über die Wärmewende.“ Die Schwarzwaldmilch ist mit ihrer zentralen Lage ein Volltreffer. Mit ihrer Hilfe soll der Wärmeabsatz in Freiburg von derzeit 24.000 Megawattstunden auf 41.000 Megawattstunden steigen. Die Verantwortlichen der Badenova-Tochter Wärmeplus haben für Freiburg-Süd eine CO²-Einsparung von 74 Prozent errechnet. Der Grund: Was durch bestehende Wärme erhitzt wird, reduziert den Gasverbrauch. Weil gleichzeitig der Primärenergieeinsatz um 35 Prozent kleiner wird, würde das Projekt jedes Jahr den Co²-Ausstoß um 5000 Tonnen entlasten. Der Clou: Die Fördergelder und die Wärme der Molkerei ermöglichen es, gleich drei Netze in Freiburg zu verbinden: das nahe gelegene Wärmenetz Staudinger, das in der Vauban und das im Stühlinger. Die Wärme kommt damit auch im Metzgergrün und Teilen Haslachs an. Dafür müssen rund zwölf

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Kilometer Leitungen verlegt werden – auch unter der Dreisam und der B31. „So können wir viele fossile Heizungen ersetzen“, sagt Projektleiter Christian Paul von Badenova Wärmeplus. Drei Jahre lang hat sein Team an dem Vorhaben gearbeitet. Jetzt wird es umgesetzt. Mit Wärmepumpen wird die Abwärme auf 85 Grad erhitzt und ins Netz eingespeist. Smarte LoRaWAN-Technologie überwacht das Ganze und steuert nach Bedarf – daher das „4.0“ im Wärmenetz. Schwarzwaldmilch-Chef Andreas Schneider ist vom Ansatz überzeugt: „Wir sind Treiber für den Klimaschutz, das macht uns stolz.“ Einfach sind solche Vorhaben nicht, erklärt Wärmeplus-Geschäftsführer Klaus Preiser: „Es ist extrem schwierig, Industriepartner mit der notwendigen Offenheit zu finden.“ Schließlich könne es Vorbehalte geben, etwa dass die Produktion beeinflusst wird. Das sei hier ausgeschlossen, betont Paul. Preiser ergänzt zur Kooperation mit der Molkerei: „Wir haben das Glück, uns zu kennen – so was geht nur, wenn man Till Neumann sich vertraut.“


Klimaschutz

Repowering auf dem Roßkopf Grün-Schwarz erneuert Bekenntnis zu 1000 neuen Windrädern im Ländle – neue Windräder auf Taubenkopf und Illenberg geplant

Hoch über Freiburg: Die Rotorblätter auf dem Roßkopf haben kammartige Flügel zur Geräuschreduktion.

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Foto: © Ökostrom-Gruppe

ie grün-schwarze Koalition im Land wird auch die nächsten fünf Jahre die Politik bestimmen. Ein Ziel: 1000 neue Windräder. Exakt diese Zahl hatte schon vor zehn Jahren der damals neu gewählte Umweltminister Franz Untersteller als Marschrichtung vorgegeben – sich dann aber weitläufig verlaufen. Windenergieunternehmer wie Andreas Markowsky hoffen, dass im zweiten Anlauf nun mehr Taten auf Worte folgen. Der Geschäftsführer der Freiburger Ökostrom-Gruppe macht unbeirrt Wind in Freiburg und will etwa die Standorte auf dem 730 Meter hohen Roßkopf-Gipfel intensiver nutzen, wie er unlängst nach bib-Informationen im nicht-öffentlichen Teil des Gundelfinger Bauausschusses präsentierte. Anstelle der vier bestehenden Windkraftanlagen sind zwei neue Anlagen geplant, die den Stromertrag von 8 auf 20 Millionen Kilowattstunden (kWh) mehr als verdoppeln sollen. Betreiber bleibt die Regiowind GmbH & Co. Freiburg mit 490 privaten Kommanditisten. Eine der vier Anlagen steht auf Gundelfinger Gemarkung, dieser Standort soll auch bestehen bleiben. Die beiden mittleren Räder auf Freiburger Geläuf sollen zurückgebaut, der südlichste neu genutzt

werden. Von der Sohle bis zum Scheitel (mit Rotorblatt) messen die Anlagen heute 133 Meter, die neuen sind fast doppelt so hoch. Das Investitionsvolumen liegt bei elf, zwölf Millionen Euro. Bereits bekannt ist das RepoweringProjekt auf der Holzschlägermatte, wo die beiden Alt-Anlagen ab- und eine neue aufgebaut werden soll. Die Zufahrtswege durch die Waldstücke würden, so Markowsky, nicht verbreitert, weil neue Transporter die Rotorblätter nahezu senkrecht an Ort und Stelle bugsieren könnten. Den Bauantrag hat die Ökostrom-Gruppe im vergangenen Sommer gestellt. Die neue Anlage soll den bisherigen Stromertrag auf zehn Millionen kWh verdoppeln. Erst kürzlich gab Markowsky zudem auch den Bauantrag für zwei neue Windkraftanlagen auf dem Taubenkopf oberhalb der Molzhof-Siedlung in Kappel (wir berichteten) ab: „Wir hoffen auf eine Genehmigung im dritten Quartal.“ Am 6. Mai wurde zudem im Gemeinderat in Au über einen weiteren Standort auf dem Illenberg, der sowohl auf Auer als auch auf Freiburger und Horbener Gemarkung liegt, debattiert. Wie in Kappel regt sich auch hier Widerstand: Die Gemeinderäte beauftragten das Rathaus, eine Bürgerumfrage zu initiieren. Artenschutz (Fledermäuse, Milane), Schallschutz der Angrenzer (auch

Infraschall) und die Zerstörung des Landschaftsbildes sind die am häufigsten ins Feld geführten Argumente der Windkraftgegner. Beim für Menschen nicht hörbaren Infraschall hatten sich jahrelang Windkraftkraftgegner auf eine 2009er Studie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) berufen, in der gemessene Infraschallwellen in akustische Daten umgerechnet worden waren. Tinnitus, Schlafstörungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen wurden sodann in die Debatte eingebracht. Belegt sind diese bis heute nicht. Ende April stellte sich heraus: Diese Umrechnung war falsch, ein Rechenfehler führte zu überhöhten Dezibel-Angaben. Der fürs BGR zuständige Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier sagte am 27. April in Berlin: „Es tut mir sehr leid, dass falsche Zahlen über einen langen Zeitraum im Raum standen.“ Die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg kam in einem Langzeitmessprojekt zu dem Schluss, dass der Infraschall auch im Nahbereich von Windanlagen mit Abständen von 150 bis 300 Metern deutlich unterhalb der Wahrnehmungsschwelle des Menschen liege. „Viel Lärm um nichts“ titelte ZEIT online. Grün-Schwarz will bis Ende 2022 gesetzlich festlegen, dass zwei Prozent der Landesfläche für Windräder und Photovoltaik reserviert werden. Wenn alle deutschen Atomkraftwerke bis dahin abgeschaltet werden, werden die Erneuerbaren Energien, allen voran die Windkraft, anfangen, die Kohlekraftwerke verdrängen. Aktuell stillen die sechs Regiowind-Anlagen deutlich unter zwei Prozent des Freiburger Stromhungers. Lars Bargmann

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Strange Jobs

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Das Gehirn in der Hand Wie zwei Freiburger Studenten in ihrem Hiwi-Job an Leichen arbeiten

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Foto: © iStock.com/cyenidede

ür Studierende gibt es in Freiburg eine Vielzahl an Nebenjobs. Die Medizinstudenten Philipp Rensinghoff (21) und Johannes Bulk (22) haben sich jedoch einen ganz speziellen ausgesucht: Am anatomischen Institut in Freiburg arbeiten sie an toten Körpern. Im Interview mit Autorin Johanna Reich erzählen sie, wie sie zu diesem Job gekommen sind und wie ihr Arbeitsalltag aussieht. chilli: Was genau ist Ihr Job? Rensinghoff: Wir helfen im anatomischen Institut aus, in der Abteilung, die sich mit den toten Körpern beschäftigt, die für die Präparierkurse der Medizinstudenten benutzt werden. Im dritten Semester des Medizinstudiums hat man ein Semester

lang eine Veranstaltung, bei der man in Kleingruppen eine Leiche präpariert. Diese Leichen müssen vorbereitet werden und da helfen wir mit. chilli: Wie sieht der Arbeitsalltag aus? Bulk: Jeder Tag ist anders. Wir machen zum einen viel Vorbereitung für die Kurse, wo auf mehreren ­Tischen Spenderkörper liegen. Die werden in einem Saal hergerichtet; wenn der Kurs nach einem Semester vorbei ist, legen wir die präparierten Körper in Särge, in denen sie dann kremiert werden. Auch unter dem Semester, während des Kurses, führen wir besondere präparatorische Aufgaben an den Körpern durch. Sobald also jemand verstirbt und ein Vermächtnis im Institut hinterlegt hat, dass er seinen Körper der Lehre spendet, kommt dieser Körper zu uns und wir bereiten ihn vor.

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Rensinghoff: Meistens läuft es so ab: Sobald es einen Verstorbenen mit Vermächtnis gibt, klingelt bei uns das Telefon und es heißt: „Hallo, es kommt ein Körperspender, könnt ihr uns helfen?“ Im Institut ziehen wir uns dann ein Atemgerät an, das die Luft filtert. Damit wir quasi nichts einatmen, was in der Luft ist, da wir die Leiche mit Chemikalien behandeln. chilli: Wie alt sind die Personen im Durchschnitt? Bulk: In der Regel über 80. Jüngere Menschen unter 50 dürfen diese Körperspende in Freiburg gar nicht machen. Den Studierenden wird ja ein Mensch in einem „normalen“ Verhältnis gezeigt, also keine Unfallopfer und auch keine Krebspatienten oder so. Die Menschen versterben also alle an einem natürlichen Tod oder an ei-


ner Krankheit, meistens im höheren Alter. Dazu gibt es auch ein Video auf der Seite der Universität. chilli: Wenn die Leiche vor Ihnen liegt, denken Sie dann über den Menschen nach? Bulk: Am Anfang, als Student, macht man sich da schon Gedanken, wenn man zum ersten Mal mit dem Körper konfrontiert wird und auch präpariert. Da fragt man sich, was die Person wohl gemacht hat, wie sie wohl gelebt hat, ob sie eine Familie hatte. Wenn man zum Beispiel das Gehirn in der Hand hat, das ist dann schon krass. Alles, was dieser Mensch jemals gedacht oder gefühlt hat, ist in diesem Ding drin gewesen. Das ist schon faszinierend. Mit der Zeit entwickelt man aber eine professionelle Distanz dazu. Rensinghoff: Im Arbeitskontext ist das für mich persönlich kein Problem. Sobald man eine Nadel in einen Arm steckt, ist das auch sehr objektivierend. chilli: Sie wohnen auch zusammen, sprechen Sie über Ihren Job im privaten Alltag? Rensinghoff: Wenn wir g­emeinsam im Institut gearbeitet haben und ­etwas nicht Alltägliches passiert ist, dann schon. Andere Menschen sind da manchmal etwas irritiert. Weil, es arbeitet halt wirklich nicht jeder mit toten Menschen, und dann kann es durchaus befremdlich sein, wenn das Telefon klingelt, man es auf laut hat und jemand anfängt, von Verstorbenen zu reden. Auch wenn man uns fragt, ob wir

Foto: © privat

Strange Jobs

Arbeiten in der Anatomie: Philipp Rensinghoff und Johannes Bulk als Studenten irgendwo jobben würden, ernten wir eigentlich immer ungläubige Blicke, wenn wir dann von der Anatomie erzählen. Dann werden wir auch oft gefragt, ob das denn nicht „eklig“ oder „gruselig“ sei. Bulk: Wir können dann sagen, dass die Arbeit mit Toten nichts davon ist. Aber natürlich ist das eine Frage der Gewöhnung. Man verliert schon die Hemmung und hat dann auch kein Problem damit, beim Mittagessen zu erzählen, ob die Arbeit heute reibungslos verlief oder ob man zum Beispiel noch einen Körper aus dem Bad holen muss. Für Leute, die dann mit uns am Tisch sitzen, ist das oft kein schönes Thema und sie fragen dann auch nicht mehr genauer nach. Dadurch, dass wir das nun schon ein

Jahr machen und durch unsere Wohnsituation und Corona eh nur im eigenen Saft kochen, vergessen wir öfters, wie befremdlich und unangenehm das Thema sein kann. chilli: Welchen Mehrwert gibt der Job? Rensinghoff: Natürlich ganz simpel ist es fachliche Erfahrung im Bereich der Präparation und Anatomie. Für mich ist es einfach auch Interesse und Neugier. Bulk: Das Fachliche, würde ich auch als Erstes sagen. Außerdem ist das die erste Berührung oder der erste Eintritt in das universitäre Leben. Man bekommt einen Eindruck, wie es vielleicht später ist, in der Universität zu arbeiten. chilli: Vielen Dank für dieses Gespräch.

Beim Mittagessen plaudern sie auch über Tote

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Materialwirtschaft

Des einen Müll ist des anderen Gürtel

Upcycler haben viele Gründe für die Arbeit mit Ausrangiertem

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ie Zahlen sind beeindruckend: Nach Schätzungen werden jährlich weltweit 150 Milliarden Kleidungsstücke produziert – und 200 Millionen Tonnen weggeworfen. Diese Bilanz kann Upcycling verbessern. Auch in Freiburg wird gewerkelt. Ein Besuch. Wer durch die Freiburger Grünwälderstraße spaziert, läuft auch an dem Laden „Die Nische“ vorbei. Mit drei Gleichgesinnten betreibt Dominik Meutzner den Shop für Upcycling, Streetart, Streetwear, Schmuck und Unikate aus der Region. Fürs Upcycling interessiert er sich schon lange: Ende 2013 hatte Meutzner seine „Schwarzwald Guerilla“ gegründet. Der Name impliziert Kampf und Revolution. „Ich finde das sehr treffend, da ich mit vergleichsweise kleinen und ungewöhnlichen Mitteln dem Müll den Kampf ansage und versuche, Leute zu inspirieren, es mir gleichzutun“, erzählt Meutzner. Der 40-Jährige ist von den Möglichkeiten des Upcyclings begeistert: Das Besondere daran sei es, ausrangierten Gegenständen und Dingen auf kreative Art neues Leben einzuhauchen. „Man kann sich künstlerisch und handwerklich betätigen und gleich-

drinbleiben. Wer ein aufpoliertes, neues Produkt will, dürfte sich ohnehin nicht für die „Stückgut Manufaktur“ interessieren. Wie bei Meutzner ist auch hier die Authentizität wichtiger. Das gilt auch für Lisa Vöhringer. Für das Upcycling ist sie seit 2010 Feuer und Kreativ gegen den Flamme, unter dem Namen „Morendo Müllkonsum: Memoria“ motzt sie alte Gegenstände So geht Upcycling auf. Viele Jahre war sie in Freiburg tätig und hat drei Mal die „­FREI-CYCLE Designmesse für Recycling und Upzeitig etwas Nachhaltiges machen.“ cycling“ mit der Freiburger MessegeDass die Produkte eben nicht makel- sellschaft veranstaltet. Die 34-Jährige ist los sind, mache den Charme aus. Egal, nicht nur Upcycling-Designerin, sonob es sich um Glasflaschen handelt, die dern auch Kreativexpertin beim „ARDer zu Lampen, Trinkgläsern, Vasen oder Buffet“ und „Kaffe oder Tee“, Work-­ Windlichtern umfunktioniert, oder um shopleiterin und DIY-Bloggerin. andere von ihm genutzte Materialien Vöhringer erschafft aus liebgewonwie Schallplatten, Tennisschläger, Be- nenen Materialien ihrer Kundschaft neue Produkte: Der geflickte Fahrradsteck oder Konservendosen. Von rundherum aufpolierten Pro- schlauch, der an eine Tour erinnert, dukten hält auch das Duo hinter der wird zum Gürtel, aus der liebgewonneFreiburger „Stückgut Manufaktur“ we- nen, aber heillos zerkratzten Schallplatnig. Dominikus Probst und Lorenz te eine Schale oder ein Notizbuch. „Für Buchholz entwerfen in ihrer Werkstatt die Geschichten, die mir die Menschen auf dem Ganter-Areal Einrichtungsge- erzählen, mache ich das“, erklärt sie. genstände. Neben Schubladen und an- „Das fehlt mir aktuell besonders.“ Doch deren gebrauchten Dingen haben es auch der Kampf gegen den Müll ist für ihnen Koffer angetan. Spätestens durch sie entscheidend: „Der Umweltgedanke den Siegeszug des Trolleys ist das Reise­- war mir schon immer sehr wichtig.“ utensil aus den meisten Haushalten Corona schränkt auch die Upcycler verbannt worden. Die Freiburger hau- ein. Es ist etwas anderes, einen Artikel chen ihm in Form von Koffertischen nur im Internet zu begutachten oder ihn neues Leben ein. genauer unter die Lupe zu nehmen. Und „Alte Koffer haben eine Geschichte, es ist auch schwieriger geworden, an Mada wäre es doch schade, sie einfach zu terialien zu kommen. Doch Meutzner, entsorgen“, erklärt Probst. Der 62-Jäh- Probst, Buchholz und Vöhringer bleiben rige, der eigentlich Kameramann und dem Upcycling treu. Und wer weiß, was Filmregisseur ist, erinnert sich an viele nach der Krise aus dem Maskenvorrat Geschichten. „In einem alten Stück ha- wird? Ein Upcycling-Produkt aus FFP2ben wir einen Packzettel gefunden, den Masken? Mit liebgewordenen Erinneeine Mutter ihrem Sohn geschrieben rungen hätte das nichts mehr zu tun. hatte.“ Keine Frage: Der Zettel musste Pascal Lienhard

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Unternehmen in der Regio

»Unglaublicher Digitalisierungsschub« Wie Firmen aus der Regio mit Home-Office klarkommen

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Illustration: © Freepik

und 30 Prozent der Beschäftigten in Deutschland arbeiten ganz oder teilweise von zu Hause aus. Laut einer Studie der Deutschen Bank leidet jedoch deren Produktivität. Wie sehen das Arbeitgeber·innen in Freiburg und dem Umland? Wie viele ihrer Mitarbeitenden arbeiten von zu Hause aus? Wie gut klappt das? Jobrad „Es hat funktioniert“ Innerhalb von nur wenigen Tagen hat das Unternehmen im Frühjahr 2020 auf Home-Office umgestellt. „Es hat funktioniert“, sagt Pressesprecher Tassilo Holz. Rund 80 Prozent der Beschäftigten arbeiteten derzeit von zu Hause aus. Dafür wurde umgestellt. „Wir haben Team- und Projektmeetings und unseren wöchentlichen Gesamt-Jour-

Fix, an dem nahezu das komplette Unternehmen teilnimmt, in den digitalen Raum verlegt und häufiger abgehalten“, berichtet Holz. Die Zahl der Mitarbeiter·innen hat sich 2020 annähernd verdoppelt (von rund 250 auf knapp 500). Für die Einarbeitung der Neuen musste das Team kreativ werden: „Wir halten digitale Einführungsveranstaltungen ab und bieten regelmäßig Events wie Online-Spieleabende an, damit sich die Beschäftigten auch abseits des Arbeitsalltags kennenlernen können.“ Mitarbeitenden, denen zu Hause die entsprechende Ausstattung fehlt, habe Jobrad einen Ergonomie-Zuschuss gezahlt. Zudem biete die Firma freiwillige Resilienz-Trainings an, die Angestellte im Umgang mit dieser nicht alltäglichen Situation stärken sollen. Von einem „unglaublichen Digitalisierungsschub“ berichtet Holz. Gleichzeitig sehne sich das

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Team nach einem normalen Büroalltag. „Auf Dauer bleiben einfach zu viele Kontakte auf der Strecke.“ Dennoch werde Home-Office als freiwillige Option sicher erhalten bleiben – auch weil es CO2 einspart. Stadtverwaltung Freiburg „Massiver Schub“ „Viele Mitarbeitende arbeiten zu Hause oder organisieren ihre Arbeit flexibel“, berichtet Pressesprecherin Martina Schickle. Sie lobt das enorme Engagement der Kolleg·innen, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Essentiell sei die Bereitstellung der technischen Möglichkeiten: „Es braucht geeignete Hardwareausstattung, sichere Zugänge, Möglichkeiten zu Telefon- und Videokonferenzen, den Ausbau der elektronischen Akte und Tools, die eine datenschutzkonforme Interaktion mit externen Partnern ermöglichen.“


Unternehmen in der Regio

Die Anforderungen seien extrem: „Innerhalb von wenigen Wochen hat unser Amt für DIGIT im März neben klassischen Telearbeitsplätzen mehr als der Hälfte der Verwaltungsmitarbeitenden einen sicheren Zugang zum städtischen Netzwerk ermöglicht“, so Schickle. Auch die Lizenzen für den Zugang über das Smartphone seien deutlich ausgeweitet worden. Rund eine Million Euro habe das Rathaus für die Umstellung auf Home-Office investiert. Nach Eindämmung der Pandemie will das Team evaluieren: Was lief gut? Was lief nicht so gut? Schickle vermutet schon jetzt, „dass die Corona-Pandemie für die technische Weiterentwicklung der Verwaltung einen massiven Schub bedeutet“. SICK AG „Virtuelle Kaffeepausen“ „Die Sick AG setzt seit vielen Jahren auf flexible Arbeitszeitmodelle“, sagt Personalleiterin Cornelia Reinecke. Mobiles Arbeiten sei schon vor der Pandemie möglich gewesen, die technische Infrastruktur vorhanden. Somit konnte Sick „schnell auf die veränderten Gegebenheiten während der Pandemie reagieren“. Etwa 80 Prozent der Mitarbeitenden seien derzeit im Home-Office. Die Krise habe die Digitalisierung erheblich beschleunigt, berichtet Reinecke. Die Folge sei eine steile Lernkurve im gesamten Unternehmen. Das Team habe – teilweise mit Erstaunen – festgestellt, dass virtuell viel mehr funktioniert, als für möglich gehalten wurde. „Viele Meetings liefen effizienter.“ Sie seien auch künftig nicht mehr wegzudenken. Dennoch seien sie nur bedingt für kreative Prozesse geeignet. Etwas Neues gemeinsam im Team und im direkten persönlichen Dialog zu entwickeln, gehe auf die klassische, persönliche Art und Weise erheblich besser. Auch der soziale Zusammenhalt leide: der Austausch von Angesicht zu Angesicht, das zufällige Treffen in der Kaffeeküche oder das gemeinsame Mittagessen. Als „sozialer Schmierstoff“ sei das wesentlich für ein gutes Miteinander. Daher seien auch virtuelle Kaffeepausen eingeführt worden.

schnellen Umstellung gehabt. Waschow ist sicher: „Wir werden die Möglichkeiten des mobilen Arbeitens auch nach der Pandemie weiter unterstützen.“ Studien Wie produktiv ist Home-Office? Eine Untersuchung der Deutschen Bank zeigt, dass die Arbeit im Home-Office weniger produktiv ist als im klassischen Büro. Grund dafür seien vor allem die erschwerte Kommunikation und IT-Probleme. Zudem seien gerade ältere Mitarbeitende nicht immer ausreichend mit der Technik vertraut. Kurioserweise zeigt jedoch eine Studie der Krankenkasse DAK, dass Angestellte sich im Home-Office produktiver einschätzen als im Büro. Unter 7000 Befragten gaben 59 Prozent an, zu Hause besser arbeiten zu können. Auch die Industrie in Südbaden setzt verstärkt auf Home-Office. „80 Prozent der Mitgliedsunternehmen arbeiten effizient mit dem Mobile Office“, berichtet der Wirtschaftsverband Industrieller Unternehmen Baden e.V. (wvib). „Mobiles Arbeiten ist für die Industrie in Baden-Württemberg ein fester Bestandteil – nicht erst seit Corona“, betont Geschäftsführer Christoph Münzer. Unternehmen seien unterschiedlich, daher brauche es individuelle Lösungen, keine Zwangsjacken aus Berlin.

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Uniklinikum Freiburg „Keine größeren Probleme“ Auch das Universitätsklinikum Freiburg setzt auf Home-Office, teilt Pressesprecher Benjamin Waschow mit. „Mitarbeiter in der Verwaltung können von zu Hause aus arbeiten und machen damit gute Erfahrungen.“ Schon vor der Pandemie haben Beschäftigte Home-Office beantragen können. Zuletzt seien mehrere hundert zusätzliche Home-Office-Arbeitsplätze eingerichtet und Laptops gekauft worden. „Als Universitätsklinikum achten wir natürlich ganz besonders drauf, dass die Hygiene- und Abstandsregeln eingehalten werden.“ Da das Universitätsklinikum in der Digitalisierung weit vorne liege, habe es keine größeren Probleme bei der chilli | business im Breisgau | 05.2021 | 33


Unternehmen in der Region

USA und China treiben Geschäft an Warum die Sick AG robust bilanziert

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Foto: © SICK AG

m Corona-Krisenjahr konnte der Waldkircher Sensorhersteller Sick AG seine Erlöse fast auf Vorjahresniveau halten: Der Umsatz gab um 2,9 Prozent oder 50 Millionen auf 1,7 Milliarden Euro nach. Der Rückgang liegt meilenweit unter dem bundesweiten Schnitt, den der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) auf minus 14 Prozent prognostiziert. Auch die Auftragsbücher sind weiter prall gefüllt: 2020 bestellte die Kundschaft Waren im Wert von knapp 1,73 Milliarden Euro (2019: 1,77). „Den Auswirkungen der Pandemie zum Trotz haben wir ein stabiles Ergebnis erreicht, das wir vor allem dem besonderen Einsatz unserer Beschäftigten verdanken“, kommentierte der Vorstandsvorsitzende Robert Bauer. Dem Auftragsrückgang in der ersten Jahreshälfte sei man mit schnellen Anpassungen von Kosten und Investitionen begegnet: „Zugleich haben wir uns auf wesentliche Zukunftsthemen für die sensorbasierte digitale Transformation fokussiert und hier unseren Technologievorsprung ausgebaut.“ Der Gewinn vor Zinsen und Steuern (EBIT) kletterte im Vergleich zum Vorjahr um 5,8 Prozent und liegt nun bei 140,6 Millionen Euro. Die breite Branchenaufstellung des Konzerns hat konjunkturelle Schwächen einzelner Zielbranchen ausgeglichen und sich im Krisenjahr bewährt. Zudem ermöglichte die internationale Ausrichtung, Lockdowns in einzelnen Regionen zu überbrücken und den Umsatz durch Vertriebsaktivitäten in Wachstumsregionen annähernd auf Vorjahresniveau zu halten.

In Deutschland beeinflusste aber insbesondere die Investitionszurückhaltung der Unternehmen im Bereich der Fabrikautomation die Entwicklung, wodurch der Umsatz mit 283,9 Millionen Euro 10,1 Prozent unter dem Vorjahr blieb. Die Vertriebsregion Europa, Mittlerer Osten und Afrika war ebenfalls stark von den Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffen und erreichte mit einem Umsatz von 601,4 Millionen Euro nicht die Prognose. Der Umsatzrückgang von 6,7 Prozent ergab sich insbesondere in Italien, Frankreich und Tschechien. Deutlich stabiler verlief das Geschäft in Nord-, Mittel- und Südamerika. Mit 387,3 Millionen Euro betrug das Umsatzwachstum dort 1,9 Prozent und war insbesondere durch eine hohe Nachfrage im Bereich der Logistikautomation in

»Der Einstieg in die Quantensensorik« Nordamerika geprägt. Ebenfalls positiv war die Region Asien-Pazifik, wo mit 427,6 Millionen Euro ein Umsatzplus von 4,3 Prozent erreicht wurde. Insbesondere auf dem chinesischen Markt habe das Geschäft deutlich an Dynamik gewonnen. So treiben die USA und China das Geschäft in Waldkirch an. Mit dem Einstieg in die Quantensensorik (wir berichteten) hat Sick im vergangenen Jahr zudem eine Schlüsseltechnologie für die Zukunft erschlossen. Gemeinsam mit der TrumpfTochtergesellschaft Q.ANT hat Sick den ersten industriellen Quantensensor entwickelt, der im laufenden Jahr bei Pilotkunden eingesetzt werden soll.

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Robert Bauer: Der Vorstandsvorsitzende setzt auf sensorbasierte digitale Transformation 11,8 Prozent des Umsatzes oder mehr als 200 Millionen Euro steckten die Waldkircher 2020 insgesamt in Forschung und Entwicklung. Statt Mitarbeitende in Kurzarbeit zu schicken, hat der Konzern, der in diesem Jahr sein 75-jähriges Bestehen feiert, zudem mehr als 200 neue Leute eingestellt. Insgesamt arbeiten nun 10.433 Menschen für das Traditionsunternehmen, darunter sind 384 Auszubildende und DH-Studierende. An den südbadischen Standorten Waldkirch, Buchholz, Reute, Sexau, Denzlingen und Freiburg arbeiten 4284 Beschäftigte. Die Prognose für 2021 werde „erheblich durch die noch anhaltende Corona-Pandemie und Störfaktoren in der Weltwirtschaft erschwert“. Es sei jedoch in den kommenden Jahren mit Nachholeffekten zu rechnen, die sich bereits in erfreulichen Auftragseingängen im ersten Quartal bemerkbar machten. Ebenfalls erfreulich: Am 5. Mai zeichnete das Great Place to Work®- Institut Sick bereits zum 19. Mal als „Deutschlands Beste Arbeitgeber“ aus. In Baden-Württemberg gab es zudem die Silbermedaille im Wettbewerb „Beste Arbeitgeber Baden-Württemberg 2021“. bib


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Wirtschaft Technik Gesundheit

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Menschen und Meldungen

Sieg beim RegioWIN 2030

Immobilienumsatz: 1,12 Milliarden Euro Auch 30 Villen haben neue Eigentümer

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er Gutachterausschuss der Stadt Freiburg hat den Immobilienmarktbericht für 2020 vorgelegt. Es wurden mitten im Corona-Krisenjahr Häuser und Wohnungen für 1,12 Milliarden Euro gekauft. Der zweithöchste Umsatz der vergangenen fünf Jahre. Ein Blick zurück: 2009 lagen die Quadratmeterpreise bei neuen Wohnungen in 85 Prozent der Fälle unter 3500 Euro, seit 2016 in null Prozent. Stattdessen lagen die Preise im vergangenen Jahr in 45 Prozent der Verkäufe schon bei über 7000 Euro (2019: 21 Prozent). Insgesamt wechselten 357 Neubauwohnungen (2019: 259) den Eigentümer, darunter 82 für Studierende (2019: 25). Der durchschnittliche Kaufpreis je Quadratmeter neuer Wohnfläche lag bei 6539 Euro, in gebrauchten Wohnungen bei 4300 Euro (2019: 4000 Euro). Im Neubau wurden bei Einfamilienhäusern (Reihenendhäuser, Reihen-

mittelhäuser, Doppelhaushälften) 18 Verkäufe registriert. Es wechselten aber gleich 30 Villen die Eigentümer, die im Schnitt für 229 Quadratmeter Wohnfläche auf 793 Quadratmetern Grundstücksfläche 1,33 Millionen Euro auf den Tisch legten. Nur vier neue Bauplätze für Mehrfamilienhäuser wurden protokolliert (Betzenhausen, Brühl, Zähringen, Waltershofen), nur sechs Bauplätze für Ein- und Zweifamilienhäuser in den Gemarkungen Freiburg, Ebnet, Kappel und Lehen. Hier lag der durchschnittliche Kaufpreis bei 857 Euro pro Quadratmeter Grundstücksfläche. In den Tuniberg-Gemarkungen und Hochdorf gab es zudem zwölf Verkäufe mit einem durchschnittlichen Quadratmeterpreis von 682 Euro. Völlig anders sieht es auf dem Güterbahnhof aus: Nach Informationen des business im Breisgau werden dort auf ein freies Grundstück mit hoher Ausnutzung aktuell mehr als 3800 Euro pro Quadratmeter geboten.

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SÜDBADEN. Das auf 6,5 Millionen Euro taxierte Leuchtturmprojekt Zukunft.Raum.Schwarzwald der Wirtschaftsregion Südwest GmbH, der IHK Südlicher Oberrhein und der Wirtschaftsförderung Region Freiburg ist von Peter Hauk, Landesminister für Ländlichen Raum, Verbraucherschutz und Landwirtschaft, beim RegioWIN 2030-Wettbewerb ausgezeichnet worden. Damit stehe die Tür für eine Förderung durch das Land weit offen. Kern der Projektidee ist es, insbesondere die ländlichen und suburbanen Räume durch Coworking- und Innovations-Hubs in ein dezentrales, grenzüberschreitendes Innovationsnetzwerk einzubinden. „Wir freuen uns sehr über die Prämierung unseres Projekts, da es an einem entscheidenden, bislang jedoch oft vernachlässigten Punkt ansetzt, der systematischen Integration des ländlichen Raums in den regionalen Technologietransfer, der bisher vor allem in den Ballungszentren stattfindet“, kommentierte Dieter Salomon, Hauptgeschäftsführer der IHK Südlicher Oberrhein.

Erster Digitaltag Freiburg FREIBURG. Parallel zum bundesweiten Digitaltag 2021 steigt am 18. Juni erstmals auch der „Digitaltag Freiburg“. Mit der Intention, dass sich der digitale Wandel nur gemeinsam gestalten lässt, laden dazu die Freiburg Wirtschaft Touristik & Messe GmbH (FWTM), die Stadt Freiburg, der DIGIHUB Südbaden und Baden-Württemberg: Connected e.V. (bwcon) ein. Den Schirm hält Oberbürgermeister Martin Horn. Mit virtuellen Impulsen, Vorträgen und interaktiven Beteiligungsformaten soll das digitale Potenzial in Stadt und Region beleuchtet werden. Unternehmen und Institutionen, aber auch Privatpersonen, Initiativen, Schulen und andere Bildungseinrichtungen können sich bis zum 10. Juni mit ihren Beiträgen bei der FWTM oder dem


Menschen und Meldungen

Intrexx gewinnt Community Award FREIBURG. Das weltgrößte SoftwareVergleichsportal SourceForge hat die Low-Code-Development-Plattform Intrexx mit dem „Winter 2021 Leader Award“ für Low-Code-Entwicklungsplattformen ausgezeichnet. Mit dieser Auszeichnung werden Unternehmen

1,3 Millionen Euro Bargeld sichergestellt

VDI regio Career abgesagt FREIBURG. Die VDI regio Career, die einzige grenzübergreifende Jobmesse für Ingenieure, Techniker und Informatiker in der Regio, ist nach zwei Verschiebungen für 2021 endgültig abgesagt. Der neue Termin für die Messe im Konzerthaus Freiburg ist der 23. April 2022.

Hecht übergibt 100.000 Euro Foto: © UP

LÖRR ACH/FREIBURG/OFFENBURG. Das Hauptzollamt Lörrach hat im vergangenen Jahr 2,35 Milliarden Euro eingenommen. 2,1 Milliarden an Einfuhrumsatzsteuer, 261 Millionen an Verbrauchssteuern und 47 Millionen an Zöllen, die direkt in den EU-Haushalt fließen. Corona bremste dabei den Warenverkehr mit der Schweiz nicht: 2019 waren es 5,2 Millionen Waren, die aus oder über die Schweiz in die EU trans­ portiert wurden, 2020 waren es 5,3 Millionen. Bei Kontrollen beschlagnahmten die Fahnder mehr als 43.000 Schmuggelzigaretten, 14 Kilo Kokain, 95 Kilo Haschisch, 182 Kilo Marihuana und 68 Kilo Kath. In 33 Fällen hatten Reisende unerlaubt mehr als 10.000 Euro bar dabei. 1,3 Millionen Euro, meist versteckt im Auto oder am Körper, wurden sichergestellt.

ren Partnern das Thema Low Code weltweit weiter voranzutreiben“, so Katrin Beuthner, Geschäftsführerin der United Planet GmbH.

Katrin Beuthner und Produkte mit herausragenden Nutzerbewertungen gewürdigt, die sich im oberen Fünf-Prozent-Bereich der hoch bewerteten Produkte auf SourceForge befinden. „Die Low-Code-Plattform Intrexx hat gezeigt, dass sie von ihren Nutzern geliebt wird, wie die große Anzahl hervorragender Nutzerbewertungen beweist“, sagte SourceForge-Präsident Logan Abbott. „Wir fühlen uns geehrt, von unseren Kunden geschätzt und von SourceForge anerkannt zu werden. Das bestärkt uns darin, unseren Erfolgskurs fortzusetzen und gemeinsam mit unse-

FREIBURG. Die Edith MühlschlegelStiftung hat 100.000 Euro für den Neubau des Elternhauses des Fördervereins für krebskranke Kinder Freiburg unmittelbar neben der Uni-Kinderklinik gespendet. Stiftungs-Vorstand Mathias Hecht hat die Spende bei einem offiziellen Pressetermin an der Baustelle an den Vorstand des Fördervereins für krebskranke Kinder, Johannes Bitsch übergeben.

Foto: © privat

DIGIHUB kostenlos anmelden. „Die Corona-Pandemie hat deutlich gezeigt, wie wichtig Digitalisierung in unserem Alltag ist und dieser zu einem großen Schub verholfen. Viele Unternehmen und Mitarbeitende haben in der Krise kreativ und flexibel reagiert und bewiesen, wie schnell sich digitale Lösungen umsetzen lassen“, so FWTMGeschäftsführerin Hanna Böhme. Infos: digihub-suedbaden.de, freiburg.digital

Frank Schweizer, Mathias Hecht und Johannes Bitsch (v.l.) Anzeige

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Menschen und Meldungen

Familienheim baut und sponsert

PSD Bank spendet 100.000 Euro STUTTGART/FREIBURG. Die Stiftung PSD L(i)ebensWert hat 100.000 Euro an 21 soziale Organisationen aus den Regionen Stuttgart und Freiburg gespendet. Die mit 10.000 Euro größte

Spende ging an das Diakonische Werk Freiburg für das Projekt „Operativer Gewaltschutz in Flüchtlingswohnheimen der freien Träger“. Der Verein Obdach für Frauen bekam 7200 Euro.

5 Medical Wellness Stars für Gesundheitsresort FREIBURG. Das Gesundheitsresort Freiburg hat erfolgreich nach den Sternen gegriffen. Bereits zum 5. Mal in Folge sind das Dorint Thermenhotel und die Mooswaldklinik von Wellness Stars Deutschland in der Kategorie „Medical Wellness“ mit der maximalen Anzahl von fünf Sternen ausge-

Foto: © privat

Foto: © Klaus Polkowski / Volksbank Freiburg

FREIBURG/STEGEN. Die Baugenossenschaft Familienheim Freiburg hat in Kirchzarten am 1. Mai das erste KfW-55-Mehrfamilienhaus an die Mitglieder übergeben. Vier von zehn Wohnungen werden von der Erzdiözese Freiburg mit einem Mietzuschuss in Höhe von 1,50 Euro pro Quadratmeter gefördert. „Ich freue mich, dass wir unseren Mitgliedern nun auch in Kirchzarten ein attraktives Wohnangebot machen können“, sagt Vorstandsmitglied Alexander Ehrlacher. „Mit dem Neubau im Kastanienhof haben wir unseren

Wohnungsbestand im Dreisamtal auf 42 Wohnungen erhöht“, so die Vorstandsvorsitzende Anja Dziolloß. Die Genossen fördern im benachbarten Stegen zudem drei Jahre lang das neue ELastenrad, das die Gemeinde im Rahmen ihres Klimaschutzkonzeptes erworben hat.

Pierino Di Sanzo

Biomarkt im Bankgebäude Alnatura zieht in den Volksbank-Neubau

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achdem die bereits verlautbarte Einigung mit denn’s Biomarkt über die Anmietung von Handelsflächen im Volksbank-Neubau geplatzt ist, haben die Genossen nun mit Alnatura einen Ersatz gefunden. Das bestätigt Volksbank-Sprecher Martin Lorenz auf Anfrage. Im Verlauf des Projektes habe sich, auch unter dem Einfluss der CoronaPandemie, herausgestellt, dass „die Ziele

mit denn’s gemeinsam nicht realisierbar sind“. Die Volksbank sei nun „glücklich, mit Alnatura einen starken Partner und den Marktführer unter den BioSupermärkten begrüßen zu dürfen“. Alnatura wird seine knapp 720 Quadratmeter fassende Verkaufsfläche zur Eisenbahnstraße hin voraussichtlich in der zweiten Julihälfte eröffnen, dann wird auch der dm-Markt auf etwa gleich großer Fläche die erste Kundschaft begrüßen. Wer das geplante Café am Ende bespielen wird, ist derzeit weiter offen.

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zeichnet worden. Für die Zertifizierung werden 400 Kriterien geprüft. „Wir freuen uns, dass wir auch dieses Mal wieder mit unserem außerordentlichen Leistungsangebot überzeugen konnten“, erklärt Geschäftsführer Pierino Di Sanzo.

VAG: Fünf neue Urbos 100 FREIBURG. Der Fuhrpark der Freiburger Verkehrs AG (VAG) wird weiter modernisiert. Fünf weitere StadtbahnFahrzeuge des Typs Urbos 100 des spanischen Herstellers CAF sind in den Liniendienst gegangen. Sie ersetzen die bislang ältesten noch eingesetzten Achtachser vom Typ GT8K aus den Baujahren 1981 und 1982. Die Investition von knapp 17 Millionen Euro wurde vom Land Baden-Württemberg aus dem Schienenfahrzeugförderprogramm mit fünf Millionen Euro un-


Stephan Bartosch, Martin Horn, Oliver Benz (v.l.) terstützt. „Ich danke dem Land für die großzügige Unterstützung“, so Oberbürgermeister und VAG-Aufsichtsratsvorsitzender Martin Horn.

Die besten Klimaretter im Gesundheitswesen FREIBURG. Das Universitätsklinikum Freiburg, die Felix Burda Stiftung, die pronova BKK, das Haus St. Anna der Deutsch Ordens Altenhilfe, die IKK classic und Novartis Pharma sind am 5. Mai mit dem Klimaretter-Award 2021 ausgezeichnet worden. Der Klimaschutzpreis für das Gesundheitswesen wurde zum dritten Mal von der Stiftung viamedica im Rahmen ihres Projekts „Klimaretter – Lebensretter“ verliehen. „Das Engagement unserer prämierten Unternehmen zeigt, wie vielfältig der Einsatz für den Klimaschutz im Gesundheitswesen ist“, so

Franz Daschner, Gründer der Stiftung viamedica. Bundesumweltministerin Svenja Schulze lobt in ihrem Grußwort den erfolgreichen Einsatz der Beteiligten für den Klimaschutz. Das Bundesumweltministerium fördert das Projekt.

Foto: © privat

Foto: © Patrick Seeger

Menschen und Meldungen

Ganter ausgezeichnet FREIBURG. Die Brauerei Ganter hat erstmals den Qualitäts- und Sicherheitsstandard IFS Global Markets – Food mit dem hervorragenden Ergebnis von 98,2 Prozent abgeschlossen. Das Zertifikat bestätigt der Brauerei größtmögliche Lebensmittelsicherheit und eine Produktqualität auf höchstem Niveau. „Die Auszeichnung ist eine tolle Bestätigung für unser großartiges Team,“ so Geschäftsführer Detlef Frankenberger.

JobRad ausgezeichnet FREIBURG. Der Dienstradleasing-Anbieter JobRad GmbH ist vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) als „Fahrradfreundlicher Arbeitgeber“ in der Kategorie Gold zertifiziert worden. „JobRad fördert Radmobilität auf allen Ebenen vorbildlich – nicht nur mit nachhaltigen Mobilitätsangeboten für die Kunden, sondern auch im eigenen Betrieb. Die Auszeichnung hat das Unternehmen mehr als verdient“, so Sara Tsudome, Projektleiterin beim ADFCBundesverband. „Fahrradfreundlichkeit

Ulrich Prediger, Matthias Wegner, Andrea Kurz, Roland Potthast und Holger Tumat (v.l.) und Fahrradförderung steckt seit der JobRad-Gründung in unserer DNA“, sagt JobRad-Geschäftsführerin Andrea Kurz.

Streit bester Arbeitgeber im Ländle HAUSACH. Der Bürodienstleister Streit Service & Solution wurde Anfang Mai erneut als bester Arbeitgeber in Baden-Württemberg durch das Institut Great place to Work® ausgezeichnet. Auch bundesweit spielt Streit vorne mit und erreichte Rang vier. „Wir freuen uns riesig und sind sehr stolz auf dieses super Ergebnis“, so Geschäftsführer Marc Fuchs, „diese fantastischen Auszeichnungen bestätigen unser Handeln und Tun, unsere Haltung und unsere gesamte Unternehmenskultur, besonders jetzt in Zeiten der Pandemie.“ Anzeige

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Arbeitsmarkt

»Vollkommen flexibel«

»Gewaltiger Schub«

BWL Institut Basel bietet Fortbildungen für Führungskräfte

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Foto: © Raffi PN Falchi

eien Sie der Beste! So heißt es auf der Seite des Instituts. Dabei könnte es auch heißen: Werden Sie der Beste. Denn Leiter Ralf Andreas Thoma und sein Team bieten Fortbildungen, die fitmachen für Führungspositionen. Worauf es dabei ankommt, erklärt der 49-Jährige dem „bib“.

Drei Intensivstudiengänge bietet das BWL Institut Basel: Betriebsökonom, Finanzökonom, Immobilienökonom. Sie dauern sechs bis zwölf Monate, kosten rund 2900 bis 4800 Euro und können nebenberuflich absolviert werden. „Wir haben rund 100 Teilnehmer·innen im Jahr“, sagt Instituts-Chef Ralf Andreas Thoma. Diese seien meist zwischen 30 und 45 Jahre alt, wollen Führungskraft werden oder sind Institutsleiter: es bereits. Ralf Andreas Thoma „Das Wesentliche ist: Die Teilnehmer sind zeitlich vollkommen flexibel“, sagt Thoma. Es gebe keine fixen Termine im Fernstudium, nicht einmal Prüfungen seien terminiert. Erfahrungsgemäß sind etwa acht bis zehn Wochenstunden zu absolvieren, um das Programm im gesetzten Zeitrahmen zu schaffen. Das setzt Disziplin voraus: „Das Lernen braucht Routine und Regelmäßigkeit“, betont Thoma. Wer nur lerne, wenn er Muße habe, bekomme Probleme. Die Abbrecherquote ist gering. Jedoch schaffe es nur die Hälfte im gesetzen Zeitrahmen. Doch Thoma gibt Entwarnung: Zu überziehen sei kein Problem. Manche würden gar eine mehrjährige Pause einlegen und das Studium dann wieder aufnehmen. Das Institut bietet auch Zertifikatslehrgänge an. Beispielsweise in Marketing oder Unternehmengsgründung. Außerdem gibt es Crash-Kurse in Rechnungswesen und Controlling oder Marketing und Strategie. Ein Einstieg ist jederzeit möglich, sagt Thoma. Die Unterlagen bekommen Angemeldete in Papier- oder E-Form. Für alle Angebote gilt eine 30-Tage-Testphase. Till Neumann www.bwl-institut.ch 40 | chilli | business im Breisgau | 05.2021

Arbeitslosenquote stabil, Digitalisierung verändert den Markt

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m April ist die Zahl an Arbeitslosen im Bezirk der Agentur für Arbeit Freiburg erneut leicht gesunken. Zum Stichtag waren in der Stadt Freiburg sowie den Landkreisen Breisgau-Hochschwarzwald und Emmendingen 15.619 Frauen und Männer ohne Beschäftigung, 309 weniger als einen Monat zuvor. Die Arbeitslosenquote notiert unverändert bei 4,2 Prozent. Die Quote bei den Jugendlichen sank um 0,1 Punkte auf 2,6 Prozent. Während in der Stadt Freiburg die Arbeitslosigkeit leicht stieg (auf 5,8 Prozent), sank sie in den beiden Landkreisen spürbar auf 3,3 Prozent. Der Rückgang ist für April typisch. „Hätten Tourismus, Gastronomie und Freizeitparks wie in normalen Zeiten ihre Tore öffnen können, wäre der Frühjahrsaufschwung noch deutlich stärker ausgefallen“, sagt der Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Freiburg, Andreas Finke. Dass der Arbeitsmarkt trotz anhaltender Beschränkungen weiter sehr stabil ist, freue ihn. Bestätigt wird der positive Trend auch von der Arbeitskräftenachfrage, die sich dem Vorkrisenniveau nähert. Die meisten Stellenangebote meldete das verarbeitende Gewerbe. Auffällig ist dagegen weiter der Angebotsrückgang bei der Zeitarbeit. „Wir beobachten schon länger, dass die Unternehmen wieder mehr direkt einstellen“, sagt Finke. Er


Rund 1100 Bau-Beschäftigte gibt es in Freiburg. Die IG Bau fordert für sie aktuell 5,3 Prozent mehr Lohn.

Foto: © IG Bau

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führt das auf die drohenden Fachkräfteengpässe zurück, die mehr in den Vordergrund rücken. Für die kommenden Monate bleibt Finke optimistisch: „Die Impfkampagne kommt immer mehr in Fahrt. Ich habe große Hoffnung, dass wir das Gröbste bald überwunden haben und dann auch die Kurzarbeit spürbar entlastet wird.“ Der Arbeitsmarkt werde sich aber ändern, denn der Trend zur Digitalisierung habe während der Krise einen „gewaltigen Schub“ erfahren. Der Bedarf an Fachkräften steigt weiter, während immer mehr Menschen mit der Entwicklung nicht mehr Schritt halten können: „Da kommt eine Menge Arbeit auf uns zu.“ Bundesweit waren Ende April 2,771 Millionen Menschen ohne festen Job. 988.000 erhielten Arbeitslosengeld. Die Quote sank um 0,2 Punkte auf 6,0 Prozent. Kurzarbeit ist derweil ein immer kleineres Thema: Im April gab es 71 Anzeigen für insgesamt 436 Personen. Erste Hochrechnungen für Dezember ergaben, dass 3300 Betriebe für 22.157 Beschäftigte Kurzarbeit abgerechnet haben. Die Kurzarbeiterquote betrug im Dezember 8,1 Prozent nach 7,2 Prozent im November. Auf dem Stellenmarkt haben Unternehmen im April 1105 offene Arbeitsplätze gemeldet, 71 oder 6 Prozent weniger als im März und 550 oder 99,1 Prozent mehr als vor einem Jahr. Mitte April lagen der Agentur insgesamt 4007 Aufträge zur bib Stellenbesetzung vor. chilli | business im Breisgau | 05.2021 | 41


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»Der Tod ist Teil des Alltags«

Zeitgeschichte

Gemeinsam durch die Krise: Familie Bartenstein aus Freiburg

Was die Spanische Grippe in Freiburg anrichtete „Überall geht Jammer und Tod weiter. Dr. Locherer haben innerhalb 14 Tagen beide Söhne verloren, der zweite ist erst kurze Zeit draußen gewesen. Die Grippe soll wieder erneut um sich greifen. Frau Stuber erzählte heute, die Ärzte wüssten sich bald nicht mehr zu helfen, innerhalb 4 St seien manche Soldaten gesund und tot! Und neuerdings gäbe es so viele Fälle mit Krämpfen und Melancholie, weniger Lungenentzündungen.“ Es ist der 26. Oktober 1918, als Martha Bartenstein diesen Brief an ihren Mann schreibt. Sie ist damals 37 Jahre alt, mit ihren beiden Kindern Hans und Gretel daheim in Freiburg, während ihr Mann, der Jurist Karl Bartenstein, im Ersten Weltkrieg an der Front kämpft. Das Ehepaar hat sich versprochen, während Karls Kriegs­ einsätzen täglich zu schreiben. In dem Briefwechsel (Martha verfasst rund 1100 Briefe an ihren Mann) kommen nicht nur die Erlebnisse des Krieges zur Spra­ che, die Entwicklung der Kinder, Momente des All­ tags – es geht auch um die Spanische Grippe. Die Pandemie brach 1918 aus. In der gängigsten Ver­ sion der Geschichtsschreibung kam das Virus H1N1 mit Soldatentruppen rüber nach Europa, wo es sich in drei oder vier Wellen ausbreitete – häufig in Lazaret­ ten. 20 bis 50 Millionen Menschen sollen weltweit da­ ran gestorben sein, vielleicht auch 100 Millionen. Die Schätzungen zur Zahl der Infizierten reichen bis zu 500 Millionen. In Freiburg sprechen Historiker von

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444 Toten – aber auch das ist nur eine Behauptung. Denn viele Punkte der Spanischen Grippe sind noch ungeklärt, zumindest unklar. Das liegt schlicht daran, dass die Quellenlage äußerst überschaubar ist. Briefe wie die von Martha Bartenstein sind eine Sel­ tenheit. Im Deutschen Tagebucharchiv in Emmendin­ gen finden sich nur wenige weitere Schriften, in denen die Pandemie thematisiert wird. Ein Vizefeldwebel an der Westfront schreibt darüber, eine Hausfrau aus dem Ruhrgebiet, ein Schiffsbaumeister aus Königsberg, eine 23-Jährige aus Ostpreußen. Und eben die Bartensteins. Auch in Memoiren von Zeitungsverlegern oder ho­ hen Militärs, zu denen Historiker häufig greifen, um sich ein Bild von jener Zeit zu machen, findet sich kaum etwas zur Spanischen Grippe, wie der Neuzeit­ historiker Eckard Michels sagt.

Die Presse versuchte, die Pandemie runterzuspielen Das liegt laut Michels, der sich wie kaum ein ande­ rer in Deutschland mit dem Thema befasst hat, daran, dass die Menschen zu jener Zeit ein anderes Gesprächs­ thema hatten: den Ersten Weltkrieg. In den Städten Leid und Elend, Kranke und Verletzte. Kaum eine Familie, die nicht ein Kriegsopfer zu betrauern hatte. Die Menschen waren damals tagtäglich mit Massen­ sterben konfrontiert: gefallene Soldaten, Hungertote wegen alliierter Blockaden, Opfer der grassierenden


Zeitgeschichte

Grippe und anderer Krankheiten. „Der Tod war Teil des Alltags“, sagt Eckard Michels. „Statt zu klagen, herrschte aber eher ein Durchhaltekonsens.“ Und die Medien schwiegen auch lie­ ber – oder mussten schweigen. „Die Presse versuchte die Pandemie runter­ zuspielen“, sagt etwa John Eicher, der derzeit am Freiburg Institute for Ad­ vanced Studies (FRIAS) forscht und sich mit dem Thema auseinandersetzt. „Stichwort Zensur: Man wollte die Menschen nicht demoralisieren.“

Fotos: © Privatbesitz Familie Bartenstein

„Ob es nicht doch eine schwere Seuche ist, die wir haben? Im Felde sollen auch so viele dran sterben, wie kann man sich dagegen wehren? “ Martha Bartenstein stellt sich die­ se Fragen im November 1918, als die zweite Grippewelle über Freiburg her­ einbricht. Die Verunsicherung ist groß, wie man mit dieser Krankheit umzu­ gehen hat. In der ersten Welle, die im Frühjahr in die Stadt – man muss sagen – geplätschert ist, sind die Infektions­ zahlen gering gewesen, die Patienten in der Regel nach zwei, drei Wochen wie­ der genesen. Die zweite Welle aber, die hat es in sich. Ende September 1918 sei die Grip­ pe in viel übertragbarer und virulen­ terer Form zurückgekehrt, sagt Roger Chickering. Was Michels für die For­ schung der Spanischen Grippe in Deutschland, ist Chickering für jene in Freiburg. Der US-Amerikaner, lange Jahre Professor für Geschichte in Wa­ shington und Oregon, hat hierzustadte über den Ersten Weltkrieg geforscht, darüber ein Buch geschrieben. Bei der Recherche stieß er auf die Spanische Grippe. Mitte Oktober 1918, berich­ tet er, habe die Grippe in Freiburg ih­ ren Höhepunkt erlebt: „Die Symptome der Krankheit entwickelten sich häufig rasch, in manchen Fällen sogar in we­ nigen Stunden.“ Viele bekommen Lun­ genentzündungen, die von Soldaten bereits überfüllten Lazarette und Kran­ kenhäuser können nur die schlimmsten Fälle aufnehmen, mehr als die Hälfte

der Patienten stirbt. Das Gesundheits­ system der Stadt Freiburg kollabiert. 444 Freiburgerinnen und Freiburger sind an der Pandemie gestorben. Das sagt nicht Roger Chickering, sondern Oskar Haffner, ein badischer Volkskundler, der in seiner Kriegschronik auch die Spani­ sche Grippe behandelt. Chickering hat seine Zweifel an der Zahl, er hält sie für eine „große Unterschätzung“. Denn un­ klar bleibt, ob sie etwa die an der Krank­ heit gestorbenen Soldaten enthält oder die Verstorbenen der dritten Krankheitswel­ le, die sich noch einmal im ersten Viertel des Jahres 1919 aufbäumt. Die Sterberate in Freiburg liegt jedenfalls deutlich hö­ her als im gesamten Land. Das bestätigt auch Michels. In Städten wie Marburg, Essen oder Freiburg hätten sich die Ster­ befälle durch Lungenentzündungen im Vergleich zu Vorjahren bisweilen ver­ vierfacht. Weshalb es diese Städte im Vergleich zu anderen besonders schwer erwischt, kann er sich nicht erklären: „Da tappen wir im Dunkeln. Das erle­ ben wir in der aktuellen Corona-Pan­ demie ja auch, dass manche Landkreise oder Städte unerklärlich höhere Infek­ tionszahlen als andere haben.“

So befinden sich die meisten Freibur­ gerinnen und Freiburger außerhalb der Arbeitszeit meist in den eigenen vier Wänden, wo sie sich gegen die Krank­ heit wappnen oder sie, sofern es sie er­ wischt haben sollte, auskurieren. Auch damals schon galt so etwas wie AHARegeln, obwohl diese eher Ratschläge sind: wenig Kontakte, körperlich scho­ nen, Hände waschen, Rote Bete essen, Kamillentee trinken. Oder wie Martha Bartenstein in einem Brief an ihren Gatten Karl schreibt: „Bekommt ihr auch Alkohol gegen die Grippe? Das sollte fast das einzige Mittel der Ärzte sein. Ich werde nun auch eine Flasche Rotwein holen. Nun gute Nacht mein Lieb!“

Christian Engel

„Täglich sterben noch so viele Menschen und die Schule wird wohl noch weiter geschlossen bleiben!“ Aus den Briefen von Martha Barten­ stein geht hervor, dass ihre Kinder mal zur Schule können, mal daheim bleiben müssen. „Maßnahmen gegen die Pande­ mie wurden den Kommunen überlassen“, sagt Michels. In Freiburg entscheiden sich das Garnisonskommando, das städti­ sche Gesundheitsamt und das staatliche Bezirksamt für eine Art „Social Distan­ cing“, wie Chickering berichtet. Nach­ dem sie versucht haben, Schließungen so lange wie möglich abzuwenden – wegen der bereits angeknacksten Moral der Be­ völkerung –, müssen Schulen, Gaststät­ ten, die Universität, Läden und Fabriken (zeitweise) zumachen, später auch das Stadttheater und die Kinos. „Das Müns­ ter und die anderen Kirchen blieben da­ gegen offen“, sagt Chickering.

Stets verbunden: Das Ehepaar Bartenstein schickte sich regelmäßig Briefe zwischen Front und Freiburg

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Der härteste Wettkampf meines Lebens

Menschen

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Warum der 82-jährige Günter Birnbaum niemals aufgibt

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er Opa ist verrückt“ – diesen Satz hat Günter Birnbaum schon häufiger von Enkeln oder Außenstehenden gehört. Wenn man allerdings einen Rentner sieht, der mit 82 Jahren noch regelmäßig Marathons läuft, der mit rasendem Puls auf 2000 Metern in Andorra einen Wintertriathlon absolviert, der sich für Bergläufe fit macht, liegt solch eine Aussage durchaus auf der Hand.

Für Birnbaum ist die Sache ganz einfach: „Ich nehme an diesen Wettkämpfen teil, weil ich es eben noch kann.“ Der Freiburger ist in einer Zeit groß geworden, als er und seine Kumpels der Freien Turnerschaft in Freiburg noch mit der Dampflok zum Wettkampf nach Mannheim fuhren und mit Lorbeerkränzen auf den Häuptern zurückkehrten. Er arbeitete als gelernter Maurer und studierter Bauingenieur fürs Regierungspräsidium Freiburg im Prüfamt für Baustatik, ernährte vier


Menschen

Fotos: © privat

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Kinder, spielte nebenher Handball. Einmal, erzählt er, wurde er bei einem Spiel in Innsbruck interner Torschützenkönig – beim 1:20 hatte er den einzigen Treffer für Freiburg erzielt. Nachdem er mit Handball aufgehört hatte, suchte Birnbaum neue sportliche Herausforderungen. Er schipperte mit einem Segelboot über den Atlantik und bestieg Berge. „Ich habe den Kilimandscharo überquert“, sagt er. Und eines Tages dachte er: Probiere ich es doch mal mit Laufsport. Da ist er 63 Jahre alt. Seinen ersten Marathon läuft er ein Jahr später in Hamburg. Seine Frau reicht ihm alle zehn Kilometer Getränke, nach fünf Stunden kommt er ins Ziel. Die Zeit sei ihm damals egal gewesen, sagt er heute. Und auch heute noch gehe es ihm nur darum, den Weg zu meistern. „Aber ja, Erfolge zu feiern und Anerkennung zu bekommen, ist schon schön.“ Die Erfolge fliegen ihm nicht zu, er erläuft sie sich. Birnbaum wird in seiner Altersklasse baden-württembergischer Berglaufmeister, nimmt an den großen Marathons in New York, Berlin und auch Freiburg teil, sattelt auf Triathlon um und wird Teil der Senioren-Nationalmannschaft. Im vergangenen März lässt er sich zum zweiten Anzeige

Mal als Vizemeister beim Wintertriathlon feiern – in 2000 Metern eisiger Höhe in Andorra mit rasendem Puls. „Das war der härteste Wettkampf meines Lebens“, sagt Günter Birnbaum. „Der Wind pfiff, es war bei Minusgraden hundekalt, meine Lungen brannten.“ Auf der Strecke bricht sich ein Mitstreiter beim Sturz den Arm, den Wettkampf bestreitet Birnbaum mit Zahn- und Herzschmerzen, auf der zwölfstündigen Rückfahrt rumpelt er über herabgefallene Spanngurte eines vor ihm fahrenden Lasters und

»Auch im Kopf gesund sein« verliert dabei die Stoßstange. Na ja, die Frage ist da schon angebracht: Wieso machen Sie das, Herr Birnbaum? Der 82-Jährige verweist auf einen Spruch, der in seinem Haus in Günterstal an der Treppe hängt und dem er täglich begegnet. Dort steht: „Du weißt erst, was du kannst, wenn du es versuchst.“ Nach diesem Motto hat er schon immer gelebt: Probiere dich aus, denk nicht ans Scheitern, gib niemals auf. „Ich bin froh, dass ich das mit dem Laufen noch so gut machen kann“, sagt er. Dass er so aktiv Sport treibe, sei auch ein Beweis für sich selbst, noch gesund zu sein – „auch im Kopf gesund zu sein“, wie er sagt. An ein Ende seiner Sportkarriere will Günter Birnbaum nicht denken: „Solange es noch geht, laufe ich immer weiter.“ Christian Engel

Birnbaum mit Medaille, Sportgerät und beim World Triathlon in Andorra: „Solange es geht, laufe ich immer weiter.“ chilli | 05.2021 | 45


Festivals

Neues Freiluftevent für Freiburg geplant Stadtjubiläum geht weiter, Rathaus ­bewirbt sich auf Bundes­ fördergelder für Kultursommer

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ine Freiburger Veranstaltung nach der anderen wird abgesagt – nicht aber das Stadtjubiläum. „Wir machen we­i­ter“, motiviert sich das Organisationsteam. Spätestens im Juli werde gefeiert. Einige Ideen zur großen Festwoche hat das Planungsbüro außerdem ans Kulturamt abgegeben. Das hat im kommenden Sommer Großes vor.

Etwa das Projekt „FreiRäume“, bei dem an Dutzenden räumlich begrenzten Plätzen und Orten kulturelle Veranstaltungen ihr Publikum finden können. „Wir wollen zumindest noch ein vernünftiges Ende. Zwar steht der Schlusspunkt noch nicht ganz fest, aber die Pläne sind nahezu fertig“, erzählt Thiemann. Auch ein Spektakel mit dem Aktionstheater Pan.Optikum inklusive Pyrotechnik wird es geben, zudem werde das Briefeprojekt „Alles Liebe, Dein/e.“ durch eine besondere Schlussaktion noch einmal in den Mittelpunkt gerückt.

70 statt 140 Veranstaltungen

Foto: © Arne Bicker

Kämpft weiter: Projektleiter des Stadtjubiläums Holger Thiemann Eigentlich sollte das Stadtjubiläum ab Mai noch einmal so richtig heiß laufen, nun zieht sich die Pandemie erneut in die Länge und die Planer wissen einmal mehr nicht, ab wann sie größere Veranstaltungen realisieren können. „Alles, was jetzt vielleicht doch nicht stattfinden kann, versuchen wir in die Monate Juni und Juli überzusiedeln, sodass vor dem Hintergrund von verstärkten Tests und Impfungen doch noch richtige Highlights zustande kommen können“, hofft Projektleiter Holger Thiemann. 46 | chilli | 05.2021

Von den Freiburger·innen angenommen wird das Jubiläum allemal, so der Projektleiter. Dennoch hätte er in anderen Zeiten viel mehr Aufmerksamkeit generieren können. Insgesamt haben und werden von den 140 für 2021 geplanten Veranstaltungen wohl nur maximal die Hälfte steigen können. Immerhin, die Festwoche vom 16. bis zum 21. Juli bleibt in Teilen bestehen, mit Open-Air-Konzerten großer ­K langkörper wie dem Philharmonischen Orchester Freiburg, dem SWR Symphonieorchester oder dem Singer/ Songwriter Faber. Außerdem werde auch hier bürgerschaftliches Engagement sichtbar, indem sich verschiedene Hilfsorganisationen, soziale Einrichtungen sowie Partnerstädte vorstellen, so Thiemann.

Das Freiburger Kulturamt wird außerdem ein weiteres Freiluftevent organisieren: „Es gibt ein Förderprogramm ‚Kultursommer 2021‘ der Bundeskulturstiftung. Da stehen 30,5 Millionen Euro bereit. Dafür dürfen sich Kommunen mit extra entwickelten neuen Konzepten bewerben“, so Thiemann. Deshalb habe das Stadtjubiläum Teile des FestwochenBudgets dem Kulturamt für die Realisierung des Festivals zur Verfügung gestellt. Wie das Event aussehen soll, erklärt der stellvertretende Leiter des Kulturamts Udo Eichmeier. „Wir haben 500.000 Euro bei der Bundeskulturstiftung beantragt, 20 Prozent Eigenanteil der Gesamtkosten müsste die Stadt selbst tragen. An Planung und Durchführung des Programms sollen sich lokale Bündnisse beteiligen.“ Die Entscheidung, ob in Freiburg gefeiert wird, fällt am 25. Mai. Dann könne auch bekannt gegeben werden, wie das Fest aussehen soll, so Eichmeier. Soloselbstständige, Künstlerinnen, Bands oder Veranstalter, Licht- und Tontechniker will die Stadtspitze so unterstützen. „Das Projekt wollen wir nachhaltig gestalten, damit daraus vielleicht auch für die Folgejahre etwas erwachsen kann.“ So solle der öffentliche Raum stärker für Kultur genutzt und der Pandemie in diesem Sommer getrotzt werden.

Liliane Herzberg

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Freizeit

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Bringt die Bar auf den Bildschirm: Quizmaster Michael Barop

Aus der Kneipe an den Küchentisch Freiburger Vorderhaus veranstaltet virtuelles Pub-Quiz

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Fotos: © pt, Juli Richter

eetings, Konzerte, Yoga­ kurse – viele Dinge spielen sich in der Pandemie digital ab. Auch der Freiburger M ­ ichael Barop stellt seine Fragen nicht mehr in der Kneipe, sondern im Netz. Die chillisten Philip ­Thomas, Liliane Herzberg und Giuliano Siegel haben beim virtuellen Pub-Quiz mitgeknobelt und einen ehrlichen letzten Platz hingelegt. Michael Barop hat sich in Freiburgs Bars einen Namen gemacht. Statt dort Gläser zu leeren, stellt der 40-Jährige lieber knifflige Fragen. „Schon seit zehn Jahren veranstalte ich in Freiburg ein Quiz. Das ist mittlerweile mein Baby“, erzählt er. Als die Schankstube ihre Pforten im März 2020 schließen musste, verlegte Barop seine Fragerunde kurzerhand ins Web. Seitdem knobeln jeden Dienstag knapp 50 Teams im Stream um die Wette. „Die meisten kommen von hier, aber auch aus Stuttgart, Darmstadt oder Chemnitz schalten sich Leute zu“, sagt er.

Schon bevor das erste Bier leer ist, wird klar: Einfach oder einfach formuliert sind die Fragen nicht. „In den Jahren seit 2009 gab es in Deutschland nur zwei Vornamen, die der jeweils beliebteste weibliche Vorname des Jahres für Neugeborene waren. Wie lauten sie?“ oder „Welche deutsche Sängerin hat einen Künstlernamen, in dem der Name einer biblischen Frau mit dem Namen des Mannes, den sie enthauptet hat, verbunden sind?“, will der Quizmaster wissen. Die Versuchung ist groß, das eigene Team spontan mit Siri oder Alexa zu verstärken. „Keine Hilfsmittel“, ­erinnert Barop die Runde. Der Quizmaster hat sonst keinen Einfluss auf die ­anderen Browser-Fenster seiner Teilnehmer·innen. Ehrlichkeit zahlt sich in diesem Falle nicht aus – nach Runde 1 heißt es Platz 54 fürs chilli-Team. Letzter. ­A ndere Gruppen zählen dreifache Punkte. Ob das alles mit rechten Dingen zugeht? Einige Antworten im Online-Bogen werden zumindest kurz vor Frist nochmals geändert.

„Das sind bestimmt alles Profis“, schlussfolgert Kollege Siegel zur Ehrenrettung. Punkte für die ­korrekte Vermutung gibt es leider nicht: ­Michael Bauder von der „Roquefort-­Gesellschaft“ etwa folgt Spielleiter Barop seit 2013 durch die Kneipen. „Uns begeistert die herausfordernde und humorvolle Art der Fragen“, so Bauder. Auch nach insgesamt 13.000 beantworteten Rätseln freue sich der Freiburger auf jede Neuauflage – auch digital. Viel wichtiger als ein Platz auf dem Treppchen sei aber der Spaß am Knobeln. Für wiederum andere stehen Wettbewerb und die Gewinn-Gutscheine im Vordergrund. Auch für Barop geht es bei der Veranstaltung nicht nur ums Vergnügen: Mehrere hundert Euro vor Steuern sammelt der Quizmaster durch Spenden jede Woche. „Ich lebe momentan davon“, kommentiert er. Nach der Pandemie will Barop den Bildschirm wieder gegen Barhocker tauschen: „Ich bin viel lieber in der Kneipe.“ Wann dort genau die Revanche für die chillisten steigt, ist momentan auch noch herz / pt ein Rätsel. chilli | 05.2021 | 47


Menschen

Anne-Christine Brehm freut sich auf ihre Arbeit als Münsterbaumeisterin in Freiburg

Wie ihre Vorgängerin ist auch Brehm Architektin. Nach ihrer Schul­zeit in Lörrach absolvierte die heute 41-Jährige, die aus dem Kan­ derner Ortsteil Feuerbach stammt, ab 1999 ihr Studium an der Tech­ nischen Hochschule der Universi­ tät Karlsruhe, schloss 2006 mit dem

Diplom ab und ging direkt danach zum Promotionsstudium über. Da­ bei lag ihr Schwerpunkt auf For­ schungsbereichen, für die sie sich „schon seit sehr langer Zeit interes­ sierte“: die Architektur der Gotik und der Spätgotik sowie die mittelal­ terlichen Bautechniken. Im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Recherchen zu dieser bauhistorischen Epoche be­ fasste sie sich auch „sehr intensiv“ mit dem Freiburger Münster – und fand dabei das Thema ihrer Doktorarbeit, mit der sie 2010 promoviert wurde: Hans Niesenberger von Graz, der seit 1471 Münsterbaumeister in Frei­ burg war und somit gewissermaßen auch einer ihrer zahlreichen Vorgän­ ger in der 800-jährigen Geschichte der hiesigen Bauhütte. In ihrer Dissertation beschreibt sie diesen „Architekten der Spätgo­ tik am Oberrhein“ als einen Mann, der zugleich als Baumeister und Bauunternehmer auftrat und „an mehreren Großprojekten gleichzei­ tig arbeitete“. Dabei seien dem aus Österreich stammenden Werkmeis­ ter „oft statisch schwierige Bauten anvertraut“ worden. Auch in Frei­

Foto: © ewei

»Im Himmel aus Stein«

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vonne Faller leitete 16 Jahre lang die Freiburger Münsterbauhütte – auch während der komplizierten und ein ganzes Jahrzehnt währenden Sanierung des Turmhelms. Aus Krankheitsgründen legte sie ihr Amt nun nieder; Ende März schied sie aus dem für sie „schönsten Beruf auf Erden“. Neue Baumeisterin ist AnneChristine Brehm. Sie übernimmt im Juli die Verantwortung für die vielen Baustellen an der äußeren Steinhülle des gotischen Kirchbaus mit dem „schönsten Turm auf Erden“, wie der Basler Kunsthistoriker Jakob Burckhardt das 116 Meter hohe archi­ tektonische Meisterwerk vor 150 Jahren nannte.

Generationenübergreifende Aufgabe: Die neue Baumeisterin vorm schützenswerten Meisterwerk.

48 | chilli | 05.2021

burg: Unter seiner Leitung wurde der Chor, dessen Wände „sich vor seinem Amtsantritt zu neigen be­ gonnen hatten“, so umkonstruiert, dass 1482 der gewichtige Dach­ stuhl schadlos auf die Binnen­ wände aufgesetzt werden konnte. Dieser Chor wird die nächste gro­ ße Sanierungsbaustelle am Münster sein – und die erste, für die Brehm als neue Baumeisterin die Verant­ wortung übernimmt. Auf diese Arbeit – und alle zu­ künftigen Aufgaben – freut sie sich sehr. Zumal sie für die Leute, mit denen sie bald zusammen­ arbeiten wird, auch keine Unbe­ kannte ist: Im Zusammenhang mit der Dissertation knüpfte die damalige Doktorandin erste und „in jeder Hin­ sicht sehr bereichernde Kontakte“ zur Freiburger Münsterbauhütte und deren Mitarbeitern. Freilich ohne damit zu rechnen, dass sie die­ sen traditionsreichen Betrieb einst selbst leiten würde.


Fotos: © XXXXXXX

Foto: © Hubert Gemmert Foto: © XXXXXXX

Menschen

Und ohne zu ahnen, dass sie, als sie feststellte, „welch fähi­ ge Frauen und Männer dort arbeiten“, gerade dabei war, ihre künftigen Kolleginnen und Kollegen kennenzulernen. Umso glücklicher sei sie jetzt über die völlig unerwartete Möglichkeit der „praktischen Zusammenarbeit“ mit den derzeit 15 Stein­ metzinnen und Steinmetzen, vor deren Leistung sie „großen Respekt“ hat. Vor der heutigen wie vor der historischen Leis­ tung: Es ist für sie „immer noch erstaunlich, was diese Hand­ werker vor mehr als einem dreiviertel Jahrtausend zustande gebracht haben und wie lange ihr Werk erhalten geblieben ist“. Im Zuge ihrer Forschungsprojekte während und vor allem nach der Promotion hatte die Architekturhistorikerin genü­ gend Gelegenheit, die handwerkliche Qualität der spätgoti­ schen Maßwerkarbeit kennen- und schätzen zu lernen. Von 2008 bis 2018 arbeitete sie als akademische Angestellte am In­ stitut für Kunst- und Baugeschichte an derselben, inzwischen zum Karlsruher Institut für Technologie (KIT) umbenannten Technischen Hochschule. Dort wirkte sie an größeren Projek­ ten mit und publizierte zahlreiche Beiträge zum Themenkreis des gotischen Bauhüttenwesens.

»Ein lachendes und ein weinendes Auge« Zudem übernahm sie als Privatdozentin dort auch Lehraufträge zu ihrem Lieblingsthema Gotik und Spät­ gotik. „Netzwerk Gotik“ war denn auch ihr eigenes Forschungsprojekt benannt, in dessen Rahmen sie eine umfassende Studie über „das Ulmer Münster im Zent­ rum von Architektur- und Bautechniktransfer“ erstell­ te, mit der sie 2018 habilitiert wurde. Seit 2019 ist Brehm im Freilichtmuseum Ballenberg in der Schweiz tätig, wo sie als Leiterin der Abteilung Architektur und Hausforschung ein Instandhaltungs­ konzept für mehr als 100 historische Gebäude verant­ wortete. Von dort geht sie „mit einem lachenden und einem weinenden Auge“. Die Arbeit habe ihr großen Spaß gemacht, doch eine solche Chance wie jetzt in Freiburg „bekommt man nur einmal im Leben“. Deshalb habe sie „nicht allzu lange überlegt“, als sie von der Stellenausschreibung erfahren habe. Zumal sie die Bauhütte ja schon kannte und wusste, „wie gut Yvonne Faller den Betrieb aufgestellt“ hatte. An der neuen Aufgabe findet sie besonders reizvoll, dass hier neben dem hohen handwerklichen und architektonischen Niveau auch Forschung wichtig ist. Und dass sie ihr „theoretisches Wissen über die mittel­ alterliche Bautechnik jetzt praktisch anwenden und damit zum Erhalt des großartigen Münsters für die kommenden Generationen beitragen kann“.

Erika Weisser chilli | 05.2021 | 49


Das perfekte Wochenende in ...

Reise

r a m i e W

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W

eimarer Republik, Weimarer Klassik, Geburts­o rt des Bauhaus: Die heute rund 65.000 Einwohner zählende kleine Stadt in Thüringen ist ein geschichtliches Schwergewicht in Deutschland und auch in Europa. Ein Stadtbummel.

Seite an Seite stehen sie da, auf dem Theaterplatz, die bronzenen Standbilder von Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller, gemeinsam einen Lorbeerkranz haltend. Vor jenem 1798 eröffneten Deutschen Nationaltheater, in dem 1919 die Nationalversammlung die Weimarer Reichsverfassung verabschiedete, weswegen hernach – nach

dem ­ damit zementierten Ende der Monarchie – das parlamentarische Deutschland als Weimarer ­Republik weltbekannt wurde. Bis 1933. Was dann kam, wissen Sie, was dann kam, ist aber auch heute in Weimar zu besichtigen. Etwa das Gauforum. Vom Goethe-Schiller-Denkmal ist es nicht weit zu deren Wohnhäusern, die heute Museen beherbergen. Schiller starb 1805 in seinem Haus, Goethe 1832 in dem seinen, im Sessel sitzend. Die größte Kirche Weimars, St. Peter und Paul, wird im Volksmund nur Herderkirche genannt, weil auch Johann Gottfried Herder in Weimar gewirkt hat, wo er zwei Jahre vor Schiller starb. Die Grabplatte liegt im m ­ ittleren


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Berlin

Weimar

Fotos: © iStock.com/Cora Müller, ivanadb,marako85; bar Illustrationen: freepik.com/katemangostar

Historisch: Das Köstritzer Schwarzbierhaus (ganz li.). Weltkulturerbe am Marktplatz (oben): Renaissanceemsemble mit Stadt- und Cranachhaus.

Schiff des Gotteshauses. Goethe, Herder, Schiller und Christoph M ­ artin Wieland bilden das Viergestirn der Weimarer Klassik. Ihretwegen schrieb Weimar, das kleine Dorf an der Ilm, ein gewichtiges Kapitel der europäischen Kulturgeschichte. Es wird Zeit für einen Kaffee auf der Terrasse des berühmten Hotel Elephant am Markt, der guten Stube der Stadt, auf dem die Händler Obst und Gemüse, Thüringer Rostbratwurst, Kunsthandwerk und Blumen anbieten. Der Blickfang – jenseits des Neptunbrunnens – ist aber nicht das Hotel, auch nicht das neogotische Rathaus, sondern das Cranachhaus, in dem unten das zauberhafte Theater im Gewöl-

be seine Spielstätte hat, in der vor allem die Werke der beiden großen Dichterfürsten auf dem Spielplan stehen. Die linke Hälfte des farbenfrohen Renaissancebaus ist benannt nach Lucas Cranach d. Ä., dessen Schwiegersohn Nikolaus Gromann es erbaut hatte. 1919 ist nicht nur wegen der Verfassung, sondern auch in der Baukultur ein ganz besonderer Jahrgang in Weimar. Denn damals wurde die Weimarer Kunstschule mit der 1907 von Henry van de Velde gegründeten Großherzoglich Sächsischen Kunstgewerbeschule Weimar vereinigt, aus beiden gründete der Architekt Walter Gropius das Staatliche Bauhaus als Hochschule für Gestaltung – ausge-

Literarisch : G oethe-und-S chiller-Denkm Nationalthea al vor dem ter.

Ilm. Idyllisch : Das Reithaus im Park an der

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Reise

Fotos: © iStock.com/Meinzahn, taikrixel; bar

Neogotisch: Das Rathaus dominiert den quadratischen Marktplatz (li. oben). Auch im beschaulichen Weimar gibt es Zeugnisse antifaschistischen Widerstands (oben re.). Das neue Bauhaus-Museum (u.) liegt an einem kleinen Park. rechnet im klassischen Weimar. 100 Jahre später, im April 2019, wurde das Bauhaus Museum Weimar eröffnet, zu sehen sind in dem mausgrauen Betonklotz (Architektur: Heike Hanada, Benedict Tonon) nicht zuletzt 168 Stücke aus der Gropius-Sammlung. Raus ins Grüne, mit den Rädern in den Park an der Ilm, wo das s­ chlichte Gartenhaus von Goethe, sein e­rster Wohnsitz in Weimar, Besucher a­ nlockt, wo mit dem 1923 gebauten Haus am Horn der erste – und ­einzige – Weimarer Bauhaus-Bau steht. Auch der Park ist Teil des UNESCO-Welterbes

„Klassisches Weimar“, und guten Argumenten dafür begegnet man auf dem fast 70 Fußballfelder großen Areal zahlreich. Ein schöner Aussichtspunkt ist das Löwenkämpferportal.

Wo das „O du fröhliche“ entstand Wer über die Kegelbrücke radelt, der könnte noch kurz einen Abstecher in die Luthergasse machen. Es gibt dort zwar gar nichts Besonderes zu sehen, aber in dieser Gasse ist das Weihnachtslied „O du fröhliche“ entstanden. Zu-

rück am Markt gibt es noch einen Weißwein auf der Terrasse und s­ päter Thüringer Klöße mit R ­ inderroulade im Elephantenkeller. Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Hotel zehn Jahre lang zweckentfremdet. Es wird Thomas Mann zugeschrieben, dass es 1955 wieder öffnen konnte. Als Mann, der das Hotel in „Lotte in Weimar“ verewigt hatte, zur Verleihung des Schillerpreises in die Stadt kommen sollte, schrieb er, man möge ihm ein Zimmer im Elephant reservieren. Er war der Erste, der sich ins GäsLars Bargmann tebuch eintrug.



Foto: © XXXXXXX

XXXXXXXXXXX Musik

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Tata siti in prepelit pelique earchillabor aut od que do­ lessitam, same nos estis dici­ del lanisciiscia perciis ellecti test qui aperion essedit ium­ quod itatur? Im sendam liqui se neserorum iure et andae enet, nos etus dolestis cum lita dolorepudae et ipiet quo­ di simin non repreria ese­ quame optae. Et id qui cor autae veribusam, consequa­ tias alicitem elendi quiae. Ut a cuptaerundae vellenit exeri­ orem venda susantis assit ut offic te odit, to bla solupit, voloressunti non pratem qui­ duci llendae nos dolor aute rem nat eum re cus, odi odi­ temque pari occae. Ut res ute oditatur aut dis qui reperem nullest odit, siminct otatemp oriatibuscia voluptatur? Alignihil mi, idus eture est everes audiaepe dolorestiu­ me voles maiorepe latecae non ressimo lestiatia simus, quodit fuga. Et veritam imo vellorum sed quam resedit ut volores simusa cusanda­ es estium corepro quae ve­

nisquam, od est lisimos et mosantem venihil l ritiunt lati dolorem fuga. Usandi cullaboribus voluptu ritiis ea volores sim a vendis eost modi odita­ taerist hillibus inum es accat dolorum faccus dunt aut fugia prest quuntur? Im sus. Gitio vitat aut ut as explita temped etum aut volorem fuga. Que net, quae optat unti deligendae experi­ bea parum il incipsu cum volo. Aximpossed quo blabo. Agni dolen­ de liquos min et es sam aut occaborae vellace ptatus sum ea quae estiaes tiun­ dia serit atisque none volenducias volo­ rero cum hariam ipicillab imporendae molorum que nobit fugiam etur, cum siminis si blabore vel magnim sima­ xim oleniss imincit la dolorrorum natem idunti deligendae experibea parum il incipsu cum volor aceaquid ute excesequunt volorepuda sequis que

»XXXXXX XXXXXXX XXXX« omnihitibero endis dent facius, sitas nobissendis mi, im qui aut molenda nosandam imaximus acimus, omni­ modi dolorio. Ut verae qui ius nimil et invenis restia volores tibus. Ut acid que et la cus modiciis et quam, iur mos este ium as am rers­ ped mo consedis sandam veristibus, que officim aximpos sus andae ve­ lesto rporesto te dici nis reprorro iur? Rum sam que magnime ntistia dolu­ pis eum namus dolupta ant odictior alita volorestrum hil im nonsequ iate­ scient dolo int eostem enis reperovid ma quo quae etur andebitat rem aut repellor aces cus, offic tem ipsa dentisc itatia quatur, omnihictati nonsequo iliciis simagni omnihic turerat quatin­ cia verum est, volorpore doluptia peria

54 | chilli 05.2021 im Breisgau | XX.2019 chilli || business

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m aliciet is similiq uuntend ucipsan dissequodi quis mi, sit que volesciasped que qui aceresequia iur alitias mod qui conet vit et, nos sunt. Tur sectotatem. Nemporion re liquasimus que volesciasped que qui aceresequia iur alitias mod qui conet vit et, nos sunt. Tur sectotatem. Nemporio.

Geht neue Wege: Schlagzeuger und Produzent Paul-Aaron Wolf

Foto: © XXXXX XXXXXX

Loops aus dem Labor

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XXXXXX: XXX XXXXXX XXXX XXXXXXX XXXXX sus, volum quia nias int, alias simus et amendani re natur moluptate ium et, od moluptiis exceperias Esequides nullo omnimus as et min­ veligenit rentiore nihiliquidic tem. Ut aut asi cone pores milliquianim ut acil­ les eresciis cor minvent, soloria deribus si volorat volesequos unt offic totata­ tur si de in nit et, omnihicitia a pliquis soluptatio. Bo. Ut quassit et que non porrumqui con pereius rereper ferorro repudislore et eium dolore, as es rec­ tios di ut faceate nimpos aute esci re nes quam, tem qui dipsunt lacearibus. Temquam, conse exerrumquos adi consequi veri­ as ipis dolupti squibus re dolore optae et velic to es ent hit ea doluptat. Ca­ tia doluptatiste moluptur, culparchite cuptio con earum coserchil inis eos et, alis quoditae la auodit, nimaion eve­ Vielfalt bereichert – 30 Jahre Oekogeno rum fuga. Laa epudam il exces rec­ 16. November, Forum tatianist quo. Nos19.30 utaturUhr, amusandit mit Tobias GrünlaMerzhausen, pa velenet eum doloresHauser, reria volup­ der derdoluptium Mundologia, und Julian tatate facepre estem.Heun, Po­ dreifacher deutschsprachiger Poetryrepra ditio. Nequi consere pelestrum Slam-Meister und und und hausen, non reici. Tobias mit Tobias Hauser,hausen, mit Autor Hauser,hausen, mit Tobias Hauser,

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Musik

Producer Paul-Aaron Wolf mixt Retro und Moderne

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Foto: Foto:© © Linda XXXXXXX Stark

eit 17 Jahren spielt er Schlagzeug. In der Pandemie konzentriert sich PaulAaron Wolf aber aufs Producing. Gerade hat der 27-Jährige das Video „Youth“ veröffentlicht. Es zeigt eindrücklich, wie der Freiburger mit Retro-Maschinen modernen NerdSound kreiert. Eine riesige dunkle Halle, ein paar Lichter, Schritte hallen. Paul-Aaron Wolf läuft zu einem Tonbandgerät. Im Schein einer goldenen Lampe sieht man, wie sich Tonbänder meterweit durchs Halbdunkel drehen. Wolf tippt sie mit einem Finger an, die Frauen­ stimme leiert, fängt sich wieder. Das Video zu „Youth“ hat der Freibur­ ger Künstler im März auf Youtube ver­ öffentlicht. Es gibt in sieben Minuten tiefe Einblicke in den Mikrokosmos des Produzenten: Er bedient Maschinen aus Vor-MP3-Zeiten, spielt mit Samples, setzt sich selbst ans Schlagzeug, singt. Wolf weiß, dass sein Werk mit Main­ stream-Mechanismen bricht: „Die nor­ malen Zuschauer·innen sehen einen Typ, der an komischen Maschinen Knöpfe drückt, irgendwann singt und Schlag­ zeug spielt und dann weitere Knöpfe drückt.“ Nerds könnten im Video aber mehr entdecken: zum Beispiel Legen­ den der Musikgeschichte wie die MPCSamplemaschine oder die Kunst, ganz ohne Laptop und Software einen Sound zu kreieren, der trotzdem modern klingt. „Das lässt glaube ich das Herz der GearNerds höherschlagen“, sagt Wolf. Seine Arbeit wirkt wie aus einem Labor: Er ge­ staltet Töne, lässt sie wirken und reagiert darauf. Zu den Loops improvisiert Wolf am Drumset. Entstanden ist das Video als One-Take. Sebastian Lucht von den Visual Crea­ tors hat es ohne Schnitte gefilmt. Bis ins Morgengrauen drehten die beiden in einer Holzverarbeitungsfabrik. Für Wolf ist „Youth“ auch ein Trip in sei­

ne Jugend: „Die Mood von dem Song hat mich an einige zufällige Szenen aus meiner Kindheit erinnert.“ Es gehe um das Gefühl, verliebt zu sein, aber Angst zu haben, von Gleichaltrigen für so et­ was ausgelacht zu werden. „Als Kind war ich eher Alleingänger“, erinnert er sich. Heute kennt man ihn als Team­­pl­ayer: Paul-Aaron Wolf ist Drummer der sechsköpfigen Freiburger Band Liner Notes, die Hip-Hop, Jazz und Soul mixt.

Schon als Kind singt er Beatles-Songs mit der Familie „Paul gibt immer Vollgas beim Schlag­ zeugspielen“, lobt Sängerin und Band­ kollegin Julia Mikulec. Sie schätzt seine Energie, Begeisterung und Experimen­ tierfreude: „Er bringt seine eigene Note in Songs ein.“ Wer Wolf am Schlagzeug sieht, merkt schnell: Das ist kein Drum­ mer, der sich hinter den Becken ver­ steckt. Extrovertiert und ausdrucksstark ist sein Spiel. Für Soli gibt’s Sonder-Ap­ plaus. „Seine Ausstrahlung ist nicht zu übersehen“, findet Mikulec. Mit ihm wolle man nicht nur Musik machen, sondern sich auch bei einem Kaffee über alles Mögliche austauschen. Aufgewachsen ist Wolf im pfälzi­ schen Kandel. „Zu Hause lief sehr viel Klassik, Prog-Rock und Soul-Musik, eher weniger der Fernseher“, erinnert er sich. Bei Familientreffen sangen sie Beatles-Songs und tun es noch heute. „Das hat die Liebe zur Musik sehr früh geweckt und ich wollte immer ein Teil von ihr sein“, sagt Wolf. Sein Onkel schenkte ihm zwei Congas, dann kam ein Schlagzeug dazu. Das Instrument begleitet ihn bis heute. Fürs Studium an der MacromediaHochschule verschlug es ihn nach Frei­ burg. Den Bachelor in Jazz-Schlagzeug hat er 2020 noch vor der Pandemie ab­ geschlossen. Geplante Tourneen fielen

dann ins Wasser. Hart sei das gewesen – auch finanziell. „Gott sei Dank ist im Studium Musikproduktion ein Ding für mich geworden“, erzählt der Musi­ ker, der sich im Keller seiner WG in Frei­ burg-Zähringen ein Studio eingerichtet hat. Zuletzt hat er die experimentier­ freudige Jazz-Electronic-EP „JZZLTC“ rausgebracht und startete die ersten Pro­ duktionen für andere Künstler. Zudem veröffentlicht er als „Slowolfed“ Hip­ Hop-Instrumentals. Auch ein ElektroFormat ist in Arbeit. Die Zugriffe sind bisher überschaubar. Das große Geld wirft das noch nicht ab. Daher ist Wolf heilfroh, zu unterrich­ ten. „Hätte ich nicht schon einen Pool an Schülern gehabt, wäre ich wirklich kom­ plett am Arsch gewesen“, erzählt Wolf. Zuletzt war er bei einem sechswöchigen Popkurs in Hamburg. „Eine Kreativhöhle ohnegleichen“, schwärmt der Drummer. Mit 40 anderen Musiker·innen arbeitete er dort an Songs. In Freiburg hat sich Wolf einen Ruf als exzellenter Drummer erarbeitet. Er gilt als kommunikativ, kreativ und stets top vorbereitet. Von Wolf weiß man aber auch: Er hat viel zu tun und ist nicht leicht zu kriegen. Kein Wunder, bei der Fülle an Projekten. Das Poten­ zial, auch mit eigenen Kompositionen aus der Masse rauszustechen, hat er mit „Youth“ gezeigt. Der nächste Schritt ist nun die Bewerbung für einen Master an der Popakademie Mannheim. Für seine Entwicklung wäre das ein g­ uter Schritt. Für Band- und Musikerkollegen in Frei­ burg aber kein leichter Abgang.

Till Neumann Anzeige

chilli | 05.2021 | 55


Innovationen

Per Algorithmus zum Bestseller Freiburger Start-up bringt Künstliche Intelligenz in Verlage

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Alinea heißt die wichtigste Mitarbei­ terin im Team der Scriptbakery. Alinea ist ein Arbeitstier: Sie braucht keine Pau­ sen, macht nie Feierabend und liest gan­ ze Bücher in wenigen Sekunden. Jeden Tag lernt sie dazu. So kann sie aktuell 25 Emotionen unterscheiden, Dialekte erkennen oder Texte aufgrund von Les­ barkeit und Stil bewerten. Nur Kaffee­ trinken ist mit ihr leider nicht möglich. Für Jonas Al-Nemri ist das kein Manko. Zusammen mit seiner Frau Géraldine hat er die Scriptbakery im Sommer 2019 gegründet, mittlerweile zählt das Start-up mit Sitz im Freiburger Krea­ tivpark in der Lokhalle sieben Mitar­ beiter. Es sind also genügend Leute da, mit denen man eine Kaffeepause ein­ legen kann. Und Alinea ist ja auch immer auf Achse. Im Herder Verlag und rund zwanzig weiteren ist sie mittlerweile fest angestellt. Die großen deutschen Verleger probieren sie gerade aus. Ob­ wohl sie einzigartig ist – weltweit ist sie die einzige KI, die Emotionen aus Texten so genau erfassen kann –, müs­ sen Al-Nemri und sein Team bei den Verlagen noch Überzeugungsarbeit leis­

ten. „Die Branche ist in Sachen Digi­ talisierung noch am Anfang“, sagt er. Viele lassen sich Leseproben noch per Post schicken.

»Kein Krimi ohne Angst und Spannung« Das Problem: Die Verlage bekommen solch eine Flut an unaufgefordert einge­ schickten Manuskripten, dass sie rund 98 Prozent davon ablehnen – ohne sie jemals gelesen zu haben. Buchliebhaber Al-Nemri bemerkte das schon während seines Studiums. Zusammen mit Stu­ dierenden aus Freiburg, Hamburg und Zürich gründete er 2012 einen Verlag, der Innovationen am Buchmarkt testen wollte. Als sie bei Herder ein Projekt

zum Thema „Crowdfunding“ starte­ ten, fielen ihnen die Massen an unge­ lesenen Einsendungen auf. Ihre Lösung: Durch eine cloudbasierte Software werden Manuskripte automa­ tisch angenommen und verwaltet. Das erleichtert nicht nur dem Lektorat das Leben, sondern spart einem mittelstän­ dischen Verlag nach Berechnungen des Start-ups auch rund 4500 Euro im Mo­ nat. Doch Alinea kann noch viel mehr. Sie schaut sich etwa die Bestseller eines Krimi-Verlags an und analysiert bei neu­ en Manuskripten, ob die vorherrschenden Emotionen – Spannung, Angst, Ekel – dem Schema der Vorgänger entsprechen. Dafür arbeitet sie nicht nur mit be­ stimmten Schlagwörtern wie Friedhof und Wortwolken wie Leiche – Grab – Schaufel. Sie kann auch implizite Stim­

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ann Künstliche Intelligenz (KI) Bestseller wie „Harry Potter“ oder „Krieg und Frieden“ erkennen? Jonas und Géraldine Al-Nemri sind sich sicher, dass das funktioniert. Mit ihrem Start-up Scriptbakery wollen sie verhindern, dass potenzielle Bestseller bei Verlagen ungelesen im Papierkorb landen.

Leichen oder Liebe? Jonas und Géraldine Al-Nemri bringen ihrer Software bei, Gefühle zu erkennen.

chilli || business 05.2021 im Breisgau | XX.2019 56 | chilli


Rezensionen

mungen erkennen, die überhaupt nicht in Worte gefasst werden. Zusammen mit der Analyse von Lesbarkeit, Stil und Fehlerquote ergibt das einen ersten Hin­ weis auf einen potenziellen Bestseller. Oft stoßen Al-Nemri und sein Team trotzdem auf Skepsis: Was ist mit Bü­ chern, die nicht dem Standard ent­ sprechen? Wird es durch Künstliche Intelligenzen bald nur noch Einheits­ brei in der Literatur geben? „Das ist ge­ nau das, was wir nicht wollen“, versichert der 37-Jährige. Die Verkaufszahlen, die sich mit einem Manuskript wahrschein­ lich erreichen lassen, spielen daher auch nur eine Nebenrolle bei der Bewer­ tung. Zudem gibt es natürlich noch die Lektor·innen aus Fleisch und Blut, die der Algorithmus niemals ersetzen wird: „Wir geben deren Bauchgefühl lediglich eine Datengrundlage.“ Diese Grundlage wächst und wächst: 47 Emotionen soll Alinea bald kön­ nen. Auch ihren Kundenkreis wol­ len die Freiburger erweitern: Bis Ende des Jahres soll eine Autorenplattform hinzukommen, die Manuskripte von Schriftstellern analysiert und an geeig­ nete Verlage weiterleitet. Zudem arbei­ tet das Team gerade mit ein paar der größten deutschen Zeitungsverlage zusammen. Das Ziel: Die emotionale Struktur von Artikeln so anzupassen, dass sie mehr gelesen werden und pas­ sende Werbung dazu geschaltet werden kann. „Dabei geht es aber nur um Ak­ zente“, betont der Gründer, „die Infor­ mation soll und muss dieselbe bleiben.“

Tanja Senn

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Und was hält Alinea von diesem Artikel? Lesbarkeit: schwer-mittel Dominierendes Thema: Bestseller – Bücher – Autoren – Lektoren Emotionsverlauf: Erwartung, schwungvoll, dynamisch. Enttäuschung, Gedämpft­ heit. Hoffnung. Aktivität, Dynamik, Erwartung. Ablehnung, skeptisch. Optimismus, Stolz, couragiert.

Zukunftsrepublik

Business Bullshit

von M. Ostermann, C. Flores Willers, M. Wohlfarth et al. (Hg.) Verlag: Campus, 2021 349 Seiten, Hardcover Preis: 24,95 Euro

von Jens Bergmann Verlag: Duden, 2021 208 Seiten, tb Preis: 11,00 Euro

Lust auf Zukunft

Inhaltsleeres Gefasel

Wie werden wir im Jahr 2030 leben? Wie werden wir arbeiten, lernen und miteinander umgehen? In dem Sam­ melband „Zukunftsrepublik“ malen sich 80 Menschen aus der Politik, der Wirtschaft oder dem Gesundheits­ wesen genau das aus. In einzelnen Aufsätzen springen sie gedanklich ins Jahr 2030. Ihre Vor­ stellungen sind dabei ebenso vielfältig wie die Visionär·innen selbst. Wäh­ rend es manche bei abstrakten Überle­ gungen belassen, sitzen andere bereits in Flugtaxis, lassen Schüler·innen ei­ gene Start-ups entwickeln oder füh­ ren ein Midlife-BAföG ein. Manche Ideen deuten sich heute schon an, an­ dere klingen nach Science-Fiction. Dass sie alle Hand und Fuß haben, beweisen die jeweiligen Zukunfts­ bausteine, die auf die nötigen Hand­ lungen im Vorfeld verweisen. Und noch eines haben sie alle gemein: Es fehlt ihnen die berüchtigte „Ger­ man Angst“. Das Buch macht vielmehr unbändi­ ge Lust auf die Zukunft. Das Schö­ ne: Man es kann es ins Regal stellen und in neun Jahren prüfen, was Re­ alität geworden ist. Anders als nach Lektüre von George Orwell kann man nur sagen: Hoffentlich sehr viel! tas

Irgendwann muss Jens Bergmann die Hutschnur geplatzt sein. Der VizeChefredakteur von brandeins verfasste sodann ein Buch mit dem KlartextTitel „Business Bullshit“ – und entlarvt das grassierende Managerdeutsch in 100 Phrasen und Blasen. Wollen wir mal uns comitten? Da bin ich ganz bei Dir. Wir könnten doch eine Kampagne ausrollen, ein The­ ma aufsetzen und eine neue Bench­ mark setzen. Klar, wir brauchen ein Big Picture, das in die DNA des CEO passt. Ich habe da einen agi­ len Keynotesprecher, mit dem wir mal ein Brainstorming über unse­ re Corporate Identity machen soll­ ten. Wir sind ja gut aufgestellt und ein paar Incentives werden die Ver­ triebler sicher zu einer top Perfor­ mance bringen. Die müssen raus aus der Komfortzone, damit wir unsere Marktbegleiter ein bisschen outpla­ cen können. Sustainable natürlich. Diesem sprachlichen Minuswachstum reißt Bergmann die Klamotten vom Leib, (sprach-)wissenschaftlich gut bewaffnet, zuweilen verärgert, zuwei­ len auch mit einer Prise Sarkasmus. Des Unterzeichners Lieblingswort im Buch lautet: „Inkompetenzkompen­ sationskompetenz.“ bar chilli | 05.2021 | 57


Fakten

Die Welt, die Wirtschaft in Zahlen Anteil Deutscher, die glauben, dass Klimawandel größere Auswirkungen auf Gesellschaft und Wirtschaft hat als Corona (in %) ������59 Anteil Deutscher, die fürs Klima am ehesten aufs Fliegen verzichten würden (in %) �����������������������������������������������������������������������������������������������39 Anteil Deutscher, die für Klimaschutz am ehesten auf Fleisch verzichten würden (in %) ������������������������������������������������������������������������������������� 17 Anteil Deutscher, die fürs Klima am ehesten auf neue Kleider verzichten würden (in %) ������������������������������������������������������������������������������������� 10 Umsatzrückgang im Einzelhandel Textilien in Baden-Württemberg im November 2020 im Vergleich zum Vorjahresmonat (in %) �� 21,2 Neuzulassung von Kfz in Baden-Württemberg im Februar 2021 ����������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 33.322 Neuzulassung von Kfz in Baden-Württemberg im Februar 2020 ������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 40.412 Anzahl der PKW in Freiburg 2020 ����������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 93.340 Aktueller Marktwert SC Freiburg (in Mio. Euro) ���������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������130,38 Aktueller Marktwert FC Bayern (in Mio. Euro) �������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������841,60 Aktueller Marktwert Dallas Cowboys (in Mio US-Dollar) ����������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 5500 Insolvenzanträge von Privaten im Februar 2021 in Baden-Württemberg ���������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 1280 Insolvenzanträge von Privaten im Februar 2020 in Baden-Württemberg �������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 674 Insolvenzanträge von Unternehmen im Februar 2021 in Baden-Württemberg ������������������������������������������������������������������������������������������������������� 170 Insolvenzanträge von Unternehmen im Februar 2020 in Baden-Württemberg ������������������������������������������������������������������������������������������������������� 175 Mietpreis Freiburg je qm nach Mietspiegel 2021/22 (in Euro) ��������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������9,79 Steigerung seit Mietspiegel 2017/18 (in %) �������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 18,7 Mietpreis Stuttgart je qm nach Mietspiegel 2021/22 (in Euro) ���������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������10,34 Steigerung seit Mietspiegel 2019/20 (in %) �����������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������7,7 Anzahl Zuzüge nach Freiburg 2020 ���������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 18.165 Anzahl Fortzüge aus Freiburg 2020 ������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������19.162 Deutsche Abiturienten, die eine Ausbildung im Handwerk begonnen haben im Jahr 2015 �������������������������������������������������������������������� 17.200 Deutsche Abiturienten, die eine Ausbildung im Handwerk begonnen haben im Jahr 2019 ������������������������������������������������������������������� 20.800 Fahrgäste ÖPVN in Freiburg 2020 (in Mio.) �������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������67,2 Mittelwert Fahrgäste ÖPVN in Freiburg 2015-2019 (in Mio.) ����������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 79,8 Kinobesucher erfolgreichster Film in Deutschland 2020 „Bad Boys for Life“ (in Mio.) �������������������������������������������������������������������������������������� 1,8 Kinobesucher erfolgreichster Film in Deutschland 2019 „Die Eiskönigin II“ (in Mio.) �������������������������������������������������������������������������������������� 6,8 Kinobesucher erfolgreichster Film in Deutschland 2001 „Harry Potter und der Stein der Weisen“ (in Mio.) ����������������������������������� 12,6 Beschäftigte in der Südwestindustrie im März 2021 (in Mio.) ���������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������1,145 Beschäftigte in der Südwestindustrie im Februar 2020 (in Mio.) ��������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 1,183 Umsatz in der Südwestindustrie im März 2021 (in Mrd. Euro) �������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 35,8 (Rekord) Umsatz in der Südwestindustrie im März 2020 (in Mrd. Euro) �������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 29,3 Anzahl Instagram-Beiträge von Freiburgs Oberbürgermeister Martin Horn ������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 695 Anzahl Instagram-Follower von Freiburgs Oberbürgermeister Martin Horn (in Tsd.) ������������������������������������������������������������������������������������� 25,9 Anzahl Instagram-Beiträge von Berlins regierendem Bürgermeister Michael Müller ����������������������������������������������������������������������������������������� 833 Anzahl Instagram-Follower von Berlins regierendem Bürgermeister Michael Müller (in Tsd.) ������������������������������������������������������������������� 10,8 Anzahl Instagram-Beiträge von Barack Obama �������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 504 Anzahl Instagram-Follower von Barack Obama (in Tsd.) �������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 35.000

pl/bar / Idee: brandeins

Quellen: RedaktionsNetzwerk Deutschland, European Investment Bank, freiburg.de, statistik-bw.de, transfermarkt.de, dwdl.de, basicthinking.de, ran.de, ivw.de, insidekino.de, instagram, Zentralverband des Deutschen Handwerks, stuttgart.de 58 | chilli | business im Breisgau | 05.2021




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