Fachliches
Sinnesleistung und Zuwachs – Rotwild wird unterschätzt Trotz intensivster Bejagung wachsen Rotwildbestände mancherorts weiter an. Dies nicht zu-letzt, weil Rotwild in seinen Sinnesleistungen und Zuwachsraten unterschätzt wird. Hohe Ab-schussvorgaben und verzögerte Abschusserfüllung erhöhen meist den Jagddruck und verän-dern das Raum-Zeit-Verhalten des „belehrten“ Rotwildes. Mit steigendem Bejagungsaufwand und meist sinkendem Abschusserfolg lässt die Motivation der verantwortlichen Jäger nach und das Ziel einer effizienten Rotwildregulierung rückt immer weiter in die Ferne. Nicht zu vernach-lässigen ist auch der mit den steigenden Schwarzwildbeständen zunehmende Jagddruck auf Schwarzwild, der ebenfalls Auswirkungen auf das Raum-Zeit-Verhalten des Rotwildes hat. Univ. Doz. Dr. Armin Deutz
© Foto: A. Duscher
W
ährend der Wolf das Rotwild in Rudeln jagt(e), wird es heute vom Menschen vielerorts nach „Luchsmanier“, also bei der Einzeljagd, erlegt. Doch es hat herausgefunden, wie es sich dieser Form der Bejagung sehr erfolgreich entziehen kann. So passt es sein Raumnutzungsverhalten sehr geschickt der jeweiligen Bejagungsstrategie an. In Bergrevieren hat das Rotwild zwei un-terschiedliche Strategien entwickelt, um sich der Bejagung zu entziehen – entweder im Auswei-chen in extrem schwierig bejagbares Gelände (z.B. unerschlossene Hochlagen) oder Zurückzie-hen in deckungsreiche Waldeinstände. Im Flachland dienen selbst Maisfelder oder Schilfflächen als deckungsreiche sicher Einstände. Warum sollte das Wild also bei Tageslicht auf Freiflächen austreten, wenn es dort erfahrungs-gemäß zu bestimmten Zeiten besonders gefährlich ist? Durch langjährig hohen Jagddruck auf den Freiflächen ist diese Tendenz gewaltig verstärkt worden (vor allem durch Abendansitze am Waldrand, wenn das hungrige Wild auf Grünlandflächen ausziehen will). Wie in Telemetrie-Pro03/2020
jekten wiederholt gezeigt werden kann, ist „klug geschossenes“ Rotwild nur noch selten auf guten Äsungsflächen außerhalb der Deckung anzutreffen – und wenn, dann allenfalls während der Nachtstunden. Es bleibt zwar dämmerungsaktiv, aber eben innerhalb der schützenden Ein-stände.
Sinnesleistungen, Erfahrung und Erbgut Bei dem Vermögen, die menschliche Witterung auf einige 100 Meter bis über einen Kilometer zu wittern und negative Erfahrungen rund fünf Jahre zu speichern, darf man sich dann nicht wundern, wenn Rotwild unsichtbar
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