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Die Presse Unabhängige Tageszeitung für Österreich Wien, am 06.05.2021, 312x/Jahr, Seite: 2 Druckauflage: 57 776, Größe: 92,34%, easyAPQ: _ Auftr.: 8420, Clip: 13553735, SB: Ischgl

LEITARTIKEL VON OLIVER PINK

Tirol, das neue Kärnten – oder: Ein System bröckelt vor sich hin Zwei Rücktritte, eine Affäre. Und ein Landeshauptmann, der nach all den Verwerfungen seit Pandemiebeginn nun Fakten schafft. Fürs Erste jedenfalls.

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agen wir es einmal so: Es sieht seltsam aus. Eine Wirtschaftslandesrätin, die von ihrem privaten E-Mail-Account aus ihren Rücktritt verkündet. Ein ohnehin schon umstrittener Gesundheitslandesrat, der das wenig später auch tut. Nachdem zuvor die Debatte über eine freihändige Auftragsvergabe der Tiroler Landesregierung an ein Wiener Labor hochgekocht war, das im Verdacht steht, teilweise falsche Coronatests (die mit den gefährlichen Mutanten) ausgestellt zu haben, und dessen Chef, ein Urologe, am Freitag in einem Kunstfehlerprozess vor Gericht steht. Allein, dass die traditionell lokalpatriotischen Tiroler ein Wiener Labor beauftragen, ist zumindest schon einmal ungewöhnlich. Alle, die mit dem Innenleben der Tiroler ÖVP näher befasst sind, meinen allerdings, dass die Amtsübergabe der Wirtschaftslandesrätin, also von Patrizia Zoller-Frischauf, schon seit Monaten feststand, nur der exakte Zeitpunkt noch nicht. Und auch der Rücktritt des Gesundheitslandesrats, also von Bernhard Tilg, sei nur eine Frage der Zeit gewesen. Die Vergabe an das Testlabor sei höchstens der letzte Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe. Wobei Tilg dem Vernehmen nach gar nicht die treibende Kraft hinter dieser Vergabe an das Wiener Labor war. Bernhard Tilg war allerdings schon in der Causa Ischgl massiv in die Kritik geraten. In die jüngere Fernsehgeschichte dieses Landes ging sein Auftritt in der „ZiB 2“ im März des Vorjahres ein, als er unbeirrt ein ums andere Mal betonte, in der Corona-Causa Ischgl alles richtig gemacht zu haben.

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irol übernahm mit Beginn der Pandemie jene Rolle, die lange Zeit Kärnten innegehabt hatte. Also vom Image her. Zuerst das misslungene Krisenmanagement in Ischgl, gefolgt von Beschwichtigungen und Relativierungen, der Weigerung, schnellstmöglich Maßnahmen gegen die Ausbreitung gefährlicher Virusvarianten zu ergreifen. Das Fremdbild der eigensinnigen, sturen Tiroler stand in Kontrast zum Eigenbild, von verständnislosen Feinden des Tiroler Wesens umgeben zu sein. Kopf-

schütteln auf beiden Seiten. Tirol fühlte sich missverstanden, der Rest von Österreich verstand die Tiroler nicht mehr. Und wenn – das kann und wird jetzt auch Zufall sein – eine neue Mutante auftauchte in Österreich, dann war Tirol verlässlich nicht weit davon entfernt. Das System des schwarzen Tirol, die Dominanz der Volkspartei, hat Risse bekommen, die Pandemie hat das noch einmal deutlich sichtbarer werden lassen. Der demokratische Absolutismus eines Eduard Wallnöfer liegt weit zurück, schon in den vergangenen Jahrzehnten war innerparteilicher Streit in der Tiroler ÖVP ein ständiger Begleiter, mit persönlichen Verwerfungen und Abspaltungen. Dem jeweiligen Landeshauptmann gelang es immerhin, dies so zu übertünchen, dass das System noch hielt. Und das scheint dem derzeitigen, Günther Platter, nun in gewisser Weise auch noch einmal gelungen zu sein. Die Nachfolge von Patrizia Zoller-Frischauf und Bernhard Tilg hat er selbst geregelt, seinen innerparteilichen Konkurrenten, den nach vorn drängenden Tiroler Wirtschaftskammerpräsidenten Christoph Walser, noch einmal abgewehrt. Platter trat am Mittwoch die Flucht nach vorn an: Ja, er werde bei der Landtagswahl 2023 wieder antreten, sagte er bei der Präsentation seiner neuen Landesräte.

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ausa finita? Man wird sehen. Das Rumoren wird wohl weitergehen. Unterschätzen sollte man Günther Platter, den Armin Laschet aus Zams, aber auch nicht. Denn unterschätzt wurde er schon oft. Als Verteidigungs- und Innenminister wurde der ehemalige Gendarm nicht immer ganz ernst genommen. Dass er dereinst Landeshauptmann wird – damals gab es noch Kaliber wie Erwin Pröll, Michael Häupl oder Jörg Haider in der Landespolitik –, hätten ihm auch nicht viele zugetraut. Vor allem nicht, dass er es so lang bleibt. Er ist es immerhin schon knapp 13 Jahre. In einem bröckelnden Gemäuer allerdings, jenem der Tiroler Volkspartei.

Mehr zum Thema: Seiten 2 und 3 E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

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